Berliner Kurier 12.06.2019

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PANORAMA
SEITE33
BERLINER KURIER, Mittwoch, 12. Juni 2019
NACHRICHTEN
Vögeln auf der Spur
Foto: dpa
Helgoland –Rund 180000
Vögel werdenjährlich mit
„Helgoländer Ringen“ vom
Institut für Vogelforschung
(IfV) versehen um den Vogelzug
zu erforschen, hiereine
Bachstelze.Die weiteste
Entfernung, dieein Vogelmit
HelgoländerRing zurückgelegthat,
schaffte ein Neuntöter.
Er wurde 8580 Kilometer
entfernt gesichtet.
Högel legt Revision ein
Oldenburg –Der vorige
Woche zu lebenslanger
Haft verurteilte Serienmörder
und Ex-Krankenpfleger
Niels Högel (42) hat gegen
diese Entscheidung Revisionsantrag
gestellt.
„Gorch Fock“-Kadettin
Kiel –Mehr als zehn Jahre
nach dem rätselhaften Tod
der „Gorch Fock“-Kadettin
Jenny Böken (✝18) hat die
Staatsanwaltschaft Kiel den
Fall wieder aufgerollt. Nach
den Aussagen einer Zeugin
müssten einige Punkte
überprüft werden, hieß es.
Deutsche in U-Haft
Palma –Nach einer brutalen
Attacke auf einen afrikanischen
Türsteher wird
auf Mallorca gegen zwei
Deutsche (20. 21) wegen
schwerer Körperverletzung
ermittelt. Die beiden
sitzen in Untersuchungshaft.
Nach Angaben der Polizei
wird ein „rassistischer
Hintergrund“ vermutet.
LOTTO-QUOTEN
6Richtige und
Superzahl: unbesetzt,
6Richtige: 852089,40 Euro,
5Richtige und
Superzahl: 17389,50 Euro
5Richtige: 4639,30 Euro
4Richtige und
Superzahl: 277,50 Euro
4Richtige: 55,60 Euro
3Richtige und
Superzahl: 26,20 Euro
3Richtige: 12,30 Euro
2Richtige und
Superzahl: 5,00 Euro (ohne Gewähr)
KENO-ZAHLEN
6, 12, 16, 17,18, 19, 21, 22, 27,31,
49, 50, 51, 54, 55, 60, 61, 68, 69,
70; plus-5-Gewinnzahl:
38498 (ohne Gewähr)
Fotos: Alexander Roll, WDR,dpa
Im Hintergrund ein Foto
vonAnne Frank (r.) und
ihrer Freundin „Jopi“ als
Schulmädchen. Vorn:
Jacqueline „Jopie“
vanMaarsen heute,
mit 90 Jahren.
Meine Freundin Anne Frank
Jacqueline vanMaarsen (90) über die gemeinsame Zeit mit dem berühmten Mädchen
Köln – Sie schrieb das berühmteste
Tagebuch der
Welt und erschüttert viele bis
heute mit ihrem Schicksal:
Anne Frank. Zu ihrem 90. Geburtstag
hat ihre alte Vertraute
„Jopie“ Köln besucht –
und zeigt zusammen mit dem
WDR eine völlig neue, bewegende
Seite ihrer besten
Freundin Anne Frank.
KURIER hat die Niederländerin
getroffen.
Jacqueline ist still geworden.
Das zwölfjährige Mädchen wird
erst aus dem Schwimmverein
geworfen, muss dann auch noch
die Schule wechseln. Die Nazis,
die jetzt in ihrem Wohnort Amsterdam
den Ton angeben, haben
ihr Leben verändert: Sie ist nun
„Halbjüdin“, unerwünscht. Sie
fühlt sich einsam, als sie an ihrem
ersten Schultag im Herbst
1941 nach Hause geht. Doch
plötzlich erscheint sie: ein dunkelhaariges
Mädchen, das ihren
Namen ruft: „Jacqueline“. Eines,
das einfach mit ihr mitläuft.
