Berliner Kurier 17.02.2019
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BERLINER KURIER, Sonntag, 17.Februar 2019<br />
Nazis<br />
Der Meister bei der Arbeit an der Charité in den<br />
1930er-Jahren. Für ein besseres Fingerspitzengefühl<br />
operierte Sauerbruch (Mitte) stets ohne<br />
Handschuhe.<br />
jetzt um die Gefahr von Bakterien,<br />
die sich durch Sterilisation<br />
eindämmen lässt. „Der<br />
Brustraum war zu dieser Zeit in<br />
der Chirurgie aber noch eine<br />
No-go-Area“, sagt Schnalke.<br />
„Da wagte sich keiner so recht<br />
ran.“<br />
Im Jahr 1903 steht Sauerbruch<br />
als Assistenzarzt, erst 28<br />
Jahre alt, im Keller der Universitätsklinik<br />
Breslau und stellt<br />
sich diese drängende Frage: Ist<br />
es möglich,einen Menschen an<br />
den Lungen zu operieren, ohne<br />
dass er stirbt? Normalerweise,<br />
wenn der Brustkorb geöffnet<br />
wird, strömt Luft in den Brustfellspalt,<br />
weil dort der Unterdruck<br />
aufgehoben ist, der die<br />
Lunge entfaltet hält. Die Lunge<br />
fällt in sich zusammen, der Patient<br />
erstickt.<br />
Sauerbruch entwickelt eine<br />
Unterdruckkammer, die er zunächst<br />
an einem Tier testet: Cäsar,<br />
ein mittelgroßer Hund. Eine<br />
gläserne Trommel umschließt<br />
dessen Brust, nur Kopf<br />
und Beine schauen heraus.<br />
Durch zwei luftdichte Öffnungen<br />
steckt Sauerbruch seine<br />
Hände in die Kammer und<br />
schneidet ihn auf.<br />
„Graurosa lag die Lunge vor<br />
mir, im Takt der Atmung hin<br />
und her gleitend“, berichtet er<br />
später in seinen Memoiren.<br />
„Nach einiger Zeit –kein Zweifel<br />
am Gelingen des Experiments<br />
blieb mehr – vernähte<br />
ich Cäsars Wunde. Mir klopfte<br />
das Herz, denn ich wusste jetzt,<br />
dass mir etwas gelungen war,<br />
das sich zum Wohle vieler<br />
kranker Menschen auswirken<br />
würde.“<br />
Bald darauf ist seine gläserne<br />
Unterdruckkammer so groß,<br />
dass darin zwei Chirurgen operieren<br />
können. Eine medizinische<br />
Sensation, auch wenn sich<br />
ein konkurrierendes Verfahren<br />
durchsetzen wird, bei dem<br />
durch Überdruckbeatmung der<br />
Lunge Sauerstoff zugeführt<br />
wird. Technisch ist das weitaus<br />
weniger aufwendig.<br />
Im Ersten Weltkrieg stößt<br />
Sauerbruch auf ein weiteres<br />
Gebiet, das ihn berühmt machen<br />
wird. Als Lazarettarzt an<br />
der Front sieht er, wie Soldaten<br />
in den grausamen Schlachten<br />
reihenweise Arme und Beine<br />
verlieren. Gemeinsam mit Mechanikern<br />
entwickelt er neuartige<br />
hölzerne Prothesen, die<br />
unter dem Namen „Sauerbruch-Arm“<br />
bekannt werden.<br />
Er testet sie an Soldaten in einer<br />
Werkstatt in Singen nahe der<br />
schweizerischen Grenze.<br />
„Bis ins 19. Jahrhundert hinein<br />
waren Prothesen weitgehend<br />
passiv“, sagt Schnalke.<br />
„Nun lassen sich Hand und Finger<br />
über die noch existierende<br />
Muskulatur aktiv bewegen.“<br />
Kriegsversehrte können wieder<br />
greifen und mit speziellen Aufsätzen<br />
sogar arbeiten.<br />
An der Charité arbeitet Sauerbruch<br />
dann am modernsten<br />
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