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POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Rasmus<br />
Buchsteiner<br />
Söder mussdie<br />
CSU neu erfinden<br />
Die CSU ist ein geschrumpfter<br />
Riese. Mit<br />
dem zum neuen Parteivorsitzenden<br />
gekürten Markus Söder<br />
wird plötzlich ein Politiker<br />
zum Hoffnungsträger, der<br />
2018 schwere Fehler gemacht<br />
und die für die CSU so wichtige<br />
absolute Mehrheit in Bayern<br />
verloren hat. Mit Horst<br />
Seehofer geht ein Christsozialer,<br />
der in zehn Jahren an der<br />
Spitze sicher vieles, aber eben<br />
nicht alles falsch gemacht hat.<br />
Die CSU will uns glauben machen,<br />
dass dieser Wechsel die<br />
Rückkehr zu alter Stärke einleitet.<br />
Dabei ist von ihrem einstigen<br />
Mythos, in dem ihre Führungsleute<br />
unbestritten und<br />
unangefochten Bayern verkörperten,<br />
kaum etwas übrig.<br />
Es wird lange dauern,bis diese<br />
Partei sich neu erfinden<br />
kann –wenn es ihr denn<br />
überhaupt gelingt. Söder<br />
muss sich nun beweisen. Und<br />
zwar nicht mit Krawall und<br />
Kopf-durch-die-Wand, sondern<br />
mit kluger Sachpolitik<br />
und dem Versuch, nicht nur<br />
rechts verlorene Stimmen<br />
wieder zurückzuholen. Die<br />
neue Entspannungspolitik<br />
gegenüber der Schwesterpartei<br />
CDU ist nur ein Beleg dafür,<br />
dass dies in der CSU und<br />
von Söder wohl verstanden<br />
worden ist.<br />
MANN DESTAGES<br />
Daniel Günther<br />
Der Ministerpräsident von<br />
Schleswig-Holstein, Daniel<br />
Günther (45), hält nichtsvon<br />
politischem Dauerstress:<br />
„Über Weihnachten<br />
habe<br />
ich zwei<br />
Wochen<br />
langüberhaupt<br />
keine<br />
Termine gemacht<br />
(...)<br />
und habe<br />
festgestellt,<br />
als ichzurückkam:<br />
Schleswig-Holsteinist immer<br />
noch da“,soder CDU-Politiker<br />
in einer NDR-Talkshow.<br />
Seitdem er Ministerpräsident<br />
sei,nehmeersichpro Woche<br />
einen Tag ohne Politik –nur<br />
für dieFamilie.<br />
Foto: Clemens Niehaus/Imago<br />
Foto: Lennart Preiss/Getty<br />
87,4 Prozent: Markus<br />
ist der neue Horst<br />
Stabwechsel auf CSU-Parteitag: Seehoferübergibt Parteivorsitz an Söder<br />
München – Nach genau 3379<br />
Tagen im Amt hat Horst Seehofer<br />
gestern den CSU-Vorsitz<br />
abgegeben. Schon zum<br />
zweiten Mal innerhalb eines<br />
Jahres musste er einem ungeliebten<br />
Erzrivalen das Feld<br />
überlassen: Markus Söder.<br />
Zum Abschied gibt es gerade<br />
einmal drei Minuten Standing<br />
Ovations für Seehofer. Nach<br />
fast zehn Jahren im Amt. Und<br />
eine Miniatur der Parteizentrale<br />
für Seehofers Modelleisenbahn-Keller.<br />
Dabei wäre manchem<br />
in der CSU wohl lieb, der<br />
bald 70-Jährige würde sich<br />
ganz dorthin zurückziehen und<br />
nicht mehr länger Innenminister<br />
in Berlin sein.<br />
Eine letzte Frotzelei hatte<br />
sich Seehofer zuvor noch erlaubt.<br />
„Das Leben spielt manchmal<br />
ganz eigenartig“, sagte er in<br />
seiner Abschiedsrede. Am Morgen<br />
habe er in der Zeitung sein<br />
Tageshoroskop gelesen. „Sie<br />
verlieren keinesfalls Ihr Gesicht,<br />
wenn Sie eine bereits getroffene<br />
Entscheidung revidieren“,<br />
stand da. Kurz geht ein<br />
Raunen durch den Saal, doch<br />
dann schiebt Seehofer hinterher.<br />
„Vor 15, vielleicht auch<br />
noch vor zehn Jahren hätte ich<br />
das als Auftrag empfunden.<br />
Heute fehlt mir die Risikobereitschaft.“<br />
Kein Rückzug vom<br />
Rückzug also. Schließlich<br />
schreibt der gelernte Sozialpolitiker<br />
„seiner“ Partei noch<br />
ins Stammbuch: „Vergesst mir<br />
die kleinen Leute nicht!“ Das<br />
war es. Abgang.<br />
Der neue Hoffnungsträger<br />
heißt Markus Söder. Aber es ist<br />
kein wirklich glänzendes Er-<br />
gebnis, das der 52-Jährige<br />
einfährt: 87,4 Prozent.<br />
Was wohl Seehofer dabei<br />
gedacht hat? Die<br />
beiden Männer verbindet<br />
eine besondere Geschichte.<br />
Eine Geschichte<br />
von Misstrauen und<br />
Machtkämpfen. Zwei Politiker<br />
mit Alphatiergenen, die<br />
sich ähnlicher sind, als ihnen<br />
lieb sein mag. Legendär ist eine<br />
CSU-Weihnachtsfeier 2012, bei<br />
der Seehofer Söder „Schmutzeleien“<br />
vorgeworfen hatte,<br />
„charakterliche Schwächen“,<br />
„pathologischen Ehrgeiz“. Und<br />
nun musste er gleich zweimal<br />
den Dauerwidersacher als sei-<br />
Ein Delegierter und Seehofer-Anhänger hält auf<br />
dem Münchner CSU-Parteitag ein Schild mit<br />
einem Dankesgruß hoch.<br />
Foto: Lennart Preiss/Getty