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BIBER 10_17-2

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MEINUNG<br />

EXTREMFALL, ABER KEIN EINZELFALL<br />

Kommentar von Nada El-Azar<br />

Als ich mit 19 über ein Wochenende verreisen wollte,<br />

stahlen mir meine Eltern den Reisepass aus meinem<br />

Zimmer und leugneten dies – eigentlich eine Straftat, die<br />

man zur Anklage bringen könnte. Als bei einer Freundin<br />

herauskam, dass sie eine heimliche Beziehung hatte,<br />

musste sie mit ihm Schluss machen und ihr wurde die<br />

Zimmertür aus den Angeln genommen – keine Geheimnisse<br />

mehr! Ewigen Hausarrest bekam sie sowieso, sie<br />

durfte von überall nur mehr vom Papa abgeholt werden.<br />

Offizielle Schritte gegen Familienmitglieder einzuleiten<br />

ist ein richtiges Dilemma, selbst wenn es um persönliche<br />

Freiheiten geht, die in Österreich jeder genießen<br />

sollte. Die 14-jährige Afghanin unternahm etwas, suchte<br />

Schutz in einem Krisenzentrum, weil sie sich „eingesperrt“<br />

gefühlt haben soll. Ihr 18-jähriger Bruder wird sich plötzlich<br />

als Wächter der sogenannten „Familienehre“ gefühlt<br />

haben – und ließ sie für ein bisschen Freiheit mit dem<br />

Leben bezahlen.<br />

Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass der<br />

voreheliche Auszug eines Mädchens aus dem Elternhaus<br />

in islamischen Kulturkreisen teilweise als absolute Schande<br />

gilt. Denn Frauen haben bei ihren Eltern zu wohnen,<br />

bis sie einen anständigen Muslim heiraten, um dann in<br />

dessen Wohnung mit einzuziehen. Das hörte nicht nur ich,<br />

sondern auch viele andere Mädchen aus muslimischen<br />

Familien, die ich kenne. Und wer etwas dagegen hat, kassiert<br />

schnell mal eine Tracht Prügel – das kommt durchaus<br />

vor. „Nur weil wir hier leben, heißt das nicht, dass du hier<br />

alles machen kannst, wie die Österreicher. Du bist die<br />

Tochter von Muslimen! Wie soll ich das den Leuten erklären,<br />

was du mit uns machst?!“<br />

EINE GEFÄHRLICHE DOPPELMORAL<br />

Ob das so im Koran steht? Das ist, meiner Meinung nach,<br />

eigentlich irrelevant. Denn Religion und Tradition sind<br />

el-azar@dasbiber.at<br />

44 / MIT SCHARF /<br />

vor allem in arabischen Kulturkreisen so eng miteinander<br />

verflochten, dass es nicht ausreichend ist, darauf zu<br />

verweisen, dass die eine oder andere Sitte vielleicht eh<br />

nicht so im Koran geschrieben steht. Klar, es gibt genug<br />

Familien, bei denen es normal zugeht. Aber es gibt eben<br />

auch genug Familien, in denen Mädchen schon früh am<br />

Abend zuhause zu sein haben, weil es sich nicht gehört,<br />

nachts unterwegs zu sein – Volljährigkeit hin oder her!<br />

Was ist, wenn die Kinder von Familie XY sie in der Disko<br />

sehen? Wie sollen sich die Eltern vor den muslimischen<br />

Bekannten rechtfertigen, wenn das rauskommt? Die<br />

Geschlechterapartheid wird von klein auf gelebt: Mädchen<br />

haben mit Buben nichts zu tun! Und, dass in Österreich<br />

die Verletzung der körperlichen Integrität nicht normal ist,<br />

verstand ich selbst auch viel zu spät. Ein Freund der Familie<br />

sagte mal: Die beste Aufmerksamkeit, die eine Tochter<br />

aus frommem Hause haben kann, ist überhaupt keine.<br />

Und ob ihre Brüder nachts unterwegs sein dürfen? Klar,<br />

weil die Buben auf sich selbst aufpassen können!<br />

Und das ist der springende Punkt. Diese Doppelmoral<br />

kann sogar tödlich enden, wie man sieht. Den „Druck“,<br />

vor dem das 14-jährige Mordopfer geflüchtet ist, kann ich<br />

absolut nachvollziehen. Ihr Fall ist ein Extrembeispiel. Aber<br />

die Situation, aus der dieser Mord resultiert ist, ist bei<br />

Weitem keine Einzelerscheinung.<br />

Ich finde, dass eine Menge Werte in vielen muslimischen<br />

Familien falsch vermittelt werden, und auch viel darüber<br />

geschwiegen wird, wenn es zu Übergriffen im Elternhaus<br />

kommt. Viele Opfer suchen sich keine Hilfe, aus Angst, die<br />

Familie zu spalten. Bei der „Mehrheitsgesellschaft“ gibt es<br />

die Angst, als islamophob oder Rassist abgestempelt zu<br />

werden, wenn man Kritik gegen diese Strukturen übt. Es<br />

muss mehr Aufklärungsarbeit und eine starke Sensibilisierung<br />

her, dann erst wird man solche Gräueltaten verhindern<br />

können. ●<br />

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