Der Sprung ins kalte Wasser In Mitteldeutschland gibt es mehr als 30 Technologie- <strong>und</strong> Innovationszentren. regjo fragt, wie zeitgemäß das Konzept „gründungszentrum“ ist <strong>und</strong> wo die Probleme deutscher gründer liegen. <strong>Text</strong>: Thomas Magosch Fotografie: Fabian Heublein
Auf der rechten Seite der Karl-Heine-Straße in Leipzig, stadtauswärts, hinter der Kanal-Brücke, dominiert wieder das Brachland. Zwischenzeitlich kultiviert durch das Jahrtausendfeld <strong>und</strong> ein Zirkuszelt des „Theaters der Jungen Welt“, ist es jetzt wieder verunkrautet <strong>und</strong> lässt einen freien Blick auf Gründerzeitruinen <strong>und</strong> ein Bordell. Deutet man dieses <strong>Bild</strong> als mäßige Perspektive <strong>für</strong> das Haus mit der Nummer 99, dem „Business & Innovation Centre“, kurz BIC Leipzig, liegt man falsch. Im BIC wird Zukunft geprobt <strong>und</strong> gestartet oder zumindest innovative Gegenwart praktiziert. Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht hier vordergründig nicht um Unternehmen, die derzeit gerne unter dem <strong>und</strong>ifferenzierten feuilletonistischen Schlagwort der „digitalen Boheme“ subsumiert werden. Auch über den Nachfolger der „Ich-AG“, den „Gründungszuschuss“, bietet das BIC zwar Beratung an, mehr aber auch nicht. Den Einrichtungen geht es um weit mehr. Innovationszentren werden gerne mit dem Attribut „Inkubator“ versehen. Ein Inkubator steht häufig auf Kinderintensivstationen in Kliniken. Er wärmt bzw. brütet die Nachkommen aus. Ein Raum, wo etwas wachsen <strong>und</strong> gedeihen soll, ein behüteter Raum. Offensichtlich scheint heutzutage ein solcher Raum in Deutschland nötig zu sein, wenn man sich in die Selbstständigkeit stürzt <strong>und</strong>, wie es Dr. Maik Schedletzky formuliert, den „Sprung ins kalte Wasser wagt“. Schedletzky war „auf der Suche nach einer Möglichkeit, eine Idee umzusetzen“. So einfach klingt das am Anfang. Und dann sei er erstmal in Leipzig umhergeirrt. Hier setzt eine Institution wie die BIC Leipzig GmbH an. „Es gibt tausend Informationsseiten, aber regional ein behüteter raum scheint in Deutschland heutzutage notwendig zu sein, wenn man sich in die Selbstständigkeit stürzt. oder lokal herrscht oftmals Unkenntnis darüber, welche Einrichtung welche Dienstleistung bis zu welchem Grad erbringen kann“, meint Ernest Freyers, Technologieberater bei der BIC Leipzig GmbH <strong>und</strong> fügt hinzu: „Wir merken natürlich, dass die Gründer oft abgeholt werden müssen.“ „Ich muss mich ständig um Geldquellen kümmern. Das raubt einen Haufen Zeit.“ Zeit, die Dr. Maik Schedletzky lieber in Forschung <strong>und</strong> Entwicklung neuer Produkte, neuer Denkansätze <strong>für</strong> seine Firma 4d-technologie GmbH stecken würde. Bei diesem Problem setzt der Coach der BIC Leipzig GmbH an. Ernest Freyers ist selbst ausgewiesener Fachmann auf dem Umwelt- <strong>und</strong> Energiesektor sowie der IT. Und er hat ausreichend persönliche Erfahrung in Sachen Existenzgründung <strong>und</strong> Erfahrung im Umgang mit „Denkfabriken“, wie er Schedletzky gern nennt, gesammelt. „Die Schwierigkeit bei einem Tüftler ist immer die Finanzierung. Der tüftelt <strong>und</strong> tüftelt <strong>und</strong> tüftelt, aber es fehlt an Geld, um den Prototypen zu bauen. Oder, wenn dann Geld <strong>für</strong> den Prototypen da ist, verlangen die Fördermittelgeber von regjo LeIPZIg/HALLe tHeMa 37 staatlicher Seite oft, dass die Firma Umsätze erzielt haben muss in den vergangenen Jahren. Das hat sie in der Regel nicht.