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Der Burgbote 1975 (Jahrgang 55)

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en, spielt keine tradierte Standardliteratur.<br />

RepetItion würde dem Charakter des Diver<br />

tissementchens widersprechen. Jedes Stück<br />

muß zwar irgendwann im alten Köln, meistens<br />

des 18. oder 19. Jahrhunderts spielen, aber<br />

die Einbeziehung etwa gängiger Schlager,<br />

vor allem aber zahlreiche textliche Anspie<br />

lungen, stellen die Beziehung zur Gegenwart<br />

her. Ein Divertissementchen-Autor unterliegt<br />

zahlreichen Zwängen: Vor allem muß er Ge<br />

sangsanlässe schaffen, aber auch seine Rollen<br />

den Darstellern auf den Leib schneidern: Die<br />

länger sind ja Laien und können Rollen nur<br />

'ach typologischer Eignung übernehmen. So<br />

kann ein Divertissementchen dramaturgisch<br />

gesehen kaum mehr als Motiv-Bastelei sein,<br />

was nicht abwertend gemeint ist. Wie das je<br />

weilige Stück individuell aussieht, ist unter<br />

diesen Umständen eigentlich gar nicht mehr<br />

so wichtig. Das diesjährige heißt: Pitter und<br />

Mariechen oder En Kölsche Johannis-Naach.<br />

Eine Liebesgeschichte zwischen kleinen Leu<br />

ten im alten Köln spielt in der Johannes-<br />

Nacht, der Nacht also vor dem Fest Johan<br />

nes des Täufers. Dafür gibt es ein berühmtes<br />

operngeschichtliches Vorbild: Die „Meistersin<br />

ger von Nürnberg" von Richard Wagner. Die<br />

Introduktion zum 2. „Meistersinger"-Akt wird<br />

denn auch musikalisch zitiert. <strong>Der</strong> Haupteinfall<br />

des Autors und Regisseurs Klaus Rohr war<br />

nun, den italienischen Dichter Petrarca einzubeziehen,<br />

der im Jahre 1333 einmal Köln zur<br />

Johannesnacht besucht. Er steht also irgend<br />

wann aus seinem Sarkophag auf und macht<br />

sich auf den Weg nach Köln, um dort noch<br />

einmal eine Johannes-Nacht zu feiern. Dem<br />

Kultur-Touristen bleiben zahllose Enttäuschun<br />

gen nicht erspart, bis er sich vergrämt auf den<br />

Helmweg macht. Die Handlung Im einzelnen<br />

nachzuerzählen wäre langweilig; Es gibt da<br />

Räuber, die sich zu Finanzbeamten mausern,<br />

eine Marquise Juliette Rollade, und einen<br />

Baron Nepomuk von Schleitzkowskum, der mit<br />

einem Diener namens Winnetou reist, der aber<br />

aus Berlin stammt und einst mit der Marquise<br />

im Zirkus auftrat. Das Liebespaar kriegt sich<br />

am Schluß natürlich, nachdem Pitter mancher<br />

lei Kummer wegen seiner Neigung zum<br />

Schlafwandeln gehabt hatte: Er steigt nämlich<br />

im mondsüchtigen Zustande in die Kammer<br />

seines Mariechens ein. Die Sache kommt auf,<br />

und dem armen Wirtstöchterlein wird vom<br />

hohen Magistrat der Kranz als Jungfrau des<br />

Jahres aberkannt. Die Witze über die Jung<br />

fräulichkeit bleiben einigermaßen dezent.<br />

Humorlos, dem Divertissementchen repressive<br />

Moral vorzuwerfen. Humorlos auch der Ver<br />

such. das Volksspektakel aus dem Musen<br />

tempel Opernhaus zu entfernen. Die Intendan<br />

ten der Städtischen Bühnen sollten auch wei<br />

terhin die Cäcilia Wolkenburg in ihren Mauern<br />

dulden. Sie halten so Kontakt zum Volk.<br />

Mitglieder<br />

des Keiner Männer-Gesang-Vereins<br />

denken bei ihren Einkäufen<br />

gern an die Inserenten<br />

des „<strong>Burgbote</strong>n"

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