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Berliner Zeitung 20.12.2019

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Bedrohte Vielfalt: Buchhandlungen unter Druck – Made in Berlin Seite 6<br />

Sylvester<br />

Groth im<br />

Interview<br />

Seite 22<br />

5°/12°<br />

Wolkenfelder<br />

Wetter Seite 2<br />

Spektakel in Washington:<br />

Anklage gegen Trump<br />

Tagesthema Seite 2, Kommentar Seite 8<br />

www.berliner-zeitung.de<br />

Samoa greift durch:<br />

Masernimpfung als Zwang<br />

Panorama Seite 28<br />

Freitag,20. Dezember 2019 Nr.296 HA -75. Jahrgang<br />

Auswärts/D**: 1.70 €–Berlin/Brandenburg: 1.60 €<br />

Union und Hertha:<br />

Die Fußball-Kolumne<br />

Sport Seite 20<br />

Der neue starke<br />

Mann aus<br />

Sachsen<br />

VonDaniela Vates<br />

Michael<br />

Kretschmer,<br />

Ministerpräsident<br />

CDU<br />

Eshieß, es werdekeine Revolution<br />

geben. Aber vorzweiWochen hat<br />

sich Michael Kretschmer lieber noch<br />

mal persönlich an die Tür des CDU-<br />

Parteitags gestellt. Hände schütteln,<br />

ein paar freundlicheWorteanden einen<br />

und die andere. Lieber mal auf<br />

Nummer sicher gehen, so wirkte das.<br />

Die sächsische CDU hatte sich versammelt,<br />

um über den Koalitionsvertrag<br />

abzustimmen.<br />

Das<br />

hat sie schon<br />

häufiger gemacht,<br />

sie regiert<br />

in Sachsen<br />

ja seit 30 Jahren,<br />

die Hälfte davon<br />

mit der SPD.<br />

Aber nun in einer<br />

Jamaika-Koalition<br />

zusätzlich<br />

noch mit den<br />

Grünen zusammenzuarbeiten, das<br />

ist neu für die CDU. „Es ist die<br />

Chance, unserer Heimat eine stabile<br />

Staatsregierung zu geben“, warb<br />

Kretschmer bei den Delegierten.<br />

Unddie stimmten zu.<br />

Mittlerweile haben auch SPD und<br />

Grüne dem Vertrag zugestimmt. An<br />

diesem Freitag nun wird Kretschmer<br />

erneut als Ministerpräsident vereidigt.<br />

Der44-Jährige wirddamit zu einem<br />

der mächtigsten Politiker der<br />

Bundes-CDU. „An ihm kommt man<br />

nicht vorbei“, heißt es dort. Sachsen<br />

ist zwar einer der kleineren CDU-Verbände.<br />

Aber seit dem 1. September<br />

gilt derWirtschaftsingenieur aus Görlitz<br />

als Held: Beider Landtagswahl hat<br />

die CDU zwar verloren, blieb aber<br />

stärkste Partei –vor der AfD.<br />

Ein tiefes Aufatmen folgte. Da<br />

hatte einer gewonnen, der sich zur<br />

AfD abgegrenzt hatte. „Mit diesen<br />

Leuten haben wir nichts zu tun“,<br />

schärfte Kretschmer den Delegierten<br />

auf dem Parteitag nochmals ein.<br />

Der frühere Generalsekretär hat<br />

damit mit der Praxis der Sachsen-<br />

CDU gebrochen, die sich im Umgang<br />

mit Rechtsaußen über Jahre<br />

durch Lavieren auszeichnete.Erverlor<br />

2017 seinen Bundestagswahlkreis<br />

an die AfD. Wenig später übergab<br />

ihm der blasse Stanislaw Tillich den<br />

Ministerpräsidentenposten. Im<br />

Wahlkampf setzte Kretschmer auf<br />

Präsenz vor Ort und einen Würstchengrill,<br />

in den Koalitionsverhandlungen<br />

auf Pragmatismus.Das Wirtschaftsministerium<br />

geht an die SPD,<br />

Landwirtschaft und Umwelt an die<br />

Grünen. Die von der CDU bekämpfte<br />

Kennzeichnungspflicht für<br />

Polizisten kommt in eingeschränkter<br />

Form. Kretschmer versucht seine<br />

Partei mit dem Ausbau der A4 zu<br />

trösten, mit 1000 zusätzlichen Polizisten<br />

und mit dem Festhalten an<br />

der 40-Stunden-Woche.<br />

In der großen Koalition im Bund<br />

heißt es, mit Kretschmer werde es<br />

nicht einfach werden. In der Klimapolitik<br />

stand er als Vertreter eines<br />

Kohlelandes auf der Bremse.Erkann<br />

es sich leisten: Wegen der Schwäche<br />

der CDU im Bund gilt sein Wahlsieg<br />

als persönlicher Erfolg.<br />

Senioren leben gefährlich<br />

Jeder zweite Mensch, der 2019 im <strong>Berliner</strong> Straßenverkehr starb, war älter als 65 Jahre<br />

VonPeter Neumann<br />

Mehr Autos, mehr Hektik,<br />

mehr aggressive<br />

Fahrer: Vom Straßenverkehr<br />

in Berlin fühlen<br />

sich bereits junge Menschen oft<br />

überfordert. Nun zeigen offizielle<br />

Zahlen, dass er für alte Menschen<br />

immer häufiger zur tödlichen Gefahr<br />

wird. Vonden 40 Menschen, die in<br />

diesem Jahr bislang bei Verkehrsunfällen<br />

in Berlin starben, waren 21 Senioren.<br />

Das teilte die Polizei auf Anfrage<br />

mit. Damit war ungefähr jeder<br />

zweite Mensch, der voneinem Kraftfahrzeug<br />

getötet wurde,älter als 65.<br />

Zum Vergleich: Im vergangenen<br />

Jahr kamen in Berlin 13 Senioren bei<br />

Verkehrsunfällen ums Leben. Der<br />

Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtzahl<br />

der Verkehrsunfalltoten in<br />

Berlin stieg von29auf 53 Prozent.<br />

Die Zahl der Unfälle in Berlin, an<br />

denen Senioren beteiligt sind,<br />

nimmt immer weiter zu, so die Polizei.<br />

In den ersten drei Quartalen dieses<br />

Jahres lag sie um fast drei Prozent<br />

über dem Durchschnitt der vergangenen<br />

drei Jahre –für die Polizeistatistiker<br />

ein klares Zeichen dafür,dass<br />

sich die Lage weiter verschlechtert.<br />

„Ein schlimmes Jahr“<br />

Berlin trauert<br />

Die Stadt gedenkt der Opfer des Attentats auf dem Breitscheidplatz in aller Stille Seite 9<br />

„2019 ist ein schlimmes Jahr für<br />

uns“, sagte Roland Stimpel vom<br />

Fachverband Fußverkehr Deutschland<br />

(FUSS). 2018 starben 19 Menschen,<br />

die sich umweltfreundlich zu<br />

Fuß durch Berlin bewegten, bei Unfällen.<br />

In diesem Jahr waren es laut<br />

Polizei bereits 24. FUSS hat sogar<br />

26 tote Fußgänger ermittelt. „ImUnterschied<br />

zur Polizei zählen wir auch<br />

einen Mann mit, der gerade in sein<br />

Auto steigen wollte,aber in dem Moment<br />

auf den Beinen stand, und einen,<br />

der auf der Fahrbahn zusammenbrach<br />

und überfahren wurde.“<br />

Auffällig sei, dass die meisten Senioren<br />

als Fußgänger unterwegs waren,<br />

als sie beiVerkehrsunfällen getötet<br />

wurden. „16 Getötete waren über<br />

60 Jahrealt, 14 Getötete über 70 und<br />

fünf sogar über 80 Jahre“, berichtete<br />

Roland Stimpel. Die Unfallbilanz<br />

zeige,dass im <strong>Berliner</strong> Verkehr etwas<br />

gründlichschiefläuft: „Er ist auf<br />

Tempo und Durchdrängeln getrimmt,<br />

nicht auf Rücksicht und den<br />

Schutz der Schwächsten.“<br />

„Alte Menschen gehen meist<br />

langsamer als jüngere, nehmen Gefahren<br />

schwächer wahr, reagieren<br />

langsamer und können oft nicht<br />

mehr ausweichen. Dievielen Unfälle<br />

mit Betagten beweisen erneut: Man<br />

kann nicht die Menschen an den<br />

Verkehr anpassen, sondernwir müssen<br />

endlich den Verkehr an den<br />

Menschen und ihren Fähigkeiten<br />

ausrichten“, forderte der Sprecher.<br />

„Auch viele Autofahrer sind im <strong>Berliner</strong><br />

Gewusel und Gedrängel überfordert.“<br />

FUSS verlangt mehr Tempo-<br />

30-Bereiche,mehr Zebrastreifen und<br />

Ampeln sowie höhereStrafen.<br />

Noch vor einigen Wochen sah es<br />

so aus, als ob die Zahl der Verkehrstoten<br />

in Berlin 2019 unter dem Stand<br />

des Vorjahres bleibt. Doch innerhalb<br />

von nur zwölf Tagen wurden fünf<br />

„Alte Menschen gehen meist langsamer als<br />

jüngere, nehmen Gefahren schwächer wahr,<br />

reagieren langsamer und können oft<br />

nicht mehr ausweichen.“<br />

Roland Stimpel, Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS)<br />

Menschen, die zu Fuß oder per Rad<br />

unterwegs waren, von Kraftfahrern<br />

getötet, bilanzieren Initiativen wie<br />

Changing Cities und der Allgemeine<br />

Deutsche Fahrrad-Club.Sie rufen für<br />

Sonnabend, 15.30 Uhr, zu einer<br />

Demo vordem Roten Rathaus auf.<br />

Polizeistatistiker weisen darauf<br />

hin, dass es nicht selten vom Zufall<br />

abhängt, ob ein Unfall für das Opfer<br />

tödlich ausgeht –oder ob es noch gerettet<br />

werden kann. Wie schnell war<br />

der Notarzt zur Stelle? War die Behandlung<br />

im Krankenhaus erfolgreich?<br />

Darumplädieren die Experten<br />

dafür,insbesonderedie Zahl der Unfälle<br />

und Verunglückten zu betrachten.<br />

Beiden Senioren ist der Trend in<br />

beiden Fällen jedoch ebenfalls negativ,sagte<br />

Frank Schattling, der bei der<br />

Polizei Berlin den Fachstab Verkehr<br />

leitet. „Die Zahlen sind jedes Jahr gestiegen.“<br />

2013 wurden 13 960 Unfälle<br />

mit Senioren registriert, bei denen<br />

1208 Menschen über 65 zu Schaden<br />

kamen. Im vergangenen Jahr nahm<br />

die Polizei 16 907 Seniorenunfälle<br />

mit 1514 Verunglückten auf. Erste<br />

Zahlen für 2019 zeigen, dass sich die<br />

Entwicklung weiter fortsetzt.<br />

Mehr Unfälle mit Radfahrern<br />

„Uns ist klar,dass wir uns noch stärker<br />

um die Senioren kümmernmüssen“,<br />

sagte Schattling. Verkehrssicherheitsberater<br />

informieren in Heimen<br />

und Freizeitstätten über aktuelle<br />

Gefahren im Verkehr. In der<br />

<strong>Berliner</strong> Unfallkommission hilft die<br />

Polizei dabei mit, Unfallschwerpunkte<br />

zu entschärfen. Polizisten<br />

berichten aber auch, dass längst<br />

nicht jeder alte Mensch für sie erreichbar<br />

ist. Das gelte auch für Senioren,<br />

die Auto fahren. Nichtselten<br />

sind sie misstrauisch, weil sie befürchten,<br />

dass man ihnen die Fahrerlaubnis<br />

wegnehmen will, hieß es.<br />

Schattling sagte, dass die Unfallbilanz<br />

für dieses Jahr erst Anfang<br />

2020 vorliegen wird. Bisher zeige der<br />

Trend, dass die Gesamtzahl der Unfälle<br />

denWert desVorjahres (144 325)<br />

wohl übertreffen wird. Dagegen lag<br />

die Zahl der Verunglückten bislang<br />

unter dem Durchschnitt der vergangenen<br />

drei Jahre. Bei den Radfahrunfällen<br />

gab es wiederum einen Zuwachs<br />

vondreiProzent. DieZahl der<br />

Todesopfer unter Radlernsank dagegen<br />

vonelf im Jahr 2018 auf sechs in<br />

diesem Jahr. Seite3,Berlin Seite10<br />

BERLINER ZEITUNG/ PAULUS PONIZAK<br />

Mord in Moabit:<br />

Putin korrigiert<br />

sich<br />

Doch kein Antrag auf<br />

Auslieferung des Opfers<br />

Der russische Präsident Wladimir<br />

Putin hat in dem Fall des ermordeten<br />

Georgiers in Berlin eingeräumt,<br />

dass es nie ein offizielles Auslieferungsgesuch<br />

gegeben hat. Darüber<br />

sei nur auf Geheimdienstebene<br />

gesprochen worden, sagte der<br />

Kremlchef am Donnerstag in Moskau.<br />

Nach seinen Angaben ist von<br />

deutscher Seite signalisiert worden,<br />

dass der von Russland gesuchte<br />

Georgier nicht nach Moskau ausgeliefertwerde.Deshalb<br />

sei auf ein offizielles<br />

Gesuch verzichtet worden.<br />

In Berlin hieß es,dass man nichts<br />

von einem russischen Ersuchen<br />

wisse. Russland hatte Deutschland<br />

dagegen vorgeworfen, den Mann<br />

trotz eines Gesuchs nicht ausgeliefertzuhaben.<br />

Putin deutete an, dass<br />

die Politik womöglich nichts von<br />

Kontakten auf Geheimdienstebene<br />

gewusst und es deshalb widersprüchliche<br />

Aussagen gegeben habe.<br />

Das Mordopfer aber sei ein Terrorist<br />

gewesen. Nach Putins Angaben soll<br />

er bei einem Anschlag den Todvon<br />

98 Menschen verschuldet haben.<br />

Der Fall hat die diplomatischen Beziehungen<br />

belastet. Deutschland<br />

und Russland wiesen jeweils zwei<br />

Botschaftsmitarbeiter aus.<br />

Der 40-jährige Georgier, der in<br />

Tschetschenien aufseiten der Separatisten<br />

gekämpft haben soll, war im<br />

August in Moabit erschossen worden.<br />

Der mutmaßliche Täter, ein Russe,<br />

sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft<br />

verdächtigt staatliche<br />

Stellen in Russland oder der russischen<br />

Teilrepublik Tschetschenien,<br />

den Mord in Auftrag gegeben zu haben.<br />

DerKreml hat Verstrickungen in<br />

dem Fall zurückgewiesen.<br />

Schüsse in Moskau<br />

Am Abend hat in Moskau ein Unbekannter<br />

an der Zentrale des Inlandsgeheimdiensts<br />

FSB mit einer Kalaschnikow-Maschinenpistole<br />

auf<br />

Menschen geschossen. Der FSB bestätigte<br />

der Agentur Interfax zufolge<br />

denVorfall. DerTäter sei unmittelbar<br />

nach dem Angriff getötet worden,<br />

teilte das staatliche Ermittlungskomitee<br />

mit. Seine Identität werde<br />

noch ermittelt. Durch die Schüsse<br />

sei ein FSB-Mitarbeiter getötet worden.<br />

Zusätzlich seien fünf Menschen<br />

verletzt worden, darunter auch ein<br />

Zivilist. (dpa) Politik Seite 5<br />

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2* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

·························································································································································································································································································<br />

Tagesthema<br />

Impeachment<br />

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ist offiziell eröffnet. Damit ist der Präsident politisch befleckt.<br />

