Der Burgbote 2007 (Jahrgang 87)
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Taufrisch auf die Pulte<br />
Kölner Männer-Gesangverein präsentiert eine<br />
eigene Fassung der „Missa Daimatica"<br />
von MATTHIAS CORVIN<br />
Endeckungsfreudig zeigt<br />
sich der Kölner Männer-Ge<br />
sang-Verein in seinem Herbst<br />
konzert, das die Rundschau in<br />
der Philharmonie präsentie<br />
ren wird. Auf dem Programm<br />
steht die „Missa Daimatica"<br />
des Wiener Operettenkompo<br />
nisten Franz von Suppe (1819-<br />
1895). Das Jugendwerk kompo<br />
nierte er als gerade 16-Jähri<br />
ger im dalmatischen Zadar<br />
(heute Kroatien), 1<strong>87</strong>6 überar<br />
beitete er es jedoch grundle<br />
gend. Neben dem Requiem ge<br />
hört es zu den sakralen Haupt<br />
werken des Komponisten.<br />
Da die Originalfassung für<br />
Soli, Männerchor und Orgel<br />
den Kölner Männer-Gesang-<br />
Verein kaum befriedigte,<br />
schrieb Dirigent Bernhard<br />
Steiner eine neue Orchester<br />
version. Seine nun erstmals<br />
vorgestellte Instrumentation<br />
orientiere sich „am Klangideal<br />
Suppös", verriet er in einem<br />
Vorgespräch. Vor allem das<br />
Requiem diente ihm als Vor<br />
bild. Die 50-minütige „Missa<br />
Daimatica" habe auf jeden Fall<br />
diese Aufwertung verdient, ar<br />
gumentiert Steiner. Nun stim<br />
me das „dynamische Gleichge<br />
wicht zwischen Chor und Be<br />
gleitung", denn „eine plasti<br />
sche und differenzierte In<br />
strumentation wird dem Cha<br />
rakter der Musik viel besser<br />
gerecht". Die Messe bestimmt<br />
ein schwungvoller italieni<br />
scher Stil, der jedoch auch der<br />
kirchenmusikalischen Traditi<br />
on verpflichtet ist.<br />
i Keine Note<br />
I verändert<br />
Die Harmonik, so Steiner,<br />
rücke bisweilen „in die Nähe<br />
Bruckners", Nach eigener Aus<br />
sage hat er „keine Note am<br />
Original verändert". Ihm ging<br />
es vielmehr um eine Aufwer<br />
tung des vernachlässigten<br />
Werks, das wegen seines hohen<br />
vokalen Anspruchs meist nur<br />
in Teilen aufgeführt wird.<br />
Allein das gigantische „Glo<br />
ria" nimmt von der Länge her<br />
die Hälfte des Werks ein und<br />
verbindet spätbarocke Chor<br />
Eine Messe von Suppe<br />
<strong>Der</strong> Kölner Männer-Ge<br />
sangverein glänzte in der<br />
Philhannonie.<br />
VON MARIANNE KIERSPE!.<br />
Unter Bernhard Steiners Leitung<br />
strebt der Kölner Männer-Gesang-<br />
Verein in den philharmonischen<br />
Herbstkonzerien weg von Rosinen-<br />
Angeboten. Diesmal konzentrierte<br />
sich der leistungsfähige Chor auf<br />
kirchenmusikalische Raritäten von<br />
Mci-stem der Oper und Operette.<br />
Rossini war gleich zweimal vertre<br />
ten, mit einem fast vergessenen<br />
„Miserere" und mit ungleich zün<br />
denderen Themen aus seinem „Stabat<br />
Mater". Die hat Saverio Merca<br />
dante zu einer Sinfonia verarbeitet.<br />
In dieser passenden Ouvertüre feu<br />
erte Steiner die Neue Philharmonie<br />
Westfalen zu efTektsicherem Spiel<br />
an<br />
Ḣer^tück des Programms war<br />
Franz von Suppcs Jugendwcrk<br />
„Missa Daimatica" (1835), das der<br />
erfahrene Theatermann selbst noch<br />
I 3.9.<strong>2007</strong><br />
1<strong>87</strong>6 überarbeitet hat. Sie war den<br />
rund 120 Tenören und Bassen ver<br />
traut, die italienisch-extrovertierte<br />
Begeisterung, der fromme Gebets<br />
ton. selbst die heiklen A-cappella-<br />
Passagen. Mehr als Rossinis „Mise<br />
rere" inspirierte die Missa auch die<br />
Solisten des Abends, die Tcnöre Edgardo<br />
Zayas und Raphael Pauß und<br />
den Bariton Yoo-Chang Nah.<br />
Entscheidend für die Wirkung der<br />
Missa war ihr neues Klanggewand.<br />
Steiner nämlich hat die originale Or<br />
gelbegleitung für Orchester bearbei<br />
tet, ergänzt und dabei Suppes Re<br />
quiem zurate gezogen. Die unge<br />
mein farbige Instrumentation profi<br />
liert die musikalische Substanz und<br />
ist mit sicherer Hand auf Chor und<br />
Solisten abgestimmt. In dieser Köl<br />
ner Fa,ssung dürfle die „Missa Dai<br />
matica" das Repertoire fähiger<br />
