Die Malteser-Zeitung 3/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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ROMA-HILFE IN UNGARN<br />
Miklós Vecsei, MALTESER in Ungarn, ist seit April <strong>2019</strong><br />
als Regierungskommissar für die Integration der Roma<br />
in Ungarn verantwortlich. Hier ein Auszug aus einem <strong>Zeitung</strong>sinterview*<br />
über seine Gedanken zum Thema Armut<br />
und Elend.<br />
Von Barbara Piazza-Georgi<br />
sie aus der Nähe bzw. selbst erleben. Zum Beispiel haben<br />
wir uns viele Gedanken darüber gemacht, warum es in<br />
einer Schule in einem ungarischen Dorf so hohe Fehlzeiten<br />
gibt. Erst an Ort und Stelle wurde klar: Herden von<br />
streunenden Hunden halten die Eltern davon ab, ihre<br />
Kinder außer Haus gehen zu lassen.<br />
Wir reden oft über die Beseitigung der Armut und des<br />
Elends. Wir müssen zuerst einmal die Begriffe klären.<br />
Was wir unter Armut verstehen, ist, wenn vieles zum<br />
Wohle der Menschen fehlt, aber mit großem Aufwand<br />
ein geordnetes Leben doch möglich ist. Es gibt Ziele,<br />
und das Zusammenleben in der Gemeinschaft wird von<br />
Werten bestimmt.<br />
Elend ist etwas anderes. Es ist nicht einfach eine tiefere<br />
Form von Armut, sondern eine andere Dimension des<br />
Daseins. Elend ist, wenn der Mangel so groß ist, dass<br />
er die Gemeinschaft zerstört, der Morgen verschwindet<br />
und nur das Heute zählt. Das momentane Bedürfnis<br />
setzt alles außer dem Überleben außer Kraft.<br />
Im Elend gibt es kein individuelles oder gemeinschaftliches<br />
Ziel. Das Leben wird auf einen einzigen Punkt in<br />
Raum und Zeit reduziert. Menschliches Elend bedeutet<br />
völligen Verlust des Zwecks.<br />
Obwohl die Symptome auch von weitem sichtbar sind,<br />
werden die Ursachen für uns nur erkennbar, wenn wir<br />
Menschen, die am Rande der Existenz leben, können<br />
durch das Sozialsystem und verschiedene Programme<br />
unterstützt werden, aber nur die Gesellschaft kann sie<br />
wieder aufnehmen. Daher ist es sehr wichtig, der Gesellschaft<br />
klarzumachen, was wir tun. Jeder muss sehen,<br />
dass der im Elend lebende Mensch sein Schicksal<br />
nicht gewählt hat. So wie auch wir nicht deswegen in<br />
unserer Position sind, weil wir es verdienen. Elend wird<br />
vererbt. Kinder, die in Elend geboren sind, erleben es als<br />
selbstverständlich und geben es weiter. Wenn wir nicht<br />
rechtzeitig neue Möglichkeiten für sie schaffen und aufzeigen,<br />
haben sie keine Chance auf ein anderes Leben.<br />
*Magyar Kuríer, 6. Mai <strong>2019</strong>, übersetzt und bearbeitet von<br />
Barbara Piazza-Georgi<br />
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DIE MALTESER 3-4/<strong>2019</strong>