Berliner Zeitung 18.06.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 138 · D ienstag, 18. Juni 2019 13 *<br />
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Berlin<br />
Ferngesteuert<br />
Mobilitäts-Informatiker Alexander Kirn über die Akzeptanz von Leih-Kickscootern, virtuelle Sperrgebiete und geteilte Verkehrsmittel als Datenspender<br />
Jetzt sind sie da. Das <strong>Berliner</strong><br />
Unternehmen Circverteilte am<br />
Montag die ersten Leih-Kickscooter<br />
in der Stadt. Weitere<br />
werden folgen. Insgesamt achtVerleiher<br />
stehen bereit. „In zwei Wochen<br />
werden die Straßen in Deutschland<br />
anders aussehen“, verkündete Ende<br />
vergangener Woche der Chef des<br />
Scooter-Verleihers Tier Mobility. Für<br />
viele dürfte das wie eine Drohung<br />
klingen. Skeptiker erwarten versperrte<br />
Gehwege und bald tonnenweise<br />
Elektroschrott.<br />
Alexander Kirn hält die Befürchtungen<br />
indes für übertrieben. Kirn<br />
ist Chef der Firma Invers, Pionier<br />
und Weltmarktführer für Sharing-<br />
Systeme im Mobilitätsbereich. Wenn<br />
heute irgendwo auf der Welt ein<br />
Auto, ein Elektroroller oder ein<br />
Kickscooter per App ausgeliehen<br />
wird, dann steckt mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
Invers-Software dahinter.Zuden<br />
Kunden in 30 Ländern<br />
gehören unter anderem Daimler<br />
und die Deutsche Bahn ebenso wie<br />
Clevershuttle oder die <strong>Berliner</strong> Rollerverleiher<br />
Coup und Emmy.Neuerdings<br />
gehören auch Kickscooter<br />
dazu, deren Start inBerlin nun täglich<br />
und nicht ohne Skepsis erwartet<br />
wird. Acht Anbieter stehen seit Wochen<br />
bereit. Invers-Chef Alexander<br />
Kirn sieht die elektrifizierten Stehroller<br />
als Bereicherung für die Städte<br />
und ist optimistisch. Ein Chaos, wie<br />
es Tausende Leihfahrräder in Berlin<br />
verursacht hatten, werde es mit<br />
Kickscooternnicht geben, sagt er.<br />
Herr Kirn, woher nehmen Sieden Optimismus?<br />
Zum einen werden die Anbieter<br />
mit ihren Fahrzeugen sorgsamer<br />
umgehen, weil die Scooter schlicht<br />
deutlich teurer sind als Fahrräder.<br />
Zum anderen will sicher keiner der<br />
Kickscooter-Verleiher die Akzeptanz<br />
der neuen Verkehrsmittel aufs Spiel<br />
setzen. Dabei hilft ihnen die Technik.<br />
Denn hinter dem –für den Nutzer<br />
simplen – Kickscooter-Verleih stehen<br />
hochentwickelte Systeme.<br />
Washeißt das?<br />
Die Scooter sind permanent mit<br />
der Cloud verbunden. Die Betreiber<br />
wissen also immer, wosich welcher<br />
Roller befindet, und können einen<br />
Scooter aus einer Parkanlage holen,<br />
wo der nicht hingehört. Dank eines<br />
Lagesensors lässt sich sogar feststellen,<br />
ob ein Roller umgefallen ist.<br />
Lassen sich auch Informationen zurück<br />
zum Scooter senden?<br />
Ab sofortsind die ersten Elektro-Tretroller auf den <strong>Berliner</strong> Straßen unterwegs.<br />
Dasist der Vorteil. Mankann beispielsweise<br />
das Einsatzgebiet für<br />
Kickscooter definieren und gewissermaßen<br />
virtuelle Sperrgebiete abstecken.<br />
Fährtein Roller dorthinein,<br />
