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10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 92 · 2 0./21./22. April 2019<br />
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Berlin<br />
Harmsens Berlin<br />
Die Karnickel<br />
mucken auf<br />
Torsten Harmsen<br />
weiß, werdie wahren Osterhasen<br />
dieser Stadt sind.<br />
Der Frühling ist meine liebste Jahreszeit.<br />
Alles beginnt neu, grünt,<br />
fädelt sich aus dem Boden. Aber nicht<br />
nur ich liebe den Frühling. Auch die<br />
<strong>Berliner</strong> Wildkaninchen tun es. Sie<br />
mögen vorallem die Ostertage,indenen<br />
sie möglichst oft über den Rasen<br />
hoppeln. Denn dann hören sie vorbeiziehende<br />
Kinder rufen:„Guck mal,<br />
ein Osterhase! Oh,wie süüüß. EinOsterhäschen.<br />
Guck doch mal!“<br />
„Leute,ick finds nur fair, wenn die<br />
kleenen Menschenkinder so wat rufen“,<br />
erklärte das Ur-<strong>Berliner</strong> Oberkarnickel<br />
jüngst bei derVollversammlung<br />
in der Hoppelheide,„die ham dit Herz<br />
noch uffm rechten Fleck. Die wissen<br />
jenau:WirStadtkarnickel sind die echten<br />
Osterhasen und nich dit faule<br />
Feldhasenjesocks da draußen uffm<br />
Lande.“ Tausend Kaninchen trommelten<br />
begeistertauf den Boden.<br />
„Doch wat muss ick lesen von so<br />
’nem Menschen-Schreiberling, wat<br />
leider keen Kind mehr is?“ DasOberkarnkickel<br />
zog eine zerknüllte <strong>Zeitung</strong><br />
hervor. „Hier steht’s:Wir Kaninchen<br />
seien die kleinen Verwandten<br />
der stolzen Hasen. Blödsinn! DieHasen<br />
und stolz! Da kann ick ja nur kichern.“<br />
Tausend Kaninchen purzelten<br />
vorLachen durcheinander.<br />
„Jut, die komischen Feldhasen<br />
sollen etwas kräftiger sein und längere<br />
Löffel ham. Aber wat machen<br />
die den janzen Tach? Wer buddelt<br />
denn die tollsten Baue, die jemütlichsten<br />
Wohnkessel, die längsten<br />
Jänge? Also der Feldhase nich! Der<br />
kennt jar keen Bau und ooch keen<br />
Kollektiv.Der hockt alleene in seiner<br />
Kuhle.Wir aber? Wirsind die Helden<br />
der Stadt. Über uns ham se sojar mal<br />
een Film jemacht. Müssta euch mal<br />
ankieken uff Hoppelnet!“<br />
Stimmt tatsächlich. „Mauerhase“<br />
heißt der Dokumentarfilm, der 2010<br />
sogar für den Oscar nominiert<br />
wurde. Erbeschreibt, wie während<br />
der <strong>Berliner</strong> Teilung auf den Brachen<br />
des Mauerstreifens, etwa dem Potsdamer<br />
Platz, wahreWildkaninchenparadiese<br />
entstanden. Zehntausende<br />
Tiere hoppelten umher. Sie<br />
glaubten, dass die Mauer nur zu ihrerSicherheit<br />
gebaut worden war.<br />
„Doch wat is seitdem passiert?“,<br />
rief das Oberkarnickel in die Runde,<br />
„im Stich jelassen ham se uns. Die<br />
Mauer is weg. Allet ham se zujeklotzt,<br />
Betong uff Betong, Wejeplatten,<br />
hässliche Monsterwürfel. Unser<br />
schönes Reich is verschwunden.<br />
Neue Plätze mussten wa uns erobern:<br />
im Park, uffn Friedhof. Die<br />
komischen Menschenjärtner mit<br />
ihre Jartenzwerge mögen uns jar<br />
nich. Die jagen uns. Undank is der<br />
Welt Lohn, kann ick nur saaren.“<br />
Tausend Kaninchen wackelten mit<br />
den Löffeln und seufzten.<br />
„Dabei warn wir es jewesen, die<br />
lauter Nachwuchs für diese lendenlahme<br />
Stadt produziert ham. Jedes<br />
