ER// SIE// ES// LIEST// SPIEL
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2008//01<br />
der von Rowohlts Bildmonografien, wusste es ebenfalls: „Wenn in den<br />
Werken eines Schriftstellers viel getrunken wird, kann man sicher<br />
sein, dass er selbst trinkt, denn“, so Kusenberg, „Literatur ist Selbster-<br />
fahrung“. So ist anzunehmen, dass Schriftsteller, wenn sie das Spiel<br />
thematisierten, auf eigene Spielerlebnisse zurückgriffen, abgesehen<br />
vielleicht von jenen, welche es von einer höheren moralischen Warte<br />
herab, also a priori, verurteilten. Wie will ein Autor die Abgründe des<br />
Hasards überzeugend schildern, ohne sie nicht wenigstens einmal am<br />
eigenen Leib durchlitten zu haben? Allein, in den meisten Fällen sind<br />
Erfahrungen dieser Art nicht bekannt. Während dem Suff noch immer<br />
eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz sicher ist, weil er der Stilisie-<br />
rung des Künstlertums Vorschub leistet, haftet dem Glücksspiel nach<br />
wie vor das Odeur des Verrufenen an. Kein Wunder also, wenn Autoren<br />
über ihre Aufenthalte am Spieltisch nur vereinzelt Auskünfte erteilen.<br />
Verbürgt ist immerhin, dass der Romantiker E.T.A. Hoffmann ein<br />
1798 in einem schlesischen Badeort gehabtes Spielerlebnis, bei dem er<br />
auf geheimnisvolle Weise viel Geld gewann, nicht nur in den Elixieren<br />
des Teufels (1815), sondern auch in der Novelle Spielerglück (1819) ver-<br />
arbeitete. Fürst Hermann von Pückler- Muskau, Dandy, Weltreisender,<br />
enthusiastischer Landschaftsgärtner, Schöpfer der beliebten Eiskreation<br />
und bekennender Trinker, besuchte 1826 Spielclubs in London. Der „Ra-<br />
sende Reporter“, Egon Erwin Kisch, berichtete aus dem Kasino in Monte<br />
Carlo. Nichts in diesen Berichten deutet darauf hin, dass sie im Leben<br />
ihrer Verfasser tiefe Spuren hinterließen; was auch in Bezug auf die bei-<br />
den russischen Romanciers Ivan Turgenew und Ivan Gontscharow gilt,<br />
obwohl sie in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wiederholt an<br />
den Spieltischen deutscher Kurorte das Glück herausforderten.<br />
Ein anderer russischer Zeitgenosse – Fjodor Dostojewski – war dem<br />
Spiel mit der rotierenden Scheibe und der weißen Kugel allerdings über<br />
fast ein Jahrzehnt lang derart verfallen, dass er nicht nur sich und seine<br />
Familie mehrfach dramatisch an den Rand des Ruins manövrierte,<br />
sondern auch in dem Roman Der Spieler das Muster einer literarischen<br />
Zocker-Psychologie gestalten konnte. Wer die Abgründe des Roulettes<br />
kennenlernen möchte, ohne sich selbst gleich um Kopf und Kragen zu<br />
bringen, wird immer zum Spieler greifen. Oder zu Dostojewskis Briefen<br />
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