bekommt der Fahrer einenWarnhinweis.<br />
Ebenso können bestimmte<br />
Stadtgebiete mit einem Tempolimit<br />
belegt, und die Scooter automatisch<br />
auf Tempo xgedrosselt werden, sobald<br />
sie diese Zone befahren. In<br />
Parks oder Spielstraßen macht das<br />
unbestritten Sinn und wird heute in<br />
einigen Städten auch bereits praktiziert.<br />
Dahinter steckt eine Softwarelösung<br />
im Zusammenspiel mit Geodaten.<br />
Die Kickscooter erhalten die<br />
so definierten Informationen dann<br />
über die installierte Telematik.<br />
Wiegenau lassen sich die Roller lokalisieren?<br />
Das geht heute schon bis auf wenige<br />
Meter. Aber gerade in Großstädten<br />
besteht das Problem, dass die GPS-<br />
Signale von Hochhäusern reflektiert<br />
werden, streuen und Ungenauigkeiten<br />
erzeugen. Daslässt sich aber lösen.<br />
Wir wollen auf wenige Zentimeter erkennen,<br />
ob ein Roller auf dem Gehdweg<br />
fährtoder auf der Straße.<br />
Wann wirddas soweit sein?<br />
Prototypen gibt es bereits, aber<br />
bis zur Marktreife wird esnoch dauern.<br />
Vielleicht ein, zwei Jahre, bestenfalls.<br />
Dasheißt, wenn dann jemand verbotenerweise<br />
mit einem E-Scooter auf<br />
dem Gehweg unterwegs ist, könnte er<br />
von der Software ausgebremst werden?<br />
Genau. Wenn man sicher weiß,<br />
wo sich ein Roller befindet, lassen<br />
sich alle möglichen Dinge auslösen.<br />
Das kann ein optisches Signal für<br />
ZUR PERSON<br />
Alexander Kirn, 36, hat mit 14 Jahren sein erstes Unternehmen gegründet. Nach dem erfolgreichen<br />
Verkauf investierte er in Technologieunternehmen. Seit 2012 ist er Chef des Unternehmens<br />
Invers. Kirnhat Volkswirtschaft studiertund ist Absolvent der Universität St. Gallen sowie<br />
der Harvard Business School. Invers ist nach eigenen Angaben Erfinder des automatisierten<br />
Fahrzeugsharings und bietet das marktführende Betriebssystem für Mobilitätsdienste an. Das<br />
Unternehmen aus Siegen in Nordrhein-Westfalen ist seit Jahren profitabel, der Umsatz liegt im<br />
zweistelligen Millionenbereich und wächst jährlich um mehr als 30 Prozent. Im Carsharing<br />
liegt der Marktanteil vonInvers bei 40 Prozent, im E-Scooter-Sharing bei 50 Prozent.<br />
den Fahrer sein, ein Hinweis über<br />
Lautsprecher, sogar das Abschalten<br />
des Motors ist denkbar.<br />
Istdas Ihr Ziel?<br />
Der Kickscooter ist wahrscheinlich<br />
das zugänglichste Sharing-Fahrzeug<br />
überhaupt. Man stellt sich<br />
drauf und fährt los. Die Einstiegshürde<br />
zur Mikromobilität ist damit<br />
so gering wie nie zuvor.Folglich werden<br />
mehr Menschen als bisher die<br />
GETTY IMAGES<br />
Shared Mobility Angebote ausprobieren.<br />
Gefällt es ihnen, werden sie<br />
auch Roller und Autos nutzen und<br />
am Ende im besten Fall auf das eigene<br />
Auto verzichten. Es geht um die<br />
Akzeptanz von Shared Mobility insgesamt,<br />
die Mikromobilität steht<br />
hier erst am Anfang.<br />
Waserwarten Sie?<br />
Neue Fahrzeugformen. In der Lücke<br />
zwischen Elektroroller und<br />
Kickscooter ist einiges denkbar. Die<br />
Firma Bird aus den USA und viele<br />
