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Berliner Zeitung 20.04.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 92 · 2 0./21./22. April 2019 – S eite 36 *<br />

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Panorama<br />

LEUTE<br />

Günter Wallraff (76) ist nach seinem<br />

schweren Fahrradsturzvor zweieinhalbWochen<br />

aus dem Krankenhaus<br />

entlassen worden. Nunmüsse er versuchen,<br />

in seinerWohnung zurechtzukommen<br />

und wieder das Laufen zu<br />

lernen:„Ich nehme das als Herausforderung<br />

und jammerenicht. Ichsage<br />

mir,das ist eine ArtPrüfung. Für das<br />

St.-Franziskus-Krankenhaus in seinem<br />

Heimatviertel Köln-Ehrenfeld<br />

hat der Journalist und Schriftsteller<br />

nur lobendeWorteübrig:„Der Abschied<br />

fiel mir fast schwer,sogut bin<br />

ich da operiert, behandelt und umsorgt<br />

worden.“ Allerdings wäreWallraff<br />

nichtWallraff, hätte er nicht wenigstens<br />

eine kritische Bemerkung<br />

übrig. DieBehandlung in dem Ortskrankenhaus<br />

sei deshalb so gut gewesen,<br />

weil es keine„Aktien-Klinik mit<br />

vorgegebenen Rendite-Zielen ist: Da<br />

weht noch ein humaner Geist.“<br />

Tsukimi Ayano (69) schafft sich eine<br />

humane Geisterstadt. DieJapanerin<br />

lebt als eine vonnur noch 27 BewohnerninNagaro,<br />

einem 550 Kilometer<br />

südwestlich vonTokio gelegenen<br />

Dorf. Gegen die zunehmende Menschenleereund<br />

Überalterung kämpft<br />

Ayano nun schon seit 16 Jahren an:<br />

Seitdem näht sie lebensgroße,eher<br />

jünger,gernauch jugendlich oder gar<br />

kindlich aussehende Puppen und<br />

verteilt sie im ganzen Dorf–sogar die<br />

Schule,die vorsieben Jahren zumachte,bevölkernjetzt<br />

wieder Schüler<br />

und Lehrer.Angefangen hat die<br />

Puppenmacherin mit einerVogelscheuche<br />

in ihrem Garten, die ihr so<br />

gut gelang, dass Nachbarnsie„wirklich<br />

für meinenVater hielten und sie<br />

grüßten“. Mittlerweile„leben“ in Nagaro270<br />

Ersatzmenschen.<br />

Theo Waigel (79) erinnertsich in der<br />

Augsburger Allgemeinen an seine<br />

Kindheit im Dorf. DerfrühereCSU-<br />

Chef und Bundesfinanzminister<br />

wuchs als Sohn eines Kleinbauernin<br />

Oberrohr im schwäbischen Landkreis<br />

Günzburgauf und ärgerte zum<br />

Beispiel die Familien-Katze, deren<br />

Schwanz er nur zu gernanden Gartenzaun<br />

festband. Daswar eine prägende<br />

Zeit, noch heute träumt Waigel,<br />

der am Ostermontag übrigens<br />

seinen 80. Geburtstag feiert, „merkwürdigerweise<br />

nie vonden großen<br />

Ereignissen meiner politischen Karriere.<br />

Ichträume davon, was in meiner<br />

Kindheit auf dem Bauernhof geschehen<br />

ist“. (schl./dpa, AFP)<br />

TIERE<br />

Ein Seeadler mit seinem Küken in<br />

Schleswig.<br />

DPA/FRANK MOLTER<br />

Gut versteckt: Im Baumgestrüpp fallen<br />

die Seeadler kaum auf. EinPaar<br />

dieser beeindruckenden Greifvögel<br />

hat in Schleswig zwei Küken ausgebrütet.<br />

DieSeeadler sind in der<br />

schleswig-holsteinischen Kreisstadt<br />

bestens versorgt, denn sie leben dort<br />

auf der Schlossinsel: Vonhier aus<br />

sind verschiedene Gewässer gut erreichbar,der<br />

zu Schloss Gottorfgehörende<br />

Burgsee,die Haddebyer<br />

Noor,vor allem aber die Kleine<br />

Breite,also der zum Naturschutzgebiet<br />

erklärte westliche Ausläufer der<br />

Schlei. Dortkönnen die Raubvögel<br />

