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AKTUELL<br />
«Ich bevorzuge den schnellsten Weg»<br />
Oswald J. Grübel ist der neue CEO der Credit Suisse Financial Services (CSFS). Von 1998 bis 2001<br />
leitete er bereits äusserst erfolgreich den Geschäftsbereich Private Banking, bevor dieser in die CSFS<br />
integriert wurde. Interview: Bettina Bucher und Bettina Junker<br />
Bulletin Eigentlich glaubte man Sie bereits<br />
im verdienten Ruhestand. Dann sind Sie<br />
Anfang Juli in einer schwierigen Zeit als CEO<br />
der CSFS zurückgekehrt. Haben Sie diesen<br />
Schritt je bereut?<br />
Oswald J. Grübel Nein, nie. Lange Zeit hatte<br />
ich ja nicht, um mich an den Ruhestand zu<br />
gewöhnen. Für mich war und ist die Credit<br />
Suisse Group die beste Firma, die ich je<br />
gekannt habe. Und entsprechend gross ist<br />
meine Motivation, in dieser Zeit meinen<br />
Teil zum Erfolg beizutragen.<br />
Ehemalige Mitarbeiter von Ihnen sind voll<br />
des Lobes für Sie. Was ist Ihnen als Chef<br />
wichtig? Ich bin jemand, der sich nicht<br />
scheut, den schnellsten Weg zu wählen.<br />
Wenn ich eine Information brauche, rufe ich<br />
direkt den Mitarbeiter an, von dem ich<br />
glaube, dass er sie mir geben kann – und<br />
gehe nicht etwa über seinen Chef. Kommunikation<br />
muss schnell und unkompliziert<br />
sein. Das Gleiche gilt für Entscheidungswege.<br />
War die angestrebte Vision eines Allfinanzkonzerns<br />
ein Fehlentscheid? Die Idee kam<br />
Ende der Neunzigerjahre auf, also in einem<br />
Bullenmarkt-Umfeld. Da sahen alle nur<br />
die steigenden Erträge. Heute gilt es, die<br />
Allfinanzstrategie den neuen Umständen<br />
Oswald J. Grübel,<br />
CEO der CSFS, will die<br />
Winterthur wieder zur<br />
alten Stärke zurückführen.<br />
anzupassen. Die Erfahrung der letzten<br />
Jahre hat uns gezeigt, dass sich Lebensversicherungen<br />
problemlos an einem<br />
Bankschalter verkaufen lassen. Auf der<br />
anderen Seite kann die Bank das Angebot<br />
der Versicherung auch gut mit Hypotheken<br />
anreichern. Unrealistisch bleibt die Idee,<br />
zum Beispiel Autoversicherungen in einer<br />
Bank verkaufen zu wollen. Der Bankbereich<br />
kann aber der Winterthur in der Kreierung<br />
von Produkten und im Asset Management<br />
Unterstützung bieten. Auch kann die<br />
Credit Suisse Group der Winterthur bei der<br />
Stärkung der Kapitalbasis beistehen. Die<br />
Winterthur profitiert also ihrerseits von der<br />
Einbindung in die Credit Suisse.<br />
Was bedeutet das für die Winterthur? In den<br />
letzten Wochen kursierten immer wieder<br />
Gerüchte eines möglichen Verkaufs. Diese<br />
Gerüchte entbehren jeglicher Grundlage.<br />
Die Winterthur ist ein wichtiger Teil der<br />
CSFS. Es ist eines unserer Hauptziele, die<br />
Winterthur wieder zur besten und profitabelsten<br />
Versicherung zu machen.<br />
Gleichwohl sprachen Sie an der Halbjahres-<br />
Pressekonferenz von einem Stopp der<br />
Integrationsbemühungen. Wird die Winterthur<br />
nun wieder eigenständiger? Durch den<br />
starken Brand-Namen hatte die Winterthur<br />
schon immer eine grosse Eigenständigkeit<br />
im Auftritt behalten. Organisatorisch gibt es<br />
aber einige Bereiche, die sinnvollerweise<br />
zentral unter dem Dach der CSFS geführt<br />
werden. Daran werden wir auch in Zukunft<br />
nichts ändern.<br />
Wie steht es denn um die Kapitalbasis der<br />
Winterthur? Hier gab es ja auch viele<br />
Gerüchte in letzter Zeit. Im zweiten Quartal<br />
20<strong>02</strong> hat die Credit Suisse Group der<br />
Winterthur Kapital in Höhe von insgesamt<br />
1,7 Milliarden Franken zugeführt. Per Mitte<br />
Jahr erfüllte die Winterthur die Kapitalanforderungen<br />
in allen Ländern, in denen<br />
sie tätig ist. Ausserdem hat die Winterthur<br />
Massnahmen getroffen, um die Auswirkungen<br />
der aktuellen Volatilität an den<br />
Aktienmärkten auf die Kapitalbasis zu begrenzen.<br />
Zusätzlich hat die Credit Suisse<br />
Group weitere Schritte eingeleitet, um die<br />
Kapitalbasis in den Versicherungsbereichen<br />
im zweiten Halbjahr zu verstärken.<br />
Sehr schmerzhaft dürfte für Sie als ehemaliger<br />
Private-Banking-Chef die gesunkene Profitabilität<br />
dieses Geschäftsbereichs sein. Wo<br />
liegen die Probleme? Das hat vorwiegend<br />
mit dem Markt zu tun. Die Kunden verhalten<br />
sich bei sinkenden Märkten eher passiv.<br />
Das drückt die volumenabhängigen Erträge.<br />
Wir haben unseren Kunden schon früh<br />
marktneutrale Anlagen empfohlen. Wer<br />
diesem Rat gefolgt ist, hat kein Geld verloren.<br />
Leider wurde zu wenig von diesen marktneutralen<br />
Investment-Produkten Gebrauch<br />
gemacht.<br />
Wie geht es mit der CSFS in der zweiten<br />
Jahreshälfte weiter? Das dritte Quartal ist<br />
saisonal bedingt ein schwaches. Kommt<br />
hinzu, dass durch die Besonderheiten der<br />
Versicherungsbuchhaltung die Aussichten<br />
für die Winterthur im zweiten Halbjahr<br />
auf Grund des zu erwartenden tiefen Finanzergebnisses<br />
ebenfalls nicht sehr positiv<br />
sind. Umso mehr müssen wir uns im Banking-Bereich<br />
anstrengen, wo wir weniger<br />
vom Markt abhängig sind.<br />
Credit Suisse Bulletin 4-<strong>02</strong> 27