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Ausgeschuftet:<br />
Wenn Mama in Pension geht<br />
Mama schlägt sich in den ersten Jahren in<br />
Österreich mit diversen Jobs durch: Tellerwäscherin,<br />
Köchin, Haushaltsgehilfin.<br />
Meine Mutter als Teenagerin, kurz bevor sie nach Österreich auswandert.<br />
Ein Leben lang hat sie hart gearbeitet. Damit ist nun<br />
Schluss. Über Mamas Pensionsantritt und meine Ängste:<br />
Von Alexandra Stanić<br />
Ich habe heute verschlafen“,<br />
schreibt mir meine Mutter auf<br />
WhatsApp. „Das erste Mal in 32<br />
Jahren.“ Es ist Mamas vorletzter<br />
Arbeitstag, ein neues Kapitel in<br />
ihrem Leben beginnt: ihre Pension. Wenn<br />
wir über den Ruhestand reden, fühlt es<br />
sich an, als wäre sie in Aufbruchsstimmung.<br />
Während sie aufgekratzt und<br />
fröhlich ist, bekomme ich es mit der<br />
Angst zu tun.<br />
Spulen wir zurück: Es ist das Jahr<br />
1978. Meine Mutter ist <strong>17</strong> Jahre alt und<br />
gerade in Österreich angekommen. Sie<br />
hat Jugoslawien ohne finanzielle Mittel,<br />
Sprachkenntnisse und Zukunftsperspektive<br />
verlassen und ist dringend auf der<br />
Suche nach einem Job. Mama stammt<br />
aus ärmlichen Verhältnissen, mit ihrer<br />
Lehre als Schneiderin kann sie die Familie<br />
finanziell nicht genug unterstützen.<br />
In den ersten Wochen kommt sie in der<br />
Einzimmer-Wohnung einer entfernten<br />
Verwandten unter. Danach schlägt sie<br />
sich mit diversen Jobs durch: Tellerwäscherin,<br />
Köchin, Haushaltsgehilfin. Nach<br />
sieben Jahren erhält sie eine 40-Stunden<br />
Anstellung in der Druckerei eines Glücksspielkonzerns.<br />
Hier wird sie bis zu ihrer<br />
Pensionierung arbeiten.<br />
Neben ihrer Vollzeitbeschäftigung<br />
eröffnet sie zusammen mit meinem<br />
Vater zuerst ein Wirtshaus, dann ein<br />
Café. Mama steht morgens um 4:30 auf,<br />
verlässt um 15:30 ihren Arbeitsplatz<br />
und fährt danach direkt ins Gasthaus.<br />
Am Wochenende arbeitet sie im Café.<br />
In dieser Zeit sehe ich sie nur selten,<br />
trotzdem fehlt es mir nie an Liebe und<br />
Unterstützung. Meine Eltern haben meinen<br />
Schwestern und mir von klein auf<br />
vermittelt, dass man hart arbeiten muss,<br />
wenn man etwas erreichen möchte. Die<br />
beiden gingen mit gutem Beispiel voran<br />
und beschwerten sich nie über ihre Jobs.<br />
Papa leistete jahrzehntelang Nachtund<br />
Schwerstarbeit in einer Fabrik und<br />
arbeitet oft zwei Schichten nacheinander.<br />
Die Folgen der vielen Arbeit bleiben nicht<br />
unbemerkt: Mama leidet an schwerer<br />
Migräne und kämpft gegen schlimme<br />
Rückenschmerzen. Papa hatte zwei<br />
Schulteroperationen.<br />
Spricht meine Mutter heute über<br />
ihre Arbeit, betont sie trotzdem immer<br />
wieder, wie gut es ihr gegangen ist.<br />
„Mein Chef war mir gegenüber sehr fair“,<br />
erzählt sie dann. „Es war nie ein Problem,<br />
wenn ich früher nach Hause musste,<br />
wenn du oder eine deiner Schwestern<br />
Grippe hatten.“ Was ich als selbstverständlich<br />
empfinde, findet meine Mutter<br />
besonders zuvorkommend. Nie habe ihr<br />
jemanden auf die Finger geschaut oder<br />
sich darüber beschwert, wenn sie mit mir<br />
telefoniert. Eine ihrer Arbeitskolleginnen<br />
zählt heute zu ihren besten Freundinnen.<br />
Wenn sie und ich uns über meinen Job<br />
unterhalten, merke ich, dass sie viel von<br />
sich in mir erkennt. Sie wiederholt dann<br />
oft, dass ich mir nicht zu viel vornehmen<br />
soll, dass Papa und sie geschuftet<br />
haben, damit ich mir keine Gedanken um<br />
meine Zukunft machen muss. Dass ich<br />
viel reisen und nicht zu viel übers Geld<br />
nachdenken soll.<br />
SUZI<br />
Bei Mamas Pensionsfeier gibt es Rostbraten,<br />
Schnitzel, Kartoffelsalat und<br />
diverse Wurst- und Aufstrichsorten:<br />
Österreichischer geht es wohl kaum.<br />
Zum ersten Mal lerne ich all ihre Arbeitskolleginnen<br />
kennen und sehe, wo sie all<br />
die Jahre gearbeitet hat. Mehr als 30<br />
kommen, um sich von Mama zu verabschieden.<br />
Da wäre die junge Frau mit<br />
den vielen Tattoos und Piercings, von der<br />
meine Mutter mir erzählt hat und mit der<br />
sie sich – trotz der vielen sehr offensichtlichen<br />
Unterschiede - blendend versteht.<br />
Dann noch ihre hochschwangere Kollegin,<br />
die in Karenz ist und nur ihretwe-<br />
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