nach Herzenslust jagen –Fische und<br />

Wasservögel. Ganz selten holen sich<br />

die Seeadler aber auch Kaninchen<br />

oder Feldhasen. (schl.)<br />

Bugs Bunny<br />

ImDezember 1985 bekam Bugs<br />

Bunny als zweite Zeichentrickfigur<br />

nach Micky Maus einen Stern<br />

auf dem Hollywood Walk of Fame.<br />

Eine späte Genugtuung, schließlich<br />

hatten die Warner Studios den<br />

Hasen dereinst als Konkurrenz zu<br />

Walt Disneys rabiater Erfolgsmaus<br />

in die Kinos geschickt. 1940 war<br />

das: In „A Wild Hare“(„Die Hasenfalle“)<br />

wird der Mümmelmann<br />

von dem fiesen Jäger Elmer Fudd<br />

gejagt, bleibt im Angesicht des flintenstarrenden<br />

Todes jedoch gelassen.<br />

Lässig an seiner Karotte kauend<br />

und um keinen naseweisen<br />

Spruch verlegen treibt Bugs Bunny<br />

seinen Häscher in den Wahnsinn.<br />

Frechheit siegt. Immer!<br />

Hase und Igel<br />

Das Märchen vom Wettlauf<br />

zwischen Hase und Igel, erstmals<br />

veröffentlicht unter dem Titel<br />

„Dat Wettlopen twischen den<br />

Hasen un den Swinegel up de<br />

lütje Haide bi Buxtehude“, erzählt<br />

allerhand über das Leben und<br />

wird bis heute gern invergleichbaren<br />

Situationen zitiert. Allzu arrogant<br />

ist der langohrige Protagonist,<br />

als er sich über die krummen<br />

Beine des Igels lustig macht. Siegesgewiss<br />

geht er ins Rennen, das<br />

der listige Igel mit Hilfe seiner<br />

Frau („Ick bün al hier!“) immer<br />

und immer wieder für sich entscheiden<br />

kann. Und die Moral<br />

vonder Geschicht: Über Igel lacht<br />

man nicht.<br />

Klopfer (Bambi)<br />

Klopfer ist eigentlich ein Kaninchen,<br />

aber wir wollen das<br />

mal nicht so eng sehen, denn zum<br />

einen gehören Kaninchen zur Familie<br />

der Hasen und zum anderen<br />

betörtuns der bei ihnen sehr ausgeprägte<br />

Sozialcharakter. Eben<br />

der bereichert auch den herzschmerzreichen<br />

Disney-Film<br />

„Bambi“ (1942) um eine lebendig-liebenswerte,<br />

ja humorvolle<br />

Note. Klopfer bringt dem halbwaisen<br />

Rehkitz Bambi das Sprechen<br />

und sogar das Schlittschuhlaufen<br />

bei. Ansonsten quasselt<br />

das Karnickel viel Stuss,aber es ist<br />

immer liebenswerter Stuss.<br />

Durch dick und dünn: Klopfer ist<br />

ein Freund, wie man ihn sich<br />

nicht besser wünschen kann.<br />

Der<br />

hoppelnde<br />

Alleskönner<br />

Vonwegen Eier legen und nur an Ostern<br />

mal vorbeikommen –der Hase kann viel<br />

mehr.Erist Sexsymbol und Naseweis,<br />

Muse, Model und Märchenfigur.<br />

Eine Liebeserklärung<br />

VonAnne Vorbringer,Marcus Weingärtner,Christian Schlüter<br />

und Dominique Möller<br />

Playboy-Bunny<br />

Seit der zweiten Ausgabe des 1953 gegründeten, weithin<br />

„Herrenmagazin“ genannten Playboy prangt das<br />

Bunny-Logo auf derTitelseite.Magazin-Gründer Hugh Hefner<br />

gefiel der Hase „wegen der witzigen sexuellen Konnotationen“<br />

–dasTier gilt ja als besonders vermehrungsfreudig –<br />

und ließ dann ab den 1960ern inden Playboy-Nachtclubs<br />

junge Frauen in Bunny-Kluft auftreten, also mit angesteckten<br />

Hasenohren und einer Herrenfliege. Doch zurück zum<br />

Logo: Dertierische Männerwitz, den ArtPaul, der ArtDirektor<br />

des Playboy, geschaffen hatte, wurde zu einem der bekanntesten<br />

Markenzeichen der Welt.<br />

Und sonst noch ...<br />

