Immobilia 2015/02 - SVIT
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IMMOBILIENRECHT<br />
Mehrwertsteuer<br />
Ein runder Geburtstag<br />
Am 1. Januar <strong>2015</strong> hat sich die Einführung der Mehrwertsteuer in der Schweiz zum<br />
zwanzigsten Mal gejährt. Nach zahlreichen Praxis- und Gesetzesänderungen besteht<br />
auch weiterhin Reformbedarf. Der Eifer der Politik ist allerdings gering.<br />
Mit 22,6 Mrd. CHF (2013) ist die MWST die grösste Steuereinnahmequelle des Bundes.<br />
Dr. Niklaus Honauer*<br />
MWST feiert Geburtstag. Im Zuge der Entwicklung<br />
in Europa wurde ab 1968 auch<br />
in der Schweiz über die Idee einer Mehrwertsteuer<br />
(MWST) diskutiert. Es dauerte<br />
aber noch mehr als 20 Jahre und brauchte<br />
drei Volksabstimmungen, bis die MWST<br />
1995 eingeführt wurde. Damit jährt sich<br />
heuer zum zwanzigsten Mal die Ablösung<br />
der Warenumsatzsteuer durch die MWST.<br />
In der Schweiz erhebt der Bund die MWST<br />
basierend auf Art. 130 der Bundesverfassung.<br />
Die gesetzliche Grundlage bildete<br />
die Verordnung über die Mehrwertsteuer<br />
(aMWSTV). Sie wurde am 1. Januar<br />
2001 durch das Mehrwertsteuergesetz<br />
(aMWSTG) abgelöst. Gleichzeitig erliess<br />
der Bundesrat die alte Mehrwertsteuerverordnung<br />
(aMWSTGV). Starker politischer<br />
Druck führte Mitte 2006 zu den sogenannten<br />
Pragmatismusartikeln (Art. 15a und 45a<br />
aMWSTGV). Diese Bestimmungen zielten<br />
darauf ab, den Formalismus der Eidgenössischen<br />
Steuerverwaltung (ESTV) einzudämmen.<br />
<br />
Das revidierte Mehrwertsteuergesetz<br />
2010. Mit dem Ziel, das Gesetz deutlich zu<br />
vereinfachen, die Rechtssicherheit zu stärken,<br />
die Transparenz zu erhöhen und die<br />
Kundenorientierung zu verbessern, trat auf<br />
den 1. Januar 2010 ein neues Mehrwertsteuergesetz<br />
(MWSTG) in Kraft. Die ehrgeizigen<br />
Pläne von Alt-Bundesrat Rudolf<br />
Merz, einen einheitlichen Steuersatz von<br />
6,1% einzuführen und die meisten bisherigen<br />
Steuerausnahmen abzuschaffen, erlitten<br />
dagegen im Parlament Ende 2011 endgültig<br />
Schiffbruch.<br />
Das neue MWSTG weicht in wesentlichen<br />
Bereichen vom bis Ende 2009 gültigen<br />
aMWSTG ab. So ist das Konzept der<br />
Steuerpflicht völlig neu, und im Bereich<br />
des Vorsteuerabzuges wurden die formalen<br />
Hürden wesentlich reduziert. Aber<br />
auch die Rechtssicherheit ist mit der abschliessenden<br />
Wirkung von Steuerkontrollen<br />
und dem Anspruch auf rechtsverbindliche<br />
Auskünfte der ESTV verstärkt worden.<br />
Aktuell scheint der politische<br />
Wille nicht besonders gross zu sein,<br />
die MWST weiter anzupassen.»<br />
Die Bauwirtschaft wurde durch den Wegfall<br />
des baugewerblichen Eigenverbrauchs<br />
allerdings nur vermeintlich entlastet. Die<br />
ESTV hat mit der Abgrenzung zwischen<br />
von der Steuer ausgenommenen Verkäufen<br />
von Bauwerken und der steuerbaren<br />
Immobilienlieferung neue Schwierigkeiten<br />
geschaffen. Die nun gültige Praxis stellt für<br />
die Abgrenzung vor allem darauf ab, ob<br />
die Verträge vor oder nach Baubeginn abgeschlossen<br />
worden sind. Grundstückkaufverträge,<br />
die vor Baubeginn abgeschlossen<br />
werden, qualifiziert die ESTV als steuerbare<br />
Immobilienlieferung.<br />
Ende September 2014 ist die Frist für<br />
die Vernehmlassung zur Teilrevision des<br />
MWSTG abgelaufen. Die wichtigsten Reformvorschläge<br />
zielen auf Änderungen<br />
bei der Steuerpflicht, auf Anpassungen<br />
bei den ausgenommenen Leistungen und<br />
auf Korrekturen bei der Bezugsteuer. Erbringt<br />
ein ausländisches Unternehmen<br />
in der Schweiz (Werk-)Leistungen, soll<br />
es schon ab dem ersten Franken steuerpflichtig<br />
werden, weil davon auszugehen<br />
ist, dass es weltweit die Umsatzgrenze von<br />
100 000 CHF überschreitet.<br />
So kann der Wettbewerbsnachteil für<br />
inländische Unternehmen beseitigt werden.<br />
Behelfsmässig wird dieses Ziel übrigens<br />
per 1. Januar <strong>2015</strong> mit einer Anpassung<br />
der MWST-Verordnung erreicht.<br />
Die Steuerausnahme für Werbeleistungen<br />
von gemeinnützigen Organisationen sowie<br />
für Parkplätze auf öffentlichem Grund soll<br />
wegfallen.<br />
Im Rahmen der Teilrevision des<br />
MWSTG setzt sich die Baubranche dafür<br />
ein, dass Verkäufe von Grundstücken durch<br />
die ESTV nicht mehr in steuerbare Immobilienlieferungen<br />
umqualifiziert werden können.<br />
Für die Abgrenzung soll nicht mehr<br />
– der willkürlich festgelegte – Baubeginn,<br />
sondern der Übergang von Nutzen und Gefahr<br />
relevant sein. Trägt der<br />
Käufer das wirtschaftliche Risiko<br />
des Baus, liegt ein steuerbarer<br />
Vorgang vor. Trägt<br />
hingegen der Veräusserer bis<br />
zur Fertigstellung des Baus<br />
Nutzen und Gefahr – und damit<br />
das wirtschaftliche Risiko<br />
–, unterscheidet sich der<br />
Verkauf einer in Bau befindlichen<br />
Immobilie nicht vom<br />
Verkauf eines bereits fertiggestellten<br />
Baus. Diese Situation<br />
soll konsequenterweise von der Steuer<br />
ausgenommen sein.<br />
Vielfältige Rechtsprechung. 1997 beschäftigte<br />
sich der erste Entscheid des<br />
Bundesgerichts mit der Abgrenzung zwischen<br />
Umsätzen, die dem reduzierten Satz<br />
bzw. dem Normalsatz unterliegen. Diese<br />
Abgrenzung zieht sich wie ein roter Faden<br />
durch eine Vielzahl von Entscheiden. Im<br />
40 | immobilia Februar <strong>2015</strong>