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DAS<br />

Ghostwriter, Studentenagenturen und türkische<br />

Unternehmer – sie alle machen das große Geschäft<br />

mit Studenten aus der Türkei.<br />

Von Melisa Erkurt<br />

BUSINESS<br />

MIT DEN<br />

TÜRKISCHEN<br />

STUDENTEN<br />

Türkische Studenten finanzieren mir meine<br />

Urlaube.“ Felix * ist 25, Politikwissenschaften-Absolvent<br />

der Uni Wien und Ghostwriter<br />

– mit Spezialisierung auf türkische<br />

Studenten. In Prüfungsmonaten verdient er bis zu<br />

1200 Euro. In seinem Repertoire: Prüfungen schreiben<br />

(<strong>10</strong>0€), Hausübungen (50€), Referate (<strong>10</strong>0€)<br />

und Seminararbeiten (30€ pro Seite). Bei Prüfungen<br />

schicken ihm seine Klienten während der Prüfung<br />

die Fragen per WhatsApp und er antwortet. Als er<br />

selbst noch studiert hat, hat sich Felix im Prüfungssaal<br />

neben seine Klienten gesetzt, die Prüfung für sie<br />

geschrieben und selbst nur ein leeres Blatt abgegeben.<br />

„Ich habe ein und dieselbe Prüfung schon drei<br />

bis viermal für andere geschrieben. Für mein eigenes<br />

Studium musste ich dann kaum mehr lernen“, so der<br />

25-Jährige. Dafür haben die meisten seiner Klienten<br />

das Studium vor ihm abgeschlossen – trotz mangelnder<br />

Deutschkenntnisse.<br />

Am liebsten schreibt der 25-Jährige aber Hausübungen<br />

für andere. Ihn kostet das zehn Minuten,<br />

in denen er 50 Euro verdient. Außerdem ist das ein<br />

kontinuierlicher Verdienst, der über das ganze Semester<br />

geht. „Zu Beginn des Semesters geben mir die türkischen<br />

Studenten ihr univis-Passwort, ich logge mich<br />

ein und gebe dort Woche für Woche ihre Hausaufgaben<br />

ab.“ Für <strong>10</strong>0 Euro verfasst Felix auch Praktikumsberichte<br />

über Praktika von türkischen Studenten bei der ÖVP<br />

Favoriten.<br />

Früher hat er das alles auch für Bekannte und<br />

Freunde gemacht, mittlerweile achtet Felix darauf, nie<br />

direkten Kontakt zu seinen Klienten zu haben. Es läuft<br />

alles über einen Vermittler. Felix möchte nicht, dass die<br />

Studenten seine Nummer oder Mail-Adresse haben.<br />

Der Vermittler übergibt ihm auch das Geld, wobei er<br />

von den Studenten zusätzlich zu Felix’ Honorar noch 20<br />

Euro als eine Art Vermittlungsgebühr von den Studenten<br />

verlangt.<br />

Felix verdient gut, der Vermittler verdient sich ein<br />

Taschengeld dazu und die türkischen Studenten werden<br />

positiv benotet und erhalten die 16 ECTS, die sie für die<br />

Verlängerung ihres Studenten-Visums brauchen. Das<br />

Geschäft läuft für alle Beteiligten gut – zumindest auf<br />

30 Euro verlangt Felix * für diese Seite.<br />

den ersten Blick. Dass viele Studenten für zwei Euro<br />

pro Stunde arbeiten, um die Ghostwriter zu bezahlen<br />

und Probleme mit den türkischen Studentenagenturen<br />

haben, sieht man erst auf den zweiten Blick.<br />

Als türkischer Student nach Österreich zu kommen<br />

ist schwerer geworden. Nicht nur wegen der bürokratischen<br />

Hürden oder der mangelnden Deutschkenntnisse,<br />

sondern auch wegen der Einstellung Türken<br />

gegenüber. Deshalb inskribieren sich von Jahr zu Jahr<br />

weniger türkische Staatsbürger an den österreichischen<br />

Unis. Während sich im Wintersemester 2015/16 3.709<br />

TürkInnen an einer österreichischen Hochschule eingeschrieben<br />

haben, waren es im Wintersemester 2016/<strong>17</strong><br />

„nur“ 3.418. Die Studenten sind sich bewusst, dass<br />

Österreicher der Türkei aufgrund der politischen Lage<br />

kritisch gegenüber stehen, weshalb sich die wenigsten<br />

alleine nach Österreich trauen - so gut wie alle kommen<br />

nur noch über türkische Studenten-Agenturen<br />

nach Österreich – die damit das Geschäft ihres Lebens<br />

machen.<br />

1200 EURO<br />

So wie Emel * . Die 22-Jährige ist 2015 mit „AED Housing<br />

Vienna“ – dem zurzeit größten Anbieter – zum Studieren<br />

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