SchlossMagazin Bayerisch-Schwaben Juni 2018
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| kunst + kultur | 49<br />
Bildgegenstände, addiert Fragmente von Körpern und Dingen.<br />
Kaminski lehrt und schult aber auch ein genaueres Hinsehen, ein<br />
Hineindenken in seinen zunächst womöglich verwirrenden, mysteriös<br />
wirkenden Bilderkosmos. Die über 100 Exponate, die seine<br />
unterschiedlichen Schaffensphasen von den 1960ern bis ins Jahr<br />
2011 spiegeln, provozieren ein staunendes Entdecken und fordern<br />
das Dechiffrieren seiner mit Meisterhand komponierten<br />
Werke.<br />
Neue Orte – neue Die waren immer auch inspiriert durch<br />
Inspirationen persönliche Erlebnisse im Kontext häufiger<br />
Wohnort-Wechsel, durch eine früh<br />
ausgeprägte Reise-und Abenteuerlust, durch das Interesse an<br />
mythologische Gestalten der Kulturgeschichte, wie etwa die<br />
„Empedokles“- oder „Judith“-Serien verdeutlichen oder auch<br />
durch seine intensive Beschäftigung mit Literatur. Die Inspiration,<br />
so Kaminski, kam mit der konkreten Arbeit am Bild, über seine<br />
Zeichnungen oder über die vielen Fotografien. Zufälliges,<br />
beim Vorbeifahren Entdecktes wurde abgelichtet und für eine<br />
spätere malerische Umsetzung fixiert; seine Rolleiflex 3.5. trug<br />
er immer mit sich – auch in Marseille, wo er in der „Rue Paradis“<br />
ein riesiges Schaufenster mit Halloween-Artikeln entdeckte, die<br />
er später im entsprechend benannten Bilder-Zyklus zu bestechend<br />
komponierten Gespenster-Räumen kollagierte.<br />
Verehrerin Doppelgesicht, Öl auf Leinwand, 190 × 190 cm<br />
So lädt diese umfangreiche und kompetent<br />
kuratierte Augsburger Werkschau<br />
Humor und<br />
Offenheit<br />
dazu ein, sich vorurteilsfrei einzulassen<br />
auf einen Künstler, der neben und mit seinen Künstlerfreunden<br />
Baselitz, Lüpertz und Immendorf zu den prägenden Malerpersönlichkeiten<br />
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
zählt. Man lernt in seinen Werken einen Menschen kennen, für<br />
den die Malerei existentiell war, der keinerlei Allüren, dafür<br />
viel Humor und Offenheit besaß, wie sich aus einer feinen filmischen<br />
Reportage des BR alpha (2009) zur Entstehung seiner<br />
„Rue Paradis“-Serie herauslesen lässt.<br />
Max Kaminski lebt seit 2003 in Augsburg-Göggingen und damit<br />
ganz in der Nähe seines Sohnes Simon Kaminski, der als Politikredakteur<br />
bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung arbeitet und<br />
sich gemeinsam mit Sebastian Lübeck um eine fachgerechte<br />
Verwaltung und Archivierung des Oeuvres zur Aufgabe macht.<br />
Dieses lässt sich, was die Schaffensphasen betrifft, stringent<br />
und motivisch auch an den zahlreichen Lebensstationen festmachen:<br />
Von Oldenburg nach Berlin (1959), dann zu Beginn der<br />
1960er Jahre eine abenteuerliche und fast zwei Jahre dauernde<br />
Reise nach Mittel-und Südamerika gemeinsam mit seinem<br />
Freund und Namensvetter Gerd van Dülmen. Hier wird aus<br />
Gerd, wie Kaminski getauft wurde, dann Max Kaminski, da es mit<br />
dem „Doppel-Gerd“ oft zu Verwechslungen kommt. 1964 heiratet<br />
er Marianne Hönow in Berlin, zwei Jahre später kommt der<br />
einzige Sohn zur Welt. Stipendien ermöglichen längere Aufenthalte<br />
in Paris und Florenz, erste Kunstpreise wie z. B. der in<br />
Darmstadt 1977 steigern den Bekanntheitsgrad, so dass nach<br />
zwei Gastprofessuren im Jahr 1980 der Ruf an die Karlsruher Akademie<br />
folgt. „Diese Professur hat dann endlich auch die finanzielle<br />
Situation stabilisiert“, erinnert sich Simon Kaminski. Er<br />
schmunzelt, als er erzählt, wie mächtig stolz dieser Titel seine<br />
Großmutter Lena machte. Sein Vater machte ihr eine Riesenfreude,<br />
indem er die Sekretärin der Kunstschule bei der Mutter anrufen<br />
ließ, die dann mit den Worten „Gleich spricht der Herr Professor<br />
Kaminski mit ihnen“ den Hörer überreichte. 1982 zieht die<br />
Familie nach Straßburg, weitere zehn Jahre später nach Marseille.<br />
1997 folgt ein weiterer Standortwechsel: Kaminski zieht nach<br />
München; zahlreiche große Ausstellungen fallen ebenfalls in dieses<br />
Jahr. In Ödenpullach findet er ein großflächiges Atelier; im<br />
Jahr 2000 hält er sich dann für ein halbes Jahr erneut in Mexiko-<br />
Stadt auf. 2003 entschließt er sich, nach Augsburg zu ziehen, wo<br />
er im Fabrikschloss ein geeignetes Atelier bezieht. Fasziniert<br />
vom Deckfresko (des italienischen Barockmalers Gugliemo)<br />
im Schaezlerpalais entstehen hier großformatige Kreidezeichnungen,<br />
die 2011 in einer Ausstellung präsentiert werden.<br />
Eine malerische „Referenz“ an die neue Heimatstadt findet sich<br />
auch in dem Bild „Judith Holofernes“ aus dem Jahr 2003, auf dem<br />
im linken Bildhintergrund das Rathaus zu erkennen ist. #<br />
Informationen<br />
www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de<br />
Turnusführungen u. a. sonntags, 10., 17. + 24. <strong>Juni</strong>, jeweils 14:00 Uhr im H2<br />
Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast Augsburg