IMAGO/MCPHOTO, IMAGO (3), WIKIPEDIA (2), DPA<br />

Der Duracellhase ist vorallem älteren Menschen bekannt, in den<br />

80ernratterte das rosafarbene Plüschhäschen trommelnd durch<br />

die deutschenWohnzimmer –der Duracellhase mit den Alkaline-<br />

Batterien trommelte immer am längsten und das in Amerika<br />

schon seit 1973. Dort heißt der Racker „Drumming Bunny“. In<br />

China übrigens verboten, da „nicht gesetzeskonform“.<br />

Meister Lampe ist die Bezeichnung für den Hasen, wie sie im altdeutschen<br />

Sprachgebrauch verwendet wird, zumeist in Fabeln,<br />

siehe auch Reineke Fuchs.Inder Sprache der Jäger wirddie weiße<br />

Unterseite am Hasenschwänzchen auch als„Lampe“ bezeichnet.<br />

Hase im Pfeffer –Gerade in der Osterzeit liegt der sprichwörtliche<br />

„Hase im Pfeffer“ ganz weit vorn.Zur Genese der Redensartgibt<br />

es viele Versionen. Eine der schönsten besagt, sie ginge auf den<br />

Hasenpfeffer zurück, eine scharfe Soße,die bereits im Mittelalter<br />

zubereitet wurde.Ineben dieser Tunke noch das Hasenklein ausfindig<br />

zu machen, war gar nicht so leicht. Fand der Pfeffersoßen-<br />

Esser aber dennoch ein Stück, soll er gerufen haben: „Daliegt der<br />

Hase im Pfeffer!“<br />

Märzhase<br />

Als Gastgeber einer unkonventionellen<br />

Teegesellschaft hat<br />

es der Märzhase zu einer der beliebtesten<br />

Figuren in Lewis Carrolls<br />

Werk „Alice im Wunderland“<br />

gebracht. Wiedie übrigen Charaktereindieser<br />

Geschichte hat auch<br />

der Märzhase nicht alle beieinander.<br />

Erist hektisch, fast paranoid.<br />

Im Original von1865 ölt er die Uhr<br />

seines Tee-Gastes mit „feinster<br />

Butter“ und feiertinder kindergerecht<br />

aufgearbeiteten Disney-Version<br />

von1951 an 364 Tagen im Jahr<br />

seinen Nicht-Geburtstag. In England<br />

wirddas freilich nicht überraschen:<br />

Dort gilt der „march hare“<br />

seit dem 16. Jahrhundert als Synonym<br />

fürVerrücktheit.<br />

Dürer-Hase<br />

Wir schreiben das Jahr 1502,<br />

als der deutsche Maler und<br />

Grafiker Albrecht Dürer ein quadratisches<br />

Blatt Papier zur Hand<br />

nimmt und auf eben dieses den<br />

„Feldhasen“ bannt, der seine bekannteste<br />

Naturstudie werden<br />

sollte und heute das prominenteste<br />

Objekt der Albertina in Wien<br />

ist –aus konservatorischen Gründen<br />

ist dortzumeist aber nur eine<br />

Kopie ausgestellt. Mit Liebe zum<br />

Detail sind Kopf, Löffel und Brustpartie<br />

des Hasen dargestellt, das<br />

glänzende Fell wirkt beinahe<br />

greifbar.Das Tier erscheint uns so<br />

lebendig, als könne es jeden Moment<br />

loshoppeln. Oder doch zumindest<br />

drauflos schnuppern.<br />

Hase Cäsar<br />

Handpuppen per se sind<br />

schon eine recht unheimliche<br />

Angelegenheit, der Hase Cäsar<br />

indes war dazu angetan, ganzeGenerationen<br />

von deutschen Kindern<br />

mit Albträumen ins Bett zu<br />

schicken. Woranlag’s?Wohl daran,<br />

dass die Klappmaulpuppe einfach<br />

nicht besonders sympathisch war.<br />

Istder Hase vonNatur aus ein zwar<br />

wehrhaftes,doch friedfertiges Wesen,<br />

so war der Hase Cäsar nur ein<br />

geschwätziges Frechmaul, eine<br />

plappernde Showbegleitung für<br />

den Moderator Arno Görke, an<br />

dessen Seite er durch die Sendung<br />

„Schlager mit Schlappohren“<br />

führte. Das war 1967. Bis 2004<br />

tauchte die Puppe immer wieder<br />