Karnickelinchen hat sich mehrmals<br />
im Jahr voll anjestrengt. Fuffzich<br />
Junge proJahr –dit muss man uns erst<br />
mal nachmachen. ,Neues Leben im<br />
Todesstreifen’ –sokönnte der große<br />
historische Kinofilm über uns heißen,<br />
Regie: Florian Hoppel von Donnerstach.“<br />
Tausend Kaninchen trommelten<br />
zustimmend auf den Boden.<br />
„Trotz all dem Undank: Wenigstens<br />
die kleenen Menschenkinder<br />
ham uns heute mal lieb. Okay, ick<br />
weeß ooch nich jenau, wat wir mit<br />
die Ostereier zu tun ham. Irgendwann<br />
hat eena inneWelt jesetzt, dass<br />
wir Hoppler die Eier bringen und<br />
nich dit doofe Huhn, der Fuchs, der<br />
Kuckuck oder der Storch. Ick wehr<br />
mir natürlich nich, wenn jemand Osterhase<br />
zu mir sacht. Unsere Köttel<br />
sehen ja aus wie kleene Schoko-Ostereier.“<br />
Tausend Hasen jubelten<br />
und begannen massenhaft kleine<br />
Köttel zu produzieren. Schließlich<br />
mussten viele Nester gefüllt werden<br />
in dieser Stadt.<br />
Für immer<br />
Dagobert<br />
Der Namensgeber<br />
aus dem Hause Disney<br />
IMAGO/SASCHA STEINACH<br />
Die Frage hat er erwartet.<br />
Sie wird Arno Funke immer<br />
wieder gestellt. Die<br />
Frage nach der Reue.<br />
Funke steht im Grafikraum des Eulenspiegel-Verlags,<br />
der sein Domizil<br />
in Friedrichshain hat. Hinter ihm an<br />
der Wand hängen die Karikaturen,<br />
die er für das Satiremagazin erschaffen<br />
hat. Die Rolling Stones auf Geriatric<br />
Tour sind zu sehen, ebenso wie<br />
Trump und Putin. Alles Bestseller<br />
von Funke, die sich noch immer gut<br />
verkaufen.<br />
„Was ist Reue?“, fragt Funke zurück<br />
und schaut über seine Brillengläser<br />
nachdenklich zur Decke.Reue<br />
werdeoft mit Selbstmitleid verwechselt,<br />
sagt er dann und schickt, wie so<br />
oft im Gespräch, ein Lachen hinterher.<br />
Dann fährt er ernst fort: Es<br />
komme immer gut an, wenn ein Angeklagter<br />
vorGericht sage,erbereue<br />
seine Taten. „Dann gibt es vielleicht<br />
ein halbes Jahr weniger“, sagt Funke.<br />
Für sich könne er sagen, es tue<br />
ihm leid, dass alles so weit gekommen<br />
sei. Damals. Dass Menschen<br />
wegen ihm gelitten haben, Verkäuferinnen<br />
mit einem unguten Gefühl<br />
zur Arbeit gingen, Polizisten Überstunden<br />
machen mussten und mit<br />
Häme überzogen wurden. Aber ist<br />
das Reue? „Es ist bedauerlich, dass<br />
ich den Wegsogewählt habe“, sagt<br />
Funke. Wieder dieses Lachen, das<br />
sympathisch und ansteckend wirkt.<br />
Einanerkannter Karikaturist<br />
DerWeg, den er meint, endete am 22.<br />
April1994 –also vorgenau 25 Jahren.<br />
An einer Telefonzelle in der Hagedornstraße<br />
in Treptow wurde<br />
Deutschlands meistgesuchter Verbrecher<br />
festgenommen. Derdie Polizei<br />
monatelang genarrt hatte. Der<br />
seit 1988 verantwortlich war für fünf<br />
Bombenanschläge in verschiedenen<br />
Kaufhausfilialen und einen Brandanschlag.<br />
Der eine halbe Millionen<br />
Mark erpresst und später noch einmal<br />
1,4 Millionen verlangt hatte.Der<br />
bei etlichen misslungenen Geldübergaben<br />
immer wieder entkam<br />
und die Polizei fast verzweifeln ließ.<br />
An jener gelben Telefonzelle aber<br />
wurde aus dem Phantom, dem Kaufhauserpresser<br />
Dagobert, ein greifbarer<br />
