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Schifffahrt | Shipping<br />
Zwei 2011 und 2012 gebaute RoRo-Schiffe<br />
der Reederei fuhren zuletzt in Charter<br />
bei Grimaldi<br />
Fotos: MSC<br />
Mit zwei eigenen Schiffen bedient<br />
MSC jetzt den RoRo-Verkehr zwischen<br />
Nordeuropa und Westafrika, auf<br />
dem Fahrplan stehen Le Havre, Antwerpen,<br />
Dakar, Conakry und Abidjan.<br />
Warum hat sich das Unternehmen zu<br />
diesem Schritt entschlossen? Will die<br />
Aponte-Familie, die MSC binnen weniger<br />
Jahrzehnte fast bis an die Spitze der<br />
Containerschifffahrt geführt hat, dasselbe<br />
Kunststück im RoRo-Segment wiederholen?<br />
Zur Geschäftspolitik äußert sich<br />
die als absolut verschwiegen geltende Dynastie<br />
aus Italien grundsätzlich nicht. Recherchen<br />
der HANSA in Agenturkreisen<br />
haben ergeben, dass die Idee zur Gründung<br />
eines eigenen RoRo-Dienstes zwar<br />
relativ spontan aufkam, das Engagement<br />
aber keinesfalls als Eintagsfliege abgetan<br />
werden sollte.<br />
Auslösendes Moment war demnach die<br />
Rücklieferung zweier eigener Car Carrier<br />
aus einer Zeitcharter, für die sich keine<br />
auskömmliche Anschlussbeschäftigung<br />
fand. Seniorchef und Firmengründer<br />
Gianluigi Aponte hatte die zwei Schiffe<br />
»MSC Immacolata« (22.196tdw, Bj. 2012)<br />
and »MSC Cristiana« (22.287tdw, Bj. 2011)<br />
nach Angaben aus Maklerkreisen schon<br />
vor einigen Jahren erworben – rein als Investmentobjekte<br />
zur Vercharterung und<br />
nicht zur eigenen Befrachtung, wie zu hören<br />
ist. Bis Ende 2017 fuhren sie in Charter<br />
der italienischen Reederei Grimaldi,<br />
eines der führenden Player in der RoRo-<br />
Schifffahrt weltweit. Neue Beschäftigung<br />
auf Periode hätten die Schiffe angesichts<br />
der schwierigen Situation in dem Markt<br />
nur zu einer kaum kostendeckenden Rate<br />
von 12.000 bis 14.000$/Tag bekommen.<br />
In der Überzeugung, bessere Ergebnisse<br />
für die Schiffe in Eigenregie einfahren<br />
zu können, habe sich die Aponte-Familie<br />
kurzerhand entschlossen, die Schiffe<br />
in MSC-Farben umzulackieren und einen<br />
eigenen Liniendienst zu starten. Mit<br />
dem eigenen weltumspannenden Agenturnetz<br />
verfügt die Reederei schließlich<br />
über eine recht gute Vertriebsinfrastruktur<br />
für ihr Experiment im RoRo-Verkehr.<br />
Zudem soll die Reederei zur Verstärkung<br />
einen Experten der European RoRo Lines<br />
in Le Havre angeworben haben.<br />
Dass die Wahl ausgerechnet auf den<br />
Verkehr zwischen Nordwesteuropa und<br />
Westafrika fiel, kam nicht von ungefähr.<br />
Schließlich standen die MSC-Frachter<br />
zuvor beim Westafrika-Spezialisten Grimaldi<br />
unter Vertrag, dem das Geschäft<br />
dank guter Volumina und Frachtraten<br />
speziell im Verkehr nach Nigeria auch finanziell<br />
große Freude bereitet haben soll.<br />
Hinzu kommt, dass Aponte und Grimaldi<br />
in Italien in jüngster Zeit geschäftlich<br />
auf Kriegsfuß miteinander gestanden haben<br />
sollen. Die MSC-Inhaberfamilie ist<br />
mit ihren Shortsea-Tochtergesellschaften<br />
Grandi Navi Veloci und SNAV (Società<br />
Navigazione Alta Velocità) ein Bündnis<br />
mit der Fährreederei Moby Lines eingegangen,<br />
um Grimaldi Lines im Italiengeschäft<br />
die Stirn zu bieten.<br />
RoRo-Schub durch Übernahme?<br />
Auch in der politischen Lobbyarbeit bewegen<br />
sich Aponte und Grimaldi auf<br />
Konfrontationskurs zueinander: So<br />
schlossen sich die MSC-Gesellschaften<br />
dem neuen italienischen Reederverband<br />
AssArmatori an, der sich von der traditionellen<br />
Vereinigung Confitarma abgespalten<br />
hat. Die AssArmatori-Mitglieder<br />
wehren sich gegen den Einsatz von Seeleuten<br />
aus Drittstaaten auf Schiffen unter<br />
italienischer Flagge. Zu den größten<br />
Nutznießern dieser Regelung zählt die<br />
Grimaldi-Flotte. Ihr Chef Emanuele Grimaldi<br />
war bis vor kurzem auch Vorsitzender<br />
der Confitarma.<br />
Zusätzlichen Schub dürften die noch<br />
winzigen RoRo-Aktivitäten von MSC bekommen,<br />
wenn Aponte wie erwartet 49%<br />
oder gar 51% an dem ConRo-Spezialisten<br />
Ingnacio Messina mit Hauptsitz in Genua<br />
übernimmt. Erste Berichte über den geplanten<br />
Einstieg tauchten vor einem Jahr<br />
in der italienischen Presse auf. Hintergrund<br />
sollen Kapitalengpässe bei Messina<br />
sein. »Es ist wohl nur eine Frage der<br />
Zeit, bis es offiziell ist«, wie ein Schiffsmakler<br />
mit guten Kontakten in der italienischen<br />
Branche gegenüber der HANSA<br />
erklärte. Messina mit seiner Flotte von<br />
21 eigenen und gecharterten Schiffen hatte<br />
selbst schon einmal einen Anlauf unternommen,<br />
einen eigenen Nordeuropa-<br />
Westafrika-Dienst zu etablieren – ohne<br />
Erfolg. Gemeinsam mit MSC stünden die<br />
Chancen wohl nicht schlecht, das Liniennetz<br />
für rollende Ladung deutlich auszubauen.<br />
M<br />
HANSA International Maritime Journal – 155. Jahrgang – 2018 – Nr. 3 27