Stadt der Zukunft - Deutscher Bundesjugendring
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3/2009<br />
Wenn Anwohner sich durch Lärm gestört fühlen,<br />
werden an sechsspurigen Straßen gelegene Skaterbahnen<br />
und Halfpipes mit Öffnungszeiten versehen;<br />
<strong>Stadt</strong>viertel mieten sich eigene Sicherheitskräfte,<br />
um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.<br />
So wird <strong>der</strong> Aufenthalt an öffentlichen Plätzen<br />
für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche so unattraktiv wie nur<br />
möglich gestaltet. Die Reglementierung von Plätzen,<br />
U-Bahn-Anlagen o<strong>der</strong> Parks nimmt in ungeahntem<br />
Maße zu. Jugend- und Gemeindehäuser<br />
fallen zunehmend dem Rotstift zum Opfer. Die Innenstädte<br />
werden zunehmend jugendfeindliche<br />
Räume. Wenn es in Umfragen darum geht, welche<br />
Bedürfnisse und Interessen Jugendliche haben,<br />
dann werden sehr häufig Stichworte wie Treffpunkte,<br />
Jugendclubs, Räume o<strong>der</strong> „sich mit Freunden<br />
treffen“ genannt. Eine enorme und wachsende<br />
Bedürfnislage, die we<strong>der</strong> aus sozialplanerischer<br />
noch aus jugendpolitischer Sicht ignoriert werden<br />
kann und <strong>der</strong> eine sich drastisch reduzierende<br />
Angebotsstruktur gegenübersteht.<br />
Der ländliche Raum<br />
Im ländlichen Raum gibt es mehr Erholungsgebiete<br />
als in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> – doch wie sehen die<br />
Räume und Territorien <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />
auf dem Land aus? Ein großer Unterschied<br />
zu den städtischen Räumen ist die erschwerte Mobilität.<br />
Die Formel ist einfach: Wer auf dem Land<br />
nicht mobil ist, wird isoliert und Teilhabe-Chancen<br />
sind ihm verschlossen. Jugendliche und Kin<strong>der</strong><br />
müssen zur Kita, zu Freunden, zur Schule, zu Feten,<br />
zum Jugendclub gebracht werden. Auf dem<br />
Land findet eine Vernetzung <strong>der</strong> angeeigneten<br />
Räume in <strong>der</strong> Region statt. Die Einschnitte und<br />
Einschränkungen bei ÖPNV führen im günstigsten<br />
Fall dazu, dass private Initiativen entstehen und<br />
dies übernehmen. Damit werden staatliche Aufgaben<br />
auf die Bürger übertragen. Junge Menschen<br />
auf dem Land sind gezwungen, mobil zu sein, um<br />
ihr Leben gestalten zu können. O<strong>der</strong> aber sie „verinseln“<br />
und treten den Rückzug in z. B. virtuelle<br />
Räume an, sofern das im ländlichen Raum, wo die<br />
Breitbandanbindung immer noch große Lücken<br />
aufweist, möglich ist. Zentralisierungstendenzen<br />
bei öffentlichen Einrichtungen, Schulen o<strong>der</strong> Ausbildungsbetrieben<br />
mit <strong>der</strong> trügerischen Aussicht,<br />
öffentliche Gel<strong>der</strong> zu sparen, verschärfen diese<br />
Tendenzen und tragen zur Verinselung und Isolation<br />
von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen bei. Der<br />
Freundeskreis wohnt nun plötzlich nicht mehr nur<br />
drei o<strong>der</strong> sechs Kilometer entfernt, son<strong>der</strong>n 15, 20<br />
o<strong>der</strong> noch weiter. Die Leistungen, die Kin<strong>der</strong>, Ju-<br />
18<br />
gendliche und zum Teil Familien auf dem Lande<br />
für eine gelingende Freizeitgestaltung und, damit<br />
verbunden, eine Sozialisation <strong>der</strong> jungen Menschen<br />
in die Gesellschaft aufbringen müssen, steigen<br />
drastisch. Hier entstehen quasi Kosten, die bei<br />
einer Gewinn- und Verlustrechnung <strong>der</strong> Demokratie<br />
zu Buche schlagen, nicht jedoch in den<br />
Haushaltsbüchern von Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />
auftauchen.<br />
Aneigenbare Räume auf dem Land sehen teilweise<br />
an<strong>der</strong>s aus als in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>. Hier spielen die<br />
Bushaltestelle, das Landjugendheim, <strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>aum<br />
<strong>der</strong> Kirche, Bauwagen, Jugendzentren,<br />
private Hütten, Skateranlagen o<strong>der</strong> Marktplätze<br />
eine bedeutende Rolle. Das Problem ist<br />
jedoch sowohl in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> als auch auf dem Land<br />
dasselbe: Die Räume, die den Jugendlichen zur<br />
Verfügung stehen, werden durch das ordnungspolitische<br />
„Waffenarsenal“ massiv eingeschränkt beziehungsweise<br />
mit Regeln übersät. Dass Jugendliche<br />
in einer Gesellschaft, die sich dem Diktat von<br />
Ruhe und Ordnung selbst in Gewerbe- und Gewerbemischgebieten<br />
unterzuordnen scheint, immer<br />
wie<strong>der</strong> zu Verlierern o<strong>der</strong> Rebellen werden<br />
können, liegt auf <strong>der</strong> Hand. Das Bedürfnis von Jugendlichen<br />
nach aneigenbaren Räumen auf dem<br />
Land übersteigt in Erhebungen und Statistiken<br />
noch die Zahlen, die aus städtischem Kontext bekannt<br />
sind.<br />
Beengte Jugend und die Folgen<br />
Über Räume verfügen zu können heißt sowohl<br />
in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> als auch auf dem Land, Bedeutung zu<br />
haben. Die Möglichkeit <strong>der</strong> Aneignung von Räumen<br />
und Territorien ist ein grundlegen<strong>der</strong> Baustein<br />
für Individuen beim Hineinwachsen in eine Gesellschaft.<br />
Hier wird soziale und gesellschaftliche<br />
Verantwortung ausgeprägt. Über die Aneignung<br />
von Raum kommunizieren Kin<strong>der</strong> und<br />
Jugendliche mit <strong>der</strong> Erwachsenenwelt.<br />
Was geschieht nun, wenn immer weniger Territorien<br />
und Raum zur Verfügung stehen? Wenn<br />
das Bedürfnis und <strong>der</strong> Wunsch junger Menschen<br />
nach Räumen zu wenig politisch-öffentliche Akzeptanz,<br />
Beachtung, Unterstützung o<strong>der</strong> den notwendigen<br />
Vertrauensvorschub vonseiten <strong>der</strong> Erwachsenen<br />
erhält? Wenn entsprechende Anliegen<br />
nach eigenen und selber gestaltbaren Räumen mit<br />
Vertröstungen und Verweisen auf z. B. finanzielle<br />
Rahmenbedingungen („Wir müssen für nachfolgende<br />
Generationen sparen, deshalb schließen wir<br />
alle Jugendräume“), Bebauungspläne und partei-<br />
Jugend politik