Society 363 / 2013
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deutschland<br />
Interview<br />
mit den Programmländern werden zudem<br />
nicht von Deutschland, sondern von<br />
der EU-Kommission, der EZB und dem<br />
IWF verhandelt. Alle wichtigen Entscheidungen<br />
werden dabei im Konsens getroffen.<br />
Deutschland trägt den größten Teil der<br />
Kosten für die Euro-Stabilisierung. Dies<br />
sind schon heute mehrere hundert Milliarden<br />
Euro. Mit seinem Anteil von rund<br />
11,5 Milliarden Euro am EU-Haushalt leistet<br />
Deutschland einen sehr substantiellen<br />
Beitrag zur Krisenüberwindung. Rund ein<br />
Drittel dieses Betrages fließt in die Strukturförderung,<br />
insbesondere in die wirtschaftlich<br />
schwächeren Mitgliedstaaten<br />
der EU.<br />
Wir sind in der Eurozone bei der Lösung<br />
der Staatsschuldenkrise im letzten Jahr gut<br />
vorangekommen. Die Anpassungsprozesse<br />
zeigen erste Erfolge. Die Währungsunion<br />
wurde Schritt für Schritt stabilisiert. Eine<br />
einfache, schnelle Lösung zur Überwindung<br />
der Krise wird es jedoch nicht geben.<br />
Für die Menschen in den betroffenen Ländern<br />
im Süden der Eurozone ist dies eine<br />
schwere Zeit. Die Menschen in Deutschland<br />
und die deutsche Bundesregierung<br />
sehen und wissen dies.<br />
Ein besonderes Problem ist die hohe<br />
Jugendarbeitslosigkeit in einer Reihe von<br />
Ländern. Es ist eine Katastrophe, wenn<br />
dreißig, vierzig oder mehr Prozent der<br />
jungen Menschen in einem Land ohne<br />
Chance auf einen Arbeitsplatz sind. Der<br />
Europäische Rat hat deshalb sechs Milliarden<br />
Euro für Programme in den nächsten<br />
Jahren bereitgestellt. Diese Mittel müssten<br />
von den Regierungen der betroffenen<br />
Länder jetzt klug eingesetzt werden.<br />
Damit die von der Finanzkrise besonders<br />
betroffenen Länder aber eine bessere<br />
Zukunft haben können, müssen die<br />
eingeleiteten Reformen durchgestanden<br />
werden. Es gibt keinen Weg, der daran<br />
vorbeiführt.<br />
»Wir sind in der<br />
Eurozone bei<br />
der Lösung der<br />
Staatsschuldenkrise<br />
gut vorangekommen.<br />
«<br />
Detlev<br />
Rünger<br />
Die Energiewende und der Ausstieg<br />
aus der Kernenergie stehen ganz oben<br />
auf der deutschen Agenda. Unlängst hat<br />
das Burgenland verlautbart, durch Nutzung<br />
erneuerbarer Energiequellen energieautark<br />
geworden zu sein. Auf der anderen<br />
Seite plant Tschechien den Ausbau<br />
des AKW Temelin. Wie sieht die Zukunft<br />
Europas bezüglich der Energiewende<br />
aus, wenn man sich diese Widersprüche<br />
vor Augen hält?<br />
Die Energiewende kommt – früher<br />
oder später in jedem Land. Die fossilen<br />
Energieträger werden zu Ende gehen.<br />
Lange bevor sie erschöpfen, werden die<br />
Preise für Öl, Gas und Kohle deutlich steigen.<br />
Ein wachsender CO2-Anteil in der Atmosphäre<br />
durch das Verbrennen fossiler<br />
Energieträger und der Klimawandel sind<br />
eine Realität.<br />
Die deutsche Bundesregierung hat die<br />
Katastrophe von Fukushima zum Anlass<br />
genommen, ihre Energiepolitik grundlegend<br />
umzubauen. Dies wird ein langer<br />
und schwieriger Weg, aber er muss gegangen<br />
werden. Deutschland übernimmt<br />
hier eine Vorreiterrolle und ich bin überzeugt,<br />
unsere Wirtschaft und Gesellschaft<br />
werden davon profitieren.<br />
Heute erfolgt die Stromerzeugung<br />
in Deutschland zu achtzig Prozent in<br />
konventionellen Kraftwerken. In vierzig<br />
Jahren sollen achtzig Prozent aus erneuerbaren<br />
Energien kommen. Dabei ist<br />
es wichtig, dass wir technologieoffen,<br />
marktorientiert und kosteneffizient vorgehen.<br />
Nur so können übermäßige Belastungen<br />
der Bürger und der Unternehmen<br />
vermieden werden. Nur so kann die<br />
langfristige Akzeptanz der Energiewende<br />
sichergestellt werden. Viele Aspekte müssen<br />
dabei koordiniert werden: Der Ausbau<br />
der erneuerbaren Energien muss mit dem<br />
Ausbau der Stromnetze synchronisiert<br />
werden. Fossile Kraftwerke werden für<br />
eine zuverlässige Energieversorgung noch<br />
lange eine wichtige Rolle spielen. Wir<br />
müssen auf Kosteneffizienz beim Ausbau<br />
der erneuerbaren Energien achten und<br />
wir müssen Anreize zur Steigerung der<br />
Energieeffizienz setzen. Bei alledem werden<br />
wir darauf achten, dass Deutschland<br />
auch in Zukunft ein wettbewerbsfähiger<br />
Industriestandort bleibt.<br />
Österreich hat sich vor vielen Jahren<br />
gegen die Kernenergie ausgesprochen.<br />
Andere Länder verfolgen hier bisher einen<br />
anderen Weg. Deutschland hat sich<br />
für eine grundlegende Energiewende<br />
entschieden und ich bin sicher, dies wird<br />
eine Erfolgsgeschichte.<br />
<strong>2013</strong> ist ein Jahr der Jubiläen. Im Januar<br />
wurde in Deutschland und Frankreich<br />
aufwändig an den Elysée-Vertrag<br />
erinnert. Welche Bedeutung haben fünfzig<br />
Jahre Élysée-Vertrag für Deutschland,<br />
Frankreich und Europa?<br />
Fünfzig Jahre Elysée-Vertrag und<br />
deutsch-französische Freundschaft sind<br />
eine großartige Erfolgsgeschichte. Wie<br />
damals vereinbart, arbeiten beide Regierungen<br />
seither so eng und vertrauensvoll<br />
zusammen wie kaum zwei andere. Sie<br />
treffen sich zwei Mal im Jahr zu Regierungskonsultationen,<br />
und der französische<br />
Staatspräsident und die deutsche<br />
Bundeskanzlerin treffen sich mehrmals<br />
im Jahr – in Berlin, Paris, Brüssel oder anderswo.<br />
Die Zusammenarbeit beschränkt sich<br />
nicht nur auf die Regierungen. So hat das<br />
Deutsch-Französische Jugendwerk seit<br />
1963 über acht Millionen deutschen und<br />
französischen Jugendlichen ermöglicht,<br />
das jeweils andere Land kennenzulernen.<br />
Weiterhin können seit dem Schuljahr<br />
2006/07 Schüler beider Länder mit einem<br />
gemeinsamen Geschichtsbuch für ihr Abitur<br />
bzw. ihr Baccalauréat in Geschichte<br />
46 | Societ 1_<strong>2013</strong>