„Ich heiße Anne Frank“, sagt das
Mädchen. Und sie beschließt:
„Wir sind jetzt besteFreunde.“
Ein ganzes Leben ist seitdem
vergangen,78Jahre. Jacqueline
von Maarsen, von Anne Frank
nur „Jopie“ genannt, wird sich
immer an diese erste Begegnung
Auszüge aus dem berühmten Tagebuch
vonAnne Frank
erinnern. Dreieinhalb Jahre
nach diesem Tag wird Anne
Frank sterben, von den Nazis ermordet.Und
ihr Tagebuch wird
das wohl berühmteste der Welt
werden. Nach dem Krieg überreicht
Anne Franks Vater „Jopie“
einen Abschiedsbrief, den
Anne im Versteck für sie in ihr
Tagebuch geschrieben hat. Unterschrieben
mit den Worten
„deine beste Freundin, Anne“.
Anne Frank ist so etwas wie
ein Mythos geworden. Ein für
viele abstrakter Name, stellvertretend
für die traumatischen
Schrecken des Krieges. Doch
wer Jacqueline van Maarsen
hört, wie sie über ihre quirlige
Freundin spricht,bekommt eine
Vorstellung davon, wie das
Mädchen Anne wirklich war.
Lebendig sei sie gewesen, ganz
anders als sie selbst. „Sie liebte
das Leben und genoss es so sehr,
dieses kleine, kurze Leben, das
sie hatte. Als ob sie wusste, dass
es nur ein kurzes Leben ist“, erzählt
die heute 90-Jährige. Die
Freundinnen tuschelten über
andere Mädchen, über Jungs,
über das Verliebtsein.
Heute wäre Anne Frank 90
Jahre alt geworden. Jacqueline
van Maarsen blickt nun zusammen
mit dem WDR zurück auf
dieses kurze Leben ihrer Freundin,
in einer beeindruckenden
History-App („WDR AR 1933-
1954“, gratis für iOS und zahlreiche
Android-Geräte verfügbar):
Neben van Maarsen erzählt
auch Anne Franks Freundin
Hannah Goslar („Hanneli“) in
Augmented Reality über die
Vergangenheit (eine computergestützte
Erweiterung der Realität
mit Bildern oder Videos).
„Jopie“und „Hanneli“ sprechen
über Freundschaft und Abschied,
begleiten uns in Anne
Franks Versteck oder in das
Amsterdam der Nazis. Mittlerweile
habensich rund 100 Schulen
angemeldet, im Unterricht
auf diese bewegende Reise zu
gehen.
Jacqueline van Maarsen hat
heute drei Kinder und sieben
Enkel. Auch Enkel Job (18) gehen
die Geschichten unter die
Haut. Besonders eine Szene sei
„angsteinflößend“, erklärt er: In
ihr geht es hinter die Mauern
des KZ Bergen-Belsen, in dem
Anne Frank starb. Dazu erklärt
Freundin Hannah Goslar, wie
sie Anne Frank dort wiedertraf.
„Ich dachte, sie sei bei ihrer
Oma in der Schweiz, um Schokolade
zu essen“, sagt sie. Doch
plötzlich habe sie Annes traurige
Stimme hinter der Mauer gehört:
„Ich habe Hunger.“ Die
junge Hannah riskierte ihr Leben
für ihre Freundin, warf
heimlich Lebensmittelüber den
Zaun. Sie überlebte, Anne starb.
Am 90. Geburtstag von Anne
Frank sind erneut rechte Populisten
in Europa auf dem Vormarsch.
Sie versuchen, den Nationalsozialismus
zu verharmlosen.
Macht das „Jopie“ Angst?
Es dürfe nicht geschwiegen
werden, erklärt van Maarsen.
„Ich hoffe, dass die Erinnerung
an Anne für immer wach bleibt.
Der Antisemitismus ist immer
noch da.“ Martin Gätke