Mensch. Ein verheirateter Mann<br />
und Vater eines Sohnes.ArnoFunke.<br />
Funke,69Jahrealt, trägt Jeans und<br />
über dem lindgrünen Hemd eine<br />
blaue Steppjacke. Die Eulenspiegel-<br />
Kollegen begrüßen ihn mit Handschlag.<br />
Funke musste das neue Titelbild<br />
für das Satiremagazin liefern. Er<br />
ist beim Eulenspiegel unter Vertrag,<br />
seit vielen Jahren. „Wahrscheinlich<br />
bin ich einer der wenigen Karikaturisten<br />
in Deutschland, die eine Festanstellung<br />
haben“, sagt Funke schmunzelnd.<br />
Die Arbeit mache ihm Spaß,<br />
und vonseiner Rente könne er so und<br />
so nicht leben. Er siehtzufrieden aus<br />
als er das sagt. Mitsich und derWelt.<br />
Es ist das zweite Leben von Arno<br />
Funke,sein resozialisiertes,wie er es<br />
nennt. Doch sein Leben davor kann<br />
er nicht abschütteln. DieComicfigur<br />
Dagobertverfolgt ihn und ploppt bei<br />
1988: Funkefordert500 000 Mark vomKaufhauskonzernHertie, zu<br />
dem damals das <strong>Berliner</strong> KaDeWegehört. Dortexplodiertam25. Mai<br />
eine Bombe. Es entsteht ein Sachschaden vonrund 250 000 Mark.<br />
Daraufhin zahlt der Konzern. Das Paketmit dem Geld werfen Polizisten<br />
aus einer fahrenden S-Bahn. Funkeverschwindet damit. Nach vier Jahren<br />
ist das Geld fast verbraucht. Funkeschreitet wieder zur kriminellen<br />
Tat.<br />
13. Juni 1992: Karstadt soll eine Million Mark zahlen, später wird die<br />
Forderung auf 1,4 Millionen erhöht. Nachts explodierteine Rohrbombe<br />
in der Hamburger Karstadt-Filiale. Seine Zahlungsbereitschaft soll das<br />
Unternehmen mit einer Anzeigesignalisieren. „Onkel Dagobertgrüßt<br />
seinen Neffen“, so der Text.Seitdem wird der Erpresser Dagobertgenannt.<br />
Diese Mini-Lore mit 1,4 Millionen<br />
Markentgleist vor dem Ziel. DPA<br />
15. Juli 1992: Eine geplante<br />
Geldübergabe in<br />
Mecklenburg-Vorpommernscheitert.<br />
Auch der<br />
zweite Versuch im August<br />
in Reinbek bei Hamburg<br />
geht schief.<br />
9. September 1992: Auf<br />
die Karstadt -Filiale in Bremen<br />
wird ein Brandanschlag<br />
verübt. Der Wasserschaden durch die anspringende Sprinkleranlagebeträgt<br />
mehrere Millionen Mark.<br />
15. September 1992: In HannoverexplodiertimFahrstuhl eines Kaufhauses<br />
während der Öffnungszeiten eine Bombe. Der Zünder war auf<br />
neun Sekunden eingestellt. Dagoberthatte die Bombe in dem leeren<br />
Lift deponiertund gewartet, bis sich die Türen schließen.<br />
13. Oktober 1992: Das vonDagobertgeforderte Geld wird aus einem<br />
Zug geworfen. Der Erpresser holt es jedoch nicht ab.Kurzdarauf misslingen<br />
zwei Geldübergaben in Berlin. Ein Polizist kann den Täter an der<br />
Jackepacken. Doch er rutscht auf nassen Blätternaus.Dagobertkann<br />
entkommen. In der Presse wird kolportiert, der Polizeibeamte sei auf<br />
Hundekot ausgeglitten.<br />
5. Januar 1993: 2000 Polizeibeamte sind bei der nächsten Geldübergabe<br />
im Einsatz. Dagobertkanntrotzdem fliehen –allerdings ohne<br />
Beute.<br />
Huch, die Geldtasche aus der Streusandkiste ist weg.<br />
19. April 1993: Das Geld soll in Berlin-Britz in einer präparierten Streusandkiste,<br />
die über einem Gully platziertist, abgelegt werden. Die Polizei<br />
beobachtet die Kiste. Doch Dagobertöffnet sie vonunten und flieht<br />