Doch die Republikaner sind entschlossen, ihn zu verteidigen.<br />

Reaktionen<br />

„Die Partei, die die<br />

Wahlen verloren<br />

hat, die demokratische<br />

Partei,<br />

versucht über andere<br />

Mittel und<br />

Wege Ergebnisse zu<br />

erzielen, indem sie<br />

Trump eine Verschwörung<br />

mit<br />

Russland vorwirft.<br />

Dann zeigte sich,<br />

dass es keinerlei<br />

Verschwörung gab<br />

und dies nicht als<br />

Grundlage für ein<br />

Impeachment<br />

diente. Dann<br />

haben sie sich eine<br />

Art Druck auf die<br />

Ukraine<br />

ausgedacht.“<br />

Wladimir Putin, Russlands Präsident<br />

„Die Demokraten<br />

könnten sich<br />

durchaus mit dem<br />

Versuch verrechnet<br />

haben, dieses<br />

Mittel für ihren<br />

Wahlkampf im Jahr<br />

2020 zu nutzen.<br />

(…) Trumps Basis<br />

wird das Impeachment-Verfahren<br />

als<br />

erneuten Versuch<br />

des Washingtoner<br />

Establishments<br />

betrachten, ihren<br />

Champion in<br />

Schwierigkeiten zu<br />

bringen.“<br />

The Times, London<br />

Die Worte„In Wirklichkeit sind sie nicht hinter mir her,sondernhinter euch. Ich bin nur im Weg“ postete Trump zusammen mit einem Foto, auf dem er „Uncle Sam“ imitiert. TWITTER/IMAGO<br />

Ein tiefer Graben durchs Parlament<br />

Der Schlagabtausch im Repräsentantenhaus schwankt zwischen zähem Ringen und absurdem Spektakel<br />

VonKarlDoemens, Washington<br />

AmEnde eines langen Tages<br />

mit einer mehr als zehnstündigen<br />

Redeschlacht<br />

im Parlament, nervöser<br />

Gereiztheit im Weißen Haus und unabsehbaren<br />

politischen Langzeitwirkungen<br />

bot sich der amerikanischen<br />

Fernsehnation am Mittwoch ein geteilter<br />

Bildschirm mit einem bizarren<br />

Kontrastprogramm. Donald<br />

Trump hatte gerade die Bühne einer<br />

Mehrzweckarena in Michigan für<br />

eine Wahlkundgebung bestiegen, als<br />

die Digitalanzeige im Washingtoner<br />

Repräsentantenhauses über die magische<br />

Marke von 216 Stimmen<br />

sprang. Das ist die Mehrheit. Um<br />

20.24 Uhrwar das Amtsenthebungsverfahren<br />

gegen den amerikanischen<br />

Präsidenten offiziell eröffnet.<br />

Während die Demokraten im Parlament<br />

jeden Anschein eines Triumphes<br />

vermieden und ihre Parlamentssprecherin<br />

Nancy Pelosi den<br />

aufkommenden Applaus mit einer<br />

Handbewegung abwürgte, konnte<br />

Trump nicht an sich halten.„SIE sind<br />

diejenigen, die des Amtes enthoben<br />

werden sollen“, drohte er vor 9800<br />

Zuhörern seinen politischen Gegnern:<br />

„Die Demokraten der verrückten<br />

Nancy Pelosi haben sich selbst<br />

ein ewiges Schandmal eingebrannt.“<br />

Tatsächlich ist fürs erste nun aber<br />

Trump politisch schwer befleckt. Erst<br />

zweimal in der amerikanischen Geschichte<br />

ist zuvor eine Impeachment-Anklage<br />

gegen einen Präsidenten<br />

beschlossen worden: 1868 gegen<br />

Andrew Johnson und 1998 gegen Bill<br />

Clinton. Anders als sein Vor-Vor-Vorgänger,<br />

der über eine außereheliche<br />

Affäre log, hat Trump ein Fehlverhalten<br />

nie eingestanden. Im Gegenteil<br />

betont er bei jeder Gelegenheit, er<br />

habe sich in der Ukraine-Affärenichts<br />

zuschulden kommen lassen.<br />

Videoclip für den Wahlkampf<br />

Im Kapitol rangen Demokraten und<br />

Republikaner in zermürbenden Geschäftsordnungsdebatten<br />

über den<br />

Ablauf der Debatte.Eswar ein historischer<br />

Tag, der sich über weite Strecken<br />

gar nicht so anfühlte.Nicht nur<br />

waren die Bänke des Repräsentantenhaus-Plenums<br />

stundenlang nur<br />

zu einem Drittel gefüllt. Auch erlebten<br />

die Anwesenden keine Sternstunde<br />

des Parlaments: DieRedebeiträge<br />

gingen kaum aufeinander ein<br />

und brachten selten neue Gedanken.<br />

Siewaren öfter erkennbar alsVideoclip<br />

für den eigenen Wahlkampf<br />

inszeniert.<br />

Anders als bei früheren Impeachment-Verfahren,<br />

die Unterstützer<br />

und Kritiker in beiden Parteien hatten,<br />

verlief dieses Maldie Meinungsgrenze<br />

strikt zwischen den Republikanernund<br />

den Demokraten. Im Sitzungssaal<br />

trennt sie ein Gang mit einem<br />

blauen Teppich. Er wirkte wie<br />

ein tiefer Graben. Während die Demokraten<br />

anprangerten, dass Trump<br />

regelmäßig das Recht missachte und<br />

deswegen aus dem Amt entfernt<br />

werden müsse,wiederholten die Republikaner<br />

ein ums andere Mal, das<br />

Verfahren sei eine „Hexenjagd“.<br />

Zu den eindrucksvolleren Szenen<br />

gehörte der Redebeitrag der Bürgerrechtsikone<br />

John Lewis, der einst an<br />

der Seite vonMartin Luther King gegen<br />

die Rassentrennung kämpfte.<br />

Damals hätten die Afroamerikaner<br />

große Hoffnungen auf eine weitere<br />

Demokratisierung des Landes gehabt,<br />

sagte der 79-Jährige. Nun geriere<br />

sich Trump wie ein absolutistischer<br />

König. „UnsereKinder werden<br />

uns fragen, was habt ihr gemacht?“,<br />

rief Lewis in den Saal: „Unser Mandat<br />

verpflichtet uns,auf der richtigen<br />

Seite zu sein.“<br />

Die Republikaner hingegen bemühten<br />

sich, dieVeranstaltung zu einem<br />

absurden Spektakel zu machen.<br />

Ihr Abgeordnete Barry Loudermilk<br />

verstieg sich gar zu einem Vergleich<br />

von Trump mit dem Gottessohn:<br />

„Pontius Pilatus hat Jesus während<br />

des Scheinprozesses mehr Rechte<br />

eingeräumtals die Demokraten dem<br />

Präsidenten.“<br />

Zwei schwerwiegende Anklagepunkte<br />

gegen den Präsidenten standen<br />

im Plenarsaal zur Abstimmung.<br />

Nach den Aussagen zahlreicher hoher<br />

Beamter und Diplomaten kann<br />

kein Zweifel mehr daran bestehen,<br />

dass Trump den ukrainischen PräsidentenWolodymyr<br />

Selenskyj zu einer<br />

Schmutzkampagne gegen seinen innenpolitischen<br />

Rivalen Joe Biden<br />

drängte und als Druckmittel eine zugesagte<br />

Militärhilfe zurückhielt. Später<br />

erteilte Trump allen beteiligten<br />

Regierungsmitarbeiternein Aussageverbot.<br />

Die Demokraten werfen ihm<br />

deshalb Machtmissbrauch und Behinderung<br />

des Kongresses vor.<br />

Das mit Spannung erwartete Votum<br />

fiel dann weitgehend entsprechend<br />

der Parteifarben aus: Beizwei<br />

Abstimmungen stimmten 230 beziehungsweise<br />

229 Abgeordnete für das<br />

Impeachment und 197 (198) dagegen.<br />

Damit musste die Ober-Demokratin<br />

Pelosi zwar drei Nein-Stimmen<br />

aus den eigenen Reihen verkraften.<br />

Dassindaber deutlich weniger,als<br />

zu befürchten war.Hingegen<br />

gab es bei den Republikanern nicht<br />

einen einzigen Abweichler.<br />

Das lässt die Wahrscheinlichkeit<br />

einer tatsächlichen Amtsenthebung<br />

vonTrump weiter schrumpfen. Dazu<br />

müssten sich im republikanisch beherrschten<br />

Senat 20 Republikaner auf<br />

die Seite der Demokraten schlagen.<br />

DieArbeit des Repräsentantenhauses<br />

sei getan, sagte Pelosi am Mittwochabend.„Ich<br />

hoffe auf einen fairen Prozess<br />

im Senat.“ Es klang nicht so, als<br />

würde sie daran ernsthaft glauben.<br />

Historie<br />

Clinton,<br />

Johnson,<br />

Nixon<br />

Bill Clinton sprach den zentralen<br />

Satz einer der bis dahin<br />

größten Krisen der US-Politik am<br />

26. Januar 1998:„Ich hatte kein sexuelles<br />

Verhältnis mit dieser Frau,<br />

Miss Lewinsky.“ Damals versuchten<br />

die Republikaner, den erfolgreichen<br />

demokratischen Präsidenten<br />

aus dem Amt zu jagen.<br />

Das Mittel zum Zweck war seine<br />

Affäremit Monica Lewinsky,einer<br />

Praktikantin im Weißen Haus.<br />

Clinton hatte 1997 die Wahl für<br />

eine zweite Amtszeit gewonnen,<br />

doch im Kongress hatten die Republikaner<br />

die Mehrheit. Clinton<br />

und seine Gattin Hillary waren<br />

Hassfiguren für das konservative<br />

Amerika. Clinton verkörperte den<br />

Aufstiegstraum der USA: Jeder<br />

kann es schaffen. DasPaar war Teil<br />

jener Ost- und Westküstenelite,<br />

deren liberaler Lebensstil wenig<br />

mit den Werten vieler Bürger auf<br />

dem Land zu tun hatte.<br />

Clinton profitierte von einem<br />

wirtschaftlichen Höhenflug der<br />

USA. Politisch war er kaum antastbar.<br />

Aber moralisch öffnete die<br />

Lewinsky-Affäre eine Flanke, die<br />

die Republikaner vehement angriffen.<br />

Clintons anfängliches<br />

Leugnen führte zur Einsetzung eines<br />

Sonderermittlers und zu hochnotpeinlichen,<br />

live übertragenen<br />

Befragungen Clintons. Das ganze<br />

mündete im Amtsenthebungsverfahren<br />

wegen Meineids undJustizbehinderung.<br />

Damit aber begann sich das<br />

Blattzuwenden. DasMissverhältnis<br />

zwischen Clintons Verfehlungen<br />

und dem Strafmaß erschien<br />

geradezu monströs. Die Abstimmung<br />

im Senat wurde zum Desaster<br />

für dieVerfolger:Den Meineidsvorwurf<br />

verwarfen die Senatoren<br />

mit 55 zu 45 Stimmen, das<br />

Votum über den Vorwurf der Justizbehinderung<br />

endete 50:50.<br />

Auch das erste Impeachment,<br />

1868 gegen Andrew Johnson wegen<br />

Missachtung der Rechte des<br />

Kongresses geführt, scheiterte.<br />

Schon damals kamen den Senatoren<br />

Zweifel, ob die Absetzung<br />

eines Präsidenten nicht einen gefährlichen<br />

Präzedenzfall schaffen<br />

würde. Der Versuch, den in die<br />

Watergateaffäre verstrickten Präsidenten<br />

Richard Nixon abzusetzen,<br />

wäre1974 wegen der Dimension<br />

seines Verfassungsbruchs<br />

wohl erfolgreich verlaufen. Er entzog<br />

sich der Schmach durch seinen<br />

Rücktritt. (sch.)<br />

Heute ziehen Wolkenfelder durch, die gelegentlich die Sonne verdecken.<br />

Dabei pendeln sich die Höchsttemperaturen bei 8bis 12 Grad ein, und<br />

der Wind weht schwach bis mäßig aus südlichen Richtungen. In der Nacht<br />

erreichen die Temperaturen 5Grad. Dazu ist der Himmel stark bewölkt bis<br />

bedeckt, gebietsweise regnet es.<br />

Biowetter: Wetterfühlige Menschen<br />

klagen häufig über Kopfweh und Migräneattacken.<br />

Schwindelgefühle<br />

und Kreislaufbeschwerden können<br />

sich einstellen. Die Leistungsfähigkeit<br />

ist unterdurchschnittlich.<br />

Wittenberge<br />

4°/9°<br />

<strong>Berliner</strong> Luft: gestrige Höchstwerte<br />

um 13 Uhr: Ozon: 5µg/m 3 ; Brandenburg BERLIN<br />

Frankfurt<br />

Stickstoffdioxid: 33 µg/m 3 ;<br />

4°/10° 4°/10° (Oder)<br />

Schwebstaub: 32 µg/m 3 ;<br />

Luckenwalde<br />

4°/11°<br />

Luftfeuchtigkeit: 87%<br />

4°/9°<br />

Cottbus<br />

Gefühlte Temperatur: maximal 10Grad.<br />

5°/12°<br />

Wind: schwach aus Süd.<br />

BERLIN U ND BRANDENBURG WETTERLAGE Reykjavik<br />

Kiruna<br />

R EISEWETTER<br />

3°<br />

-14°<br />

Archangelsk<br />

-3°<br />

Min./Max.<br />

des 24h-Tages<br />

Sonnabend<br />

Sonntag<br />

Montag<br />

bedeckt stark bewölkt Regen<br />

3°/8° 1°/ 6° 5°/7°<br />

Prenzlau<br />

4°/8°<br />

Das Regenband eines Tiefs bei den Hebriden reicht von der Nordsee über Frankreich<br />

bis in den westlichen Mittelmeerraum. Imsüdwestlichen Alpenraum besteht<br />

lokal Unwettergefahr. Östlich davon dringt mit südlichen Winden sehr<br />

milde Luft bis nach Südskandinavien und inden nordwestlichen Schwarzmeerraum<br />

vor.<br />

Sylt<br />

7°/12°<br />

Hannover<br />

5°/11°<br />

Köln<br />

7°/12°<br />

Saarbrücken<br />

6°/10°<br />

Konstanz<br />

4°/9°<br />

Hamburg<br />

6°/12°<br />

Erfurt<br />

4°/9°<br />

Frankfurt/Main<br />

4°/9°<br />

Stuttgart<br />

4°/9°<br />

Rostock<br />

4°/9°<br />

Magdeburg<br />

5°/10°<br />

Nürnberg<br />

3°/9°<br />

München<br />

5°/13°<br />

Rügen<br />

4°/7°<br />

Dresden<br />

6°/10°<br />

Deutschland: Heute zeigt sich zuweilen<br />

die Sonne. Esgibt aber stellenweise<br />

Wolken und etwas Regen, und<br />

die Temperaturen steigen am Tage<br />

auf 7bis 13Grad. Nachts gehen die<br />

Wertedann auf 7bis 3Grad zurück.<br />

Der Wind weht mitunter inBöen stürmisch<br />

aus südlichen Richtungen.<br />

Morgen ziehen teils dichte Wolken<br />

heran und haben anwenigen Stellen<br />

auch Regen dabei. Eswerden<br />

Höchstwerte von 7bis 10Grad anvisiert,und<br />

der Wind weht schwach bis<br />

mäßig aus Südwest.<br />

Schneehöhen:<br />

Thüringer Wald bis 30cm<br />

Harz bis 8cm<br />

Erzgebirge bis 20cm<br />

Bayerische Alpen bis 100 cm<br />

Mondphasen: 26.12. 03.01. 10.01. 17.01.<br />

Sonnenaufgang: 08:14 Uhr Sonnenuntergang: 15:53 Uhr Mondaufgang: 00:43 Uhr Monduntergang: 13:08 Uhr<br />

