Kulturlandschaft Pinneberger Baumschulland. Eine Zeitreise - von den Anfängen bis zur Gegenwart
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Holstein. Die Brüder Johann Heinrich und<br />
Johann Wolfgang, der eine Zimmermann,<br />
der andere Maurer, ließen sich nach ihrer<br />
Gesellenwanderschaft in Pinneberg<br />
nieder. Aus dem Krieg 1870/1871 kehrte<br />
der Zimmerermeister Johann Heinrich<br />
mit einer schweren Verletzung <strong>zur</strong>ück,<br />
die ihn zwang, seinen Beruf aufzugeben.<br />
Nun war „Not am Mann“. Die Invali<strong>den</strong>rente<br />
gab es noch nicht, und die kargen<br />
Erträge aus der kleinen Landwirtschaft<br />
reichten nicht, um die achtköpfige Familie<br />
durchzubringen.<br />
Schon Johann Heinrichs Vater, Johann<br />
Martin, hatte aus Liebhaberei Rosen veredelt<br />
und betrieb seit 1868 im Neben -<br />
erwerb eine kleine Rosenschule. Er stand<br />
mit <strong>den</strong> Pionieren Claussen und Meyn in<br />
Verbindung, und alle drei tauschten wohl<br />
ihre Erfahrungen aus. Wie Claussen und<br />
Meyn und vor ihnen die „Pa<strong>den</strong>stecher“<br />
sammelte er aus <strong>den</strong> Knicks und Waldrändern<br />
Wildrosen, zog sie zu Stämmen<br />
und veredelte sie. Ab 1870 kaufte er zusätzlich<br />
aus Dänemark die sogenannten<br />
„Waldstämme“. Das waren schon kräftige<br />
Wildrosenstämme, auf <strong>den</strong>en sofort<br />
veredelt wer<strong>den</strong> konnte. Der Verkauf der<br />
Rosenblüten auf <strong>den</strong> Hamburger Blumenmärkten<br />
begann um 1885. Johann Martin<br />
gehörte somit zu <strong>den</strong> Pionieren der<br />
Rosenanzucht im <strong>Pinneberger</strong> <strong>Baumschulland</strong>.<br />
Christine und Carl Martin Wunderlich –<br />
eine Liebesheirat<br />
Als Johann Heinrich kriegsversehrt nach<br />
Pinneberg <strong>zur</strong>ückkehrte, stieg er in die<br />
kleine Rosenschule seines Vaters ein. Er<br />
war mit der Rosenanzucht <strong>von</strong> Kindesbeinen<br />
an vertraut. Aber er soll kein<br />
guter Geschäftsmann gewesen sein. Als<br />
sein Sohn Carl Martin 1902 die Rosenschule<br />
am Damm 75 übernahm, war sie<br />
desolat und verschuldet. Das Schicksal<br />
wollte es, dass dieser im Herbst 1900 auf<br />
Christine Bülck aus Neumünster traf. Im<br />
Folgen<strong>den</strong> kann dank der <strong>von</strong> ihr selbst<br />
verfassten Lebenserinnerungen auch<br />
aus dem Alltag berichtet wer<strong>den</strong>:<br />
Man war verliebt, verlobt und 1902 verheiratet.<br />
Dabei war das „Verliebt-Sein“<br />
zu dieser Zeit nicht selbstverständlich,<br />
<strong>den</strong>n viele Ehen waren noch <strong>von</strong> <strong>den</strong><br />
Eltern arrangiert: „Liebe vergeht, Hektar<br />
besteht.“ Christine kam also in diesen<br />
Haushalt, <strong>den</strong> sie in ihren Lebenserinnerungen<br />
als „verkommen“ beschrieb. Und<br />
Carl, der keine Gärtnerlehre absolviert<br />
hatte, musste nun <strong>den</strong> Betrieb führen. Es<br />
war der schwerste Beginn, <strong>den</strong> man sich<br />
vorstellen kann. Die Rosen blühten erst<br />
am 6. Juli, und durch Frühfröste endete<br />
die Blütezeit bereits am 5. Oktober. Carls<br />
Arbeitstag begann in der Saison um zwei<br />
Uhr in der Früh. Mit dem Fahrrad fuhr er<br />
auf die Rosenfelder, schnitt die Rosenblüten,<br />
war um fünf Uhr morgens wieder<br />
<strong>zur</strong>ück, sortierte, zählte und bündelte sie<br />
und fuhr mit seiner Fracht mit dem Zug<br />
Im Keller beim Sortie -<br />
ren und Bündeln der<br />
Schnitt rosen,<br />
ganz links Christine<br />
Wunderlich (um 1930)<br />
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