“ Der Begriff Innovationszentrum umfasst sowohl Technologie- <strong>und</strong> Gründerzentren als auch Wissenschafts- <strong>und</strong> Technologieparks wie beispielsweise die Leipziger BIO CITY. Wesentlich sind die günstigen Rahmenbedingungen, die ein Innovationszentrum schaffen soll: Fläche, Kapital <strong>und</strong> Kontakte. Gefördert werden Unternehmen in der Konzept-, Start- <strong>und</strong> ersten Entwicklungsphase, bevorzugt in zukunftsweisenden Branchen aus den Bereichen IT, Umwelt/Energie/ Kunststoff <strong>und</strong>, <strong>für</strong> die BIO CITY, aus dem Cluster Biotechno- Alleinstellungsmerkmale erzielen die gründerzentren durch ihre Netzwerk- <strong>und</strong> Coachingangebote. logie <strong>und</strong> Life Sciences. Zentrale Dienste <strong>und</strong> günstige Raumeigenschaften sind allerdings noch kein Alleinstellungsmerkmal. Eine gute Infrastruktur ist Voraussetzung <strong>für</strong> ein gutes Technologiezentrum. Alleinstellungsmerkmale erzielen die Häuser durch Netzwerk- <strong>und</strong> Coachingangebote wie das Leipziger Projekt SMART START, das es zehn Unternehmen ermöglicht, <strong>für</strong> die Dauer eines Jahres die Coaching- <strong>und</strong> Infrastrukturmöglichkeiten des BIC kostenlos zu nutzen, vorausgesetzt, der Sitz der Firma ist in Leipzig oder wird hierher verlegt. Eine Erfolgsgeschichte aus den vergangenen Jahren ist das Unternehmen PURinvent, das gerade Clustersieger beim IQ Innovationspreis Mitteldeutschland wurde, einem der renommiertesten Preise dieser Sparte. Dr. Frauke Petry, Gründerin <strong>und</strong> Geschäftsführerin von PURinvent, ist vom Konzept des Technologiezentrums überzeugt: „Die BIC Leipzig GmbH ist Anlaufstelle <strong>für</strong> alle Fragen, die im Zusammenhang mit dem Aufbau des Unternehmens auftauchen.“ Das hat die innovative Gründerin bewogen, ihr Unternehmen in Leipzig <strong>und</strong> nicht in Göttingen, wie ursprünglich geplant, anzusiedeln. Infrastruktur bedeutet, einer „Denkfabrik“ Mittel <strong>und</strong> Wege aufzuzeigen, Ideen in Produkte oder Dienstleistungen zu verwandeln, sich am Markt zu positionieren <strong>und</strong> auch, mögliche Förderoptionen oder Beteiligungen zu eruieren <strong>und</strong>, wenn möglich, vertragsfertig zu gestalten. Auf der Basis von individuell auf das Vorhaben zugeschnittenen Coaching-Verträgen begleitet der Berater den Gründer. Wichtig <strong>für</strong> Freyers ist dabei, auch mal „über den Tellerrand hinauszuschauen“. Das heißt, offen <strong>und</strong> transparent Informationsaustausch mit anderen Technologiezentren oder Universitäten zu betreiben. „Was kann man auf mitteldeutscher oder gar europäischer Ebene bewegen?“ Jenseits sensibler Daten versteht sich. Auf dem Gründermarkt tummeln sich mittlerweile zahlreiche Spieler. Da sind zum einen die aus der öffentlichen Hand <strong>und</strong> von den Kammern IHK <strong>und</strong> HWK getragenen Einrichtungen wie die BIC Leipzig GmbH - letztere ist vor allem <strong>für</strong> Gründungen aus technologieorientierten