Lissabon<br />

18°<br />

Las Palmas<br />

23°<br />

Madrid<br />

16°<br />

Dublin<br />

8°<br />

London<br />

11°<br />

Paris<br />

14°<br />

Bordeaux<br />

17°<br />

Palma<br />

19°<br />

Algier<br />

21°<br />

Trondheim<br />

7°<br />

Mailand<br />

Nizza 11°<br />

17°<br />

Tunis<br />

20°<br />

Oslo<br />

4°<br />

Stockholm<br />

7°<br />

Kopenhagen<br />

8°<br />

Berlin<br />

10°<br />

Rom<br />

13°<br />

Warschau<br />

11°<br />

Wien<br />

15° Budapest<br />

11°<br />

Palermo<br />

19°<br />

Oulu<br />

1°<br />

Dubrovnik<br />

17°<br />

Athen<br />

18°<br />

St. Petersburg<br />

2°<br />

Wilna<br />

5°<br />

Kiew<br />

6°<br />

Odessa<br />

11°<br />

Varna<br />

14°<br />

Istanbul<br />

15°<br />

Iraklio<br />

19°<br />

Moskau<br />

3°<br />

Ankara<br />

13°<br />

Antalya<br />

18°<br />

Acapulco 33° wolkig<br />

Bali 27° wolkig<br />

Bangkok 32° wolkig<br />

Barbados 28° heiter<br />

Buenos Aires 26° Schauer<br />

Casablanca 18° bewölkt<br />

Chicago 2° bewölkt<br />

Dakar 28° wolkig<br />

Dubai 25° sonnig<br />

Hongkong 20° bewölkt<br />

Jerusalem 16° sonnig<br />

Johannesburg 34° heiter<br />

Kairo 22° sonnig<br />

Kapstadt 25° wolkig<br />

Los Angeles 19° wolkig<br />

Manila 30° wolkig<br />

Miami 25° bedeckt<br />

Nairobi 28° wolkig<br />

Neu Delhi 20° heiter<br />

New York 2° wolkig<br />

Peking -1° heiter<br />

Perth 26° wolkig<br />

Phuket 32° heiter<br />

Rio deJaneiro 31° Gewitter<br />

San Francisco 13° wolkig<br />

Santo Domingo 28° heiter<br />

Seychellen 28° Gewitter<br />

Singapur 30° Gewitter<br />

Sydney 28° heiter<br />

Tokio 16° heiter<br />

Toronto -2° bewölkt


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 3<br />

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Seite 3<br />

Am Brunsbütteler Damm, dort, wo<br />

die Nauener Straße einmündet,<br />

steht ein weißes Kinderfahrrad.<br />

Am Lenker lassen zwei braune<br />

Plüschhasen ihre Ohren traurig hängen. Ein<br />

Meer aus Kuscheltieren und Grabkerzenumgibt<br />

das Rad. Dazwischen steht ein Strauß<br />

frischer gelber Rosen.<br />

Weiß gestrichene Fahrräder, aufgestellt<br />

von Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club<br />

(ADFC), erinnern inBerlin an Radfahrer, die<br />

im Straßenverkehr getötet wurden. Doch<br />

dieses Kinderfahrrad in Spandau ist anders.<br />

Es ist kein „normales“ Geisterrad, das nach<br />

dem Totensonntag wieder aus dem Straßenbild<br />

verschwindet. Es steht schon seit 16 Monaten<br />

dort.<br />

Auf dem Kinderrad hat Constantin das<br />

Fahrradfahren gelernt. Es gehörte einst seiner<br />

großen Schwester. Constantins Vater<br />

musste es blau lackieren. Jungs fahren<br />

schließlich nicht mit einem lilafarbenen<br />

Fahrrad durch die Gegend. So hatte es Constantin<br />

seinen Elternerklärt.<br />

Genau ein Jahr,bevor der Junge starb,bekam<br />

Constantin ein neues, ein größeres<br />

Fahrrad. Damit fuhr der Zweitklässler zur<br />

Schule. Seine Mutter radelte jeden Morgen<br />

hinter ihm, sie passte auf, dass dem Kind<br />

nichts passiert. Sein altes Kinderfahrrad aber<br />

hatte Constantin ins Herz geschlossen. Seine<br />

Eltern durften es nicht verkaufen. Sie mussten<br />

das Rad für ihren Sohn im Keller aufbewahren.<br />

Nun steht es an dieser viel befahrenen<br />

Kreuzung. An der Stelle,ander der Junge am<br />

13. Juni 2018 auf dem Wegzur Schule tödlich<br />

verunglückte. Der Fahrer eines Lkw übersah<br />

das Kind beim Rechtsabbiegen. Der Laster<br />

erfasste den bei Grün fahrenden Jungen.<br />

Constantin stürzte. Der Lkw-Fahrer bemerkte<br />

weder den Sturz des Jungen, noch,<br />

dass das rechte Hinterrad seines Lasters den<br />

Kopf des Kindes überrollte. Vor den Augen<br />

der Mutter. Der Junge war sofort tot. Fünf<br />

Tage vorseinem achten Geburtstag.<br />

Wasist schon gerecht?<br />

Die Altstadt von Spandau liegt keine zehn<br />

Fahrradminuten von der Unfallstelle entfernt.<br />

Weihnachtsmusik schallt durch die<br />

Straßen, es duftet nach gebrannten Mandeln<br />

und Bratwurst. In einer kleinen Nebenstraße<br />

wohnen Julia und Alexander S., Constantins<br />

Eltern, und seine beiden Schwestern, 15 und<br />

16 Jahrealt.<br />

Auf einem kleinen Tischchen im Wohnzimmer<br />

der Maisonette-Wohnung steht ein<br />

Foto von Constantin. Ein verschmitzt lächelnder<br />

Junge mit runden Brillengläsernist<br />

darauf zu sehen. Vordem Foto brennt eine<br />

Kerze. Nicht nur in der Vorweihnachtszeit.<br />

An der Wand dahinter, zwischen den Fotos<br />

der drei Kinder,hängt die blau-graue Basecap<br />

des Jungen. An der weiß getünchten<br />

Tapete fällt zudem ein buntes Bild auf, dass<br />

von Kinderhand auf Leinwand gemalt<br />

wurde.Eszeigt Batman. Es ist das letzte Bild,<br />

das Constantin zeichnete. Erhat es wie ein<br />

Künstler signiert. „Consti“ steht in der rechten<br />

unteren Ecke des Bildes.<br />

Malen sei die Leidenschaft seines Sohnes<br />

gewesen, sagt Alexander S. Constantin habe<br />

schon eine eigene Staffelei besessen. Und<br />

wenn Constantin Lust gehabt habe zu malen,<br />

dann habe er gefragt: Papa, wollen wir?<br />

Alexander S. malt selbst. Seine Bilder, doppelt<br />

so groß wie die des Sohnes, hängen an<br />

einer anderen Wand des Zimmers.<br />

Alexander S., 49, nimmt das Batman-Bild<br />

vonderWand, er streicht versonnen darüber,<br />

dann wischt er sich verstohlen die Tränen<br />

aus den Augen. Er lächelt seiner Frau zu, sie<br />

lächelt zurück und nickt. Constantins Eltern<br />

wollen reden. Über ihren toten Sohn, über<br />

den Unfall. Über Hilfe, die es für Hinterbliebene<br />

nur schwer gibt. Über Politiker,die den<br />

Lkw-Verkehr sicherer machen könnten, es<br />

aber nicht tun.<br />

Siewollen reden, jetzt, da der Prozess um<br />

den Todihres Jungen gerade vorbei ist. Da sie<br />

endlich in Ruhe trauern können, ohne immer<br />

an die Verhandlung denken zu müssen.<br />

Vorzwei Wochen erst stand der Lkw-Fahrer<br />

vorGericht, der Constantins Todverschuldet<br />

hat. DieElterndes Jungen saßen dem Mann<br />

gegenüber.Sie hofften seit eineinhalb Jahren<br />

auf ein persönliches Wort der Anteilnahme,<br />

auf eine ehrliche Entschuldigung. Sie wurden<br />

enttäuscht.<br />

Der mittlerweile arbeitslose Mann wurde<br />

vomAmtsgericht Tiergarten zu einer Bewährungsstrafe<br />

verurteilt. Den Führerschein<br />

durfte er behalten. Obwohl er gerade einmal<br />

vier Wochen nach Constantins Todüber eine<br />

rote Ampel gefahren und dabei geblitzt worden<br />

war.<br />

Julia und Alexander S. haben überlegt, ob<br />

sie gegen das Urteil Berufung einlegen sollten.<br />

Eine Woche hatten sie Zeit. Sie haben<br />

sich dagegen entschieden. Nicht, weil sie<br />

den Richterspruch als gerecht empfinden<br />

würden. Was ist schon gerecht, wenn ein<br />

Kind auf solch tragische Weise ums Leben<br />

Das andere<br />

Julia S., Constantins Mutter,mit einem Foto ihres Sohnes<br />

Im Juni 2018 verunglückte der siebenjährige Constantin<br />

in Spandau tödlich. Der Fahrer eines Lkw übersah das radelnde Kind<br />

beim Rechtsabbiegen. Julia S., Constantins Mutter,musste das Unglück<br />

mitansehen. Sie und ihr Mann haben beschlossen,<br />

über den Schmerz, die Trauer und den Familienalltag danach<br />

öffentlich zu reden. Und sie kämpfen für<br />

mehr Sicherheit im Straßenverkehr<br />

kommt.Wenn eine Familie auf solche Artaus<br />

der Bahn geworfen wird. Wenn bei einem<br />

solchen Unglücksfall nicht sofort professionelle<br />

Hilfe angeboten wird –weder von den<br />

Behörden, noch von den Krankenkassen.<br />

Wasnutzt es,wenn die Betroffenen erst Monate<br />

nach so einem Unglück einen Termin<br />

beim Traumatherapeuten bekommen. Julia<br />

S., die den Toddes eigenen Kindes mitansehen<br />

musste, wartete länger als ein halbes<br />

Jahr darauf.<br />

„Was hätte eine Berufung gebracht?“,<br />

fragt Constantins Mutter nun. Sie wirkt gefasst,<br />

als sie sich selbst die Frage beantwortet.<br />

DerFahrer habe schon die höchstmögliche<br />

Strafe bekommen – Bewährung. Und<br />

keine Geldstrafe, wie üblich in solchen Fällen<br />

von fahrlässiger Tötung. Immerhin<br />

müsse der Lkw-Fahrer auch die Kosten des<br />

Verfahrens tragen. Anwälte bezahlen, den<br />

Leben<br />

VonKatrin Bischoff<br />

Gutachter, der bescheinigt habe, dass der<br />

Angeklagte den Jungen und dessen Mutter<br />

auf dem gut einsehbaren Radweg habe sehen<br />

können, ja sehen müssen. Viele Sekunden<br />

lang. Hätte er nur in seine Rückspiegel<br />

geschaut. Der Gutachter bescheinigte auch,<br />

dass der Lasterfahrer beim Abbiegen nicht<br />

angehalten habe und vermutlich bei Rot gefahren<br />

sei. Julia S. weiß, dass ihr Sohn keine<br />

Schuld trägt. Dass auch sie, die Mutter,<br />

nichts falsch gemacht hat. Doch was taugt<br />

diese Gewissheit. Sie bringt ihr den Sohn<br />

nicht wieder zurück.<br />

Constantins Eltern haben kein Auto, seit<br />

Jahren schon nicht mehr.Wozu auch, wenn<br />

man in Spandau lebt und arbeitet. „Wir<br />

können hier alles mit dem Fahrrad wunderbar<br />

erreichen“, sagt Alexander S., der in der<br />

Altstadt ein kleines Geschäft hat. Und so<br />

entfalle die nervige Suche nach einem Park-<br />

BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER<br />

platz. Auch Constantins Schulweg war bequem<br />

und eigentlich auch sicher. Erfuhr<br />

üblicherweise mit seiner Mutter am Havelufer<br />

entlang, ohne eine Straße kreuzen zu<br />

müssen. Doch am 13. Juni vergangenen Jahres<br />

holte Julia S. ihren Sohn bei den Großeltern<br />

ab, bei denen Constantin übernachtet<br />

hatte.<br />

Constantins Mutter ist Erzieherin vonBeruf.<br />

Siekümmertsich um behinderte Kinder,<br />

sie weiß, was es heißt, Verantwortung zu tragen.<br />

An jenem Morgen sprach sie mit Constantins<br />

Großeltern noch kurz über den anstehenden<br />

Geburtstag des Jungen.<br />

Im Garten war alles für die Party mit der<br />

Familie und den Freunden des Sohnes vorbereitet.<br />

Der Rasen war gemäht. Die Getränke<br />

standen bereit. DieWürstchen waren<br />

gekauft. Constantin freute sich. Er hatte sich<br />

ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft<br />

gewünscht. Der Junge spielte<br />

gerne Fußball. Auch an jenem Mittwoch<br />

hätte er am Nachmittag Training gehabt.<br />

Julia S. sagt, sie sei mit ihrem Sohn auf<br />

dem Radweg der Nauener Straße gefahren.<br />

Viele Kinder nutzten diesen Wegzur Schule.<br />

Am Brunsbütteler Damm hätten sie an der<br />

roten Ampel gewartet. Als es grün geworden<br />

sei, habe sie ihrem Sohn zugerufen: „Fahr<br />

los!“ Zu spät sah sie den Lkw,der um die Ecke<br />

bog. Der Laster touchierte das Rad des Kindes.Constantin<br />

stürzte.<br />

Seine Mutter erinnert sich, dass sie damals<br />

ihr Fahrrad zur Seite warfund voller Panik<br />

schrie. Doch der Laster fuhr weiter. Bis<br />

Autos hupten und Passantenandas schwere<br />

Fahrzeug klopften. Constantin hatte keine<br />

Chance.Auchder Helm rettete ihn nicht. Julia<br />

S. erzählt, dass der Fahrer zu ihr gekommen<br />

sei. Doch anstatt ein Wort des Entsetzens<br />

oder der Entschuldigung hervorzubringen,<br />

sagte er mit Blick auf den toten Jungen<br />

nur vorwurfsvoll, er könne doch nicht auf alles<br />

achten. „Ich dachte, die Welt müsste stehenbleiben“,<br />

sagt die 42-Jährige. Sie konnte<br />

nicht verstehen, dass das Leben um sie<br />

herum einfach weiterging.<br />

Julia S. erlebte den Tagwie in Watte gepackt,<br />

als wärealles ganz weit weg. Sierief ihrenMann<br />

an. Polizisten kümmerten sich um<br />

sie,boten ihran, sie in die Rechtsmedizin zu<br />

fahren. Constantins Mutter bewegte sich wie<br />

in Trance. Erst zu Hause brach sie zusammen,<br />

erst zu Hauseweintesie hemmungslos.<br />

Erst zu Hause wusste sie, dass Constantin<br />

nicht mehr wiederkommen, sein Lachen<br />

nicht mehr durch die Wohnung hallen<br />

würde. Der kleine Junge, der in der Familie<br />

Everybodys Darling genannt wurde,war tot.<br />

Eine zermürbende Zeit<br />

Julia S. sagt, ohne die Familie und die<br />

Freunde hätten sie es nicht geschafft, das Erlebte<br />

zu verkraften. Bekannte sorgten dafür,<br />

dass sie etwas aßen, sie kochten für sie, sie<br />

holten Medikamente vom Arzt, sie räumten<br />

die Wohnung auf und erledigten Behördengänge.<br />

Eineinhalb Jahre mussten Constantins<br />

Eltern auf den Prozess gegen den Lkw-<br />

Fahrer warten, dreimal wurde der Termin<br />

verschoben. Es war eine lange,zermürbende<br />

Zeit.„Soetwas dürfte eigentlich nicht passieren“,<br />

sagt Constantins Vater.<br />

Julia und Alexander S. haben sich nach<br />

dem Todihres Jungen nicht dem Schmerz<br />

hingegeben. Zusammen mit dem ADFC haben<br />

sie dafür gekämpft, dass die Unfallkreuzung<br />

umgebaut wird. Sie soll getrennte<br />

Grünphasen für Autofahrer und den Radverkehr<br />

bekommen. „Es wird auch Zeit, dass<br />

sich die Politiker bewegen“, sagt Julia S., die<br />

noch immer in Therapie ist. Siefordert, dass<br />

in Laster zwingend Abbiegeassistenten mit<br />

Notbremsfunktion und Kollisionserkennung<br />

eingebaut werden. 2000 Euro würde soein<br />

System kosten. 2000 Euro, die ihrem Sohn<br />

das Leben gerettet hätten, weil der Laster<br />

nach dem ersten Kontakt mit ihrem Kind sofortabgebremst,<br />

der Junge so nicht überrollt<br />

worden wäre.<br />

In der Wohnung ist es still. Die Töchter<br />

sind nicht da, zwei Katzen streifen neugierig<br />

durch das Zimmer. Dort, wo sonst zur Adventszeit<br />

der Weihnachtsbaum seinen Platz<br />

fand, steht nun ein kleines Gesteck. Einen<br />

Weihnachtsbaum gibt es seit dem vergangenen<br />

Jahr nicht mehr. Ihre drei Kinder hatten<br />

sich immer um das Schmücken des Baumes<br />

gekümmert.<br />

„Wir feiern jetzt anders“, sagt der Vater<br />

des Jungen. Auch wenn man es nicht glaube:<br />

Es werde gelacht dabei. Nur eben anders als<br />

früher. „Als wir nach Constantins Toddas<br />

erste Malbeide wieder richtiggelacht haben,<br />

da haben wir uns danach dafür geschämt“,<br />

sagt JuliaS.Stimmt, sagt ihr Mann.Essei ein<br />

sehr eigenartiges Gefühl gewesen. Ein Gefühl,<br />

dass sie heute zulassen würden.<br />

Constantins Mutter hat sich ein Jahr lang<br />

nicht aufs Fahrrad getraut. Mit wackligen<br />

Beinen hat sie es wieder versucht –als Teil ihrerTherapie.Constantins<br />

Großelternwollen<br />

nicht mehr, dass ein Enkel bei ihnen übernachtet.<br />

Siehätten ein ungutes Gefühl dabei.<br />

Constantins Schwesternhüten denKuschelbären,<br />

den der Junge bei seinem Unfall im<br />

Rucksackhatte.Sein Kuschelkissen liegtnun<br />

im Bett der Mutter.<br />

Vor der Schule haben Constantins Mitschüler<br />

einen Kirschbaum gepflanzt. Der<br />

Junge mochte Kirschen. Deswegen hatte er<br />

auch mit seinen Eltern imGarten Kirschbäume<br />

gepflanzt, die aber noch keine<br />

Früchtetrugen.<br />

Constantins Eltern erfüllten ihrem Kind<br />

den letzten Wunsch. Sie besorgten das heißersehnte<br />

Fußballtrikot.<br />

DerJunge trug es,als er beerdigt wurde.<br />

Katrin Bischoff findet, dass<br />

Angehörigevon Unfallopferndringend<br />

besser betreut werden müssen.


4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Politik<br />

NACHRICHTEN<br />

Fall „Nordkreuz“:<br />

Bewährung für Ex-Polizist<br />

Einehemaliger Elitepolizist aus<br />

Mecklenburg-VorpommernmitVerbindungen<br />

zur Prepper-Gruppe<br />

„Nordkreuz“ ist wegenVerstoßes gegen<br />

das Kriegswaffenkontrollgesetz<br />

zu einem Jahr und neun Monaten<br />

Haft auf Bewährung verurteilt worden.<br />

BeiDurchsuchungen waren bei<br />

ihm eine Uzi-Maschinenpistole mit<br />

Schalldämpfer sowie 1500 Schuss<br />

Munition gefunden worden.Weitere<br />

gefundeneWaffen und Munition<br />

habe er legal besessen, sagte der Richter<br />

am Landgericht Schwerin am<br />

Donnerstag bei der Urteilsverkündung.<br />

(dpa)<br />

Verfassungsschutzchef<br />

Brandenburgs abgesetzt<br />

Brandenburgs Verfassungsschutzchef<br />

Frank Nürnberger muss nach<br />

knapp zwei Jahren gehen. DasInnenministerium<br />

teilte am Donnerstag<br />

in Potsdam mit, Minister Michael<br />

Stübgen (CDU) habe Nürnberger<br />

„mit sofortiger Wirkung“ vonder<br />

weiteren Dienstausübung entbunden.<br />

Als Grund wurde „ein nicht ausreichend<br />

vorhandenes Vertrauensverhältnis“<br />

angegeben. DasKabinett<br />

werdeinKürze gebeten, Nürnberger<br />

in einstweiligen Ruhestand zu versetzen.<br />

(dpa)<br />

Abschuss von Wölfen soll<br />

erleichtertwerden<br />

DerAbschuss vonWölfen soll künftig<br />

auch dann möglich sein, wenn unklar<br />

ist, welcherWolf genau etwa eine<br />

Schafherde angegriffen hat. Dassieht<br />

ein Gesetzentwurfvon Bundesumweltministerin<br />

Svenja Schulze(SPD)<br />

vor, den am Donnerstag der Bundestag<br />

beschließen wollte.Essollen so<br />

langeWölfe in der Gegend geschossen<br />

werden können, bis es keine Attacken<br />

mehr gibt –auch wenn dafür ein<br />

ganzes Rudel getötet wird. DieLänderbehörden<br />

müssen aber jeden Abschuss<br />

einzeln genehmigen. (dpa)<br />

Unicef-Foto zeigt Mädchen<br />

beim Müllfischen<br />

Ein Mädchen sammelt Plastikflaschen aus<br />

verdreckter Bucht. UNICEF/HARTMUT SCHWARZBACH<br />

Das„Unicef-Foto des Jahres 2019“<br />

zeigt Wenie.Das Mädchen fischt im<br />

Hafen vonManila nach Plastikmüll,<br />

um dafür etwas Geld bei einem Recycler<br />

zu bekommen. DasBild des<br />

deutschen Fotografen Hartmut<br />

Schwarzbach erzähle „vom mutigen<br />

Überlebenskampf vonKindernangesichts<br />

gleich dreier Tragödien unserer<br />

Zeit: Armut, Umweltverschmutzung<br />

und Kinderarbeit“, erklärte<br />

das UN-Kinderhilfswerkam<br />

Donnerstag in Berlin. (dpa)<br />

Großrazzia gegen Mafia in<br />

Italien und Deutschland<br />

Beieiner der größten Razzien gegen<br />

die Mafia sind der Polizei in Italien<br />

Hunderte Verdächtige ins Netz gegangen.<br />

Beidem Schlag gegen die<br />

kalabrische 'Ndrangheta müssten<br />

330 Menschen entweder in Untersuchungshaft<br />

oder in den Hausarrest,<br />

teilte die Polizei am Donnerstag mit.<br />

DieErmittlungen bezogen sich auch<br />

auf Deutschland, die Schweiz und<br />

Bulgarien. An der Aktion waren rund<br />

2500 Polizisten beteiligt. Güter im<br />

Wert von15Millionen Euro seien beschlagnahmt<br />

worden, hieß es in der<br />

Mitteilung der Carabinieri. (dpa)<br />

Der Klima-Kompromiss<br />

Der Bundesrat beschließt nach einem langen Ringen eine Reihe von Maßnahmen. Ein Überblick<br />

