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Berliner Kurier 16.02.2019

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12 BERLIN BERLINER KURIER, Sonnabend, 16. Februar 2019<br />

Filmemacher Can Heinrich<br />

Toepffer (29) schätzt die<br />

Beratung und die versierte<br />

Werkstatt.<br />

Fotos: Andreas Klug<br />

Ritschratsch,Klick<br />

In Zeiten von Instagram und Co.erlebt die analoge Fotografie<br />

ein Revival. In Mitte gibt es das passende Geschäft dazu<br />

Von<br />

STEFANIE HILDEBRANDT<br />

Mitte – In der Gartenstraße 4<br />

steht „Click und Surr“ auf<br />

dem Schaufenster. Und genau<br />

das tut es auch in dem schmucken<br />

Geschäft. Jürgen Lossau<br />

(58) präsentiert in den Räumen<br />

einer ehemaligen Fleischerei<br />

in Glasvitrinen analoge<br />

Foto- und Filmkameras,<br />

die satt klicken, ratschen und<br />

surren, wenn man sie bedient.<br />

Eine wachsende Szene weiß<br />

die analoge Technik wieder<br />

zu schätzen.<br />

Es ist der „Look“, der Filmemacher<br />

Can Heinrich Toepffer immer<br />

wieder zum 16-Millimeter-<br />

Film greifen lässt. Aus Schöneberg<br />

kommt der 29-Jährige regelmäßig<br />

nach Mitte, um<br />

Jürgen Lossau warTV-Produzent<br />

und ist Experte für analoge Filmerei<br />

Filmmaterial und Kameras zu<br />

kaufen –und um Gleichgesinnte<br />

zu treffen. Was die vornehmlich<br />

jungen Fotografen und Filmer,<br />

die in Zeiten von Instagram und<br />

Co. wieder auf die langsame<br />

analoge Technik schwören, vereint,<br />

ist die bewusste Herangehensweise,<br />

die Authentizität<br />

und Entschleunigung beim Fotografieren.<br />

Und natürlich geht es bei der<br />

sogenannten Slow-Photography-Bewegung<br />

auch um die Optik,<br />

die keine digitale Filter-App<br />

imitieren kann. „Mit einer<br />

Schmalfilmkamera aufgenommene<br />

Bilder tanzen, das Filmkorn<br />

ist unregelmäßig“, erklärt<br />

Jürgen Lossau. Jeder Film sei<br />

einzigartig. Mit seinem Laden<br />

will der gelernte Filmemacher,<br />

Herausgeber von Fachzeitschriften<br />

und Buchautor das<br />

analoge Fotografieren und Filmen<br />

am Leben erhalten. „Den<br />

alten Kameras ihre Würde zurückgeben“,<br />

sagt er. Deswegen<br />

werden alle Kameras, vor allem<br />

Stücke aus den 80er-Jahren, in<br />

der eigenen Werkstatt sorgfältig<br />

geprüft und wieder fit gemacht.<br />

Im Gegensatz zum<br />

Schnäppchen-Kauf im Internet<br />

bietet Lossau seinen Kunden<br />

dann ein Jahr Gewährleistung<br />

auf die gebrauchten Kameras.<br />

Oft sind es gut gehegte Stücke,<br />

die von älteren Fotografen hier<br />

zum Ankauf abgegeben wurden.<br />

Die jungen Hipster besinnen<br />

sich, der Smartphone-Massenproduktion<br />

überdrüssig, auf das<br />

kunstvolle Komponieren von 36<br />

Bildern pro Film und kaufen die<br />

Schmuckstücke.<br />

Jürgen Lossau drapiert all die<br />

Nikons, Leicas und Practicas in<br />

Vitrinen vor englischen Fliesen.<br />

Der Laden selber wäre ein<br />

prächtiges Fotomotiv. Um 1880<br />

konnte man hier Eisbein kaufen.<br />

Auf die Metzgerei folgte ein<br />

Milchladen, in dessen Keller<br />

zeitweilig eine Kuh lebte. In der<br />

DDR konservierte man das Interieur<br />

samt Stuckdecke, indem<br />

man das Schaufenster verhängte<br />

und ein Lager in den Räumen<br />

einrichtete. Nach der Wende<br />

zog die Schwulen-Bar Moustache<br />

ein und wo einst die Kuh gehaust<br />

hatte, war jetzt ein Darkroom.<br />

Jürgen Lossau erzählt die<br />

Geschichte seines Ladens gern.<br />

Noch lieber aber spricht er mit<br />

seinen Kunden über Kameras.<br />

Eugen Pupkov zum Beispiel<br />

kommt regelmäßig zum Fotografieren<br />

nach Berlin. Zwei Nikons,<br />

zwei Canons hat er, nun<br />

liebäugelt er bei „click und surr“<br />

mit einer Leica. Kaum dass er<br />

den Laden betreten hat, beginnt<br />

die Fachsimpelei. Für die Interessenten,<br />

die keinen Schimmer<br />

von Blende, Belichtungszeit<br />

und Co. haben, denkt Lossau<br />

über Workshops zur analogen<br />

Fotografie nach.<br />

Click und Surr,Gartenstraße 4,<br />

Mitte, Di-Sa11bis 19 Uhr

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