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BIBER 11_18 DA_AR (1)

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Ich werde<br />

Anwalt. Oder<br />

Elektriker<br />

Generation AMS?<br />

Fehlanzeige. Von Elektriker<br />

über Kinderarzt bis hin zum<br />

Dönerladenbesitzer - wir<br />

haben mit SchülerInnen<br />

einer vierten Klasse in einer<br />

Wiener Mittelschule über<br />

ihre Zukunftspläne geredet.<br />

Nach der Vierten mache ich ein Jahr HTL<br />

und danach beginne ich eine Ausbildung<br />

zum bautechnischen Zeichner“,<br />

sagt der 14-jährige Amer. Er hat in den<br />

Sommerferien seinem Vater geholfen,<br />

ein Haus in Serbien zu bauen – das hat ihm Spaß<br />

gemacht, deshalb kann er sich vorstellen, einmal etwas<br />

in diese Richtung beruflich zu machen. Sein Klassenkollege<br />

Ali möchte auch eine Lehre im Bauwesen absolvieren.<br />

„Oder ich mache meine eigene Dönerbude auf,<br />

Ali’s Döner“, sagt er zufrieden. Seine berufspraktischen<br />

Tage wollte Ali bei einem Dönermann absolvieren.<br />

„Mein Vater hat mir dann aber doch geraten, dass ich<br />

es lieber bei einem Bauunternehmen machen soll“, sagt<br />

der 13-Jährige. Egal ob Dönerbude oder Bauwesen:<br />

Amer und Ali scheinen genau zu wissen, wie sie zu ihrer<br />

Lehrstelle kommen. Wo sie sich anmelden sollen, wann<br />

und wie. Dabei wird in den Medien über die „Generation<br />

AMS“ und die fehlende Zukunftsperspektive von<br />

Mitschüler/innen geredet – wir haben direkt bei SchülerInnen<br />

der vierten Klasse einer Neuen Mittelschule<br />

in Wien nachgefragt, was sie nach diesem Schuljahr<br />

machen wollen. Das Ergebnis war geradezu überraschend:<br />

Die Dreizehn- bis Vierzehnjährigen haben<br />

oft schon einen ziemlich durchdachten Plan für ihre<br />

Zukunft. Kreative Ideen inklusive. Sie wissen, was sie<br />

wollen und bleiben dabei realistisch. „Ich wollte zuerst<br />

eine Lehre als Konditor machen, weil mein Onkel eine<br />

Konditorei hat und so gute Torten macht. Aber dann<br />

habe ich erfahren, dass es den Lehrberuf Bürokaufmann<br />

gibt – der hat mir gefallen, weil man dort nicht so<br />

viel wie beim Konditor machen muss. Es ist körperlich<br />

auch nicht so anstrengend“, sagt der 13-jährige Teo.<br />

„Ich war mit meiner Klasse beim AMS, wo wir uns ein<br />

Video zum Thema Bürokaufmann-Lehre angesehen<br />

haben. Das fand ich cool und jetzt bin ich mir sicher,<br />

dass ich das machen will“, fügt er hinzu. Fast alle SchülerInnen<br />

aus der Klasse haben Migrationshintergrund,<br />

einige sind erst seit einigen Jahren oder gar Monaten<br />

in Österreich. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen<br />

könnten, einmal im Journalismus zu arbeiten, antworten<br />

sie „Dafür kann ich nicht gut genug Deutsch.“ Aber<br />

dafür spricht so gut wie jedes Kind noch eine andere<br />

Sprache, die 13-jährige Ellinor beherrscht sogar vier<br />

Sprachen fließend. Deutsch inklusive.<br />

„ICH WERDE ANWALT. ODER<br />

ELEKTRIKER.“<br />

Ob Uni eine Option für die jungen Erwachsenen ist?<br />

„Ich wäre gerne einmal Anwalt. Oder Elektriker. Aber<br />

lieber Anwalt. Da macht man was für Menschen“,<br />

sagt Amers Sitznachbar Paul. Dass er dafür zuerst<br />

eine Matura an einer weiterführenden Schule braucht,<br />

ist ihm bewusst. Auch seine Klassenkollegin Berivan<br />

möchte einmal Jus studieren: „Ich will Anwältin werden<br />

und Menschen verteidigen“, sagt die eloquente und<br />

selbstbewusste 14-Jährige. Ein langes Studium stört sie<br />

nicht, ihre beiden älteren Schwestern studieren auch,<br />

eine davon Jus. In Berivans Reihe sitzt Ivana, die Medizin<br />

studieren möchte. Und das mit einem konkreten<br />

Ziel: Sie will einmal Schönheitschirurgin werden. „Ich<br />

liebe die Serie „Keeping Up with the Kardashians“. Sie<br />

hat mich auf die Idee gebracht, dass man damit Geld<br />