mit der Geldtasche. Pech für den Täter:Inder Tasche befinden sich nur<br />
wenigeGeld- dafür aber sehr viele Papierscheine.<br />
Mai 1993: Fahnder lauernDagobertimElektroladen Conrad auf, in<br />
dem er häufiger Teile für seine selbst gebastelten Bomben und Übergabe-Gerätschaften<br />
gekauft hatte. Doch Dagobertbemerkt einen der<br />
Beamten im Laden. Er kann in letzter Sekunde durch die alarmgesicherte<br />
Hintertür des Lagers entkommen, springt in ein Taxi und fährtdavon.<br />
Am 19. Mai 1993 wird auf ein Kaufhaus in Bielefeld ein Anschlag<br />
verübt.<br />
Vor25Jahren wurde der Kaufhauserpresser<br />
Arno Funke gefasst. Seitdem hat er sein Leben radikal<br />
verändert. Doch die Vergangenheit holt ihn<br />
immer wieder ein<br />
CHRONOLOGIE<br />
ZV<br />
6. Dezember 1993: In einer <strong>Berliner</strong> Karstadt-Filiale explodierteine<br />
Bombe. Im Januar entkommt Dagoberterneut bei einer Geldübergabe.<br />
22. Januar 1994: Mithilfe einer selbst gebauten Mini-Lore sollen 1,4<br />
Millionen Mark auf einem stillgelegten Gleis in Berlin-Charlottenburg zu<br />
dem Kaufhauserpresser fahren. Wenige Meter vordem Ziel entgleist die<br />
Lore. Da ist Funkewegen der hohen Polizeipräsenz schon auf der<br />
Flucht.<br />
22. April 1994: Arno Funke<br />
wird nach einem zweijährigenKatz-<br />
und Mausspiel<br />
mit der Polizei in einer Telefonzelle<br />
in der Hagedornstraße<br />
in Treptowgefasst.<br />
Er gestehtsofort,Dagobert<br />
zu sein.<br />
17.Januar1995: Unter In dieser Telefonzelle endet Dagoberts<br />
großemMedienandrang<br />
beginnt am <strong>Berliner</strong> Landgericht<br />
kriminelle Karriere. DPA<br />
der Prozess gegenArnoFunkevor der 33. Großen Strafkammer.<br />
14. März 1995: Genau an seinem 45. Geburtstagwird Funkewegen Herbeiführung<br />
vonsechs Sprengstoffanschlägen, versuchterund vollendeter<br />
schwerer räuberischer Erpressung der Kaufhäuser KaDeWe undKarstadt<br />
zu einerHaftstrafevon sieben Jahren undneun Monaten verurteilt.Ergilt<br />
alshochintelligent. Doch dasGerichtgehtvon einer verminderten<br />
Schuldfähigkeit wegenhirnorganisch bedingter Depressionen aus. Der<br />
Staatsanwalt hattezehneinhalb Jahre Haft gefordert, er geht in Revision.<br />
Ende November 1995: Der<br />
Bundesgerichtshof (BGH)<br />
hebt das Urteil auf. Den<br />
Antrag auf Revision des Angeklagten<br />
verwirft der BGH.<br />
14.Juni 1996: In einem<br />
zweiten Prozess wird das<br />
Strafmaß vonArnoFunke<br />
erhöht–auf neun Jahre. In<br />
der Haft liest er viel, unter anderem Dostojewskis „Schuld und Sühne“.<br />
Noch im Gefängnis veröffentlicht er seineAutobiografie „Mein Leben als<br />
Dagobert“.<br />
August 2000: Nach sechs Jahren und zwei Monaten Haft –eingerechnet<br />
der Untersuchungshaft –wird Arno Funkeauf Bewährung aus dem<br />
Gefängnis entlassen. Da arbeitet er schon für das Satiremagazin Eulenspiegel.<br />
Vier Jahre später tritt er in der britischen Realityshow„The<br />
Heist“ (Raubüberfall) auf –und schlüpft in die Rolle des Erpressers.<br />
Vier weitere Ex-Kriminelle spielen mit. Er veröffentlich zudem sein zweites<br />
Buch. Es heißt „Ente kross“, ist aber kein Kochbuch.<br />
2013: Arno Funkezieht ins RTL-Dschungelcamp ein und wird als dritter<br />
Kandidat vonden Zuschauernrausgeschmissen.<br />
May,<br />
