Berliner Kurier 25.10.2018
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KULTUR<br />
SEITE19<br />
BERLINER KURIER, Donnerstag, 25. Oktober 2018<br />
Ein Bild von einer<br />
Sammlung<br />
Zwei Gemälde, 46<br />
Zeichnungen und<br />
52 druckgrafische<br />
Werkeaus fast<br />
allen<br />
Schaffensphasen.<br />
Jahrhundertschenkung: BarbaraGöpel<br />
vermachte den Staatlichen Museen<br />
Gemälde, Zeichnungen und Radierungen<br />
Max Beckmanns. Eine Sonderausstellung<br />
zeigt die weitgehend unbekannten Werke<br />
Max Beckmann<br />
im Amsterdamer<br />
Atelier.<br />
Schon der 17-Jährige<br />
zeichnete sich gern<br />
selbst. „Beckmann war ja<br />
ein großer Porträtist,<br />
aber die Selbstgemälde sind sicher<br />
seine Spitzendisziplin“,<br />
sagt Andreas Schalhorn. Daneben<br />
die Skizze seines Armes, als<br />
Beckmann um 1900 noch Zeichenschüler<br />
war, mehr als perfekt<br />
bis in die letzte Ader, und<br />
damit geht es im Kulturforum<br />
erst heiter los.<br />
Der Kurator der Ausstellung<br />
„Max Beckmann. Das Vermächtnis<br />
Barbara Göpel“ ist<br />
sichtlich bester Laune, wenn<br />
nicht aus dem Häuschen: „Eine<br />
solche Schenkung, das kommt<br />
alle hundert Jahre mal vor. Gerade<br />
in der klassischen Moderne,<br />
wo die Preise auf dem Welt-<br />
Kuhns<br />
Kulturstück<br />
Helmut Kuhn<br />
schaut,liest<br />
und hörtfür<br />
den KURIER.<br />
markt so hoch sind, dass wir für<br />
nur ein Blatt mindestens sechs<br />
Monate einen Antrag stellen<br />
müssten“ –erschüttelt fast den<br />
Kopf. Denn es sind gleich zwei<br />
Gemälde, 46 Zeichnungen und<br />
52 druckgrafische Werke aus<br />
fast allen Schaffensphasen<br />
Beckmanns, die hier von der<br />
2017 verstorbenen Kunsthistorikerin<br />
Barbara Göpel übergeben<br />
wurden.<br />
Panoramaartig reihen sich die<br />
Werke an die Wände des Sonderausstellungsraumes.<br />
Dem<br />
Wissenschaftler und Referenten<br />
für Moderne Kunst des<br />
Kupferstichkabinetts ging es<br />
nicht um eine bestimmte Thematisierung<br />
oder Chronologie:<br />
„Im März bekamen wir das<br />
Vermächtnis rein. Wir wollten<br />
zeigen, was dadrin ist. Alles,<br />
den ganzen Schatz, dieses wundervolle<br />
Geschenk an Berlin.“<br />
Und das ist es auch: Neben<br />
den frühen Studien hängen<br />
erste biblische Motive, eine<br />
Musterungsszene aus dem Ersten<br />
Weltkrieg. „Beckmann meldete<br />
sich wie so viele Künstler<br />
freiwillig“, sagt Schalhorn. Der<br />
brutale Gas-Krieg, den er als<br />
junger Mann erlebt, ändert seinen<br />
Stil. Der Verwundete<br />
zeichnet Lazarette, Schwestern,<br />
zerstörte Städte. „Diese<br />
Fotos: Klug<br />
Automatenfoto vonMax und<br />
Mathilde Beckmann im<br />
Lunapark in Paris.<br />
Zeit hat ihn fertig gemacht.<br />
Aber ihm auch geholfen Künstler,<br />
sozusagen Beckmann zu<br />
werden. Er malt konkreter, härter“.<br />
Wie ein ausgeschüttetes Füllhorn<br />
reihen sich die Radierungen,<br />
Holzschnitte, Zeichnungen<br />
aneinander. Beckmanns<br />
Berlin der 20er-Jahre, Akte<br />
und Strandszenen, „Ladies<br />
Corner“ nennt der Kurator die<br />
frivole Ecke. Sogar bemalte<br />
Tischkarten finden sich, ein seltenes<br />
Kuriosum. Und immer<br />
wieder die Groteske, die Überzeichnung,<br />
das Mystische.<br />
Menschen, die lachen, als empfänden<br />
sie Schmerz. Porträts<br />
burschikoser Frauen und er<br />
selbst, sich selbst bewusst bis<br />
ins künstlerische Mark: Mal<br />
mit Melone, mal mit Zigarre,<br />
mal mit Fliege. „Mr. Cool“, sagt<br />
Schalhorn. Am Ende des Reigens<br />
hängen zwei Gemälde: Eines<br />
zeigt den Kunstsammler<br />
Dr. Erhard Göpel, Ehemann<br />
Barbara Göpels. Er war es, der<br />
diese Werke bis zu seinem Tod<br />
1966 zusammen getragen hatte.<br />
„Göpel ist eine zwiespältige<br />
Figur“, räumt Schalhorn ein. Ab<br />
1943 war der Kunstwissenschaftler<br />
als Aufkäufer für Hitlers<br />
geplantes „Führermuseum“<br />
in Linz beschäftigt. „Es<br />
war sein Job, gute Werke zu beschaffen.<br />
Natürlich waren jüdische<br />
Händler und Restauratoren<br />
involviert, die ihm einen guten<br />
Preis machen mussten. Zugleich<br />
konnte er Künstler und<br />
Juden auch schützen, das ist<br />
verbrieft.“ In seinem holländischen<br />
Exil setzte sich Göpel jedenfalls<br />
sehr für Beckmann ein,<br />
den er zuvor schon bewundert<br />
hatte.<br />
Göpel schmuggelte sogar einige<br />
Werke zurück nach München<br />
–getarnt als Dekoration<br />
für ein Offizierskasino. Womöglich<br />
habe er Beckmann gar<br />
vor dem Einzug in die Wehrmacht<br />
gerettet.<br />
„Er bekam die Blätter als Gegenleistung<br />
geschenkt, das war<br />
eine Art Naturalienhandel“,<br />
sagt Schalhorn. Die Herkunft<br />
und Umstände des Erwerbs der<br />
Bilder wurden jedenfalls ausführlich<br />
von den Provenienzforschern<br />
des Zentralarchivs<br />
der Staatlichen Museen geprüft.<br />
Das andere Gemälde ist eines<br />
der schönsten Selbstbildnisse<br />
Beckmanns. „Barbara Göpel<br />
wusste: Das fehlt uns. 1937 wurden<br />
der Nationalgalerie alle Gemälde<br />
Beckmanns entzogen,<br />
darunter ein berühmtes Selbstporträt“.<br />
2017 verstarb Barbara<br />
Göpel. Dank ihr fanden die<br />
Werke Beckmanns ihren Weg<br />
nach Berlin.<br />
„Max Beckmann. DasVermächtnis<br />
Barbara Göpel“, Sonderausstellungshalle<br />
des Kulturforums, ab 25.10.