VonMarina Kormbaki<br />

Kein Thema hat die politische<br />

Debatte im ausklingenden<br />

Jahr so stark beherrscht<br />

wie der Klimawandel.<br />

An diesem Freitag findet sie<br />

ihren vorläufigen Höhepunkt im<br />

Bundesrat. Die Länderkammer beschließt<br />

das Klimapaket, sodass der<br />

Maßnahmenkatalog zum 1. Januar<br />

2020 in Kraft treten kann.<br />

Der Weg bis zur Verabschiedung<br />

des Klimapakets war weit. Die Bundesregierung<br />

hatte das Thema nicht<br />

auf ihrer Agenda. Im Koalitionsvertrag<br />

von Union und SPD taucht der<br />

Klimaschutz erst in Kapitel elf auf,<br />

Seite 137 folgende.Konzepte? Expertise?<br />

Fehlanzeige. Umso härter war<br />

der klimapolitische Realitätsschock<br />

Tanken<br />

Durch die neue CO 2 -Abgabe auf<br />

fossile Brennstoffe steigen die<br />

Preise von Benzin und Diesel an der<br />

Tankstelle.Pro fünf Euro/Tonne wird<br />

Benzin um brutto 1,4 Cent und Diesel<br />

um 1,6 Cent teurer. Da2021 mit einem<br />

CO 2 -Preis von 25 Euro/Tonne<br />

begonnen wird, müssen die Autofahrer<br />

dann für Benzin sieben Cent und<br />

für Diesel acht Cent je Liter mehr zahlen.<br />

Bis2025 klettertder Preis für Benzin<br />

dann insgesamt um 15,4 Cent und<br />

für Diesel um 17,6 Cent. Ab 2026 wäre<br />

ein maximales Plus bei Benzin von<br />

18,2 Cent und bei Diesel von 20,8<br />

Cent möglich. EinBeispiel: EinAutofahrer,der<br />

mit seinem Fahrzeug (Verbrauch<br />

sieben Liter Benzin) 20 000<br />

Kilometer im Jahr fährt, muss 2025<br />

wegen der CO 2 -Besteuerung etwa 216<br />

Euro mehr zahlen. (tms., korm. ftw.)<br />

Bahnfahren<br />

Wie im Nahverkehr wirdauch im<br />

Bahn-Fernverkehr über 50 Kilometer<br />

die Mehrwertsteuer zum<br />

1. Januar 2020 auf den ermäßigten<br />

Satz vonsieben Prozent reduziert. Die<br />

Deutsche Bahn AG hat versprochen,<br />

die Reduzierung eins zu eins weiterzugeben.<br />

Damit wirdBahnfahren um<br />

etwa zehn Prozent günstiger.Beispiel:<br />

Eine Fahrkarte von Berlin nach Köln<br />

kostet in der 2. Klasse derzeit 125<br />

Euro.Künftig sind es 112,39 Euro.Das<br />

ist eine Ersparnis von12,61 Euro.Eine<br />

Fahrt von Hamburg nach München<br />

kostet in der 1. Klasse 211,90 Euro.<br />

Künftig müssen Bahnfahrer dafür<br />

190,53 Euro zahlen. Damit sparen sie<br />

21,37 Euro. (tms., korm. ftw.)<br />

Pendeln<br />

Zum Ausgleich für die höheren<br />

Spritpreise werden Fernpendler<br />

entlastet. Die steuerliche Pendlerpauschale<br />

für Fahrten zwischen<br />

Wohnung und Arbeitsstätte wird<br />

2021 ab dem 21. Kilometer um fünf<br />

auf 35 Cent angehoben. 2024, 2025<br />

und 2026 beträgt die Anhebung<br />

acht Cent auf 38 Cent. Ab 2027 gelten<br />

wieder die heutigen 30 Cent. Beispiel:<br />

Ein Beschäftigter fährt jeden Tag30<br />

Kilometer zur Arbeit. Bei 250 Arbeitstagen<br />

im Jahr erhöht sich die<br />

Pendlerpauschale 2025 dann um 200<br />

Euro. Bei einem Jahreseinkommen<br />

von 40000 Euro sinkt die Steuerlast<br />

somit etwa um 70 Euro im Jahr. Für<br />

Geringverdiener, die keine oder nur<br />

wenig Steuern zahlen, gibt es eine<br />

kompliziert zuberechnende Mobilitätsprämie.<br />

Sie beträgt 14 Prozent<br />

des Anteils der Pendlerpauschale,<br />

die nicht mehr zu einer Senkung der<br />

Steuerlast führt. Beispiel: Ein Beschäftigter<br />

mit einem zu versteuernden<br />

Einkommen von rund 8500<br />

Euro, der 2025 an 150 Tagen 40 Kilometer<br />

zur Arbeit pendelt, bekommt<br />

2025 eine Prämie von rund 146 Euro<br />

ausgezahlt. (tms., korm. ftw.)<br />

für die große Koalition im zurückliegenden<br />

Jahr.<br />

Wöchentliche Protestmärsche einer<br />

aufgebrachten Jugend entlarven<br />

Hoffnungen als Illusion Klimaschutz<br />

sei bloß ein Modethema. DieWahlerfolge<br />

der Grünen lassen jeden in<br />

Union und SPD wissen, dass klimapolitische<br />

Ignoranz das eigene politische<br />

Überleben gefährdet. Also<br />

macht sich die Koalition an die Arbeit.<br />

Erstmals soll der Klimaschutz Aufgabe<br />

aller Ressortchefs sein. Das Ziel<br />

lautet: Bis 2030 muss Deutschland<br />

seinenTreibhausgasausstoß um mindestens<br />

55 Prozent verringern. Kanzlerin<br />

Angela Merkel beruft ein halbes<br />

Dutzend Fachminister in ihr „Klimakabinett“.<br />

Bis zum Spätsommer feilt<br />

die Runde am Klimaschutzgesetz, das<br />

CO 2 -einsparende Maßnahmen für<br />

Die Fahrtmit der Bahn soll im kommenden Jahr günstiger werden.<br />

Heizen &Strom<br />

Das Heizen mit Öl und Gas wird<br />

durch die neue C0 2 -Abgabe teurer.<br />

Pro5Euro/Tonne steigt der Heizölpreis<br />

um 1,6 Cent. Die Kilowattstunde<br />

Erdgas wird jeweils um 0,1<br />

Cent teurer.Beispiele: BeieinemVerbrauch<br />

von 1500 Litern Heizöl pro<br />

Jahr (Durchschnittsverbrauch bei<br />

100 Quadratmetern) muss eine Familie<br />

im Jahre 2025 wegen der CO 2 -<br />

Bepreisung rund 264 Euro mehr zahlen<br />

(1 500 mal 17,6 Cent). Bei einem<br />

Verbrauch von 20000 Kilowattstunden<br />

Gas im Jahr beträgt der Aufschlag<br />

2025 rund 220 Euro.<br />

Hingegen wird der Bezug von<br />

Strom aus erneuerbaren Energien<br />

sämtliche Bereiche enthalten soll:<br />

vonVerkehr über Landwirtschaft und<br />

Gebäudebau bis hin zur Industrie.<br />

Drei Bedingungen muss das Klimapaket<br />

erfüllen: Es muss ökologisch<br />

wirksam, sozial gerecht und verfassungsrechtlich<br />

haltbar sein.<br />

Zunächst scheitert die Bundesregierung<br />

daran. Als die Kanzlerin und<br />

die Parteichefs das Klimapaket Ende<br />

September vorstellen, erweist sich<br />

dies rasch als Päckchen. Sein wichtigster<br />

Bestandteil ist ein Aufpreis auf<br />

den Ausstoß von Kohlendioxid. Die<br />

Koalition taxiert den CO 2 -Einstiegspreis<br />

auf Sprit und Heizstoffe bei<br />

zehn Euro je Tonne. „Wirkungslos“,<br />

schallt es aus der Wissenschaft zurück;<br />

selbst Wirtschaft und Gewerkschafter<br />

zweifeln öffentlich am ökologischen<br />

Nutzen. Schließlich sind<br />

DPA/SWEN PFÖRTNER<br />

für Verbraucher günstiger. Durch<br />

die Einnahmen aus der CO 2 -Abgabe<br />

wird die EEG-Umlage zur Förderung<br />

der erneuerbaren Energien,<br />

die bisher allein vonden Stromkunden<br />

bezahlt wird, abgesenkt. 2021<br />

soll die Umlage (2020 beträgt sie<br />

6,756 Cent) gegenüber der dann geltenden<br />

Höhe brutto um 2,08 Cent je<br />

Kilowattstunde reduziert werden.<br />

2022 sind es 1,73 Cent, im Jahr 2023<br />

1,84 Cent, 2024 2,71 Cent und 2025<br />

dann 3,42 Cent. Beispiel: Eine Familie,<br />

die im Jahr 2025 4000 Kilowattstunden<br />

Strom verbraucht, wird<br />

durch die Senkung um rund<br />

137 Euro entlastet. (tms., korm. ftw.)<br />

es die Grünen, an denen das Klimapäckchen<br />

zunächst scheitert.<br />

Im Bundesrat sind sie ein unumgänglicher<br />

Machtfaktor. Baden-<br />

Württembergs grüner Ministerpräsident<br />

Winfried Kretschmann blockiert<br />

das Klimaschutzgesetz im<br />

Bundesrat: Sollen die Grünen der<br />

vonUnion und SPD geforderten Anhebung<br />

der Pendlerpauschale zustimmen,<br />

muss der CO 2 -Preis hoch.<br />

In dieser Woche gelingt eine Einigung<br />

dazu im Vermittlungsausschuss.Der<br />

CO 2 -Einstiegspreis steigt<br />

um erstaunliche 150 Prozent –auf 25<br />

Euro pro Tonne. „Ein mutiger<br />

Schritt“, loben Klimaforscher. Obes<br />

tatsächlich ökologisch wirksam, sozial<br />

gerecht und juristisch haltbar ist,<br />

wirdsich aber erst später zeigen. Ein<br />

Überblick über die Maßnahmen.<br />

E-Auto-Förderung<br />

Die Kaufprämie wirdbis 2025 verlängert.<br />

Bund und Autoindustrie<br />

wollen wie bisher jeweils zur Hälfte<br />

die Kosten übernehmen. Konkret<br />

steigt der Zuschuss bei E-Autos bis zu<br />

einem Nettolistenpreis von 40000<br />

Euro von4000 auf 6000 Euro und bei<br />

Fahrzeugen bis zu einer Grenze von<br />

65 000 Euro auf 5000 Euro. Bei Plugin-Hybriden<br />

steigt der Zuschuss auf<br />

4500 (Neupreis bis 40 000 Euro) beziehungsweise<br />

3750 Euro (Neupreis<br />

über 40 000 bis 65 000 Euro). Zudem<br />

werden E-Autos als Dienstwagen<br />

stärker gefördert: Die Dienstwagensteuer<br />

für Fahrzeuge unter 40 000<br />

Euro wird auf 0,25 Prozent halbiert.<br />

Beispiel: Der Nutzer eines Dienstwagens<br />

mitVerbrennungsmotor imWert<br />

von 50000 Euro würde pro Monat<br />

500 Euro (ein Prozent) zahlen, der eines<br />

Elektrofahrzeugs nur 125 Euro.<br />

(tms., korm. ftw.)<br />

Gebäudesanierung<br />

Die Wärmedämmung von Wänden<br />

und Dächern, der Einbau<br />

neuer Fenster oder die Erneuerung<br />

der Heizungsanlage in selbst genutzten<br />

Eigenheimen oder Eigentumswohnungen<br />

wird ab2020 steuerlich<br />

gefördert. 20 Prozent der Sanierungskosten<br />

können über einen Zeitraum<br />

vondreiJahren (1. und 2. Jahr jeweils<br />

sieben Prozent, 3. Jahr sechs Prozent)<br />

vonder Steuerschuld abgezogen werden.<br />

DerHöchstbetrag, der angesetzt<br />

werden kann, liegt in den drei Jahren<br />

zusammen bei 40 000 Euro. Das bedeutet,<br />

dass Sanierungen im Gesamtwert<br />

vonmaximal 200 000 Euro gefördert<br />

werden. Beispiel: Der Einbau<br />

neuer Fenster kostet 50 000 Euro.<br />

Dann können im ersten und zweiten<br />

Jahr je 3500 Euro und im dritten Jahr<br />

nach Abschluss der Baumaßnahmen<br />

3000 Euro vonder eigentlich zu zahlenden<br />

Steuer abgezogen werden.<br />

(tms., korm. ftw.)<br />

Fliegen<br />

Zur Finanzierung der Mehrwertsteuersenkung<br />

für Bahntickets<br />

wird die Luftverkehrsteuer angehoben.<br />

Flüge im Inland, in EU-Staaten<br />

sowie angrenzende Länder (Türkei,<br />

Russland, Marokko, Tunesien, Algerien)<br />

werden ab April 2020 um<br />

5,53 Euro teurer, konkret steigt die<br />

Steuer proTicket auf 13,03 Euro.Für<br />

die Mittelstrecke bis 6000 Kilometer<br />

werden künftig 33,01 Euro fällig, das<br />

ist ein Plus von 9,58 Euro. Für Flüge<br />

in alle anderen Staaten („Langstrecke“)<br />

beträgt die Steuer künftig 59,43<br />

Euro – eine Anhebung um 17,25<br />

Euro. Die Steuer wird von den Fluggesellschaften<br />

in der Regel auf den<br />

Flugpreis aufgeschlagen. Bei Sonderangeboten<br />

von Billig-Airlines<br />

wird die Abgabe aber oft nicht oder<br />

nicht in voller Höhe weitergegeben.<br />

(tms., korm. ftw.)<br />

Maut-Betreiber<br />

fordern<br />

560 Millionen<br />

Bund soll für entgangenen<br />

Gewinn aufkommen<br />

Nach dem Aus für die Pkw-Maut<br />

forderndie gekündigten Betreiber<br />

560 Millionen Euro vom Bund.<br />

Die Ansprüche seien in dieser Höhe<br />

beziffertworden und sollten in mehreren<br />

Schritten geltend gemacht<br />

werden, teilten die Unternehmen<br />

Kapsch und CTS Eventim am Donnerstag<br />

in einer Pflichtmitteilung für<br />

die Börsen mit.<br />

DieFirmen seien überzeugt, dass<br />

ihre für die Maut gegründete Gemeinschaftsfirma<br />

Autoticket für den<br />

vorliegenden Fall der Vertragsbeendigung<br />

durch den Bund Anspruch<br />

auf den entgangenen Gewinn über<br />

die Vertragslaufzeit von zwölf Jahren<br />

habe. Weiterhin sehe der Betreibervertrag<br />

einen Ausgleich von „Beendigungskosten“<br />

vor, zu denen auch<br />

Schadensersatzansprüche von Unterauftragnehmerngehörten.<br />

Verkehrsminister Andreas<br />

Scheuer (CSU) hat die Forderungen<br />

der gekündigten Pkw-Maut-Betreiber<br />

am Donnerstag auf Twitter zurückgewiesen.<br />

„Die Zahlen sind<br />

falsch und entbehren jeglicher<br />

Grundlage.“ Die Betreiber hätten<br />

keinen Anspruch auf Entschädigung.<br />

Sie hätten ihre vertraglichen<br />

Leistungen nicht erfüllt und „Meilensteine“<br />

gerissen. Sie hätten nach<br />

der Kündigung durch den Bund die<br />

Verträge „vorsätzlich und treuwidrig“<br />

verletzt. DerStreit könnte nun in<br />

einem Schiedsverfahren landen, das<br />

mehrereJahredauernkönnte.<br />

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver<br />

Luksic hat die Forderung der gekündigten<br />

Maut-Betreiber als „K.o.-<br />

Schlag“ für Verkehrsminister Andreas<br />

Scheuer (CSU) bezeichnet. Luksic<br />

sagte am Donnerstag in Berlin<br />

Scheuer müsse sich den Forderungen<br />

jetzt stellen, die Zeit der „Ablenkungsmanöver“<br />

sei vorbei. Grünen-<br />

Fraktionsvize Oliver Krischer fordert<br />

den Rücktritt von Scheuer.„560 Millionen<br />

Euro Schadensersatz, die mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit auch fällig<br />

werden, sind ein guter Grund für den<br />

Verkehrsminister, um endlich zurückzutreten.“<br />

Zu Lasten der Steuerzahler<br />

Der Bund hatte die Verträge zur Erhebung<br />

und Kontrolle der Maut mit<br />

Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen<br />

–bevor endgültige Rechtssicherheit<br />

bestand. Dann aber erklärte<br />

der Europäische Gerichtshof<br />

(EuGH) die Maut Mitte Juni für<br />

rechtswidrig. Scheuers Ministerium<br />

kündigte daraufhin umgehend die<br />

Verträge. Daraus resultieren nun die<br />

Forderungen der Firmen – diese<br />

könnten letztlich zu Lasten der Steuerzahler<br />

gehen.<br />

Scheuer ist wegen des Debakels<br />

bei der Pkw-Maut unter Druck. Die<br />

Opposition wirft ihm vor, die Maut-<br />

Verträge voreilig abgeschlossen,<br />

Haushalts- und Vergaberecht gebrochen<br />

und Regelungen zum Schadenersatz<br />

zu Lasten des Steuerzahlers<br />

vereinbart zu haben. Der Minister<br />

weist die Vorwürfe zurück. Zur Aufklärung<br />

des umstrittenen Vorgehens<br />

von Scheuer und seinem Ministerium<br />

hatte vor einer Woche ein Untersuchungsausschusses<br />

des Bundestags<br />

seine Arbeit aufgenommen.<br />

Der Europäische Gerichtshof erklärte die<br />

Maut Mitte Juni für rechtswidrig. DPA/ZB


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 5<br />

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Politik<br />

Im Großen und Ganzen läuft es<br />

Bei seinerJahrespressekonferenz deutet Wladimir Putin an, nichtwieder als Präsident kandidieren zu wollen. Auf massiveAttacken gegen denWesten verzichteter<br />

VonStefan Scholl, Moskau<br />

Ein wenig schien der Präsident<br />

seine Seele zu öffnen.<br />

Eine Journalistin der<br />

Staatsagentur Interfax<br />

wollte wissen, ob es nicht an der Zeit<br />

sei, die immer selbstherrlicheren Sicherheitsorgane<br />

einmal ordentlich<br />

durchzuschütteln. Wladimir Putin<br />

antwortete mit einem Verweis auf<br />

die Säuberungen der 30er-Jahre in<br />

den Sicherheitsbehörden. „Morgens<br />

kam jemand zur Arbeit, während des<br />

Tages wurde ein Strafverfahren gegen<br />

ihn eröffnet, abends der Körper<br />

des Erschossenen schon seiner Familie<br />

ausgehändigt.“ Er sei ja selbst<br />

Beamter im KGBgewesen. Dorthabe<br />

es einen alten Mann gegeben, den<br />

alle Kollegen ängstlich gemieden<br />

hätten. Weil der Alte in den 30er-Jahren<br />

die Erschießungsurteile vollstreckt<br />

hatte. „Besser, wir veranstalten<br />

keine ‚Säuberungen‘ mehr.“ Die<br />

Abteilungen für eigene Sicherheit in<br />

allen Rechtsschutzorganen arbeiteten<br />

schon so effektiv genug.<br />

Mögliche Verfassungsreform<br />

Am Donnerstag veranstaltete der<br />

russische Staatschef seine 15. Jahrespressekonferenz,<br />

4,19 Stunden, vor<br />

einer neuen Rekordkulisse von1895<br />

akkreditierten russischen und ausländischen<br />

Journalisten. Seine<br />

Hauptbotschaft auch dieses Jahr:Im<br />

Großen und Ganzen läuft alles so,<br />

wie es laufen sollte.<br />

Aber es gab auch Neuigkeiten,<br />

ihre gewichtigste war die mögliche<br />

Bei seiner Jahrespressekonferenz beschwor Wladimir Putin vor Journalisten die Rolle Russlands als globale Führungsmacht.<br />

Verfassungsreform, dieWladimir Putin<br />

andeutete. Nach einer gründlichen<br />

gesellschaftlichen Diskussion<br />

seien mehr Rechte für das Parlament<br />

und Veränderungen bei den Vorrechten<br />

des Präsidenten und der Regierung<br />

möglich. Auch die Formulierung,<br />

ein Präsident dürfe nicht mehr<br />

als zwei Amtszeiten hintereinander<br />

regieren, stellte er infrage: Das Wort<br />

„hintereinander“ hätte man durchaus<br />

streichen können. Wladimir Putin<br />

ist zurzeit in seiner vierten Amtszeit,<br />

mit dem Wegfallen des Wörtchens<br />

„hintereinander“, wäre eine<br />

fünfte nicht mehr verfassungsgerecht.<br />

„Das heißt, Putin wird nicht<br />

mehr für die Präsidentschaft kandidieren“,<br />

sagt der kremlnahe Politologe<br />

Alexei Muchin gegenüber der<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. „Es ist gut möglich,<br />