Männerchöre bereichem. Leider<br />
waren die lateinischen Messe-Texte<br />
nicht im Programmhefl abgedruckt<br />
und übersetzt. So gab es störenden<br />
Zwischenbeifall, sogar im Gloria.<br />
musik „mit der Festlichkeit<br />
von Wagners Tannhäuser-Ou<br />
vertüre".<br />
<strong>Der</strong> Kölner Männer-Ge<br />
sang-Verein beschäftigte sich<br />
intensiv mit der „Missa Daima<br />
tica" und hat die Orgelfassung<br />
bereits seit längerem im Re<br />
pertoire. Mit der neuen Versi<br />
on schrieb man sich ein Stück<br />
direkt auf den Leib. Nach dem<br />
Philharmonie-Konzert, bei<br />
dem auch seltene Werke von<br />
Saverino Mercadante und<br />
Rossini („Miserere" Psalm 50)<br />
auf dem Programm stehen,<br />
folgen weitere Aufführungen<br />
(u.a. 2008 im Dom) und eine<br />
CD.<br />
Steiner steckt derzeit noch<br />
mitten in der Arbeit, doch er<br />
beruhigt: „Keine Angst, bis<br />
zur Aufführung bin ich auf je<br />
den Fall fertig". Die Neue Phil<br />
harmonie Westfalen wird die<br />
Partitur also taufrisch auf die<br />
Pulte gelegt bekommen.<br />
Philharmonie, 1. September.<br />
20 Uhr. K~*—<br />
280 280<br />
Tel. (022<br />
Kölner Stadt-Anzeiger<br />
16.8.<strong>2007</strong><br />
Kölnische Rundschau<br />
3.9.<strong>2007</strong><br />
Erinnerung ans<br />
ferne Dalmatien<br />
Herausragende Suppe-Uraufführung<br />
des Kölner Männer-Gesang-Vereins<br />
von CURT J. DIEDERICHS<br />
Franz von Suppe kennt man<br />
als Meisler der Wiener Operet<br />
te - nur wenig bekannt ist, dass<br />
er auch Kirchenmusik ge<br />
schrieben hat: ein Requiem<br />
und bereits mit 13 Jahren eine<br />
Messe mit Oigelbegieitung,<br />
die er später noch einmal<br />
überarbeitete. Bernhard Stei<br />
ner hob diesen Schatz aus der<br />
Versenkung, verwandelte die<br />
Orgelbegleitung in einen Or<br />
chestersatz nach dem Vorbild<br />
von Suppbs Requiem und<br />
brachte diese Version mit dem<br />
Kölner Männer-Gesang-<br />
Verein in der Philharmonie zu<br />
einer umjubelten Urauffüh<br />
rung.<br />
Die Mühe hat sich gelohnt.<br />
Es erklang unter Mitwirkung<br />
der Neuen Philharmonie West<br />
falen und dreierCesangssolisten<br />
ein originelles, musika<br />
lisch facettenreiches Werk, das<br />
allerdings an einen Laienchor<br />
hohe Ansprüche stellt. Die<br />
Hundertschaft des Traditions<br />
chors löste sie mit Bravour ein.<br />
Das ist schon Musi k anderen<br />
Zuschnitts als die bei Laien<br />
chören beliebte Waid- und<br />
Wiesen-Hymnik. Die sorgfälti<br />
ge Einstudierung sicherte<br />
Steiner ein Ergebnis, das kei<br />
nen Vergleich mit professio<br />
nellen Spitzenchören zu<br />
scheuen braucht. Die Homoge<br />
nität der Stimmgruppen, die<br />
dynamische Feinabstufung<br />
(bis zum Flüsterton! und auch<br />
die Klangbalance zwischen<br />
Chor und Orchester - alles<br />
stimmte bis ins Detail. Die<br />
drei Solisten (die Tenöre Edgardo<br />
Zayas und Raphael Paus<br />
sowie der Bariton Yoo-Chang<br />
Nah! ließen kaum Wüasche of<br />
fen. fügten sich nahtlos in die<br />
rundum überzeugende Wie<br />
dergabe eines bislang unbe<br />
kannten Werks ein.<br />
<strong>Der</strong> Uraufführung der ein<br />
stündigen „Missa Daimatica"<br />
(Suppe stammte aus Split!<br />
stellte Steiner zwei Werke itali<br />
enischer Komponisten voran.<br />
Die als Gelsenkirchener<br />
Opemorchester im italieni<br />
schen Repertoire versierten<br />
Philharmoniker eröffneten<br />
den Abend mit einer Sinfonia<br />
über Themen aus Rossinis<br />
.Stabat Mater' von Saverio<br />
Mercadante; ein zu Lebzeiten<br />
gefeierter, heute so gut wie<br />
vergessener Komponist. <strong>Der</strong><br />
Chor sang mit dem .Miserere'<br />
echten Rossini. Auch dieses<br />
geistliche Chorwerk war bes<br />
tens einstudiert. Die Solisten<br />
jedoch taten sich etwas schwer<br />
mit Rossinis Koloraturen-ge<br />
spicktem Belcanto. Das<br />
Schwelgen in den höchsten Tö<br />
nen will gekonnt sein.<br />
Es ist nicht übertrieben, von<br />
einem großen Abend zu spre<br />
chen: Dem KMGV und seinem<br />
Dirigenten sei Dank.