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MEINUNG<br />
WIEN MUSEUM<br />
KARLSPLATZ<br />
„KURZ HAT GEWONNEN – DAS IST DEINE CHANCE!“<br />
Kommentar von Amar Rajković<br />
Endlich vorbei. Der schmutzigste und emotionalste Wahlkampf<br />
seit Langem hat einen klaren Sieger. Sebastian<br />
Kurz hat die richtigen Knöpfe gedrückt. Westbalkanroute,<br />
muslimische Kindergärten, Burka-Verbot. Der Mix war<br />
monothematisch, zog aber bei den Wählern. Vergessen<br />
waren die Versachlichungsversuche des 31-jährigen ÖVP-<br />
Spitzenkandidaten in der Integrationsdebatte, vergessen<br />
seine Versuche, an Credibility zu gewinnen, indem er<br />
seinen Heimatbezirk Wien-Meidling als Multi-Kulti-Ort<br />
deklarierte, vergessen die Tatsache, dass der Islam seit<br />
über <strong>10</strong>0 Jahren als Religion in Österreich anerkannt ist.<br />
Als Biber-Redakteur der ersten Stunde lernte ich den<br />
damaligen Obmann der Jungen ÖVP in Wien erstmals<br />
am Telefon kennen. Kurz sollte an einer Spitzenrunde der<br />
Jugendvertreter im Vorfeld der Nationalratswahlen 2008<br />
teilnehmen. Er war sehr höflich, sagte aber ab. Nur drei<br />
Jahre später wurde er zum Shootingstar der Politik. Kurz<br />
stieg zum Integrationsstaatssekretär auf.<br />
VOM KABABSTAND INS KANZLERAMT<br />
Damals entschied biber, den Meidlinger in einer Kebabbude<br />
zu fotografieren. Das Foto wurde Cover und wir<br />
bekamen viel Kritik ab. Wir würden einen unerfahrenen<br />
Quereinsteiger mit Schnöselbackground heroisieren und<br />
hypen. Intern wollten wir Kurz nach seinen Taten messen,<br />
die Witze von vielen Kollegen aus den Mainstream-Medien<br />
über seine großen Ohren fand ich nur peinlich und eines<br />
Journalisten nicht würdig.<br />
Als Magazin, das vor allem Leser mit Migrationsvorderund-hintergründen<br />
hat, schauten wir ganz genau, was der<br />
„Staats-Integrator“ für Aktionen setzte. Damals erfolgte<br />
auch meine Reise mit Kurz nach Sarajevo - nach der Jahrhundertflut<br />
im ehemaligen Bürgerkriegsland. Meine Tante<br />
aus Mostar war stolz auf mich. Ihr Neffe auf Pressereise<br />
rajkovic@dasbiber.at<br />
zusammen mit Österreichs Außenminister. Gehts noch<br />
besser?<br />
Dann die Wende: 2015 versucht mehr als eine Million<br />
Menschen über den „Westbalkan“ (Ein Begriff, den Kurz<br />
mitprägte - als jemand, der in Mostar geboren ist, habe<br />
ich diese Bezeichnung nie gehört) zu flüchten. Die Zivilgesellschaft<br />
zeigt sich von ihrer besten Seite, Österreich<br />
legt das Image des Suderanten ab und hilft. Humanisten<br />
machen Freudenssprünge, vergessen war „Schwarz-Blau“<br />
am Anfang dieses Jahrtausends, das uns den Hypo-<br />
Skandal oder die Buwog-Affäre beschert hatte. Bis Kurz<br />
das Flüchtlingsthema für sich entdeckte und erfolgreich<br />
instrumentalisierte, Bosniens Hauptstadt Sarajevo zum<br />
Hort der Burka-Trägerinnen erhob und islamische Kindergärten<br />
für die Probleme unserer Gesellschaft verantwortlich<br />
machte. Das ist nicht nur falsch, sondern auch<br />
opportunistisch. Und das ist das Letzte, was ich mir von<br />
meinem zuküntigen Kanzler erwarte.<br />
Ich habe kurz nach 18 Uhr am Wahlsonntag das erste<br />
Mal von dem Ergebnis erfahren. Und es war nicht der<br />
Standard-Ticker. Nein, es war meine Tante, die mir aus<br />
Mostar schrieb: „Kurz hat gewonnen, du kennst ihn ja,<br />
das ist deine Chance!“ Nachdem ich ihr erklärt habe, dass<br />
ich Herrn Kurz – außer von Interviews – kaum kenne und<br />
diesen Ausgang nicht so rosig wie sie sehe, dachte ich<br />
mir leise: „Herr Kurz, das ist Ihre Chance – um mich und<br />
so viele andere enttäuschte Wähler davon zu überzeugen,<br />
dass Sie keine salonfähige Strache-Kopie sind. Es ist<br />
Ihre Chance für alle Frauen, Männer, Kinder, Jugendliche,<br />
Homosexuelle, Behinderte, Muslime, Christen, Atheisten<br />
(sorry, falls ich eine Gruppe ausgelassen habe) für eine<br />
bessere Zukunft zu sorgen und auch Inhaltliches in Fragen<br />
der Digitalisierung, Bildung und Arbeitsmarkt zu liefern.<br />
Und kommen Sie mir ja nicht mit der Westbalkanroute. ●<br />
Marko Mestrović<br />
Gustav, 2008, Foto: Thomas Degen<br />
Falco, 1985, Foto: Didi Sattmann<br />
ganz<br />
Wien<br />
14.9.20<strong>17</strong> Eine<br />
–25.3.2018 Pop-Tour<br />
Kruder & Dorfmeister, 1993, Foto: Gerhard Heller<br />
Helmut Qualtinger, 1956/57, Foto: unbekannt<br />
HAUPTSPONSOR DES WIEN MUSEUMS AUSSTELLUNGSSPONSOR MEDIENPARTNER<br />
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