dass er 2024 das Amt des Premierministers<br />

übernimmt.“<br />

Weitere Fragen über eine mögliche<br />

Machtübergabe beantwortete<br />

Putin ausweichend. Ein Journalist<br />

der Komsomolskaja Prawda erkundigte<br />

sich nach einem möglichen<br />

Nachfolger, Putin antwortete mit einem<br />

Scherz: „Sie könnten einer der<br />

Kandidaten sein.“<br />

Der Kremlchef berichtigte sich<br />

während dieser Pressekonferenz<br />

selbst, eine Seltenheit für ihn: Vergangene<br />

Woche hatte er in Paris erklärt,<br />

dass Russland wiederholt von<br />

Deutschland die Auslieferung des<br />

später ermordeten Tschetschenen<br />

verlangt, die deutsche Seite hätte dafür<br />

leider kein Verständnis gezeigt.<br />

Jetzt gab Putin auf eine Frage der<br />

Zeitschrift Spiegel zu, es habe keinen<br />

DDP IMAGES<br />

offiziellen Auslieferungsantrag gegeben,<br />

sondernnurVerhandlungen auf<br />

der Ebene der Geheimdienste. Das<br />

Mordopfer aber sei ein Terrorist gewesen.<br />

„Und solche Banditen gehen<br />

bei Ihnen in Berlin spazieren.“<br />

Die Sanktionen der Welt-Anti-<br />

Doping-Agentur gegen den russischen<br />

Sport verstoßen nach Putins<br />

Ansicht gegen den gesunden Menschenverstand<br />

und das Gesetz, auch<br />

im Ukraine-Konflikt blieb er auf seiner<br />

Linie: „Dortgibt es keine ausländischen<br />

Truppen.“<br />

Aber auf massive Attacken gegen<br />

den Westen verzichtete der Staatschef<br />

diesmal. Dafür beschwor er<br />

Russland als globale Führungsmacht,<br />

ob es um den Export von<br />

Weizen ging, um Vierfachsprünge<br />

russischer Eiskunstläuferinnen oder<br />

um den „Konkurrenzvorteil“ bei der<br />

Entwicklung Künstlicher Intelligenz<br />

aufgrund der überlegenen vaterländischen<br />

Mathematiker.<br />

Die Probleme sind lösbar<br />

Putin nannte auch zahlreiche Probleme<br />

innerhalb Russlands,etwa die<br />

sibirischen Waldbrände dieses Sommers.Aber<br />

sie alle seien lösbar,inSibirien<br />

etwa müsse man den Forstschutz<br />

„vervollkommnen“.<br />

Der Präsident äußerte sich auch<br />

zum Klimawandel. In Russland steige<br />

die Temperatur zweieinhalb mal so<br />

schnell wie anderswo, viele Städte<br />

aber seien auf Permafrostboden gebaut,<br />

sein Auftauen könnte sehr<br />

ernsthafte Folgen haben. Aber niemand<br />

kenne die wirklichen Gründe<br />

der globalen Veränderungen. Eine<br />

kleine Neigung der Erdachse und ihrer<br />

Sonnenumlaufbahn reiche, um<br />

das Klima schon mit kolossalen Folgen<br />

zu verändern. „Darum werden<br />

wir Maßnahmen ergreifen, um die<br />

Folgen zu minimalisieren.“ Nach einer<br />

Klimawende klang das nicht.<br />

Stefan Scholl freut sich<br />

nach seiner zwölften Putin-<br />

PK über eine Neuigkeit.<br />

Prickelnd dazu<br />

genießen!<br />

Liebe<br />

Kundinnen<br />

und Kunden,<br />

wir wünschen Ihnen<br />

ein besinnliches<br />

Weihnachtsfest und<br />

bedanken unsfür<br />

IhrVertrauen.<br />

Ihr ALDI Team<br />

NEUE MARKE FÜRFESTLICHENGENUSS.<br />

Weihnachtsfreude.<br />

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Käsespezialität 1<br />

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200g,Queso de Cabra<br />

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20122019


6 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Made in Berlin<br />

BERLINER BEKANNTE<br />

9<br />

53<br />

NEU IN DER STADT<br />

Fortschritt<br />

im<br />

Neonlicht<br />

VonJörg Niendorf<br />

Berlin im Licht“ hieß Ende der<br />

1920er-Jahre eine ganze Werbewoche<br />

für die pulsierende –und im<br />

wahrsten Sinne auch elektrisierte –<br />

Großstadt. Überall leuchteten in diesem<br />

Herbst 1928 die Glühbirnen und<br />

Neonröhren an Gebäuden und Straßen<br />

um die Wette. Noch mehr als<br />

sonst prahlte die Stadt mit jenem Medium,<br />

das sie überhaupt groß gemacht<br />

hatte: der Elektrizität. Ohne<br />

deren Erfindungen, Kraftwerke,ohne<br />

elektrische Züge und das voll beleuchtete<br />

öffentliche Leben wäreBerlin<br />

nie so schnell zur Metropole herangewachsen,<br />

wie dies seit 1880 geschehen<br />

war. Die ganze Stadt stand<br />

also „Unter Strom“: So heißt nun<br />

auch ein neuer Bildband mit Material<br />

aus den Archiven der Stiftung Preußischer<br />

Kulturbesitz. Das Buch ähnelt<br />

einer Stadtrundfahrt durch ein frühmodernes<br />

Berlin, größtenteils bei<br />

Nacht, inszeniert mit Tausenden von<br />

Watt. Eine Lichtspiel-Tour.<br />

Einige Motivesind berühmt, oder<br />

man meint zumindest, diese Artvon<br />

Foto zu kennen: All jene grellen<br />

Varieté-Reklamen, all die Potsdamer-und-Hermann-Platz-<br />

oder U-<br />

Bahn-Neonlichter. Eswaren die Zeiten,<br />

als man die Nacht zum Tage<br />

machte. Andere Motive sind nicht<br />

weniger interessant, weil hintergründiger.<br />

Sie zeigen die Technik.<br />

Etwa die Arbeitsplätze der Theater-<br />

Beleuchter oder die mittlerweile taghell<br />

beleuchteten Festsäle der Stadt.<br />

Genauso gibt es Bilder vom Wirkungsbereich<br />

eines obersten Straßenlaternen-Verantwortlichen<br />

der<br />

Bewag – demjenigen also, der die<br />

Stadt zentral „an-“ oder „ausknipsen“<br />

konnte. Diese weit über hundert<br />

Aufnahmen der bpk-Bildagentur<br />

sind der Schatz des Bands. Man<br />

legt das Buch so schnell nicht aus der<br />

Hand, kann sich fast verlieren in den<br />

Orten. Jeder erkennt hier etwas, was<br />

er noch kennt, findet eingängige<br />

Leuchtschriften, Erhellendes.<br />

Die großen Industrien voneinst<br />

Wasdas Zeitalter der Elektrisierung<br />

ausmachte, beschreibt die Herausgeberin<br />

Dorothee Haffner dazu in<br />

griffigen Begleittexten. Es geht um<br />

die neue Straßenbeleuchtung, um<br />

elektrischenTransport, um die Elektrifizierung<br />

von Museen und Theatern,<br />

und natürlich um die großen<br />

Industrien der „Elektropolis“ von<br />

einst. Dorothee Haffner ist Professorin<br />

ander Hochschule für Technik<br />

und Wirtschaft in Oberschöneweide<br />

und Leiterin vom <strong>Berliner</strong> Zentrum<br />

Industriekultur (bzi). Ihre Begleittexte<br />

geben eine schnelle Orientierung<br />

darüber, was allein die Präsenz<br />

von Siemens und AEG in Berlin bewirkte,<br />

der Big Player ihrer Zeit. Sie<br />

bauten eigene Stadtteile und veränderten<br />

mit ihren Neuerungen das<br />

Leben in der gesamten Stadt. So<br />

wuchs der Anteil der mit Strom versorgten<br />

Privathaushalte bis 1938 auf<br />

92 Prozent, und überall dort zogen<br />

Waschmaschinen, E-Herde und andere<br />

Geräte mit ein. Es entstanden<br />

viele neue Jobs in Telegrafenämtern,<br />

Banken, Elektrofabriken.<br />

Ob es wohl später einmal, in<br />

100 Jahren, ein ähnliches Werk über<br />

unser jetziges Zeitalter geben wird,<br />

das dann zeigt, wie die Digitalisierung<br />

die ganze Stadt und jeden Lebensbereich<br />

der Bewohner radikal<br />

veränderthat?<br />

Unter Strom:Berlin auf dem Wegzur Metropole.<br />

Herausgegeben vonDorothee Haffnerund Christina<br />

Stehr.Edition Braus, 24,95 Euro<br />

George Grosz kaufte hier<br />

Bücher, Erich Kästner<br />

und Bertolt Brecht, aber<br />

auch Aldous Huxley, Lilian<br />

Harvey und Jean Cocteau kamen<br />

in die Buchhandlung am Kurfürstendamm<br />

30, unweit der Uhlandstraße.<br />

Sie wurde seit ihrer Eröffnung 1929<br />

von der jungen Marga Schoeller geleitet,<br />

die das Geschäft 1933 übernahm.<br />

Der Laden in einer ehemaligen<br />

Portiersloge war über Jahrzehnte<br />

ein Treffpunkt von Schriftstellern,<br />

Schauspielern, Malern, Musikern<br />

und Intellektuellen. 1974 zog„Marga<br />

Schoellers Bücherstube“ wegen einer<br />

Eigenbedarfskündigung in die<br />

Knesebeckstraße 33, wo sie noch<br />

heute existiert.<br />

Seit 47 Jahren verkauft Ruth Klinkenbergindem<br />

Geschäft Bücher.Sie<br />

war Mitarbeiterin und Mitinhaberin,<br />

inzwischen ist die 72-Jährige alleinige<br />

Geschäftsführerin. In dem gemütlichen<br />

Laden mit raumhohen,<br />

grünen Regalen sind die Jahre spürbar.<br />

Die Regale haben Abnutzungsspuren,<br />

die Markierungen an den<br />

Bretternbestehen aus Zetteln in Metallschienen,<br />

wie es vor langer Zeit<br />

üblich war. „In diesem Jahr haben<br />

wir 90-Jähriges gefeiert“, sagt Klinkenberg<br />

stolz. Kulturstaatsministerin<br />

Monika Grütters verlieh der<br />

Buchhandlung vor Kurzem einen<br />

Preis in der Kategorie „Hervorragende<br />

Buchhandlung“.<br />

Klinkenberg stützt sich vor allem<br />

auf Stammkunden, die oft schon die<br />

Kinder oder Enkel der ersten<br />

Stammkunden sind. „Wir müssen<br />

die Nähe zu den Kunden pflegen,<br />

denn das können Onlineshops nicht<br />

leisten“, sagt sie. Seit immer mehr<br />

Bücher im Internet verkauft werden,<br />

steht ihr Geschäft –wie jede Buchhandlung<br />

–unter Druck. Jedes fünfte<br />

Buch wird mittlerweile im Internet<br />

bestellt.<br />

„Ein Buch ist ein Luxusgut und<br />

kein Brot, das man jeden Tag<br />

braucht“, sagt auch Anna Morlinghaus,<br />

Inhaberin des Kinderbuchladens<br />

Krumulus am Südstern. Sie<br />

QUELLE: BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS,<br />

LANDESVERBAND BERLIN-BRANDENBURG;<br />

BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS<br />

6<br />

Spandau<br />

Buchhandlungen<br />

in Berlin<br />

Anzahl nach Bezirken,<br />

2018<br />

Reinickendorf<br />

64<br />

56 46<br />

Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

31<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

Mitte<br />

Da ist<br />

der Wurm drin<br />

Die Vielfalt der Buchhandlungen in Berlin ist<br />

einzigartig. Besonders inhabergeführte Läden<br />

geraten aber immer stärker unter Druck<br />

VonMechthild Henneke(Text) und Sabine Hecher (Infografik)<br />

Buchhandlungen in Berlin<br />

Einzelunternehmen Buchhandelsketten*<br />

290<br />

2009<br />

299<br />

2011<br />

369<br />

2013<br />

364<br />

2015<br />

351<br />

2017<br />

348<br />

24<br />

324<br />

2019<br />

*z.B. Thalia und Hugendubel mit mehreren Geschäften<br />

30<br />

Tempelhof-<br />

Schöneberg<br />

Pankow<br />

Friedrichshain-<br />

Kreuzberg<br />

18<br />

Neukölln<br />

17<br />

Lichtenberg<br />

müsse sich mit ihren drei Kollegen<br />

ins Zeug legen und kämpfen. Siebietet<br />

deshalb auch viel an: Kinder können<br />

im Krumulus nicht nur Bücher<br />

kaufen, sondern auch lesen, Kunst<br />

kennenlernen und kreative Kurse<br />

belegen – vom Basteln bis zum<br />

Buchbinden. DerLaden ist 2018 von<br />

Grütters zu einer der drei besten<br />

Buchhandlungen Deutschlands gekürtworden.<br />

Dennoch sei es hartim<br />

täglichen Geschäft zu bestehen, sagt<br />

Morlinghaus.<br />

Der Börsenverein des Deutschen<br />

Buchhandels kennt die Probleme der<br />

Buchhändler. Insgesamt bewertet er<br />

die Situation in Berlin aber positiv.<br />

„Die Anzahl der Buchhandlungen in<br />

Berlin ist imVergleich zu den anderen<br />

Bundesländern kaum rückläufig“,<br />

sagt Detlef Bluhm, Geschäftsführer<br />

des Landesverbands Berlin-Brandenburg.<br />

Das Besondere am <strong>Berliner</strong><br />

Buchhandel sei, wie ausdifferenziert<br />

er ist. Jeder könne hier eine Buchhandlung<br />

für seine speziellen Interessen<br />

finden. Neben den klassischen<br />

Buchhandlungen gibt es zum Beispiel<br />

Krimibuchhandlungen, Buchhandlungen<br />

für polnische, portugiesische<br />

oder afrikanische Literatur,<br />

für Literatur zu Homosexualität<br />

oder Buchhandlungen für Landkarten.<br />

Ob eine neue Buchhandlung erfolgreich<br />

sei, hänge wesentlich vom<br />

Standortund vonder Professionalität<br />

der Gründer ab. Jeden Monat kämen<br />

Interessenten zu Bluhm, um über<br />

ihre Buchladenidee zu sprechen.<br />

Manchmal rät Bluhm ab, wenn die<br />

Idee nicht ausgereift ist oder die<br />

Gründer in spe zu unerfahren sind.<br />

Neben dem Online-Handel machen<br />

auch die großen Ketten wieThalia<br />

und Hugendubel den kleinen Läden<br />

zu schaffen. Sie können es sich<br />

erlauben, in Einkaufscentern große<br />

Flächen zu mieten und längere Öffnungszeiten<br />

anzubieten. Dank großer<br />

Bestellmengen erhalten sie größereRabatte<br />

als die Einzelbuchhandlungen.<br />

Stapel von Bestsellern liegen<br />

dortimEingangsbereich und verkaufen<br />

sich quasi vonallein.<br />

In JörgBraunsdorfs „Tucholsky-<br />

Buchhandlung“ in der gleichnamigen<br />

Straße in Mitte sind nur wenige<br />

Bestseller zu finden. Der<br />

60-Jährige bietet lieber<br />

15<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

7<br />

Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

Bücher aus kleinen, häufig aus <strong>Berliner</strong><br />

Verlagen, an. „Ich produziere<br />

meine eigenen Bestseller“, sagt er.<br />

Einer ist das Essay „Langsamer!“ der<br />

Schweizer Schriftstellerin Ilma Rakusa,<br />

das schon 2006 erschien, seitdem<br />

in Kassennähe liegt und regelmäßig<br />

verkauft wird.<br />

Ob Braunsdorfseine Strategie beibehalten<br />

kann, ist nicht sicher. Einer<br />

der drei Grossisten, die Buchhandlungen<br />

in Deutschland beliefern, hat<br />

zuletzt Kleinverlage aussortiert, weil<br />

sie zu wenig Absatz machen. Buchhandlungen<br />

müssten dann direkt bei<br />

Verlagen bestellen, was die Gewinnspanne<br />

drückt. Fällt diese unter<br />

30 Prozent, ist ein Buchverkauf nicht<br />

mehr rentabel, sagt Braunsdorf.<br />

Er organisiert in seiner Buchhandlung<br />

Lesungen, aber auch politische<br />

Veranstaltungen und Nachbarschaftstreffen.<br />

DieKiez-Gruppen<br />

„Zivilcourage gegen Rechts“ und<br />

„Urban Gardening“ nahmen auf<br />

diese Weise ihren Anfang. Seine<br />

Buchhandlung ist in der Gegend verankert,<br />

doch auch er muss sich ständig<br />

um die Kundschaft bemühen.<br />

„Kleine Buchhandlungen erfreuen<br />

den Kunden“, sagt er. Doch wer hier<br />

arbeitet, könne das nur mit Idealismus<br />

tun. Das reguläre Nettogehalt<br />

eines Mitarbeiters liege knapp unter<br />

1400 Euro.<br />

Wie die Buchhandlungen sich<br />

entwickeln werden, ist schwer zu<br />

prognostizieren, sagt Detlef Bluhm.<br />

„Das hängt vor allem vom Online-<br />

Handel ab.“<br />

Umsatz mit Büchern in Deutschland<br />

