24.07.2018 Aufrufe

akzent August '18 GB

akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN

akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BILDUNG & WIRTSCHAFT AM SEE<br />

Ein vielseitiges Kraut<br />

„Wer den freien Genuss von Cannabis befürwortet,<br />

nimmt in verantwortungsloser Weise<br />

den Tod von Tausenden jungen Menschen in<br />

Kauf“, schimpfte der damalige CSU-Chef Edmund<br />

Stoiber 1992 während einer Diskussion<br />

über Drogen-Gesetze. Gut 25 Jahre später<br />

ist (illegales) Kiffen in der Gesellschaft angekommen<br />

– und von Cannabis-Toten hat man<br />

seitdem eher selten gehört. Nach wie vor ist<br />

Cannabis hierzulande wegen seines Wirkstoffes<br />

THC im Betäubungsmittelgesetz (BtMG)<br />

aufgeführt und daher verboten. Das gilt auch<br />

für die Einfuhr von kleinen Mengen (Stichwort:<br />

Coffeshops in Amsterdam!). Dabei ist es unbestritten,<br />

dass Hanf auf verschiedene Weise<br />

heilen kann. Seit März 2017 gibt es Cannabis<br />

in Deutschland auf Rezept (die Krankenkassen<br />

zahlen bislang nur bei bis zu 40 Prozent der<br />

Fälle). Um an Cannabis zu kommen, müssen<br />

deutsche Patienten bei entsprechender medizinischer<br />

Indikation allerdings eine Ausnahmegenehmigung<br />

zur Selbsttherapie bei der Bundesopiumstelle<br />

des Bundesinstituts für Arzneimittel<br />

und Medizinprodukte (BfArM) einholen. Eine<br />

aufwendige Prozedur.<br />

In der Schweiz ist die Drogenpolitik liberaler.<br />

Cannabiszigaretten mit dem Wirkstoff CBD<br />

sind dort jetzt rechtlich normalem Rauchtabak<br />

gleichgestellt. Zur Erklärung: In der<br />

Hanfpflanze finden sich über 80 sogenannte<br />

Cannabinoide. Einer dieser chemischen Wirkstoffe<br />

ist Cannabidiol, CBD. Im Gegensatz zu<br />

THC hat CBD keine psychoaktive Wirkung,<br />

gilt folglich nicht als Droge. Der Rest-THC-<br />

Gehalt in CBD liegt bei 0,3 bis 0,7 Prozent,<br />

während es bei Marihuana 10 bis 15 Prozent<br />

THC sind. In den meisten europäischen Ländern,<br />

darunter auch Deutschland und Österreich,<br />

dürfen Cannabis-Blüten nur verkauft<br />

werden, wenn sie einen THC-Wert von unter<br />

0,3 Prozent aufweisen.<br />

Kaugummi mit Wirkung<br />

Der St. Galler Süßigkeiten-Produzent Roelli<br />

Roelli hat jetzt mit dem Swiss Cannabis Gum<br />

einen Kaugummi auf den Markt gebracht,<br />

der nicht berauscht und trotzdem wirkt.<br />

„Macht nicht high, sondern frei“, verspricht<br />

das Unternehmen. In jedem Kaugummi sind<br />

fünf Milligramm CBD enthalten. Eine Packung<br />

enthält 120 Milligramm CBD, das<br />

entspricht in etwa sechs Gramm Hanf. Roelli<br />

Roelli sind die Ersten, die es geschafft<br />

haben, so viel Wirkstoff in einen Kaugummi<br />

zu packen und dabei legal zu bleiben.<br />

Auf der Website findet man die Info: „Von<br />

staatlich geprüften Gutachtern als sicher<br />

bewertet und bei der EU-Kommission notifiziert.“<br />

Mitarbeiter Nico Studer bestätigt:<br />

„Das Produkt ist in der EU verkehrsfähig und<br />

registriert. Der Kaugummi wird bald auch außerhalb<br />

der Schweiz in den ersten Apotheken<br />

und Drogerien erhältlich sein.“ Der Rohstoff<br />

kommt übrigens von der Thurgauer Firma Medropharm,<br />

die ihren CBD-Hanf auch in der<br />

Ostschweiz anbaut. Regionaler Hanf.<br />

Zigis, ganz regional<br />

Regionalität liegt gewissermaßen im Namen<br />

der laut Eigendefinition „einzigen unabhängigen<br />

