BILDUNG & WIRTSCHAFT AM SEE MARIHUANA LIGHT Cannabis in Kaugummis und Zigaretten? In der Schweiz kein Problem, wenn anstelle des psychoaktiven Tetrahydrocannabinol (THC) der Hanf-Wirkstoff Cannabidiol (CBD) zum Tragen kommt. In der Schweiz boomt sich dieses sogenannte legale Gras gerade zur Lifestyle-Droge. In Deutschland herrscht Goldgräberstimmung, aber hier wie in Österreich ist eine Legalisierung von Cannabis politisch noch unerwünscht. 48
BILDUNG & WIRTSCHAFT AM SEE Ein vielseitiges Kraut „Wer den freien Genuss von Cannabis befürwortet, nimmt in verantwortungsloser Weise den Tod von Tausenden jungen Menschen in Kauf“, schimpfte der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber 1992 während einer Diskussion über Drogen-Gesetze. Gut 25 Jahre später ist (illegales) Kiffen in der Gesellschaft angekommen – und von Cannabis-Toten hat man seitdem eher selten gehört. Nach wie vor ist Cannabis hierzulande wegen seines Wirkstoffes THC im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgeführt und daher verboten. Das gilt auch für die Einfuhr von kleinen Mengen (Stichwort: Coffeshops in Amsterdam!). Dabei ist es unbestritten, dass Hanf auf verschiedene Weise heilen kann. Seit März 2017 gibt es Cannabis in Deutschland auf Rezept (die Krankenkassen zahlen bislang nur bei bis zu 40 Prozent der Fälle). Um an Cannabis zu kommen, müssen deutsche Patienten bei entsprechender medizinischer Indikation allerdings eine Ausnahmegenehmigung zur Selbsttherapie bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einholen. Eine aufwendige Prozedur. In der Schweiz ist die Drogenpolitik liberaler. Cannabiszigaretten mit dem Wirkstoff CBD sind dort jetzt rechtlich normalem Rauchtabak gleichgestellt. Zur Erklärung: In der Hanfpflanze finden sich über 80 sogenannte Cannabinoide. Einer dieser chemischen Wirkstoffe ist Cannabidiol, CBD. Im Gegensatz zu THC hat CBD keine psychoaktive Wirkung, gilt folglich nicht als Droge. Der Rest-THC- Gehalt in CBD liegt bei 0,3 bis 0,7 Prozent, während es bei Marihuana 10 bis 15 Prozent THC sind. In den meisten europäischen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich, dürfen Cannabis-Blüten nur verkauft werden, wenn sie einen THC-Wert von unter 0,3 Prozent aufweisen. Kaugummi mit Wirkung Der St. Galler Süßigkeiten-Produzent Roelli Roelli hat jetzt mit dem Swiss Cannabis Gum einen Kaugummi auf den Markt gebracht, der nicht berauscht und trotzdem wirkt. „Macht nicht high, sondern frei“, verspricht das Unternehmen. In jedem Kaugummi sind fünf Milligramm CBD enthalten. Eine Packung enthält 120 Milligramm CBD, das entspricht in etwa sechs Gramm Hanf. Roelli Roelli sind die Ersten, die es geschafft haben, so viel Wirkstoff in einen Kaugummi zu packen und dabei legal zu bleiben. Auf der Website findet man die Info: „Von staatlich geprüften Gutachtern als sicher bewertet und bei der EU-Kommission notifiziert.“ Mitarbeiter Nico Studer bestätigt: „Das Produkt ist in der EU verkehrsfähig und registriert. Der Kaugummi wird bald auch außerhalb der Schweiz in den ersten Apotheken und Drogerien erhältlich sein.“ Der Rohstoff kommt übrigens von der Thurgauer Firma Medropharm, die ihren CBD-Hanf auch in der Ostschweiz anbaut. Regionaler Hanf. Zigis, ganz regional Regionalität liegt gewissermaßen im Namen der laut Eigendefinition „einzigen unabhängigen Zigaretten-Manufaktur der Schweiz“. „Heimat“ nennt sich das junge Unternehmen von Roger Koch, das in Steinach bei Arbon angesiedelt ist. „Heimat“ heißen auch die hier produzierten Zigaretten aus Schweizer Tabak. Seit einem Jahr kommt von hier die weltweit erste „Hanf-Zigi“. In der Produktbeschreibung heißt es: „Die naturbelassene Tabak-Hanf-Mischung entfaltet beim Rauchen milde, süss-würzige Aromen und verströmt den unverkennbaren Cannabis-Duft. Und dies selbstverständlich ohne Zusatzstoffe – ausser Trinkwasser vom Bodensee. Der Hanf weist einen tiefen THC-Gehalt von deutlich unter einem Prozent auf. Dafür enthält er einen sehr hohen Anteil an Cannabidiol (CBD).“ Wegen des „unverkennbaren Cannabis-Duftes“ ist es allerdings geraten, immer einen Kaufbeleg mit sich zu führen … Der Alpen-Joint darf, anders als die Kaugummis, nicht ins europäische Ausland ausgeführt werden, ist also nur vor Ort zu rauchen. Das Päckchen kostet rund 19 SFr. bei Coop, Denner etc. Cannabis als Medizin Der Cannabis-Markt wächst schneller als alle Prognosen. Es wird gemunkelt, dass ab 2019 Hanf auch in Deutschland angebaut werden soll – wie in der Schweiz von ausgesuchten Unternehmen und nur zu medizinischen Zwecken. In Österreich ist das bereits der Fall; hier hat der Staat das Hanf-Monopol. Die Schweizer Regierung will den Cannabiskonsum aus medizinischen Gründen erleichtern Cannabis Cannabis ist der wissenschaftliche Name der weiblichen Hanfpflanze, die fast ausschließlich als Rauschmittel verwendet wird, da die männliche Hanfpflanze eine geringere Wirkstoffkonzentration aufweist. Marihuana ist die weibliche Blüte der Hanfpflanze und Hasch ist das daraus gewonnene, meistens durch bestimmte Beimischungen gestreckte Harz, das geraucht wird. Cannabinoide sind Bestandteile der Pflanze und jeweils für unterschiedliche Wirkungen bekannt. und womöglich auch das Kiffen im Allgemeinen lockerer handhaben. Einem Regierungsbeschluss zufolge sollen die bislang nötigen Ausnahmebewilligungen vom Betäubungsmittelgesetz für Patienten, die mit Cannabis Schmerzen lindern, abgeschafft werden. Geprüft wird auch, ob Krankenkassen dann die Kosten komplett übernehmen. Die medizinischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis sind wissenschaftlich noch wenig untersucht. Im Gehirn und vielen Organen finden sich Cannabisrezeptoren: Das allein deutet auf ein großes medizinisches Potenzial hin. Außer etwa bei Epilespsie kommt der legale Hanf auch bei Psychosen zur Anwendung. Im Gegensatz zu THC wirkt er nicht euphorisierend, sondern beruhigend. Zudem soll er schlaffördernd, entzündungshemmend und antibakteriell wirken, wie Versuche gezeigt haben. Angeblich kann CBD auch gewisse Krebszellen abtöten, zumindest gab es entsprechende Laborversuche. Die Pharmakonzerne fürchten die Legalisierung von Cannabis aus bekannten Gründen. Aber es gibt ja Lidl Schweiz: Hier kann man seit April drei Gramm CBD für 17 SFr. kaufen. Garantiert regionalen Ursprungs. TEXT: CLAUDIA ANTES-BARISCH 49