Kulturlandschaft Pinneberger Baumschulland. Eine Zeitreise - von den Anfängen bis zur Gegenwart
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Umbruch_II_Seite_55_<strong>bis</strong>_104.qxp_Layout 1 09.07.18 12:04 Seite 78<br />
1850<br />
<strong>bis</strong> heute<br />
Von 1850 <strong>bis</strong> ins 21. Jahrhundert<br />
Auch er führte zunächst das „Holsteiner<br />
Sortiment“ (Wildlinge, Obst- und Forstgehölze),<br />
um wirtschaftlich bestehen zu<br />
können. Dann schlug seine Lei<strong>den</strong>schaft<br />
für die Rosen wieder durch und er befasste<br />
sich verstärkt mit dem Anbau und<br />
der Veredelung. Die Rosenvermehrung<br />
erfolgte damals noch durch Steckhölzer<br />
wurzelechter Rosensorten. Meyn stellte<br />
seine Produktion auf Veredelung <strong>von</strong><br />
Rosenwildlingen um. Dadurch konnten<br />
aus einem edlen Zweig vier- <strong>bis</strong> fünfmal<br />
so viele Rosenpflanzen der gleichen<br />
Sorte herangezogen wer<strong>den</strong>. Die Bedeutung<br />
dieser Entwicklung kann nicht hoch<br />
genug geschätzt wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n die in der<br />
Folgezeit gezüchteten Rosenneuheiten<br />
waren nicht in der Lage, eigene kräftige<br />
Wurzelstöcke zu entwickeln. Die Rosenwildlinge<br />
übernahmen eine „Ammen-<br />
tätigkeit“. Nur sie konnten die kräftigen<br />
Wurzelstöcke entwickeln, die für einen<br />
gesun<strong>den</strong> Rosenstrauch notwendig sind.<br />
Elmsfeuer – ein Rhabarber-Erfolg<br />
<strong>Eine</strong> ganz andere Pflanze aber sollte eine<br />
besondere Bedeutung für die Baumschule<br />
Meyn bekommen: der Rhabarber,<br />
das Gemüse der einfachen Leute. Bisher<br />
war nur die Sorte „Victoria“ auf dem<br />
Markt. Die Stiele waren weiß und ziemlich<br />
säuerlich. Ohne Zuckerzusatz beim<br />
Kochen war diese Sorte nicht genießbar.<br />
Zucker war sehr teuer und für Arbeiterfamilien<br />
unerschwinglich (daher nutzen<br />
viele Familien die Imkerei als Zuckerquelle).<br />
Meyn kreuzte „Victoria“ mit<br />
anderen Sorten und bekam über die generative<br />
Auslese eine Rhabarbersorte,<br />
deren Säuregehalt um zwei Drittel niedriger<br />
war. Er nannte sie „Elmsfeuer“, eine<br />
Abkürzung <strong>von</strong> E. L. Meyns Feuerroter.<br />
„Elmsfeuer“ und später weiter verbesserte<br />
Sorten wur<strong>den</strong> ein Riesenerfolg.<br />
Große Rhabarberfelder wur<strong>den</strong> angelegt<br />
und das Gemüse per Pferdefuhrwerk auf<br />
<strong>den</strong> Buttermarkt zum Verkauf gefahren.<br />
Bald wurde „Uetersener Rhabarber“ in<br />
ganz Deutschland und <strong>den</strong> benachbarten<br />
Staaten ausgeliefert. Jedes Jahr wur<strong>den</strong><br />
20 000 Liter Rhabarberwein hergestellt.<br />
Großabnehmer war das Königliche Lehrer -<br />
seminar in Uetersen! In <strong>den</strong> Hunger -<br />
zeiten während und nach <strong>den</strong> Kriegen<br />
sollte der „Uetersener Rhabarber“ eine<br />
wichtige Ernährungslücke schließen.<br />
Einsatz für Uetersen<br />
Ernst Ladewig Meyn bekleidete 41 Jahre<br />
lang das Amt eines Stadtrates. Von 1914<br />
<strong>bis</strong> 1919 war er kommissarischer Bürgermeister.<br />
Gemeinsam mit <strong>den</strong> Rosenzüchtern<br />
Tantau und Kordes baute er das zerstörte<br />
Rosarium wieder auf (siehe auch<br />
<strong>den</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Artikel) und gründete<br />
<strong>den</strong> „Verein selbständiger Gärtner“.<br />
Die erste Deutsche Schnittrosenschau<br />
1934 mit großer Werbewirkung für<br />
Uetersen geht auf sein Konto. 1952 starb<br />
E. L. Meyn mit fast 93 Jahren. Die größte<br />
Ehre sollte ihm 1934 zuteilwer<strong>den</strong>, als er<br />
wegen seiner hohen Verdienste um die<br />
Stadt Uetersen zum Ehrenbürger ernannt<br />
wer<strong>den</strong> sollte. Doch wenige Tage vor<br />
diesem Ereignis beschloss der Rat, stattdessen<br />
Adolf Hitler zum Ehrenbürger zu<br />
machen. Als Ersatz wurde Ernst Ladewig<br />
Meyn die nichtssagende Auszeichnung<br />
„Stadtältester“ verliehen.<br />
Die Familie Wunderlich:<br />
Die Vorfahren der Familie Wunderlich<br />
kamen Mitte des 18. Jahrhunderts aus der<br />
bayerischen Oberpfalz nach Schleswig-<br />
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