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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 17<br />
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Gesundheit<br />
Gesünder naschen<br />
Überraschende medizinische Erkenntnisse über die süßen Verlockungen unter dem Weihnachtsbaum<br />
VonMichael Timm<br />
Die bunten Teller sind gefüllt.<br />
Lebkuchen, Zimtsterne,<br />
Plätzchen und<br />
Dominosteine haben<br />
Hochsaison. Weihnachten ohne<br />
Schokolade? Undenkbar! Doch<br />
schon meldet sich das schlechte Gewissen:<br />
Nasch nicht so viel! Aber gilt<br />
das auch an den Feiertagen? Ist<br />
Naschen wirklich ungesund? Oder<br />
hat Schokolade vielleicht auch ein<br />
paar gute Seiten?<br />
Ernährungswissenschaftlerin<br />
Birgit Alteheld von der Universität<br />
Bonn beruhigt alle Leckermäuler:<br />
„Zu Weihnachten dürfen Sie ruhig<br />
mal sündigen. Genießen Sie die<br />
Schokolade. Das Naschen wirkt positiv<br />
auf die Psyche, man fühlt sich<br />
wohl. Außerdem enthält Schokolade<br />
in derTateine ganzeReihe wertvoller<br />
Substanzen, die gut für unseren Körper<br />
sind. Undwenn Siesich den Rest<br />
des Jahres vernünftig ernähren, können<br />
auch ein paar Schoko-Nikoläuse<br />
und andere Leckereien vom bunten<br />
Teller über die Feiertage nicht schaden.“<br />
Wassagt die Figur dazu?<br />
Kein schlechtes Gewissen muss man haben, wenn man bei Zimtsternund Co. in Maßen zugreift.<br />
Auch Ärzte wissen: Wenn man mal<br />
ausnahmsweise vom hohen Zuckergehalt<br />
der leckeren Knabbereien absieht<br />
und solange Diabetiker ihre<br />
Werte imGriff haben, spricht nichts<br />
gegen Schoko-Nikoläuse und andere<br />
süßeVersuchungen. In der medizinischen<br />
Fachliteratur finden sich sogar<br />
zahlreiche interessante Studien über<br />
die gesundheitlichen Vorteile von<br />
Schokolade, Mandeln und anderen<br />
Leckereien. Wenn der Zucker nicht<br />
wäre, könnte Schokolade sogar als<br />
Naturheilmittel durchgehen.<br />
Wassagt die Figur dazu? Tatsache<br />
ist: Zu viel Schokolade macht dick,<br />
denn sie besteht hauptsächlich aus<br />
Zucker und Fett. Eine 100-Gramm-<br />
Tafel hat etwa 550 Kilokalorien.<br />
Schon vier Tafeln würden den Energiebedarf<br />
eines erwachsenen Menschen<br />
decken. „Für den Körper ist es<br />
jedoch viel wichtiger, dass Sie sich<br />
zwischen Neujahr und Weihnachten<br />
gesund ernähren“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin.<br />
„Da spielt<br />
die Woche zwischen Weihnachten<br />
und Neujahr kaum eine Rolle. Außerdem<br />
gibt es Alternativen. Bitterschokolade<br />
hat zum Beispiel weniger<br />
Kalorien als weiße Schokolade,<br />
weil der Zuckeranteil geringer ist.“<br />
Dafür ist Schokolade mit einem<br />
hohen Milchanteil weniger schädlich<br />
für die Zähne. Denn Milch enthält<br />
kariesvorbeugende Substanzen<br />
wie Kasein, Kalzium und Phosphate.<br />
Allgemein gilt aber:Wegen ihres hohen<br />
Zuckergehaltes und der langen<br />
Verweildauer im Mund greift Schokolade<br />
die Zähne an.<br />
Dennoch: der Zucker liefert auch<br />
schnell verwertbare Energie. In<br />
Stresssituationen greifen viele Menschen<br />
automatisch zu einem Stück<br />
Schokolade. Heißhunger auf Schokolade<br />
–wer kennt das nicht? Und<br />
die Zähne lassen sich ganz einfach<br />
schützen: Wer sie regelmäßig und<br />
gründlich putzt, hat in der Regel<br />
nichts zu befürchten. Japanische<br />
Forscher der Universität in Osaka<br />
fanden zudem heraus: Die Schale<br />
der Kakaobohne, dem Hauptbestandteil<br />
vonSchokolade,wirkt antibakterizid<br />
und schützt vor Zahnbelägen<br />
und Zahnausfall.<br />
Medizinisch gesehen hat der Kakao<br />
noch zahlreiche weiteregünstige<br />
Eigenschaften: Schokolade enthält<br />
mehr Flavonoide als Rotwein,<br />
schützt dadurch Herz und Gefäße,<br />
kann sogar Infarkte und Schlaganfälle<br />
