18.10.2017 Aufrufe

BIBER 10_17-2

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

MEINUNG<br />

WIEN MUSEUM<br />

KARLSPLATZ<br />

„KURZ HAT GEWONNEN – DAS IST DEINE CHANCE!“<br />

Kommentar von Amar Rajković<br />

Endlich vorbei. Der schmutzigste und emotionalste Wahlkampf<br />

seit Langem hat einen klaren Sieger. Sebastian<br />

Kurz hat die richtigen Knöpfe gedrückt. Westbalkanroute,<br />

muslimische Kindergärten, Burka-Verbot. Der Mix war<br />

monothematisch, zog aber bei den Wählern. Vergessen<br />

waren die Versachlichungsversuche des 31-jährigen ÖVP-<br />

Spitzenkandidaten in der Integrationsdebatte, vergessen<br />

seine Versuche, an Credibility zu gewinnen, indem er<br />

seinen Heimatbezirk Wien-Meidling als Multi-Kulti-Ort<br />

deklarierte, vergessen die Tatsache, dass der Islam seit<br />

über <strong>10</strong>0 Jahren als Religion in Österreich anerkannt ist.<br />

Als Biber-Redakteur der ersten Stunde lernte ich den<br />

damaligen Obmann der Jungen ÖVP in Wien erstmals<br />

am Telefon kennen. Kurz sollte an einer Spitzenrunde der<br />

Jugendvertreter im Vorfeld der Nationalratswahlen 2008<br />

teilnehmen. Er war sehr höflich, sagte aber ab. Nur drei<br />

Jahre später wurde er zum Shootingstar der Politik. Kurz<br />

stieg zum Integrationsstaatssekretär auf.<br />

VOM KABABSTAND INS KANZLERAMT<br />

Damals entschied biber, den Meidlinger in einer Kebabbude<br />

zu fotografieren. Das Foto wurde Cover und wir<br />

bekamen viel Kritik ab. Wir würden einen unerfahrenen<br />

Quereinsteiger mit Schnöselbackground heroisieren und<br />

hypen. Intern wollten wir Kurz nach seinen Taten messen,<br />

die Witze von vielen Kollegen aus den Mainstream-Medien<br />

über seine großen Ohren fand ich nur peinlich und eines<br />

Journalisten nicht würdig.<br />

Als Magazin, das vor allem Leser mit Migrationsvorderund-hintergründen<br />

hat, schauten wir ganz genau, was der<br />

„Staats-Integrator“ für Aktionen setzte. Damals erfolgte<br />

auch meine Reise mit Kurz nach Sarajevo - nach der Jahrhundertflut<br />

im ehemaligen Bürgerkriegsland. Meine Tante<br />

aus Mostar war stolz auf mich. Ihr Neffe auf Pressereise<br />

rajkovic@dasbiber.at<br />

zusammen mit Österreichs Außenminister. Gehts noch<br />

besser?<br />

Dann die Wende: 2015 versucht mehr als eine Million<br />

Menschen über den „Westbalkan“ (Ein Begriff, den Kurz<br />

mitprägte - als jemand, der in Mostar geboren ist, habe<br />

ich diese Bezeichnung nie gehört) zu flüchten. Die Zivilgesellschaft<br />

zeigt sich von ihrer besten Seite, Österreich<br />

legt das Image des Suderanten ab und hilft. Humanisten<br />

machen Freudenssprünge, vergessen war „Schwarz-Blau“<br />

am Anfang dieses Jahrtausends, das uns den Hypo-<br />

Skandal oder die Buwog-Affäre beschert hatte. Bis Kurz<br />

das Flüchtlingsthema für sich entdeckte und erfolgreich<br />

instrumentalisierte, Bosniens Hauptstadt Sarajevo zum<br />

Hort der Burka-Trägerinnen erhob und islamische Kindergärten<br />

für die Probleme unserer Gesellschaft verantwortlich<br />

machte. Das ist nicht nur falsch, sondern auch<br />

opportunistisch. Und das ist das Letzte, was ich mir von<br />

meinem zuküntigen Kanzler erwarte.<br />

Ich habe kurz nach 18 Uhr am Wahlsonntag das erste<br />

Mal von dem Ergebnis erfahren. Und es war nicht der<br />

Standard-Ticker. Nein, es war meine Tante, die mir aus<br />

Mostar schrieb: „Kurz hat gewonnen, du kennst ihn ja,<br />

das ist deine Chance!“ Nachdem ich ihr erklärt habe, dass<br />

ich Herrn Kurz – außer von Interviews – kaum kenne und<br />

diesen Ausgang nicht so rosig wie sie sehe, dachte ich<br />

mir leise: „Herr Kurz, das ist Ihre Chance – um mich und<br />

so viele andere enttäuschte Wähler davon zu überzeugen,<br />

dass Sie keine salonfähige Strache-Kopie sind. Es ist<br />

Ihre Chance für alle Frauen, Männer, Kinder, Jugendliche,<br />

Homosexuelle, Behinderte, Muslime, Christen, Atheisten<br />

(sorry, falls ich eine Gruppe ausgelassen habe) für eine<br />

bessere Zukunft zu sorgen und auch Inhaltliches in Fragen<br />

der Digitalisierung, Bildung und Arbeitsmarkt zu liefern.<br />

Und kommen Sie mir ja nicht mit der Westbalkanroute. ●<br />

Marko Mestrović<br />

Gustav, 2008, Foto: Thomas Degen<br />

Falco, 1985, Foto: Didi Sattmann<br />

ganz<br />

Wien<br />

14.9.20<strong>17</strong> Eine<br />

–25.3.2018 Pop-Tour<br />

Kruder & Dorfmeister, 1993, Foto: Gerhard Heller<br />

Helmut Qualtinger, 1956/57, Foto: unbekannt<br />

HAUPTSPONSOR DES WIEN MUSEUMS AUSSTELLUNGSSPONSOR MEDIENPARTNER<br />

20 / POLITIKA /

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!