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Berliner Kurier 21.07.2019

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25<br />

Pedro im Zentrum. SeinZielwar<br />

es, moralische Barrieren einzureißen<br />

und die ultrakonservative<br />

Denkweise zu zerstören, die immernoch<br />

in den Köpfen festsaß.<br />

In Pedros Film „Das Gesetz der<br />

Begierde“ habe ich zum ersten<br />

Mal vor der Kamera einen Mann<br />

geküsst. Ehrlich gesagt: Da hatte<br />

ich ziemlich Bammelvor der ReaktionmeinerMutter.<br />

Und? Wie hatsie reagiert?<br />

Siewollte michumbringen! Sie<br />

hatte alle ihre Freundinnen ins<br />

Kino eingeladen, um stolz ihren<br />

erfolgreichen Sohn auf<br />

der Leinwand zu präsentieren.<br />

Und da mussten diese<br />

erzkatholischen Damen<br />

dann mitansehen,wie ich<br />

zu einem Mann ins Bett<br />

steige und heftig mit<br />

ihm knutsche – in<br />

Großaufnahme! Danach<br />

rief mich meine<br />

Mutter wütend<br />

an und rief: „Wie<br />

konntest du mir<br />

das antun? Du hast<br />

mich vor allen<br />

Leuten total blamiert!<br />

Wegen dir<br />

redet jetzt niemand<br />

mehr mit<br />

mir!“ Ich erklärte<br />

ihr, dass wir<br />

Eine Szene<br />

aus „Leid und<br />

Herrlichkeit“:<br />

Salvador Mallo<br />

(Antonio<br />

Banderas)<br />

spricht mit<br />

seiner Mutter<br />

(Julieta<br />

Serrano)<br />

über alte<br />

Zeiten.<br />

die Leute umerziehen müssten,<br />

und sie hat dasirgendwann auch<br />

verstanden. Zum Glück ist sie<br />

nicht nachtragend, sodass ich<br />

michraschmitihrversöhnthabe.<br />

Aberich konnte mich eine Weile<br />

lang nicht mehr zu Hause blicken<br />

lassen.<br />

Stimmt es, dass Sie kaum ein<br />

Wort Englisch sprachen, als<br />

Sie nach Hollywood gingen?<br />

Ja. Man hatte mich zum Casting<br />

für den Musikfilm „Mambo<br />

Kings“ eingeladen. Bei meinem<br />

Bewerbungsgespräch verstand<br />

ich kein einziges Wort, doch ich<br />

nickte und lächelte tapfer –und<br />

streuteimrechten Moment drei<br />

Sätze ein, die ichextra dafür auswendig<br />

gelernt hatte. Sätze wie:<br />

„Yes, Ican do that.“Tatsächlich<br />

bekam<br />

ich den Zuschlag für die<br />

Hauptrolle! Bei den Dreharbeiten<br />

lernte ich meinen ganzen<br />

Text rein phonetisch, wie ein<br />

Lied ineiner fremden Sprache.<br />

Es war abenteuerlich: Ich habe<br />

den Regisseur nicht verstanden<br />

und hatte ständig Angst, aufzufliegen.<br />

Aber Sie haben sich durchgemogelt<br />

undgalten bald als gefragtester<br />

LatinLover.<br />

Das fand ich schon immer absurd,<br />

zumal ichinmeiner Karriere<br />

vermutlichmehrSchwule dargestellt<br />

habeals die meisten anderen<br />

Schauspieler. Mit meiner<br />

Rollenwahl habe ich stets versucht,<br />

das lästige Latin-Lover-<br />

Etikett loszuwerden, das an mir<br />

klebte. Insofern sehe ich das Älterwerden<br />

als ein Geschenk: Faltenund<br />

graue Haare haben dafür<br />

gesorgt,dassichendlichinteressantere<br />

Figuren spielen<br />

durfte.<br />

Wie war es, nach mehr als 20<br />

Jahren Pause wieder mit<br />

Almodóvar zu arbeiten?<br />

Schmerzhaft. Ich wollte ihm<br />

zeigen, wie souverän ich inzwischen<br />

vor der Kamera agieren<br />

konnte und was ich inAmerika<br />

alles gelernthatte.Dochermeinte:<br />

„Das interessiert mich nicht,<br />

dasisttotaler Bullshit!Mit diesen<br />

Tricks magstduvielleicht in Hollywood<br />

durchkommen, aber wo<br />

bistdu? Ichbrauche denechten<br />

Antonio!“ Da wurde mir klar,<br />

dassich tiefer graben musste.<br />

Dafür wurden Sie nun in<br />

Cannes immerhin mit dem<br />

Darstellerpreis belohnt.<br />

Das verdanke ich Pedro, der<br />

michdazugebracht hat, michvor<br />

der Kamera emotionalzuentblößen.<br />

Jahrelang hatte ich versucht,<br />

meine Schwächen zu vertuschen,<br />

weil ichals vitaler, kerniger<br />

Typ verkauft wurde. Aber<br />

bei „Leid und Herrlichkeit“ging<br />

es geradedarum, meineVerletzlichkeit<br />

zu zeigen. Ich fühlte<br />

mich, als würde ichvon einer unbekannten<br />

Klippe springen. Es<br />

waren die besten Dreharbeiten<br />

meines Lebens.<br />

Im Film gehtesauch um Angst<br />

vorKrankheit undTod. Ist Ihnen<br />

das vertraut?<br />

Ja, spätestens,seitdem<br />

ichdem Tod ins<br />

Auge geblickt habe: vor zwei<br />

Jahren, als michein Herzinfarkt<br />

erwischt hat. 2015 bin ich mit<br />

meiner Freundin Nicole nach<br />

England aufs Land gezogen. Eines<br />

Tages brach mir dort plötzlich<br />

der kalte Schweiß aus, ich<br />

spürte heftige Schmerzen und<br />

sagte zuNicole: „Ich glaube, ich<br />

habe einen Herzinfarkt.“ Sierief<br />

sofort einen Krankenwagenund<br />

schob mir eine Aspirin in den<br />

Mund.Später meinten die Ärzte<br />

im Krankenhaus,ohne dieseTablettehätteichsterben<br />

können.<br />

Hat dieses Erlebnis Ihren<br />

Blick auf das Leben verändert?<br />

Ja, fundamental.Dasswir an jenem<br />

Tag überhaupt Aspirin im<br />

Haus hatten, verdanke ich nämlich<br />

einer ganzen Kette von Zufällen.<br />

Nur deshalb bin ich dem<br />

Tod von der Schippe gesprungen.<br />

Als mir das schlagartig bewusst<br />

wurde, habe ich endlich<br />

erkannt,was wirklich wichtig ist<br />

im Leben. Du wolltest dir ein<br />

neuesAutokaufen?Scheißdrauf,<br />

das brauchst du nicht! Deine<br />

Tochter, deine Freunde, deine<br />

Arbeit, die du liebst –das istes,<br />

was zählt!Menschen, die klüger<br />

sind als ich, dürften allerdings<br />

auchohneHerzinfarkt zudieser<br />

Einsicht kommen. (Lacht.)<br />

Fotos: Zhang Cheng/Xinhua/imago-images, Manolo Pavón/Studiocanal/El Deseo

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