verhindern. Einer der Gründe<br />
dafür: Flavanol erweitert die Blutgefäße.<br />
Dr. Roberta Hold von der University<br />
of California in Davis: „Nach<br />
dem Verzehr von25Gramm Schokoladen-Chips,stieg<br />
die Flavanol-Konzentration<br />
im Blut deutlich an und<br />
verhinderte messbar das Zusammenkleben<br />
von Blutplättchen“. Da<br />
macht der Schoko-Nikolaus fast<br />
schon dem guten alten Aspirin Konkurrenz.<br />
Die gefäßerweiternden Eigenschaften<br />
von Flavanol könnten<br />
auch dafür verantwortlich sein, dass<br />
Kakao und Schokolade bei manchen<br />
älteren Bluthochdruck-Patienten<br />
zu einem Rückgang sowohl<br />
des systolischen als auch des diastolischen<br />
Blutdrucks führen. In einer<br />
Untersuchung bei älteren Männern<br />
bestand ein umgekehrter Zusammenhang<br />
zwischen Kakaoaufnahme<br />
und Blutdruckentwicklung.<br />
IMAGO<br />
Also je mehr Schokolade sie aßen,<br />
desto geringer war ihr Blutdruck.<br />
Eine deutliche Senkung des Blutdrucks<br />
durch Schokoladenkonsum<br />
zeigt sich auch bei Personen mit<br />
hochnormalen oder leicht erhöhten<br />
Blutdruckwerten.<br />
Die Kakaomenge und die Menge<br />
an konzentrierten Flavanolen, die<br />
in diesen Untersuchungen eingesetzt<br />
wurden, waren jedoch viel höher<br />
dosiert, als dies bei Schokolade<br />
der Fall ist. In einer Hypertonie-Studie<br />
erhielten die Teilnehmer beispielsweise<br />
täglich im Durchschnitt<br />
670 Milligramm Flavanole.Das wiederum<br />
entspricht dem Gehalt von<br />
zwölf Tafeln dunkler oder 50 Tafeln<br />
Vollmilch-Schokolade.<br />
Eine schwedische Studie zeigte<br />
eine Reduktion des Schlaganfallrisikos<br />
durch Schokoladenkonsum bei<br />
Frauen. Ein um50Gramm pro Woche<br />
erhöhter Schokoladenkonsum<br />
verringerte das Risiko von Hirninfarkt<br />
und vonakuten Hirnblutungen<br />
um 27 Prozent, und das allgemeine<br />
Schlaganfallrisiko um 14 Prozent.<br />
Eine andere neurologische Studie<br />
kam zu dem Ergebnis, dass auch<br />
Männer von Schokolade profitieren.<br />
Ihr Schlaganfallrisiko wurde durch<br />
erhöhten Schokoladenkonsum<br />
(mindestens 50 Gramm pro Woche)<br />
um 17 Prozent reduziert.<br />
Anregend fürs Nervensystem<br />
Unbestritten ist, dass zu viel Schokolade<br />
zu Übergewicht führen kann.<br />
Trotzdem scheint zumindest dunkle<br />
Schokolade mit einem Kakao-Anteil<br />
von 60bis 70 Prozent den Cholesterinspiegel<br />
positiv beeinflussen zu<br />
können, indem sie die schädlichen<br />
LDL-Werte senkt und die positiven<br />
HDL-Werte erhöht.<br />
Weiterer Effekt: Schokolade wirkt<br />
anregend auf das Zentralnervensystem,<br />
nicht zuletzt auch wegen des in<br />
ihr enthaltenen Koffeinanteils. Es<br />
kommt daher nicht von ungefähr,<br />
wenn man Schokolade als „Nervennahrung“<br />
bezeichnet. „Das Koffein<br />
wiederum wirkt auch harntreibend,<br />
ist also auch gut für die Nieren“, sagt<br />
Birgit Alteheld.<br />
Am wichtigsten jedoch zu Weihnachten:<br />
Schokolade macht glücklich!<br />
Auch das ist inzwischen wissenschaftlich<br />
bewiesen. Denn Schokolade<br />
enthält Tryptophan. Ein Stoff,<br />
der den Serotoninspiegel im Gehirn<br />
anhebt.<br />
Dadurch wirkt Schokolade wie<br />
ein mildes Antidepressivum in der<br />
düsteren Winterzeit. Dabei hilft wieder<br />
der Zuckergehalt. Denn Zucker<br />
ist der Treibstoff unseres Gehirns –<br />
und stimuliert damit auch die Umwandlung<br />
von Tryptophan in das<br />
Glückshormon Serotonin. Außerdem<br />
werden beim Genuss vonSchokolade<br />
Endorphine freigesetzt, die<br />
berühmten Wohlfühl-Hormone. Sie<br />
heben nicht nur die Stimmung und<br />
sorgen für mehr Energie, sondern<br />
vermindern sogar die Schmerzempfindlichkeit.<br />
Also: Beruhigen SieIhr schlechtes<br />
Gewissen, greifen Sie zu. Der<br />
Schoko-Nikolaus hält Siegesund!<br />
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