Berliner Kurier 25.10.2018
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*<br />
POLITIK<br />
Fatales Signal an<br />
Auto-Konzerne<br />
Mehrfach hatte Finanzminister<br />
Olaf Scholz<br />
versprochen, dass für Diesel-Nachrüstungen<br />
keine<br />
Steuergelder ausgegeben<br />
werden. Diese Versprechen<br />
wird er möglicherweise<br />
nicht halten können: Seine<br />
Chefin Angela Merkel hat<br />
kein Problem damit, Milliarden<br />
Euro aus der Steuerkasse<br />
für geschädigte Diesel-Fahrer<br />
lockerzumachen.<br />
Angesichts der zu erwartenden<br />
massiven Stimmenverluste<br />
für die CDU in<br />
Hessen ein leicht durchschaubarer<br />
Wahlkampftrick.<br />
Aber zugleich auch<br />
ein Armutszeugnis für die<br />
Bundesregierung. Das Signal<br />
an die Autoindustrie:<br />
Wenn man sich nur lange<br />
genug hartnäckig weigert,<br />
Verantwortung für die Abgas-Betrügereien<br />
zu übernehmen,<br />
springt schon irgendwann<br />
der Steuerzahler<br />
ein. Solche Hängepartien<br />
stehen die Konzerne durch<br />
–Regierungen, besonders<br />
wenn mal wieder Wahlen<br />
anstehen, nicht. Dass für die<br />
Verhinderung von Diesel-<br />
Fahrverboten ausgerechnet<br />
Gelder verwendet werden,<br />
die als Fördermittel für die<br />
Elektromobilität und damit<br />
für saubere Luft gedacht<br />
waren, grenzt an Zynismus.<br />
Rashida Tlaib<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
FRAU DES TAGES<br />
Schon vor der Wahl Anfang<br />
November steht fest: Rashida<br />
Tlaib (42) wird als erste<br />
muslimische Frau als Abgeordnete<br />
ins US-<br />
Repräsentantenhaus<br />
einziehen<br />
–die<br />
Demokratin<br />
hat keinen<br />
Gegenkandidaten.<br />
Die Tochter palästinensischer<br />
Einwanderer<br />
ist Anwältin, zweifache<br />
Mutter und lebt in Michigan.<br />
„Ich werde eine starke<br />
Stimme gegen Donald<br />
Trump sein“, verspricht sie.<br />
Foto: hfr<br />
Von<br />
Jürgen<br />
Dreves<br />
Hessenwahl: Dasgroße<br />
SPD und CDU drohen dramatische Verluste. Grüne als Königsmacher? Fällt Bouffier,ist<br />
Wiesbaden – Es ist die spannendste<br />
Wahl des Jahres: Die<br />
<strong>Berliner</strong> Politik zittert vor<br />
der Landtagswahl am Sonntag<br />
in Hessen. Den GroKo-<br />
Parteien droht eine ähnlich<br />
heftige Klatsche wie in Bayern.<br />
Nur die Grünen können<br />
frohlocken. Sie sitzen in fast<br />
allen denkbaren Szenarien in<br />
der Regierung. Für SPD-Chefin<br />
Andrea Nahles und CDU-<br />
Chefin Angela Merkel geht es<br />
um viel –auch ein Sturz der<br />
Kanzlerin und ein Ende der<br />
GroKo sind möglich.<br />
Foto:dpa<br />
Brillanter Kopf,scharfzüngiger<br />
Redner.AnTarek al-Wazir (47)<br />
und den Grünen führtinHessen<br />
kein Wegvorbei. Er könnte sogar<br />
Ministerpräsident werden.<br />
Nach der jüngsten Umfrage<br />
(Insa) bekäme die CDU 26 Prozent<br />
(Wahl 2013: 38,3!), SPD 21<br />
(30,7), Grüne 21 (11,1), Linke 8<br />
(5,2), FDP 7(5,), AfD 13 (4,1).<br />
Welche Regierungsoptionen<br />
sich daraus ergeben –und wie<br />
wahrscheinlich sie sind:<br />
Alles wie gehabt: Schwarz-<br />
Grün? Dafür fehlen derzeit ein<br />
bis zwei Sitze. Möglicherweise<br />
schneidet CDU-Ministerpräsident<br />
Volker Bouffier (66) –<br />
einst ein „Law-and-order“-<br />
Mann, der mit den Grünen<br />
überraschend geräuschlos regiert<br />
hat –aber genau wie Markus<br />
Söder in Bayern zwei, drei<br />
Prozentpunkte besser ab als<br />
vorausgesagt. Die CDU würde<br />
daraus den Anspruch ableiten,<br />
den Ministerpräsidenten zu<br />
stellen. Wahrscheinlichkeit:<br />
groß. Denn: die Grünen haben<br />
als Juniorpartner enorm profitiert.<br />
Grünen-Chef Tarek al-<br />
Wazir (47) stieg zum beliebtesten<br />
Politiker in Hessen auf. Eine<br />
Neuauflage von Schwarz-<br />
Grün würde wohl den<br />
CDU-Vorsitz für Merkel retten.<br />
Jamaika mit der FDP. Sollten<br />
CDU und Grüne die Mehrheit<br />
verfehlen, könnte Bouffier<br />
versuchen, ein Jamaika-Bündnis<br />
aus CDU, Grünen und FDP<br />
zu bilden. Die Liberalen zeigen<br />
sich dafür offen. Doch die Stimmung<br />
zwischen Grünen und<br />
FDP ist gereizt. Wahrscheinlichkeit:<br />
mittel<br />
Hessen-GroKo: Schwarz-<br />
Rot. Auch für diese Option gilt:<br />
Derzeit fehlt es an Sitzen, es sei<br />
denn, die CDU und/oder die<br />
SPD schneiden besser ab als<br />
derzeit vorausgesagt. Wahrscheinlichkeit:<br />
klein. Die Neigung<br />
der SPD, in Hessen in eine<br />
Große Koalition zu schlittern,<br />
dürfte nach dem Desaster in<br />
Berlin gering sein. Die CDU<br />
zieht ohnehin die Grünen vor.<br />
Rot-Rot-Grün oder Grün-<br />
Rot-Rot: Das Ypsilanti-Trauma.<br />
Auch wenn Volker Bouffier<br />
vor linken Experimenten warnt,<br />
scheint ein Linksbündnis derzeit<br />
möglich. Bei der SPD regen<br />
sich dabei böse Erinnerungen:<br />
2008 scheiterte der Versuch, eine<br />
von der Linken tolerierte<br />
Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten<br />
und Grünen<br />
unter Führung der SPD-Spitzenkandidatin<br />
Andrea Ypsilanti<br />
zu bilden, an vier SPD-Landtagsabgeordneten,<br />
die sich verweigerten.<br />
Ypsilanti musste gehen<br />
und den Platz für Thorsten<br />
Schäfer-Gümbel (49) frei machen.<br />
Entscheidend dürfte sein,<br />
ob die Grünen vor der SPD landen<br />
– dann würden sie nach<br />
Winfried Kretschmann einen<br />
zweiten Ministerpräsidenten<br />
stellen.<br />
Ob Schäfer-Gümbel das akzeptieren<br />
würde? Ob in der SPD