Johnson,<br />
Nahles:<br />
Heute hat<br />
es Funke<br />
auf Politiker<br />
abgesehen.<br />
EULENSPIEGEL<br />
Arno Funkemit seinen Anwälten<br />
im Gerichtssaal.<br />
BERLINER KURIER<br />
VonKatrin Bischoff<br />
jedem Jubiläum wieder auf –sei es<br />
die erste Tat, seine Festnahme, der<br />
Tagseiner Verurteilung. Funke wird<br />
im nächsten Jahr 70. Wieder ein Anlass.Erweiß,<br />
dass er der ewige Dagobert<br />
bleiben wird. „Da bin ich selbst<br />
dran schuld.“<br />
Sein Leben als Schwerkrimineller<br />
begann 1988. Funke erzählt ohne<br />
Umschweife, wie es aus seiner Sicht<br />
dazu kam. DerSchilder-und Lichtreklamehersteller<br />
aus Neukölln arbeitete<br />
bei einem Kumpel in der Autowerkstatt.<br />
Er sprühte den Kiezgrößen<br />
kunstvoll Bilder von Frauen auf die<br />
Kühlerhauben, verzierte Motorräder<br />
und atmete schädliche Lösungsmittel<br />
ein. Bisesnicht mehr ging. Bissein<br />
Gedächtnis durch die Dämpfe zu versagen<br />
drohte.Esging bergab mit ihm,<br />
sagt er heute.Erwurde depressiv.Arbeiten<br />
war kaum noch möglich.<br />
Entsicherte Waffe am Kopf<br />
Damals habe er sich eine entsicherte<br />
Waffe an die Schläfe gehalten, sich<br />
dann aber gesagt: Bevor essoendet,<br />
könne er auch noch etwas ganz Großes<br />
machen. Mit Geld werde es ihm<br />
wieder besser gehen. So hoffte er.<br />
Undeigentlich habe er Schiss gehabt<br />
voreinem Selbstmord.<br />
Funke war ein immer kreativer<br />
Mensch und sollte dies auch bleiben.<br />
Er wollte keine Bank überfallen. Das<br />
wäre zupersönlich gewesen, zu nah<br />
an Menschen, denen er hätte gegenüberstehen<br />
müssen. Er entschied<br />
sich, einen Konzern zu erpressen.<br />
Für ihn ein anonymes Etwas, das<br />
Geld besaß. Er erwählte das Ka-<br />
DeWe,das Kaufhaus der Besserverdienenden,<br />
wie er es nennt. Um seiner<br />
Forderung von 500 000 Mark<br />
Nachdruck zu verleihen, deponierte<br />
er im Gebäude eine Bombe.<br />
Der Bastler konnte den Sprengsatz<br />
selbst herstellen, er hatte schon<br />
als Kind mit dem Chemiebaukasten<br />
hantiert und auch Radios gebaut.<br />
Doch die Bombe detonierte nicht.<br />
Erst der zweite Versuch klappte, der<br />
Konzern zahlte. „Die Bombe ging<br />
nachts hoch, damit niemand verletzt<br />
wird“, erklärt Funke. Überhaupt sei<br />
er immer darauf bedacht gewesen,<br />
dass niemand zu Schaden komme.<br />
Dassei ihm auch vorGericht zugutegehalten<br />
worden. Eine Entschuldigung<br />
sei das nicht, für das,was er getan<br />
habe,schiebt er hinterher.<br />
Dagobert wurde erst vier Jahre<br />
später sein zweites Ich–als das Geld<br />
fast aufgebraucht war. 1992 fing<br />
Funke an, den Karstadt-Konzern<br />
zu erpressen. Er verlangte erst eine<br />
Million Mark, später erhöhte er auf<br />
1,4 Millionen Mark. Zum Zeichen<br />
der Zahlungsbereitschaft sollte der<br />
Konzern eine Annonce schalten. Mit<br />
dem Text: „Dagobert grüßt seinen<br />
Neffen.“ Die Anzeige erschien. Der<br />
Erpresser war von nun an Dagobert.<br />
In den Medien mutierte er zum Star.<br />
Dabei kann Funke bis heute den<br />
Hype um seine Person nicht verstehen:<br />
nicht die mit den Worten „Ich<br />
bin Dagobert“ bedruckten T-Shirts,<br />
die verkauft wurden, nicht die<br />
Presse, die sich nach jeder neuen