Der Burgbote 2017 (Jahrgang 97)
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offenbar. Offenbach, geboren am Kleinen<br />
Griechenmarkt, machte später in Paris mit<br />
dem von ihm geprägten Genre des Musiktheaters<br />
Karriere, gilt als Begründer der<br />
Operette. Oder aber Richard Strauss, dessen<br />
Werk »Mittagsruh« aus den vier Tageszeiten<br />
fast schon ein Pflichtstück des Chores darstellt.<br />
Immerhin unterhielt Strauss einst regelmäßigen<br />
Kontakt zum KMGV, schrieb<br />
kleine Stücke für die Sänger und besuchte<br />
deren Proben in der Wolkenburg.<br />
Die thematische Spannweite ist groß, die<br />
Stimmung locker. Musikalisch gilt dies, aber<br />
auch inhaltlich. <strong>Der</strong> Bundespräsident<br />
scheut sich nicht, in der Spielstätte der<br />
klassischen Musik, die Bläck Fööss zu zitieren.<br />
»Hier fehlt nur vum Balkon, die Aussicht<br />
op d’r Dom«, trägt er die Zeile des<br />
Spanienlieds vor. <strong>Der</strong> Dom als Sehnsuchtsort,<br />
der den Kölnern über Jahrhunderte<br />
nicht nur ans Herz gewachsen ist, sondern<br />
Wahrzeichen und Symbol des Stolzes ist.<br />
Damals stand das gotische Bauwerk für<br />
den Aufbruch, ermöglicht durch die Unterschrift<br />
von Friedrich Wilhelm IV., der die<br />
Satzung des ZDV hochoffiziell genehmigte.<br />
Es war der Start der größten und ausdauerndsten<br />
Geldsammlung der Stadtgeschichte.<br />
Die gesellschaftliche Grundstimmung<br />
dieser Zeit schlug sich auch in der<br />
Musik nieder. »Die Luft roch nach Aufbruch,<br />
um 1840 herum, landauf landab gab<br />
es viele neue Lieder, in denen die Freiheit<br />
besungen wurde«, sagt Steinmeier. <strong>Der</strong> Beschluss,<br />
den Dom nach 300 Jahren Stillstand<br />
fertigzubauen, sei »Zeichen der katholischen<br />
Identität« der Menschen gewesen,<br />
der Dom sei gar als »nationales Versöhnungsbauwerk«<br />
wahrgenommen worden.<br />
Und der KMGV singt es in die Welt. »Mit<br />
seinen Konzerten begeistert der Chor Menschen<br />
jeder Nation und jeden Glaubens,<br />
früher und heute«, lobt Kardinal Woelki anerkennend.<br />
<strong>Der</strong> Verein und die singenden<br />
Männer ließen »die Herzen der Kölner<br />
höher schlagen«, ergänzt er. Im nächsten<br />
Gedankengang ist der Kardinal schon wieder<br />
beim Dom. Souvenir sei er, Stein, Seele<br />
und Ort der Sehnsucht. »Wie viel ärmer<br />
wären wir alle ohne den Dom«, bekennt<br />
Woelki.<br />
<strong>Der</strong> Kardinal trägt seine Festrede frei vor,<br />
die Themen liegen ihm, schließlich geht es<br />
viel um den Dom und Musik. Er wirkt sogar<br />
in Plauderlaune als er die Anekdote seines<br />
Vorgängers, des inzwischen verstorbenen<br />
Joachim Kardinal Meisner, vorträgt. An<br />
einem christlichen Festtag habe er in der<br />
Justizvollzugsanstalt Bonn mit den Insassen<br />
eine Messe gefeiert und sich dabei zum<br />
Zwecke des Smalltalks ein wenig über seine<br />
Arbeit in Köln beklagt und schließlich ein<br />
wenig unbeholfen in die These verstiegen,<br />
im Gefängnis sei es eigentlich auch ganz<br />
schön. Viel schöner als im Dom mit all seinen<br />
Pontifikalämtern. Daraufhin sei aus<br />
dem Kreise der Häftlinge eine Stimme erklungen:<br />
»Pass op, wat Du da sähst. Sach<br />
nix jäje unsere Dom«. Und da war er wieder,<br />
der Dom als identitätsstiftendes Bauwerk.<br />
Über alle Mauern und Gitter hinweg.<br />
Ihre Worte haben die prominenten Redner<br />
bewusst gewählt für den Festakt, ebenso wie<br />
der Männerchor die Auswahl seiner Stücke.<br />
Von »gelebter Repertoirepflege« spricht der<br />
freundlich-eloquent durch den Abend führende<br />
Moderator Björn Woll, ausgewiesener<br />
Musikexperte. Von Franz Schuberts »Ständchen«<br />
springt der Chor wie selbstverständlich<br />
zu Carl Orffs Carmina Burana und zelebriert<br />
»In Taberna« mit rasant-sicherem<br />
Sprechgesang. Die Zuschauer honorieren<br />
dies mit viel Beifall. <strong>Der</strong> Kardinal und die<br />
vielen Vertreter des Doms, darunter Dompropst<br />
Gerd Bachner und Dombaumeister<br />
Peter Füssenich, sollten sich beruhigen,<br />
scherzt Woll, denn auf den wilden Kneipen-<br />
Festakt<br />
2.<strong>2017</strong> | 9