Stadt der Zukunft - Deutscher Bundesjugendring
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Antifa-Zeit und die links-orientierte Szene, während<br />
die nächsten in <strong>der</strong> BRAVO lesen, wie sich<br />
das Palituch als (politisch aussageloses) Mode-Accessoire<br />
noch individuell „pimpen“ lässt.<br />
Begrenzte Freiheit o<strong>der</strong> befreiende Begrenzung<br />
Die Verwertungsgrade <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Freiheit<br />
sind unterschiedlich. Offensichtlich profitieren<br />
nicht alle Jugendlichen gleichermaßen von<br />
den Chancen <strong>der</strong> Pluralisierung. Nicht alle haben<br />
die finanziellen, intellektuellen o<strong>der</strong> sozialen Möglichkeiten,<br />
sich diese Freiräume zu erschließen.<br />
Die Freiheit des jugendlichen Individuums ist determiniert<br />
durch seine Startposition, wozu wesentlich<br />
die soziale Lage, stark vom Bildungsgrad<br />
abhängig, und die ästhetische und<br />
wertemäßige Grundorientierung gehören.<br />
Wer beispielsweise traditionell denkt und sein<br />
Leben aus einer Reproduktionslogik heraus gestaltet<br />
(„Das war bei uns schon immer so!“), für<br />
den ist die Vielfalt manchmal eine Last, <strong>der</strong> entscheidet<br />
sich ständig gegen so vieles. Ein an<strong>der</strong>er<br />
Jugendlicher managt sein Leben nüchtern, zielorientiert,<br />
pragmatisch und flexibel; für den ist <strong>der</strong><br />
Reichtum an Optionen eine große Lust – er entscheidet<br />
sich immer wie<strong>der</strong> für das eine und dann<br />
(vielleicht sogar zugleich) für das nächste. Die<br />
gleichen Pluralisierungsprozesse bieten den Rahmen<br />
für ganz unterschiedliche Lebensbiographien,<br />
die je nach kultursoziologischer Verortung und<br />
Wertorientierung von einem an <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
festhaltenden, ängstlichen „entwe<strong>der</strong> o<strong>der</strong>“<br />
o<strong>der</strong> einem zuversichtlichen und selbstbewussten<br />
„sowohl als auch“ geprägt sein können.<br />
Nicht alle wollen und können das hohe Tempo<br />
<strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne mitgehen. Nicht alle jungen<br />
Menschen leben unter Bedingungen, die es ihnen<br />
ermöglichen, die Chancen <strong>der</strong> pluralen Prozesse<br />
konstruktiv zu ergreifen. Vor allem schlechtere<br />
sozialökonomische Bedingungen und gesellschaftliche<br />
Exklusionstendenzen verhin<strong>der</strong>n die<br />
Teilhabe an den beschriebenen Freiräumen – dies<br />
führt dann eher zum Rückzug in die Eigenwelt,<br />
zum sogenannten Cocooning. Hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Verwertbarkeit <strong>der</strong> Freiräume einerseits und den<br />
Begrenzungen an<strong>der</strong>erseits gilt <strong>der</strong> „Matthäus-<br />
Effekt“: Wer hat, dem wird gegeben. Die Fähigkeit,<br />
mit <strong>der</strong> Vervielfältigung und <strong>der</strong> Beschleunigung<br />
<strong>der</strong> Welt konstruktiv umgehen zu können, ist<br />
die Voraussetzung dafür, diesen Freiraum noch<br />
stärker nutzen zu können.<br />
Für manche jungen Menschen bringen so gerade<br />
die scheinbar einengenden Entwicklungen<br />
Jugend politik<br />
3/2009<br />
eine neue Freiheit. Am Beispiel <strong>der</strong> Ganztagsschule<br />
wird das deutlich: Diese bestimmt zunächst<br />
die Zeit, den Raum, den potentiellen Freundeskreis,<br />
das Freizeit-Angebot. Sie ist ein begrenzter<br />
und begrenzen<strong>der</strong> Lebensraum; auf den ersten<br />
Blick wird also Freiheit genommen. Das System<br />
eröffnet jedoch vielen Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />
eine wohltuende Rhythmisierung des Tages, versorgt<br />
sie mit einem warmen Essen und sportlichen<br />
o<strong>der</strong> musisch-kulturellen Freizeitangeboten, zu<br />
denen sie sonst keinen Zugang hätten.<br />
Integration und Differenzierung<br />
Am Ende dieser Reflexion steht kein Rezept,<br />
das detaillierte Maßnahmen beschreiben würde,<br />
wohl aber ein Fingerzeig: Integration und Differenzierung<br />
statt Segregation und Einheitsbrei! Es<br />
geht um ein Diversity-Management, das die Vielfalt<br />
<strong>der</strong> jugendlichen Lebenswelten wahr- und<br />
ernst nimmt, diese anerkennt und konstruktiv miteinan<strong>der</strong><br />
in Beziehung setzt. Wichtig dafür ist,<br />
den Blick für die Verschiedenheiten junger Menschen<br />
zu schärfen (hierbei kann unter an<strong>der</strong>em<br />
die Sinus-Milieustudie U27, die BDKJ und Misereor<br />
2008 veröffentlichten, eine große Hilfe sein).<br />
Markus Etscheid-Stams<br />
ist Referent für Kirchenpolitik und Jugendpastoral<br />
beim Bund <strong>der</strong> Deutschen Katholischen<br />
Jugend (BDKJ)<br />
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