O+P Fluidtechnik 3/2019
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PRÜFSTANDENTWICKLUNG<br />
1 EINLEITUNG<br />
Common-Rail-Einspritzsysteme (CR-Systeme) stellen ein zentrales<br />
und wichtiges Element innerhalb von Dieselmotoren dar. Im<br />
Gegensatz zu herkömmlichen Direkteinspritzsystemen, bei denen<br />
der Kraftstoffdruck bei jedem Einspritzvorgang vollständig neu<br />
erzeugt werden muss, sind bei CR-Systemen Druckerzeugung und<br />
Einspritzung voneinander getrennt. Der Druck, der durch eine<br />
vom Verbrennungsmotor angetriebene Hochdruckpumpe<br />
(CR-Pumpe) erzeugt wird, ist im sogenannten Rail gespeichert<br />
und wird über kurze Einspritzleitungen den Injektoren zur Verfügung<br />
gestellt. Durch die Trennung von Druckerzeugung und<br />
Einspritzung lässt sich bei CR-Systemen eine sehr genaue, kennfeldgesteuerte<br />
Einspritzung realisieren, wodurch ein günstigerer<br />
Kraftstoffverbrauch und niedrigere Abgas-Emissionen erzielt<br />
werden. Neben einer Verbesserung der Abgaswerte und einer<br />
Reduzierung der Partikelemissionen haben CR-Systeme gegenüber<br />
herkömmlichen Einspritzsystemen auch akustische Vorteile<br />
/Die07/ /Kep97/ /Raj12/ /Rei62/.<br />
Die Entwicklung von Verbrennungsmotoren wird zunehmend<br />
von den übergeordneten Zielen zur Kraftstoffeinsparung und<br />
Emissionsreduktion bestimmt. Die Einhaltung neuer Grenzwerte<br />
zwingt zur Erhöhung der Drücke im CR-System auf 3 000 bar<br />
/Raj12/ /Raj10/ /Sch07/ /Sch09/. Aktuell werden in PKW- und<br />
LKW-Einspritzsystemen Raildrücke von bis zu 2 700 bar erreicht<br />
/Bos15/.<br />
Die Ringspaltdichtung, die im Kolben-Buchse-Kontakt der<br />
CR-Pumpe entsteht, hat ein Radialspiel in der Größenordnung von<br />
5 bis 6 µm (ca. 1/10 eines menschlichen Haars). Vorberechnungen<br />
anhand analytischer Abschätzungen zeigen, dass ein Druckabfall<br />
von 3 000 bar einen, durch Dissipation der Druckenergie hervorgerufenen,<br />
Temperaturgradienten über die Dichtspaltlänge von bis zu<br />
180 °C verursacht. Diese thermischen Belastungen führen, aufgrund<br />
verschiedener Ausdehnungskoeffizienten und abweichendem<br />
geometrischem Verformungsverhalten, zu radialen Verformungen<br />
im Spalt, die in der Größenordnung der Ringspalthöhe liegen.<br />
Eine genaue Verteilung der resultierenden Temperatur ist im<br />
Vorhinein nicht bekannt und entzieht sich, aufgrund der konstruktiven<br />
Gegebenheiten innerhalb der Hochdruckpumpe, einer<br />
verlässlichen messtechnischen Erfassung.<br />
Aufgrund der Dissipation von Druckenergie müssen in der Auslegung<br />
von Common-Rail-Pumpen der nächsten Generation neben<br />
druckinduzierten Effekten auch thermisch induzierte Effekte berücksichtigt<br />
werden. Zur systematischen Untersuchung des<br />
Tribokontakts wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Energie geförderten und über die Forschungsvereinigung<br />
Verbrennungskraftmaschinen koordinierten Projekts<br />
am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der<br />
RWTH Aachen University und am Institut für Antriebs- und Fahrzeugtechnik<br />
(Lehrstuhl für Maschinenelemente und Tribologie,<br />
iaf) der Universität Kassel ein abstrahierter Prüfstand entwickelt.<br />
Hierfür wird der Ringspalt im Kolben-Buchse-Kontakt abgewickelt<br />
und als Flachspalt betrachtet.<br />
Zentrale Herausforderungen bei der Umsetzung eines solchen<br />
Prüfkörpers sind zunächst Spaltmaße in der Größenordnung von<br />
5 µm mit einer geringen Maß- und Formabweichung. Weiterhin stellen<br />
hohe Differenzdrücke in einem solchen Prüfstand eine Herausforderung<br />
dar. Schlussendlich müssen Sensoren zur Ermittlung von<br />
