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stahlmarkt 12.2017 (Dezember)

Stahlmarkt-Barometer, Digitale Transformation, Steel International, Markieren & Kennzeichnen, Bauen mit Stahl, Steel Art & Culture, EMO Nachbericht

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6<br />

SEITENBLICK<br />

Locker lassen<br />

Chefs verzichten auf die Krawatte, tragen Jeans und lassen sich duzen:<br />

Die Umgangsformen in vielen Unternehmen werden lockerer. Selbst in<br />

traditionellen Branchen macht sich Start-up-Kultur breit. Die Botschaft<br />

lautet: Wir sind agil und offen für Neues. Ein lässiger Dresscode kann<br />

jedoch allenfalls eine Veränderung begleiten, die ohnehin in Gang ist.<br />

»Hallo, ich bin Detlef.« Die Mitarbeiter<br />

der Baumarktkette toom staunten nicht<br />

schlecht, als sich der Vorsitzende der Ge -<br />

schäftsführung ihnen vor ein paar Monaten<br />

plötzlich mit Vornamen vorstellte. Die Führungsmannschaft<br />

des Unternehmens hatte<br />

beschlossen, dass von nun an ein anderer<br />

Ton in den Büros und Märkten herrschen<br />

solle: ein vertrauliches Du statt des gewohnten<br />

distanzierten Sie. Die neue Sprachregelung<br />

bei toom steht für einen Trend. Immer<br />

mehr Unternehmen<br />

lockern Umgangsformen<br />

und werfen<br />

gleichzeitig Kleiderordnungen<br />

über<br />

Bord. Chefs von<br />

Dax- oder MDax-<br />

Unternehmen legen Anzug und Krawatte<br />

ab und zeigen sich bei offiziellen Anlässen<br />

ihres Arbeitgebers auch schon mal im offenen<br />

Hemd und Jeans. Der klassische Dresscode,<br />

in vielen Branchen über Jahrzehnte<br />

unantastbar, hat vielerorts ausgedient.<br />

Treiber dieser Entwicklung ist laut Modeexperten<br />

und Stilberatern die Start-up-Kultur.<br />

Die Szene, in der abseits ausgetretener<br />

Pfade schnelle und unkonventionelle Entscheidungen<br />

getroffen werden – von Menschen<br />

in Kapuzen- oder Rollkragenpullovern<br />

wie sie Apple-Chef Steve Jobs früher stets<br />

bei seinen Präsentationen trug und sich<br />

damit ganz bewusst von der Old Economy<br />

absetzte. Da möchten sich Manager traditioneller<br />

Branchen gerne einreihen und imitieren<br />

den Kleidungsstil. Die Botschaft dazu<br />

lautet: Wir halten uns nicht mit Förmlichkeiten<br />

auf, wir sind offen für Neues. Wir sind<br />

agil und innovativ – und damit auch ein<br />

attraktiver Arbeitgeber für kreative Köpfe<br />

aus der Start-up-Szene.<br />

Ist diese neue Lässigkeit glaubwürdig?<br />

Wie kommen die Mitarbeiter damit zurecht,<br />

dass plötzlich alle per Du sind und der früher<br />

mancherorts gepflegte »Casual Friday« nunmehr<br />

in vielen Unternehmen bereits am<br />

Montag beginnt? Toom-Chef Detlef Riesche<br />

räumt ein, dass manche Mitarbeiter mit dem<br />

»<br />

Immer mehr Unternehmen lockern Umgangsformen und<br />

werfen gleichzeitig Kleiderordnungen über Bord.<br />

Du anfangs Probleme haben. Sie hätten<br />

offen gesagt: »Ich kann das nicht, zumindest<br />

nicht von einem auf den anderen Tag.«<br />

Auch wenn es bei toom und anderen Unternehmen<br />

mit gelockerten Umgangsformen<br />

keine Verordnung gibt, die das Duzen zur<br />

Pflicht macht, so ist doch klar: Wer beim Sie<br />

bleibt, setzt sich selbst ins Abseits, wenn um<br />

ihn herum alle Du sagen. Vor allem Führungskräften<br />

gefällt es mitunter nicht, wenn<br />

sie plötzlich auch vom neuen Auszubildenden<br />

mit Vornamen angesprochen werden.<br />

Sie fürchten einen Autoritätsverlust. Dagegen<br />

lässt sich sagen: Manager, die das Sie<br />

nutzen, um Distanz zu ihren Mitarbeitern<br />

aufzubauen und so möglicherweise fachliche<br />

wie persönliche Defizite überdecken,<br />

sind nicht immer die besten Führungskräfte.<br />

Ohne Zweifel kann ein Du statt ein Sie Distanzen<br />

zwischen Hierarchien verringern.<br />

Aber Duzen allein ändert nichts.<br />

Dasselbe gilt für einen gelockerten Dresscode.<br />

Allerdings: Kleiderordnungen haben<br />

auch ihr Gutes. Zum Beispiel schaffen sie<br />

Sicherheit. Wer früher im Anzug (beziehungsweise<br />

Kostüm) zum Meeting ging<br />

oder einen Kunden besuchte, war nie unangemessen<br />

gekleidet. Das kann heute anders<br />

sein. Wenn Anzugträger auf T-Shirt-Träger<br />

trifft, schafft das eine Mauer. Beide fühlen<br />

sich nicht wohl. Es braucht glücklicher Um -<br />

stände, um das zu ändern. Und wenn auf<br />

der Einladung zu einem Unternehmensevent<br />

steht »Business Casual«, »Smart<br />

Casual« oder lediglich »Casual«, wissen die<br />

wenigsten, was sie anziehen sollen. Das vergrößert<br />

die Gefahr, daneben zu greifen und<br />

sich zu blamieren.<br />

Stilberater kritisieren, dass Unternehmen<br />

nicht zumindest für Mitarbeiter mit Kundenkontakt<br />

einen Dresscode vorschreiben.<br />

Schließlich werde die Qualität der Kleidung<br />

vom Kunden unterbewusst auf die zu er -<br />

wartende Qualität des Produkts übertragen.<br />

»Die Kleidung von Mitarbeitern im Kundenkontakt<br />

ist Marketing pur. Noch bevor das<br />

erste Wort gesprochen ist, erzielt Kleidung<br />

eine Wirkung«, heißt es. Das gilt nicht nur<br />

in gehobenen Business-Kreisen, sondern<br />

auch an der Basis. Am Empfang, in den<br />

Werkshallen, im Außendienst. Jeder Handwerksbetrieb,<br />

der etwas auf sich hält, verordnet<br />

heute seinen Beschäftigten einen<br />

einheitlichen Dress – um eine positive Botschaft<br />

zu senden. Adrett soll die Kleidung<br />

sein, aktuell, aber nicht zu modisch, und<br />

bequem. In vielen Fällen muss der Dress<br />

nicht nur Dritten gefallen, sondern auch<br />

bestimmte Funktionen übernehmen.<br />

Fakt ist: Der optische Eindruck wird auf<br />

die Qualität der Dienstleistung oder des Produkts<br />

übertragen. Er kann nicht über ein<br />

schwaches Produkt hinwegtäuschen. Aber<br />

er ist Türöffner für ein Gespräch. ber<br />

(sm 171205681)<br />

<strong>stahlmarkt</strong> <strong>12.2017</strong>

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