MagaziN - Agentur für Text und Bild GbR
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<strong>Text</strong>: Kai Bieler Fotografie: Carmen j. Hofmann<br />
regjo LeIPZIg/HALLe tHeMa 23<br />
„Neuer Standort: Daimler investiert 800 Millionen Euro in Ungarn.“<br />
„Werksschließung: Nokia kündigt 2.000 Beschäftigten in Bochum.“<br />
Standortentscheidungen von Unternehmen beherrschen regelmäßig<br />
die Schlagzeilen. Obwohl sie meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit<br />
stattfinden, ist das Interesse an ihnen enorm. Sie sind Gradmesser<br />
<strong>für</strong> die Zukunftsfähigkeit einer Region <strong>und</strong> beeinflussen das<br />
wirtschaftliche Schicksal von Menschen, die durch sie Arbeit finden<br />
oder eben verlieren. Auch <strong>für</strong> die Unternehmen selbst sind sie von<br />
besonderer Tragweite. Von ihnen gehen vielfältige Folgewirkungen<br />
aus <strong>und</strong>, einmal getroffen, lassen sie sich nur unter hohen Kosten<br />
revidieren. Aber anhand welcher Kriterien treffen Unternehmen Entscheidungen<br />
über Standorte <strong>und</strong> wie müssen sich diese präsentieren,<br />
um erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu sein?<br />
In der betriebswirtschaftlichen Theorie ist die Standortwahl<br />
ein komplexer, mehrstufiger Planungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozess.<br />
In ihm werden auf Basis unternehmerischer Ziele eine Reihe von<br />
Eigenschaften eines Standortes, die sogenannten Standortfaktoren,<br />
untersucht, anhand derer der beste Standort gef<strong>und</strong>en wird. Doch oft,<br />
so zeigt die Praxis, wird diese wichtige Entscheidung ohne vorherige<br />
f<strong>und</strong>ierte Analysen getroffen. So ermittelte die Forschungsstelle <strong>für</strong><br />
empirische Sozialökonomik in Köln in einer Befragung, dass in den<br />
meisten Entscheidungsprozessen in Unternehmen statistisch gesehen<br />
gerade einmal 2,1 Standorte geprüft würden.<br />
Eine Erfahrung, die auch Dr. Steffen Kinkel vom Fraunhofer-<br />
Institut <strong>für</strong> System- <strong>und</strong> Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe<br />
bestätigt. Besonders bei der Verlagerung von Produktionskapazitäten<br />
herrsche oft eine eindimensionale Betrachtungsweise in den Unternehmen<br />
vor. „R<strong>und</strong> neun von zehn Unternehmen nennen hier die<br />
Reduzierung der Personalkosten als Hauptargument. Dann kommt<br />
lange nichts <strong>und</strong> erst dann werden von einem Drittel bis einem Viertel<br />
der Befragten absatzorientierte Faktoren wie neue Märkte oder<br />
K<strong>und</strong>ennähe genannt“, so Kinkel. In einer Studie analysierten der<br />
Leiter des Kompetenzzentrums „Industrie <strong>und</strong> Serviceinnovation“<br />
<strong>und</strong> seine Kollegen gr<strong>und</strong>legende Fehler bei rein kostenorientierten<br />
Standortverlagerungen ins Ausland anhand von mehr als 40<br />
Betrieben des verarbeitenden Gewerbes. Die Fehlentscheidungen<br />
beginnen bereits auf der strategischen Ebene. Zum einen machten die<br />
Lohnkosten in vielen Betrieben nur noch zehn Prozent der Gesamtkosten<br />
aus, die hier zu erzielende Hebelwirkung sei also begrenzt.<br />
„Zum anderen definieren sich die wenigsten deutschen Unternehmen<br />
im Wettbewerb als Kostenführer, dennoch dominieren fast immer<br />
Kostengrößen bei einer Standortverlagerung“, so der Forscher. Die<br />
möglichen negativen Auswirkungen eines neuen Standortes auf die<br />
Zuverlässigkeit, Qualität <strong>und</strong> Innovation der Produkte würden dagegen<br />
kaum berücksichtigt. So unterschätzten die Manager fast immer<br />
die Anlaufzeiten zur Sicherung der Prozesssicherheit <strong>und</strong> Produktivität,<br />
die im Mittel mehr als doppelt so lange wie geplant dauer-