Prozessgrößen in die sensible Umgebung eingebracht werden, ohne<br />
das Messergebnis wesentlich zu beeinflussen. Die Entwicklung des<br />
Flachspalts, vor dem Hintergrund dieser Anforderungen und der<br />
Nachweis der Funktion desselben, ist Gegenstand dieses Beitrags.<br />
Zunächst wird die grundsätzliche, technische Problematik<br />
innerhalb von Hochdruckpumpen erläutert. Die Entwicklung des<br />
abstrahierten Prüfstands wird mit einer ausführlichen Beschreibung<br />
der konzeptionellen Entwicklung des Experiments und der<br />
Realisierung der Dichtung des Flachspalts abgehandelt. Darauf aufbauend<br />
werden der Prüfstandsaufbau sowie erste Ergebnisse und<br />
deren Reproduzierbarkeit beschrieben. Abschließend werden die<br />
Ergebnisse zusammengefasst und ein Fazit gezogen.<br />
2 GRUNDLAGEN VON CR-EINSPRITZSYSTEMEN<br />
Common-Rail-Einspritzsysteme (CR-Systeme) stellen bei heutigen<br />
Diesel-PKW-Motoren ein wichtiges Element dar. Druckaufbau<br />
und Einspritzung sind bei ihnen voneinander getrennt<br />
/Kep97/. In Bild 01 ist das vereinfachte hydraulische Prinzip eines<br />
typischen CR-Systems dargestellt. Bei der CR-Pumpe handelt es<br />
sich um eine Plungerpumpe. Die Pumpe wird über eine Vorförderpumpe<br />
(1) aus dem Tank (2) gespeist. Das auf den Vordruck p0<br />
vorverdichtete Fluid gelangt zur Schmierung und Kühlung der<br />
Tribokontakte in das Pumpengehäuse (3) und über eines der<br />
Rückschlagventile (9) in den Verdrängerraum der Pumpe. Die<br />
Einstellung des Niederdrucks erfolgt mittels Rücklaufblende (12).<br />
Der Kolben (6) wird über einen Stößel (5) und eine Nockenwelle<br />
(4) translatorisch bewegt. Hierbei wird der Saughub über das<br />
Rückstellen des Kolbens mittels Druckfeder realisiert. Über eine<br />
Buchse (7) wird zum einen der Kolben geführt und zum anderen<br />
entsteht durch eine enge Passung zwischen Kolben und Buchse<br />
die Spaltdichtung (8) für den Hochdruck. Das auf den Druck p Rail<br />
verdichtete Fluid wird über ein weiteres Rückschlagventil in das<br />
Rail (10) geleitet, dessen Druck durch ein Druckbegrenzungsventil<br />
(DBV, 11) lastabhängig eingestellt wird. Die Injektoren (13)<br />
werden elektrisch angesteuert und entlassen das Fluid in den<br />
Brennraum des Motors.<br />
Die Entwicklung von Verbrennungsmotoren wird zunehmend<br />
von den übergeordneten Zielen zur Kraftstoffeinsparung und Emissionsreduktion<br />
bestimmt. Die Einhaltung strengerer Grenzwerte<br />
erforderte eine Drucksteigerung auf 3 000 bar /Raj12/. Ein Druck<br />
auf einem derartig hohen Niveau hat aufgrund der Dissipation im<br />
Fluid, hervorgerufen durch die Abdrosselung im Kolben-Buchse-Spalt,<br />
eine signifikant höhere Erwärmung des Schmierfilms zur<br />
Folge, die nicht mehr vernachlässigt werden kann. Durch diese<br />
Temperaturerhöhung ändert sich die stark temperaturabhängige<br />
Viskosität des Kraftstoffs, welcher als Schmierstoff dient. Weiterhin<br />
beeinflussen die thermisch induzierten Verformungen der Bauteile<br />
die Spaltweite des tribologischen Kontakts. Dadurch werden die<br />
Leckage, der Druck und die Dissipation im Fluid signifikant<br />
beeinflusst. Die genannten Effekte können, abhängig von der konstruktiven<br />
Gestaltung der CR-Pumpe, zu unerwünschten Zuständen,<br />
wie Kolbenklemmen oder überproportionaler Leckage, führen.<br />
Große Leckage mindert die Funktionsfähigkeit sowie den<br />
Wirkungsgrad des Systems und schmälert die verbrennungstechnischen<br />
Vorteile des hohen Raildrucks.<br />
01<br />
Prinzip eines CR-Systems mit Hochdruckpumpe<br />
<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 3/<strong>2019</strong> 49