nach Vertriebsweg in Millionen Euro, 2018;<br />

in Klammern: Anteil am Gesamtumsatz in Prozent;<br />

Gesamtumsatz 2018: 9134 Millionen Euro<br />

Sortimentsbuchhandel<br />

(ohne<br />

E-Commerce)<br />

4274 (46,8)<br />

Warenhäuser<br />

120 (1,3)<br />

Versandbuchhandel<br />

114 (1,2)<br />

Buchgemeinschaften<br />

36 (0,4)<br />

Verlage direkt<br />

1919 (21,0)<br />

Internetbuchhandel<br />

1780 (19,5)<br />

Sonstige<br />

Verkaufsstellen<br />

892 (9,8)<br />

Der fahrerlose<br />

Blitz aus<br />

Tempelhof<br />

VonJochen Knoblach<br />

InSachen autonomes Fahren kamen<br />

die jüngsten Neuigkeiten unter<br />

anderem aus dem kalifornischen<br />

San José. Dort lassen Bosch und<br />

Daimler seit der vorigen Woche Passagiere<br />

auf vorgegebenen Strecken<br />

in fahrerlosen S-Klassen chauffieren.<br />

Ziel des Roboter-Taxi-Tests sei ein<br />

serientaugliches System, das in verschiedenen<br />

Fahrzeugen eingesetzt<br />

werden kann, heißt es in Stuttgart.<br />

Im Ullsteinhaus am Mariendorfer<br />

Damm in Tempelhof wird das gleiche<br />

Ziel verfolgt. Dorthandelt es sich<br />

jedoch nicht um Milliarden-Konzerne,<br />

sondern das 25-köpfige Startup<br />

Enway, das für sich beansprucht,<br />

als erstes europäisches Unternehmen<br />

ein autonomes Fahrzeug auf<br />

den Markt gebracht zu haben –den<br />

Blitz One.<br />

Das Gefährt ist allerdings nicht<br />

für den Personentransport gedacht<br />

und auch nicht so schnell, wie sein<br />

Name vermuten lässt. Gerade mal<br />

drei Kilometer schafft der Blitz in einer<br />

Stunde.Maximal. DasRobo-Mobil<br />

ist eine Kehrmaschine,die fahrerlos<br />

Lager- und Produktionshallen<br />

sauber halten kann.<br />

MitStarthilfe vonder BSR<br />

An der Entwicklung des Fahrzeugs<br />

arbeitet das Unternehmen Enway<br />

seit 2017. Seinerzeit wurde es vonJulian<br />

Nordt, Bo Chen und Thanuja<br />

Ambegoda gegründet. Alle drei kennen<br />

sich vom Studium in Zürich.<br />

Dorthatten sie auch die Idee für das<br />

autonome Arbeitsfahrzeug, entschieden<br />

sich dann aber schnell für<br />

eine Gründung in Berlin. „Die Stadt<br />

ist günstiger als Zürich und vorallem<br />

der beste Ort, etwas Neues auszuprobieren“,<br />

sagt Enway-Chef Julian<br />

Nordt.<br />

Angefangen haben sie mit Unterstützung<br />

der BSR in einem Container<br />

auf dem Euref-Campus in Schöneberg.<br />

Danach arbeiteten die Gründer<br />

auch mit dem <strong>Berliner</strong> Bluehouse<br />

Lab zusammen, dem<br />

Digitallabor des Recyclingunternehmens<br />

Alba. Im vergangenen Jahr zogen<br />

sie dann in die Drivery imUllsteinhaus,<br />

wosich mittlerweile etwa<br />

60 Jungunternehmen mit neuen<br />

Möglichkeiten der Mobilität beschäftigen.<br />

Inzwischen ist Blitz One tatsächlich<br />

serienreif. Im September startete<br />

die Produktion. Partner dafür ist<br />

das mittelständische Unternehmen<br />

Stolzenberg aus Osnabrück. Von<br />

dort kommt das Fahrzeug, das von<br />

Enway mit Kameras, Sensoren und<br />

der nötigen Software soaufgerüstet<br />

wird, dass es auch ohne Fahrer unfallfrei<br />

kehren kann. Ausgeliefert<br />

werden die Fahrzeuge dennoch mit<br />

Fahrersitz und Lenkrad, sodass sie<br />

bei Bedarf auch von einem Fahrer<br />

bedient werden können.<br />

Fünf Fahrzeuge sind bereits an<br />

Unternehmen verkauft und ausgeliefert.<br />

Im kommenden Jahr soll die<br />

Produktion hochgefahren werden,<br />

wofür Enway vor wenigen Wochen<br />

bei Investoren sechs Millionen Euro<br />

eingesammelt hat. „50 Fahrzeuge<br />

sollen es 2020 mindestens werden“,<br />

sagt der 34-jährige Nordt.<br />

Parallel wird bereits an einem<br />

nächsten Fahrzeug gearbeitet. Es ist<br />

eine große Straßenkehrmaschine,<br />

mit der sich Enway dann auch in den<br />

öffentlichen Raum wagen will. Anfang<br />

nächsten Jahres soll in Singapur<br />

ein Test beginnen. Das Fahrzeug ist<br />

bereits dorthin verschifft.<br />

ENWAY


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 7<br />

·························································································································································································································································································<br />

Wirtschaft<br />

DAX-30 in Punkten<br />

20.9.19<br />

20.9.19<br />

MÄRKTE<br />

▼ 13182,80 (–0,30 %)<br />

Rohöl je Barrel Brent in US-Dollar<br />

Euro in US-Dollar<br />

20.9.19<br />

Stand der Daten: 19.12.2019 (16:45 Uhr)<br />

Alle Angaben ohne Gewähr<br />

Gewinner<br />

19.12.19<br />

▲ 66,49 (+0,51 %)<br />

19.12.19<br />

▲ 1,1117 (+0,02 %)<br />

Quelle<br />

19.12.19<br />

aus DAX und MDAX vom 19.12. zum Vortag<br />

Siltronic NA 92,82 +4,32 WWWWWWWWWWW<br />

CompuGroup Med. 63,15<br />

+2,68 WWWWWWW<br />

Cancom 52,10 +2,06 WWWWWW<br />

RWESt. 26,66 +1,87 WWWWW<br />

Knorr-Bremse 90,61 +1,69 WWWWW<br />

Evotec 22,75 +1,61 WWWWW<br />

Verlierer<br />

ausDAX und MDAXvom 19.12. zumVortag<br />

Software 31,13 WWWWWWW –2,72<br />

Wirecard 104,05 WWWWWW –2,07<br />

HeidelbergCement 65,56 WWWWWW –2,06<br />

Fraport 74,68 WWWWW –1,89<br />

Lanxess 59,68 WWWWW –1,84<br />

BMWSt 73,80 WWWWW –1,81<br />

Leitbörsen im Überblick<br />

52-Wochen Hoch/Tief 19.12. ±% z. 18.12.<br />

Euro Stoxx 50(EU) –0,20<br />

3778/2909 3731,48<br />

CAC 40 (FR) – 0,05<br />

6003/4556 5956,64<br />

S&P UK (UK) + 0,26<br />

1562/1323 1525,27<br />

RTS (RU) – 0,32<br />

1526/1033 1517,64<br />

IBEX (ES) –0,24<br />

9692/8286 9598,80<br />

Dow Jones (US) +0,33<br />

28337/21713 28333,32<br />

Bovespa (BR) +0,67<br />

114323/83892113804,80<br />

Nikkei (JP) – 0,29<br />

24091/18949 23864,85<br />

Hang Seng (HK) –0,22<br />

30280/24897 27782,80<br />

Stx Singap. 20 (SG) –0,19<br />

1657/1395 1614,60<br />

Edel- und NE-Metalle<br />

Barren &Münzen in € Ankauf Verkauf<br />

(Endkundenpreise) 19.12. 19.12.<br />

Gold (10 g) 422,0 452,0<br />

Gold (1 oz) 1320,0 1379,7<br />

Gold (100 g) 4231,0 4409,5<br />

Gold (250 g) 10578,0 10992,0<br />

Silber (1 kg) 480,5 641,1<br />

Platin (100 g) 2625,0 3403,4<br />

Austr.Nugget (1 oz) 1318,2 1391,0<br />

Britannia (1 oz) 1318,0 1395,0<br />

Krügerrand (1/4 oz) 329,5 373,2<br />

Krügerrand (1/2 oz) 659,0 722,7<br />

Krügerrand (1 oz) 1318,5 1408,0<br />

Maple Leaf (1/4 oz) 329,5 370,1<br />

Maple Leaf (1/2 oz) 659,0 724,4<br />

Maple Leaf (1 oz) 1318,0 1397,0<br />

Philharmoniker (1 oz) 1318,0 1400,0<br />

Quelle Edelmetalle: Degussa Goldhandel GmbH.<br />

Die An- und Verkaufspreise gelten für sehr gut erhaltene Stücke.<br />

NE-Metalle in €/100 kg 19.12. 18.12.<br />

Blei in Kabeln 198,83 196,54<br />

Kupfer (DEL-Notiz) 562,88 559,47<br />

Messing MS 63/37 548,00 545,00<br />

ERLÄUTERUNGEN Wechselnde Darstellung: Tagesgeld (Dienstag), Ratenkredit<br />

(Mittwoch), Sparbriefe (Donnerstag), Edel- &NE-Metalle (Freitag),<br />

Baudarlehen (Samstag).<br />

Quelle: FMH-Finanzberatung<br />

Flugscham erreicht Deutschland<br />

Von Frank-Thomas Wenzel<br />

Rechnung mit<br />

zu viel<br />

Unbekanntem<br />

Warum die Kassenbeiträge<br />

doch nicht sinken<br />

Von Tim Szent-Ivanyi<br />

Jens Spahn hat sich die Sache<br />

eigentlich so vorgestellt: Auf breiter<br />

Front kündigen die gesetzlichen<br />

Krankenkassen kurz vor Weihnachtenan,dasssiezum1.Januardie<br />

Beitragssätze senken. Doch der Gesundheitsminister<br />

muss nun erleben,dassnichtsdergleichenpassiert.<br />

Obwohl der CDU-Politiker die<br />

Kassen per Gesetzesänderung zum<br />

Abbau vonRücklagen zwingt und die<br />

Konjunktur passabel läuft, verharren<br />

die Beitragssätze auch im kommenden<br />

Jahr auf dem aktuellen Stand. Einige<br />

Kassen müssen sogar die Beiträge<br />

erhöhen. Seit vier Jahren warnen<br />

die Kassen davor,dass die guten Zeiten<br />

bald vorbei sein werden. DieVorhersagen<br />

traten bisher allerdings<br />

nicht ein. Ende 2018 erreichten die<br />

Reservender Krankenkassenund des<br />

Gesundheitsfonds einen Rekordwert<br />

von 30Milliarden Euro. Indiesem<br />

Herbst zeigte sich aber, dass die<br />

Trendwende eingetreten ist: DieAusgaben<br />

sind höher als die Einnahmen.<br />

Der Grund sind diverse kostenträchtige<br />

Reformen aus dieser und<br />

der vorangegangenen Wahlperiode,<br />

die vor allem den Ärzten und Kliniken<br />

mehr Geld bringen. Beiden Einnahmen<br />

sind die Zeiten des starken<br />

Zuwachses hingegen vorbei, auch<br />

weil die Konjunktur abflaut.<br />

Jetzt kommen allerdings noch die<br />

hohen Rücklagen ins Spiel. Spahn<br />

hatte 2018 ein Gesetz durchgesetzt,<br />

das die Kassen zum Abbau der hohen<br />

Finanzpolster zwingt. Dass jedoch<br />

gleichzeitig die Ausgaben so starkdavonlaufen,<br />

war damals nicht eingeplant.<br />

Die Kassen bauen nun zwar<br />

wie gesetzlich vorgeschrieben Rücklagen<br />

ab,aber das Geld reicht in vielen<br />

Fällen oftmals nur dafür aus, die<br />

Beiträge stabil zu halten. Von den<br />

knapp über 100 Krankenkassen haben<br />

rund 60 angekündigt, den Satz<br />

unverändertzulassen. 16 wollen den<br />

Beitrag anheben.<br />

VonMonat zu Monat sinkt die Zahl der Passagiere auf nationalen Strecken<br />

Wasist derGrund? Im November wollten13ProzentPassagiere weniger fliegenals<br />

voreinem Jahr.<br />

FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA<br />

Ist das die Trendwende? „Der innerdeutsche<br />

Verkehr bricht an<br />

allen Standorten ein“, berichtet<br />

der Flughafenverband ADV in<br />

seinem aktuellen Bericht für den Monat<br />

November. Das Minus bei den<br />

Passagieren beträgt fast 13 Prozent<br />

im Vergleich zum Vorjahr. Esist der<br />

vierte Monat in Folge mit Minuszahlen.<br />

Vieles spricht dafür, dass sich<br />

Flugscham breit macht – zumindest<br />

auf kürzeren Strecken, auf denen es<br />

Alternativen gibt.<br />

Die Luftfahrtbranche bestreitet<br />

steif und fest einen Greta-Effekt. Als<br />

Hauptgrund für das Minus nennt der<br />

ADV „Angebotsausdünnungen“ –<br />

insbesonderebei Eurowings.ImNovember<br />

2018 bediente die Lufthansa-<br />

Tochter noch drei Strecken mehr.<br />

Verstärkt werde der Negativtrend<br />

durch die Folgen eines Streiks bei der<br />

Lufthansa, sagt der ADV.<br />

Doch auch mit den Flügen in benachbarte<br />

europäische Länder geht<br />

es abwärts. Die Zahl der Passagiere<br />

sank im November um knapp 2Prozent;<br />

die Starts und Landungen gingen<br />

sogar um 7,7 Prozent zurück –<br />

„ein neuer Tiefstwert seit über fünf<br />

Jahren“, teilte die Flughafenlobby<br />

mit. Auch dort seien die Spuren von<br />

Angebotsanpassungen zu bemerken.<br />

Ryanair, Marktführer im Europa-Verkehr,hat<br />

seine Präsenz an verschiedenen<br />

Airports zurückgefahren.<br />

So gehörtder Hunsrück-Flughafen<br />

Hahn zu den hiesigen Standorten<br />

mit den stärksten Einbußen. Auch<br />

der britische Rivale Easyjet baut ab.<br />

Aus Sicht der Flughafenbetreiber<br />

verstärken sich mittlerweile „negative<br />

Einflussfaktoren“. Dazu zählten<br />

steigende Spritpreise, fehlendes<br />

Fluggerät, weil die 737 Maxvon BoeingamBodenbleibenmuss,undeine<br />

schwächelnde Konjunktur. Die innerdeutsche<br />

Fliegerei ist ohnehin ein<br />

wenig lukratives Geschäft für die<br />

Fluggesellschaften, weil es schwer<br />

ist, hohe Auslastungen zu erreichen.<br />

Auch der schwedische Luftfahrtexperte<br />

Stefan Goessling räumt ein,<br />

dass all diese Faktoren zum Tragen<br />

kamen. Aber die Rückgänge ließen<br />

sich allein damit nicht erklären, sagte<br />

er dem Finanznachrichtendienst<br />

Bloomberg. Aus seiner Sicht ist es<br />

eindeutig, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit<br />

beim Thema Klimawandel<br />

sich nun im Konsumentenverhalten<br />

niederschlägt –das ist die<br />

sogenannte Flugscham.<br />

SoistauchderHinweisaufdielahme<br />

Konjunktur insofern nicht ganz<br />

stichhaltig, als dass bei den Verbrauchern<br />

gerade in diesem Herbst das<br />

Geld so locker wie schon lange nicht<br />

mehr sitzt – der Handelsverband<br />

HDE rechnet mit neuen Rekorden im<br />

Weihnachtsgeschäft 2019.<br />

Und dass die Fluggesellschaften<br />

ihreKapazitäten für das Winterhalbjahr<br />

auf der Kurz-und der Mittelstrecke<br />

systematisch ausgedünnt haben,<br />

ist eine Reaktion auf die maue Nachfrage,<br />

die schon im Frühjahr zu erkennen<br />

war. Das könnten schon die<br />

ersten Boten eines Greta-Effekts gewesen<br />

sein. Seinerzeit tauchte der<br />

Begriff Flugscham gehäuft in der Diskussion<br />

über den Klimawandel auf.<br />

Nebst der Beschreibung der Effekte<br />

des Luftverkehrs: So rechnen Non-<br />

Profit-Organisationen wie Atmosfair<br />

vor, dass ein Flug vonHamburgnach<br />

München unter günstigsten Bedingungen<br />

–modernes, voll besetztes<br />

Flugzeug –pro Passagier einen CO 2 -<br />

Ausstoß vongut 120 Kilogramm verursacht.<br />

Nuretwa ein Sechstel davon<br />

fällt bei einer Fahrt ineinem durchschnittlich<br />

besetzten ICE bei der gleichen<br />

Verbindung an.<br />

Viele Unternehmen achten inzwischen<br />

darauf, dass auf innerdeutschen<br />

Dienstreisen die Eisenbahn<br />

bevorzugt wird. Hinzu kommt, dass<br />

mit der neuen Schienenrennstrecke<br />

Berlin–München eine zügige Alternativefür<br />

die Fliegerei geboten wird.<br />

Die Deutsche Bahn erwartet –trotz<br />

Verspätungen, Zugausfällen und<br />

mangelndem Service –spürbar steigende<br />

Fahrgastzahlen. Das könnte<br />

sich verstärken, wenn die niedrigere<br />

Mehrwertsteuer für Tickets auf Fernstrecken<br />

im neuen Jahr greift.<br />

Uber verliert<br />

vor Gericht<br />

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NACHRICHTEN<br />

SchlappefürUber:DasLandgericht<br />

FrankfurthatdemApp-Dienstuntersagt,<br />

inDeutschlandBeförderungsaufträgean<br />

MietwagenunternehmernachdembisherigenVerfahrenzuvermitteln.DasGerichtgabdamitderUnterlassungsklage<br />

vonTaxiDeutschland,einemZusammenschlussverschiedenerTaxizentralen,statt.EineUmstellungsfristseinicht<br />

vorgesehen,erklärteeineJustizsprecherin.UberhabewegeneinervorangegangenenAbmahnungundanderergerichtlicherVerfahrenmiteinerUntersagungrechnenmüssen.DasUS-UnternehmenkannbeimOberlandesgericht<br />

