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Der Burgbote 1975 (Jahrgang 55)

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Am Karnevalsdienstag befaßte sich der bekannte Rezensent des Kölner Stadt-Anzeigers Dietolf<br />

Grewe in der Sendung des WDR III mit unserer Cäcilia Wolkenburg. Dies geschah in so bril<br />

lanter Weise, daß wir das uns freundlicherweise überlassene Manuskript nachstehend ab<br />

drucken:<br />

Dietolf Grewe<br />

Divertissementchen der Cäcilia Wolkenburg<br />

WDR III, ..Mosaik", 11.2.75<br />

Ein Imi kommt immerhin noch dahinter, daß<br />

hier an das französische Wort „Divertisse<br />

ment", in deutscher Anssprache natürlich, eine<br />

deutsche Verkleinerungsendung angehängt ist.<br />

interessierte könnten nun das Standardwerk<br />

über die kölnische Mundart zu Rate ziehen,<br />

Adam Wredes „Neuen Kölnischen Sprach<br />

schatz". Sie werden dort erfahren, daß Bildun<br />

gen wie Divertissementchen im Kölnischen<br />

nicht selten sind, in der Zeit der französischen<br />

Besetzung ab 1794 hat das Kölnische so<br />

manch französisches Wort sich anverwandt.<br />

Und in jene Zeit fällt auch die Entwicklung<br />

der Theaterform des Divertissementchen. Es<br />

hat eine stattliche Ahnenreihe: Da ist der<br />

antike Mimus zu nennen (was in Köln ließe<br />

sich nicht auf die Römer zurückführen?), fer<br />

ner das spätmitteiaiterliche, vor allem meister<br />

singerliche Fastnachtsspiel, aber eben auch<br />

die französische Ballettkomödie und das<br />

Vaudevllle. Das Divertissementchen Ist ein Dia<br />

lektstück mit Gesang und Tanz, und mit beidem<br />

hat es hier eine sehr besondere Be<br />

wandtnis. Es kennt nämlich keine Original<br />

musik, sondern ausschließlich Umtextierungen<br />

bekannter Melodien, wie sie schon das fran<br />

zösische Vaudevllle verwendete. Herauskommt<br />

eine theatergeschichtlich sehr berühmte Form<br />

der Parodie, die man in Wien etwa bei Johann<br />

Nestroy findet. Auf dem Boden des Wiener<br />

Volkstheaters wuchs auch etwa jene Parodie<br />

von Richard Wagners ..Tannhäuser", wo der<br />

Pilgerchor durch das urige Volkslied „Die<br />

Pinzgauer wollen wallfahrten gehen" ersetzt<br />

wird. So verfährt auch das Kölner Divertisse<br />

mentchen: Elemente der E- und Ü-Musik wer<br />

den in möglichst überraschender und absurder<br />

Welse verbunden. Wieviel harmonischen Pfiff<br />

solche Übergänge haben, hängt vom Geschick<br />

des Komponisten bzw. Arrangeurs ab. Be|^<br />

Kölner Divertissementchen macht das seit vie<br />

len Jahren Christoph Klöver, und dem fällt<br />

immer eine Menge ein. Wenn der Witz der<br />

Sache ankommen soll, muß man ein Publikum<br />

haben, das die musikalischen Anspielungen<br />

kapiert. Da außerdem Dialektkenntnisse obli<br />

gatorisch sind, Ist die Zielgruppe des Diver<br />

tissementchens das Kölner Bürgertum. Und<br />

das fühlt sich wahrlich angesprochen: Die elf<br />

jährlichen Vorstellungen im Opernhaus sind<br />

ausverkauft, doppelt soviele wären wahr<br />

scheinlich absetzbar. Es ist eine Veranstaltung<br />

von Kölner Bürgern für Kölner Bürger: Denn<br />

Veranstalter ist die Cäcilia Wolkenburg, wie<br />

sich die Bühnenspielgemeinschaft Im Kölner<br />

Männer-Gesang-Verein nennt. <strong>Der</strong> Kölner Män<br />

ner-Gesang-Verein wurde schon 1842 gegrün<br />

det, die Cäcilia Wolkenburg erst 1874, konnte<br />

also voriges Jahr ihr hundertjähriges Beste<br />

hen feiern. Und well das Divertissementchen<br />

die Veranstaltung eines Männergesangvereir^<br />

ist, werden in den Stücken alle weibliche..<br />

Rollen von Männern gespielt. Auch damit steht<br />

man In einer großen Tradition: Schon beim<br />

alten William Shakespeare ist die holdselige<br />

Julia bekanntlich von einem jungen Mann dar<br />

gestellt worden. <strong>Der</strong> Clou des Divertissement<br />

chens ist aber das Ballett: Das wird als Paro<br />

die auf den großen klassischen Balieltstil des<br />

19. Jahrhunderls ebenfalls von Herren ge<br />

tanzt. Ein weißes Ballett im Tutu muß Immer<br />

dabei sein. Die Balletteinlagen kehren in je<br />

dem Stück wieder. Denn die Cäcilia Wolken<br />

burg läßt jedes Jahr ein neues Stück schrei-

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