andere Anbieter arbeiten daran. Vor<br />
allem wird man nach Lösungen suchen,<br />
die auch für schlechtes Wetter<br />
taugen.<br />
Die Fahrzeuge für die sogenannte<br />
letzte Meile gelten nicht selten als<br />
Schönwetter-Technologie. Wie stark<br />
geht die Nutzung tatsächlich bei Regen<br />
zurück?<br />
Natürlich werden die Roller bei<br />
schönemWetter mehr genutzt als bei<br />
schlechtem. Allerdings zeigen die Erfahrungen<br />
auch, dass die Nutzung<br />
bei Regen keinesfalls auf Null geht.<br />
Dahinter steckt aber auch eine Entwicklung.<br />
Wenn man im Ökosystem<br />
der Shared Mobility unterwegs ist,<br />
dann passt man sich auch an und<br />
wählt bei schlechteren Wetter eben<br />
die passende Kleidung und nimmt<br />
lieber den Scooter als das Fahrrad.<br />
Manhat ja den Luxus,aus mehreren<br />
Fahrzeugen auswählen zu können.<br />
Also keine Schönwettertechnologie?<br />
Ich würde sie nicht als solche bezeichnen.<br />
Aber, wenn Shared Mobility<br />
dazu führen soll, dass man kein<br />
eigenes Fahrzeug mehr besitzt, dann<br />
muss man natürlich auch eine akzeptable<br />
Lösung für schlechteres<br />
Wetter anbieten.<br />
Kommen wir zurück zur Technologie.<br />
Jeder Roller sammelt also permanent<br />
eine Unmenge an Daten.Waskönnen<br />
die Sharing-Unternehmen damit anfangen?<br />
Siehelfen ihnen, die Stadt zu verstehen.<br />
Die Anbieter können ortund<br />
zeitgenau Mobilitätsströme in<br />
einer Stadt ablesen. Sieerfahren, wo<br />
ihre Kunden sind und können ihre<br />
Angebot dorthin bringen, wo Bedarf<br />
besteht. Dabei genügt es schon, dass<br />
jemand die App aktiviert und vielleicht<br />
keinen Roller in der Nähe findet.<br />
Auch das ist eine wichtige Information.<br />
Natürlich ist es mit Kickscootern<br />
sehr viel einfacher, darauf<br />
zu reagieren als etwa mit Rollern<br />
oder gar mit Autos.<br />
Solche Daten dürften auch für Verkehrsverwaltungen<br />
der Kommunen<br />
interessant sein. Gibt es Städte, die die<br />
Daten der Sharinganbieter nutzen?<br />
Ja, sicher. Einige Betreiber arbeiten<br />
aktiv mit den Kommunen zusammen<br />
und verstehen sich tatsächlich<br />
als Partner. Inden USA, etwa in Los<br />
Angeles, werden Betreiber sogar verpflichtet,<br />
die Daten zur Verfügung zu<br />
stellen. Dort fordert die Verkehrsverwaltung<br />
sogar eine Schnittstelle im<br />
System, um direkten Zugriff darauf zu<br />
haben. Sie können also aktiv eingreifen,<br />
etwa Zahl oder die Höchstgeschwindigkeiten<br />
der Scooter in einem<br />
bestimmten Gebiet begrenzen.<br />
Washalten Siedavon?<br />
Es zeigt, dass einige Kommunen<br />
begriffen haben, welche neuen Möglichkeiten<br />
in dieser Technologie stecken.<br />
In jedem Fall trägt es dazu bei,<br />
das Konfliktpotenzial der neuen Verkehrsmittel<br />
zu reduzieren.<br />
Istdas auch hierzulande denkbar?<br />
In jedem Fall geht Mikromobilität<br />
nur miteinander. Das wissen auch<br />
oder gerade die vielen jungen Sharing-Unternehmen.<br />
DasGespräch führte<br />
Jochen Knoblach.<br />
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berliner<br />
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