mal im Fernsehen auf.<br />

Ohne Gurt<br />

in<br />

den Tod<br />

Trauer nach dem<br />

Busunglück auf Madeira<br />

VonMartin Dahms<br />

Esmuss für die Nothelfer am Mittwochabend<br />

ein furchtbarer Anblick<br />

gewesen sein: Rund um den Reisebus,<br />

der kurz zuvor im Küstenort<br />

Caniço auf Madeira eine Böschung<br />

hinabgestürzt war, lagen Dutzende<br />

Leichen und Verletzte.„Nurfünf Personen,<br />

den Fahrer mitgezählt, waren<br />

im Bus“, berichtete der Koordinator<br />

des medizinischen Notfalldienstes<br />

auf Madeira, António Brasão, im<br />

staatlichen Fernsehen RTP. „Alle anderen<br />

Personen waren draußen, das<br />

heißt: Sie sind herausgeschleudert<br />

worden. Ichdenke,dasssie nicht angeschnallt<br />

waren.“<br />

Madeirastand am Karfreitag noch<br />

immer unter dem Eindruck des folgenreichsten<br />

Verkehrsunfalls auf der<br />

portugiesischen Ferieninsel seit Menschengedenken:<br />

29 Menschen starben,<br />

27 wurden teils schwer verletzt.<br />

Außer dem verletzten Busfahrer und<br />

der verletzten Reiseführerin sind alle<br />

Opfer deutsche Urlauber. Noch werden<br />

die Toten identifiziert und die<br />

Verletzten, vondenen keiner mehr in<br />

Lebensgefahr schwebt, gepflegt. Die<br />

Polizeiversucht, die Ursachedes Unglücks<br />

herauszufinden. Wassich bereits<br />

sagen lässt: Wären alle Fahrgäste<br />

angeschnallt gewesen, hätte es mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit weit weniger<br />

Todesopfer gegeben.<br />

Trauer an der Unglücksstelle im KüstenortCaniço<br />

auf Madeira AFP/MIGUEL RIOPA<br />

Die Erzählung Brasãos über das<br />

Bild, das sich den Helfern nach dem<br />

Unglück bot, wird durch den Bericht<br />

zweier deutscher Reisender bestätigt.<br />

Siehätten gesehen, wie anderePassagiere<br />

durch den Bus flogen, sagten<br />

Brigitte und ihr Mann Heinz Garden<br />

dem portugiesischen Fernsehsender<br />

SIC. Sie selbst seien angeschnallt gewesen<br />

und hätten auf ihren Sitzen<br />

eine Schutzhaltung angenommen,<br />

wie man es im Flugzeug auf den Notfallkarten<br />

erklärtbekomme.Das Ehepaar<br />

kam mit vergleichsweise leichten<br />

Verletzungen davon. SiespüreihrenNacken,<br />

sagte Brigitte Garden,ihr<br />

Mann habe eine gebrochene Rippe.<br />

Aber: „Wir sind am Leben. Wir sind<br />

zusammen.“<br />

Über die Ursache des Unglücks<br />

gibt es bisher nur Spekulationen. Die<br />

Fahrbahn ist an der Stelle,woder Bus<br />

von der Fahrbahn abkam, in gutem<br />

Zustand, die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />

beträgt 40 Kilometer in<br />

der Stunde, und die Kurve, der die<br />

Straße folgt, ist nicht außergewöhnlich<br />

eng. Auch waren keine anderen<br />

Verkehrsteilnehmer beteiligt. Bleibt<br />

die Möglichkeit eines technischen<br />

Defekts – etwa eines verklemmten<br />

Gas- oder Bremspedals –oder die einer<br />

Unaufmerksamkeit des Fahrers.<br />

Die Bundesregierung bot an, die<br />

verletzten Urlauber an diesem Sonnabend<br />

mit einem speziell für Krankentransporte<br />

ausgerüsteten Militärflugzeug<br />

nach Deutschland zu<br />

fliegen. Außenminister Heiko Maas<br />

(SPD) war am Gründonnerstag auf<br />

die portugiesische Atlantikinsel gereist<br />

und hatte an der Unglücksstelle<br />

einen Kranz niedergelegt.

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