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ER// SIE// ES// LIEST// SPIEL

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an seine Frau Anna, worin er minutiös Rechenschaft über seine zwang-<br />

hafte Spielsucht ablegt, wie umgekehrt die Tagebücher und Erinne-<br />

rungen Annas diese aus der Innenperspektive ergänzen und absichern.<br />

Mit den beiden Letzteren lässt sich – obwohl erst nach Veröffentlichung<br />

des Spielers entstanden – genau belegen, dass Dostojewskis Roman kein<br />

ausschließliches Produkt genialer Einbildungskraft darstellt, sondern<br />

auf genauen Beobachtungen im Kasino und mehr noch auf der genauen<br />

Analyse der eigenen Faszination am Roulette beruht. Allerdings wäre es<br />

falsch, Dostojewski allein mit dem Ich-Erzähler Alexej Ivanowitsch zu<br />

identifizieren. Dostojewski war klug genug, die Pathologie der Spieler-<br />

seele auf eine weitere Romanfigur (nämlich auf die alte Erbtante) zu<br />

projizieren und so zunächst einmal von seiner Person abzulenken.<br />

Dostojewski verknüpft in dem Roman das Spielermotiv mit dem des<br />

verschmähten Liebhabers. Das Drama spielt sich in zwei Jahren ab und<br />

innerhalb dieser Zeitspanne an wenigen Tagen. Die Handlung ist in Ru-<br />

letenburg angesiedelt, Quintessenz einiger im 19. Jahrhundert beliebter<br />

deutscher Kurorte. Eine seltsame Reisegesellschaft hat sich eingefun-<br />

den, Alexej Ivanowitsch nennt sie „die Unseren“. An ihrer Spitze steht<br />

ein ehemaliger russischer General, bei dem der Erzähler als Hauslehrer<br />

angestellt ist. Über beide Ohren hat er sich in des Generals Stieftochter,<br />

Polina, verliebt. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass sie bereits dem<br />

»Marquis« de Grieux aufgesessen ist, einem undurchsichtigen Franzo-<br />

sen. Der General liebt seinerseits eine zwielichtige französische Kokotte<br />

namens Madame Blanche. Aber ohne Geld hat er keine Chancen bei ihr.<br />

Folglich wartet er nur auf den Tod seiner ebenso reichen wie exzentri-<br />

schen Erbtante. Nur mit dem erhofften Erbe wird er sich die Zuneigung<br />

der Madame Blanche erschleichen können, und für die junge Blanche ist<br />

der alternde General ja auch nur wegen dieses Geldes interessant.<br />

Aber anstatt zu sterben, kreuzt die putzmuntere Tante überraschend<br />

im Kurort auf, verspielt in kürzester Zeit nahezu ihr gesamtes Vermögen<br />

beim Roulette und ruiniert damit nicht nur sich, sondern durchkreuzt<br />

(was viel schlimmer ist) die schönsten Hoffnungen, die der General,<br />

seine Stieftochter und nicht zuletzt Madame Blanche an ihr Ableben<br />

geknüpft haben.<br />

Alexej Ivanowitsch wittert nun seine Chance: Für die Angebetete<br />

MAGAZIN//<br />

<strong>ER</strong>//<strong>SIE</strong>//<strong>ES</strong>//LI<strong>ES</strong>T//14

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