Kulturlandschaft Pinneberger Baumschulland. Eine Zeitreise - von den Anfängen bis zur Gegenwart
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Privatunterricht der Heins-Kinder durch<br />
Fräulein Biermann, 1922<br />
Musikzimmer im Wohnhaus Heins mit<br />
Gemälde <strong>von</strong> Ary Bergen um 1920<br />
für geringeren Lohn als die Einheimischen<br />
zu arbeiten. Emissäre (Abgesandte)<br />
wur<strong>den</strong> geschickt, um vor Ort<br />
Arbeitskräfte anzuwerben. Im Erfolgsfall<br />
bekamen sie ein „Kopfgeld“ <strong>von</strong> 17 Mark<br />
pro Person ausgezahlt. Der ganze Prozess<br />
entwickelte sich rasend schnell.<br />
Bereits im Frühjahr 1904 strömten junge<br />
Frauen und Männer aus Thüringen,<br />
Posen, Ostpreußen und Pommern in das<br />
<strong>Pinneberger</strong> <strong>Baumschulland</strong> und verdrängten<br />
die ortsansässigen Baumschularbeiter.<br />
Rasch wur<strong>den</strong> Wohn unterkünfte<br />
gebaut: die sogenannten „Kasernen“ der<br />
Firmen Heins und Pein, deren Bau allein<br />
ca. 100 000 Mark kos teten.<br />
Im Breslauer Anzeiger vom Januar 1905<br />
war zu lesen, wie die Werbung in <strong>den</strong><br />
Provinzen Posen, Schlesien, Ostpreußen<br />
und Pommern vor sich ging. Burschen<br />
und Mädchen über 16 Jahre und Frauen<br />
und Männer zwischen 19 und 40 Jahren<br />
wur<strong>den</strong> gesucht. Männer sollten 20<br />
Pfennige die Stunde verdienen, Frauen<br />
14 Pfennige und Jugendliche jeweils die<br />
Hälfte. Die Arbeitszeit betrug zehn<br />
Stun<strong>den</strong> an sechs Wochentagen. Gestellt<br />
wur<strong>den</strong> freie Unterkunft und Grund -<br />
nahrungsmittel. Aus Sicht der hiesigen<br />
Arbeiterschaft handelte es sich um<br />
Streikbrecher, die bereit waren, für niedrigen<br />
Lohn zu arbeiten. Sie selbst wur<strong>den</strong><br />
entlassen und viele gingen nach Altona<br />
in die Fabriken. Welchen erhöhten Zeitaufwand<br />
die langen Arbeitswege bedeuteten,<br />
kann man sich heute kaum mehr<br />
vorstellen.<br />
Lohnnebenkosten im Kaiserreich<br />
Doch die Produktionskosten der „schorn-<br />
steinlosen Industrie“ der Holsteiner<br />
Baumschulen waren zweifellos sehr<br />
hoch, da menschliche Arbeitskraft <strong>den</strong><br />
größten Teil des Produktionsweges<br />
ausmachte. Die Lohnnebenkosten aber<br />
waren mit <strong>den</strong> heutigen nicht vergleichbar.<br />
Der Deutsche Reichstag beschloss<br />
auf Anraten des Reichskanzlers Bismarck<br />
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