Zigaretten-Manufaktur der Schweiz“.<br />

„Heimat“ nennt sich das junge Unternehmen<br />

von Roger Koch, das in Steinach bei Arbon<br />

angesiedelt ist. „Heimat“ heißen auch die<br />

hier produzierten Zigaretten aus Schweizer<br />

Tabak. Seit einem Jahr kommt von hier die<br />

weltweit erste „Hanf-Zigi“. In der Produktbeschreibung<br />

heißt es: „Die naturbelassene Tabak-Hanf-Mischung<br />

entfaltet beim Rauchen<br />

milde, süss-würzige Aromen und verströmt<br />

den unverkennbaren Cannabis-Duft. Und dies<br />

selbstverständlich ohne Zusatzstoffe – ausser<br />

Trinkwasser vom Bodensee. Der Hanf weist<br />

einen tiefen THC-Gehalt von deutlich unter<br />

einem Prozent auf. Dafür enthält er einen sehr<br />

hohen Anteil an Cannabidiol (CBD).“ Wegen<br />

des „unverkennbaren Cannabis-Duftes“ ist es<br />

allerdings geraten, immer einen Kaufbeleg mit<br />

sich zu führen … Der Alpen-Joint darf, anders<br />

als die Kaugummis, nicht ins europäische Ausland<br />

ausgeführt werden, ist also nur vor Ort<br />

zu rauchen. Das Päckchen kostet rund 19 SFr.<br />

bei Coop, Denner etc.<br />

Cannabis als Medizin<br />

Der Cannabis-Markt wächst schneller als alle<br />

Prognosen. Es wird gemunkelt, dass ab 2019<br />

Hanf auch in Deutschland angebaut werden<br />

soll – wie in der Schweiz von ausgesuchten<br />

Unternehmen und nur zu medizinischen Zwecken.<br />

In Österreich ist das bereits der Fall;<br />

hier hat der Staat das Hanf-Monopol. Die<br />

Schweizer Regierung will den Cannabiskonsum<br />

aus medizinischen Gründen erleichtern<br />

Cannabis<br />

Cannabis ist der wissenschaftliche Name<br />

der weiblichen Hanfpflanze, die fast ausschließlich<br />

als Rauschmittel verwendet<br />

wird, da die männliche Hanfpflanze<br />

eine geringere Wirkstoffkonzentration<br />

aufweist. Marihuana ist die weibliche<br />

Blüte der Hanfpflanze und Hasch ist das<br />

daraus gewonnene, meistens durch bestimmte<br />

Beimischungen gestreckte Harz,<br />

das geraucht wird. Cannabinoide sind<br />

Bestandteile der Pflanze und jeweils für<br />

unterschiedliche Wirkungen bekannt.<br />

und womöglich auch das Kiffen im Allgemeinen<br />

lockerer handhaben. Einem Regierungsbeschluss<br />

zufolge sollen die bislang nötigen<br />

Ausnahmebewilligungen vom Betäubungsmittelgesetz<br />

für Patienten, die mit Cannabis<br />

Schmerzen lindern, abgeschafft werden. Geprüft<br />

wird auch, ob Krankenkassen dann die<br />

Kosten komplett übernehmen.<br />

Die medizinischen Einsatzmöglichkeiten von<br />

Cannabis sind wissenschaftlich noch wenig<br />

untersucht. Im Gehirn und vielen Organen finden<br />

sich Cannabisrezeptoren: Das allein deutet<br />

auf ein großes medizinisches Potenzial hin.<br />

Außer etwa bei Epilespsie kommt der legale<br />

Hanf auch bei Psychosen zur Anwendung.<br />

Im Gegensatz zu THC wirkt er nicht euphorisierend,<br />

sondern beruhigend. Zudem soll er<br />

schlaffördernd, entzündungshemmend und<br />

antibakteriell wirken, wie Versuche gezeigt<br />

haben. Angeblich kann CBD auch gewisse<br />

Krebszellen abtöten, zumindest gab es entsprechende<br />

Laborversuche. Die Pharmakonzerne<br />

fürchten die Legalisierung von Cannabis<br />

aus bekannten Gründen.<br />

Aber es gibt ja Lidl Schweiz: Hier kann man<br />

seit April drei Gramm CBD für 17 SFr. kaufen.<br />

Garantiert regionalen Ursprungs.<br />

TEXT: CLAUDIA ANTES-BARISCH<br />

49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!