verdienen kann, Menschen zu verschönern“, sagt sie.<br />

Sahra ist sich noch nicht sicher, ob sie in die Medizin<br />

gehen möchte. „Ich will entweder Kinderärztin oder<br />

Kindergärtnerin werden. Eines von beiden“, erzählt sie.<br />

Dass sie ihre Kindergärtnerinnenausbildung in einer<br />

BAKIP machen muss, weiß sie.<br />

„NA ZWEITAUSEND EURO!“<br />

Ihre Klassenkameradin Melisa will unbedingt einmal in<br />

einer Parfümerie arbeiten. Dafür wird sie eine Lehre als<br />

Einzelhandelskauffrau machen. „Am liebsten würde ich<br />

bei Marionnaud arbeiten“, erzählt sie. Melisas Cousine<br />

arbeitet in einer bekannten österreichischen Parfümerie<br />

und wird Melisa erklären, was sie alles braucht und wo<br />

sie sich um eine Stelle bewerben soll, wenn sie diesen<br />

Beruf ausüben möchte. Nuradin und Mustafa wollen<br />

Elektrotechniker werden. Auf die Frage, ob sie wissen,<br />

wie viel sie später einmal in ihrem Beruf verdienen<br />

werden, kommt von Nuradin wie aus der Pistole<br />

geschossen „Na zweitausend Euro.“ Die Jungs haben<br />

sich schon genau erkundigt. Ihr Mitschüler Tobias hat<br />

seine berufspraktischen Tage bei einem IT-Techniker<br />

absolviert. Er liebt es, Computer zu reparieren und sieht<br />

seine Zukunft im Bereich der IT. Elli und Lea wollen die<br />

dreijährige Fachausbildung an der Modeschule Wien<br />

machen. Angemeldet sind sie schon. Die Ausbildung<br />

an der Modeschule ist gleichgestellt mit einschlägigen<br />

Lehrabschlüssen.<br />

Auch die restlichen Klassenkollegen von Ali, Tobi, Mert,<br />

Melisa und Co. haben schon Vorstellungen, was sie<br />

nach der vierten Klasse machen wollen. Die meisten<br />

zumindest. Einige schwanken noch zwischen zwei<br />

Berufen oder Ausbildungen oder gehen nach der NMS<br />

ein Jahr aufs Poly und überlegen dann, was sie später<br />

machen werden. „Es ist aber schon ein bisschen blöd,<br />

dass wir uns so früh entscheiden müssen, was wir in<br />

Zukunft machen wollen“, heißt es seitens der Jugendlichen.<br />

Die, die noch keinen Plan haben, sind sich<br />

Intelligentes Bauen<br />

braucht neugierige<br />

Einsteiger.<br />

Bauen ist ein People Business. Der Einsatz und das Können<br />

aller Projektbeteiligten entscheiden hier über den Erfolg. Seit<br />

fast 150 Jahren steht die PORR für Kompetenz, Engagement,<br />

Teamstärke und Vielfalt – und ist laufend auf der Suche nach<br />

neugierigen Einsteigern. lehre.porr.at<br />

jedenfalls bewusst, dass sie nur noch wenige Monate<br />

Zeit haben, um sich zu entscheiden. Aber eines ist<br />

sicher: An Motivation und Eifer fehlt es hier nicht.<br />

„AMS IST NICHTS FÜR MICH“<br />

Aber: Egal, ob die jungen Erwachsenen nach der Mittelschule<br />

weiter in eine Schule gehen, eine Ausbildung<br />

machen oder arbeiten gehen, in einem Punkt ist sich<br />

die ganze Klasse einig: „AMS ist nichts für mich.“ Sie<br />

alle wollen eine Beschäftigung im Leben haben. „Man<br />

glaubt am Anfang, dass es chillig ist, wenn man AMS-<br />

Geld bekommt, weil man immer lange schlafen kann.<br />

Aber nach einer Zeit wird es langweilig, glaube ich“,<br />

sagt Amer. „Außerdem muss man beim AMS immer so<br />

lange warten, das ist nichts für mich“, fügt Paul hinzu.<br />

Die Jungs sagen alle, dass sie so ein Leben nicht wollen.<br />

„Ich glaube, wenn man nichts zu tun hat, wird man<br />

einsam und traurig“, sagt Amer, „und begeht irgendwann<br />

Selbstmord“, schließt Nuradin ab. Für sie alle ist<br />

klar: Sie müssen etwas für ihre Zukunft tun und haben<br />

auch Bock darauf. Egal, ob nun Elektriker, Anwalt,<br />

Kindergärtnerin oder Dönermann: Diese Jugendlichen<br />

haben nicht nur einen Plan, sondern auch Motivation.<br />

Von der Zukunftsperspektive „Von der NMS zum AMS“<br />

sind die Jugendlichen weit entfernt. ●<br />

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