Die Malteser-Zeitung 3/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MALTESERWELTWEIT<br />
BLICK VERLIEREN<br />
<strong>Die</strong> Bewohner der Lager leiden vor allem an Infektionskrankheiten<br />
und posttraumatischen Störungen. Nicht<br />
wenige von ihnen sind aufgrund des Erlebten und der<br />
Aussichtslosigkeit ihrer Situation schwer depressiv. Einer<br />
vernünftigen Arbeit nachzugehen, ist ihnen nicht<br />
erlaubt. <strong>Die</strong> libanesische Regierung gestattet syrischen<br />
Flüchtlingen ausschließlich die Arbeit am Bau oder am<br />
Feld. Somit sind auch Kinder, alte Menschen und solche<br />
in schlechtem gesundheitlichen Zustand gezwungen,<br />
ihre Familien mit harter, äußerst dürftig bezahlter Feldarbeit<br />
zu versorgen.<br />
Einander im Leid begegnen<br />
Was ich trotz all diesem Leid erleben und erfahren durfte,<br />
sind wunderbare Momente größter Menschlichkeit: Als<br />
wir zum Beispiel Aain Aata – ein kleines, völlig verarmtes<br />
Bergdorf, das von Drusen bewohnt wird – besuchten,<br />
kamen alle Dorfbewohner zusammen, hießen uns herzlich<br />
willkommen und luden uns zu einem gemeinsamen<br />
Essen mit feinsten libanesischen Speisen ein.<br />
Eine andere Begegnung, die mir für immer in Erinnerung<br />
bleiben wird, ist das Zusammentreffen mit Schwester<br />
May. Mit ihren 92 Jahren arbeitet diese zierliche, von einer<br />
unerschütterlichen Menschenliebe durchdrungenen<br />
Persönlichkeit mit dem Ersthilfe-Zentrum der <strong>Malteser</strong><br />
zusammen. Allein an einem einzigen Tag besuchten<br />
wir 15 Familien und statteten diese mit Kleidung und<br />
Nahrungsmitteln aus. Dabei spielte es keine Rolle, ob<br />
sie in einem christlichen, muslimischen oder alawitischen<br />
Haushalt lebten. Schwester May nimmt sich jeder<br />
Schicksalsgeschichte an, als wäre sie die ihrige.<br />
Respektvolles Miteinander<br />
Während meines Aufenthalts wurde ich mehrmals Zeugin<br />
einer humanitären Operation, die sich für Dialog<br />
und Frieden einsetzt. Bei einer Ausfahrt mit der Mobilen<br />
Einheit MMU in ein sunnitisches Dorf erlebte ich zum<br />
Beispiel, wie ein christlicher Arzt, ein christlicher Fahrer,<br />
zwei sunnitische Krankenschwestern und eine schiitische<br />
Sozialarbeiterin in engem Schulterschluss zusammenarbeiteten<br />
und die Patienten – unabhängig von deren Glaubenszugehörigkeit<br />
– freundschaftlich und mit höchstem<br />
Respekt behandelten.<br />
Sie sind Menschen, die ihre Menschlichkeit selbst in den<br />
schwierigsten Situationen nicht aus dem Blick verlieren.<br />
Eine solche Haltung berührt zutiefst und kann nur Vorbild<br />
für uns alle sein.<br />
Katharina Schaufler arbeitete bei der Ständigen Vertretung<br />
Österreichs bei der UNESCO in Paris, bevor sie den<br />
Europäischen Master in Menschenrechte und Demokratie<br />
in Venedig begonnen hat. Von April bis September<br />
<strong>2019</strong> war sie als <strong>Malteser</strong>-Volontärin in den syrischen<br />
Flüchtlingslagern im Libanon im Einsatz. <strong>Die</strong>se werden<br />
vor Ort u.a. von der libanesischen Organisation des<br />
<strong>Malteser</strong>ordens betreut.<br />
DIE MALTESER 3-4/<strong>2019</strong> 57