FrankfurtinBerufunggehen.(dpa)<br />

Airbnb benötigt keine<br />

Maklerlizenz<br />

DieFirma Airbnbals Betreibereiner<br />

Plattform zur Vermittlungvon Unterkünften<br />

braucht laut einem Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofs keine Maklerlizenz.<br />

Airbnb sei als Dienst der Informationsgesellschaft<br />

einzustufen<br />

und falle damit unter die Richtlinie<br />

über den elektronischen Geschäftsverkehr.<br />

VonAirbnb war in Frankreich verlangtworden,<br />

eine Immobilienmaklerlizenzzuerwerben.<br />

DieRichter betonten,Airbnbsei<br />

im Wesentlichenein<br />

Instrument fürdie Präsentation von<br />

Unterkünften. DerServicekönnedaher<br />

nichtals diebloße Ergänzung einer Gesamtdienstleistungder<br />

Beherbergung<br />

angesehen werden. (dpa)


8 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Meinung<br />

Naturschutz<br />

ZITAT<br />

Die Koalition<br />

und der böse Wolf<br />

Daniela Vates<br />

findet es richtig,dass dieAbschussregelungen<br />

gelockertwerden.<br />

Exakt 105 Wolfsrudel, 25 Wolfspaare<br />

und 13 sogenannte sesshafte Einzelwölfe<br />

zählt das Bundesamt für Naturschutz<br />

in Deutschland. 1300 Tiereschätzt<br />

der Jagdverband. Es ist eine streng geschützte<br />

Tierart, die es in Deutschland<br />

lange nicht mehr zu geben schien.<br />

Nunsind sie wieder da, und mit ihnen<br />

ist etwas anderes gekommen: die Angst.<br />

Die hat ihre Ursache auch im Fantastischen.<br />

In Märchen wie in der Bibel ist der<br />

Wolf regelmäßig der Böse, der Aggressive,<br />

der Feind des Menschen. Er symbolisiert<br />

Hinterhalt und Gefahr, auch sprichwörtlich.<br />

Da ist es schwer,sich einen guten Ruf<br />

zu erarbeiten. Aber es gibt eben auch<br />

handfeste Probleme. Für Schäfer kann es<br />

existenziell werden, wennWölfe ihreTiere<br />

anfallen. Dass sie keine Lust darauf haben,<br />

den Übeltäter weiter in der Nähe zu<br />

wissen, ist verständlich. Es ist wie so oft:<br />

Wenn Natur und Mensch aufeinandertreffen,<br />

ist es nicht immer zum beiderseitigen<br />

Wohl.<br />

Durch die Kombination aus Symbolik,<br />

toten Schafen und wirtschaftlichen Interessen<br />

hat der Wolf die Politik erreicht –mit<br />

großer Wucht. Umwelt- und Agrarpolitiker<br />

der Koalition haben sich so zerstritten,<br />

dass das Kanzleramt vermitteln musste.<br />

Nunist nach vielen Monaten ein Kompromiss<br />

erreicht. DieAbschussregelungen für<br />

Wölfe werden gelockert. Wenn Schafe gerissen<br />

werden, muss der verdächtige Wolf<br />

nicht mehr identifiziert werden –esgilt<br />

eine Art Sippenhaft. Die Schadengrenze,<br />

ab der ein Jäger einschreiten darf, wirdherabgesetzt.<br />

Allerdings muss auch jeder einzelne<br />

Abschuss genehmigt werden. Es ist<br />

ein sinnvoller Kompromiss, sofern die<br />

Genehmigung nicht zum Automatismus<br />

wird. Panik und Angst sind schlechte Ratgeber<br />

–auch im Umgang mit Wölfen.<br />

Impeachment<br />

Trump –Opfer und<br />

Anführer zugleich<br />

Tobias Miller<br />

erwartet den schmutzigsten<br />

US-Wahlkampf aller Zeiten.<br />

Die Welt wird sich darauf einrichten<br />

müssen, weitere Jahre mit Donald<br />

Trump als Präsident der USA auskommen<br />

zu müssen. Er hat gute Chancen, die Wahl<br />

im Herbst zu gewinnen –auch wegen des<br />

Impeachment-Verfahrens.<br />

Die Demokraten haben zwar mit ihrer<br />

Mehrheit das Verfahren eröffnet, aber alle<br />

damit verbundenen Hoffnungen, Trump<br />

so zu schaden, haben sich nicht erfüllt.<br />

Die Republikaner stehen fester an der<br />

Seite ihres Präsidenten als je zuvor, und<br />

der erhoffte Stimmungsumschwung in<br />

der Bevölkerung hat sich auch nicht eingestellt.<br />

Umfragen zufolge ist jeder Zweite<br />

gegen das Impeachment-Verfahren.<br />

Mehr noch, der Versuch der Amtsenthebung<br />

und das sich abzeichnende<br />

Scheitern imSenat liefern Trump allerfeinste<br />

Wahlkampfmunition. Dass er sie<br />

rücksichtlos nutzen wird, zeigte sich eben<br />

auch in der vorvergangenen Nacht mit<br />

dem jüngsten Tweet vonTrump.Inder bekannten<br />

Uncle-Sam-Geste zeigt Trump<br />

auf einem Foto mit dem Finger auf den<br />

Betrachter des Bildes, darüber die Botschaft:<br />

Sie sind nicht hinter mir her, sondern<br />

hinter euch. Die Reihen schließen.<br />

Wirgegen sie.Wir müssen uns wehren. Er<br />

gibt sich als Opfer und Anführer zugleich.<br />

Daswirddie Strategie sein.<br />

Trump ging es nie darum, Präsident aller<br />

Amerikaner zu sein. Das wird nun<br />

überdeutlich. Ihm reichen die 63 Millionen<br />

Wähler, die ihn vor drei Jahren ins<br />

Amt gebracht haben. Die gilt es zu halten<br />

und zu mobilisieren –und das um jeden<br />

Preis.Wenn es sein muss,auch auf Kosten<br />

des inneren Friedens. Die USA stehen<br />

wohl vor dem schmutzigsten Wahlkampf<br />

aller Zeiten. An dessen Ende wirdeseinen<br />

Sieger geben und viele Verletzte.<br />

Festlyrik, adaptiert<br />

Christine Lambrecht gab sich eher<br />

defensiv. Eswerde nur eine ganz<br />

geringe Zahl von Fällen geben, in<br />

denen das neue Gesetz tatsächlich<br />

Anwendung finde,sagte die Bundesjustizministerin<br />

im Deutschlandfunk. „Imnormalen<br />

Leben wirdesnicht dazu kommen.“<br />

DieSozialdemokratin sprach vonder Novelle<br />

des Telemediengesetzes,deren Entwurf<br />

einen Satz enthält, der Telekommunikationsunternehmen<br />

zur Herausgabe von Passwörtern<br />

zwingen würde. Doch Experten<br />

zweifeln daran, dass es tatsächlich so wenige<br />

Fälle wären. Im Übrigen könnte man fragen,<br />

wozu man ein Gesetz, das gar keine Anwendung<br />

findet, überhaupt braucht. Der Plan<br />

der Ministerin jedenfalls wirft eine Menge<br />

Fragen auf.<br />

Das gilt zunächst für das Verfahren.<br />

Lambrecht hatte am Freitag voriger Woche<br />

zu einem Pressegespräch geladen. Darin informierte<br />

sie über die Absicht ihres Hauses<br />

wie der gesamten Bundesregierung, im Rahmen<br />

einer Korrektur des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes<br />

verstärkt gegen Hasskriminalität<br />

vorzugehen. Digitale Netzwerke sollen<br />

Bedrohungen oder Volksverhetzung demnach<br />

nicht mehr allein löschen, sondern an<br />

das Bundeskriminalamt melden müssen –<br />

samt IP-Adressen. Das BKA wiederum soll<br />

gemeinsam mit spezialisierten Staatsanwaltschaften<br />

ermitteln, sodass Gerichte am<br />

Ende Urteile fällen können. Auf die Androhung<br />

vonStraftaten bei Facebook oder Twitter<br />

könnten dann Haftstrafen vonbis zu drei<br />

Jahren folgen. Hasskriminalität soll nicht<br />

mehr als Bagatelle gelten.<br />

All das ist gut und richtig so.Ja, es ist überfällig.<br />

Denn das Netz quillt vorHass geradezu<br />

über. Und alle wissen oder sollten wissen:<br />

Nicht selten folgt der verbalen die physische<br />

Alle reden vomdigitalen Wandel, aber nur<br />

wenige erkennen die kulturellen Konsequenzen,<br />

die aus ihm hervorgehen. DieDigitalisierung<br />

führtinder Geschichte menschlichen<br />

Denkens und Urteilens vermutlich den<br />

größten Sprung herbei, den es seit der Antike<br />

je gab. Die mit ihr verbundene Umwälzung<br />

betrifft nicht nur die Techniken der Informationsübermittlung,<br />

sondern auch jene des<br />

Lernens und der intellektuellen Wahrnehmung.<br />

Vieles an dieser Umwälzung ist positiv,<br />

anderes bleibt auf der Strecke. Amwichtigsten<br />

sind zweifellos die neuen Formen der<br />

Zeitorganisation, die auch unsereLesekultur<br />

beeinflussen.<br />

Noch vor200 Jahren besaßen bürgerliche<br />

Haushalte eine sehr kleine Zahl an Büchern,<br />

die man immer wieder vornahm – allen<br />

vorandie Bibel, Erbauungsschriften und Liedersammlungen.<br />

Wir lesen heute weitaus<br />

mehr Texte, als es die Menschen in früheren<br />

Kulturepochen taten. Aber wir lesen auch<br />

immer oberflächlicher. Wir scannen die<br />

Sätze, überfliegen sie,kehren selten zu ihnen<br />

zurück. Gründliches Lesen nennen die Engländer<br />

„tiefes Lesen“. Wir betreiben zumeist<br />

das Gegenteil –das schnelle Konsumieren<br />

ohne nachhaltige Wirkung.<br />

Für die Generation der digital natives, die<br />

mit der virtuellenWelt der Datenströme großgeworden<br />

sind, gilt das in verstärktem Maße.<br />

Zu ihren besonderen Fähigkeiten gehört die<br />

Gewöhnung an schnellen virtuellen Austausch,<br />

die zügige Anpassung an kommunikative<br />

und soziale Veränderungen, die visu-<br />

Gesetz gegen Hass im Netz<br />

Die falsche<br />

Waffe<br />

Markus Decker<br />

zweifelt daran, dass es richtig ist, Sicherheitsbehörden<br />

Zugang zu Passwörternzuermöglichen.<br />

Gewalt. Doch worüber die Bundesjustizministerin<br />

bei dem Pressegespräch kein Wort<br />

verlor, obwohl es in jenem 37-seitigen Referentenentwurf<br />

stand, den sie verteilen ließ:<br />

Neben den IP-Adressen sollen die Netzwerke<br />

die besagten Passwörter herausgeben dürfen.<br />

Das aber ist keineswegs gut und richtig<br />

so.Vielmehr ist der Plan zweifelhaft, weil er<br />

tief in Grundrechte eingreift. Überdies ist er<br />

praktisch unausgegoren.<br />

Gewiss, Lambrecht verwies im Interview<br />

auf den sogenannten Richtervorbehalt –also<br />

den Zwang zur Genehmigung durch einen<br />

Richter. Und sie erweckte ferner den Eindruck,<br />

als greife die geplante Regelung lediglich<br />

bei Terrorismusverdacht. In dem Entwurf<br />

derNovelle desTelemediengesetzes ist jedoch<br />

KOLUMNE<br />

Lesen und Lernen<br />

in digitalisierten<br />

Zeiten<br />

Peter-André Alt<br />

Präsident der Hochschulrektorenkonferenz<br />

elle Vorstellungskraft, die Fähigkeit, mehrere<br />

Dinge gleichzeitig zu tun, und das Vermögen,<br />

Querverbindungen zwischen Informationen<br />

herzustellen. Parallel gehen andereQualifikationen<br />

verloren –das Vermögen, sich gründlich<br />

mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen,<br />

und die Fertigkeit, sich geduldig auf einen<br />

Text oder eine These einzulassen.<br />

Zu den alten Formen des Lernens führt<br />

kein Wegzurück. Heute geht es nicht mehr<br />

BERLINER ZEITUNG/THOMAS PLASSMANN<br />

sehr allgemein vonStraftaten oder Ordnungswidrigkeiten<br />

die Rede sowie von der Abwehr<br />

von Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />

und Ordnung. Polizeibehörden könnten die<br />

Passwörter dem Entwurf zufolge ebenso verlangen<br />

wie die Verfassungsschutzbehörden<br />

von Bund und Ländern, der Militärische Abschirmdienst,<br />

der Bundesnachrichtendienst<br />

und der Zoll. Das ist trotz Richtervorbehalts<br />

sehr weitreichend und in dieser Kombination<br />

so nicht hinnehmbar. Tatsächlich sind Passwörter<br />

längst das,was Haustürschlüssel sind;<br />

sie erlauben den Zugang zu großen Teilen des<br />

Lebens.<br />

DerPlan reicht auch weiter als die mittlerweile<br />

seit Jahrzehnten umstrittene Vorratsdatenspeicherung,<br />

bei der es „nur“ um die<br />

Speicherungvon Meta-Daten geht –alsower<br />

wann mit wem kommuniziert hat –, nicht<br />

um die Inhalte der Kommunikation selbst.<br />

Understeht in einem gewissen Widerspruch<br />

zur bisherigen Weigerung des Justizministeriums,<br />

der Reform des Verfassungsschutzgesetzes<br />

zuzustimmen, die es dem Bundesamt<br />

für Verfassungsschutz erlauben würde,<br />

Festplatten zu durchsuchen oder Messenger-Dienste<br />

zu überwachen. Zwar würde<br />

Lambrechts Plan wohl ohnehin an der Realität<br />

scheitern, weil Netzanbieter über die<br />

Passwörter,die sie da herausgeben sollen, lediglich<br />

in einer verschlüsselten Variante verfügen<br />

dürfen. Aber das macht die Sache<br />

kaum besser. Womöglich würde dieser<br />

Grundsatz später auch aufgeweicht.<br />

Christine Lambrecht hat in dem erwähnten<br />

Interview übrigens zu erkennen gegeben,<br />

dass sie für Korrekturen an demGesetzentwurf,<br />

der am 19. Februar das Kabinett<br />

passieren soll und dann vomBundestag verabschiedet<br />

werden müsste, offen sei. An dieser<br />

Stelle muss mansagen: Hoffentlich!<br />

um das Aufspüren von Quellen und die Ermittlung<br />

entlegener Informationen. Dasglobale<br />

Wissen ist leichter denn je verfügbar,<br />

unabhängig von Vorkenntnissen und Kompetenzen.<br />

Lernprozesse werden in Zukunft<br />

verstärkt auf Vorgänge der Auswahl und Verknüpfung,<br />

der Urteilsbildung und Bewertung<br />

abstellen müssen. In Zeiten umfassender<br />

Wissenszugänglichkeit spielen kognitive<br />

Fertigkeiten, die der Informationsselektion<br />

dienen, eine immer wichtigere Rolle. Die<br />

Welt ist zu einem globalen Lexikon geworden,<br />

in dem jeder alles finden kann. Kompetenz<br />

und Expertise werden sich im digitalen<br />

Zeitalter weniger über das Vermögen definieren,<br />

Fakten zu kennen und gegebenenfalls<br />

zu recherchieren. Sie stützen sich stattdessen<br />

auf die Fähigkeit zur begründeten<br />

Auswahl, auf Urteilsbildung undVernetzung.<br />

Entscheidend für künftigen Bildungserfolg<br />

werden nicht dieselben Kompetenzen wie in<br />

früheren Epochen sein. In der digitalen Welt<br />

von morgen hat das Denken in Räumen und<br />

Beziehungen zunehmende Bedeutung. Gleiches<br />

gilt für visuelle Vorstellungskraft und Assoziationsvermögen,<br />

für Antizipationsfähigkeit<br />

und Verknüpfungsgabe. Die Ingenieure<br />

und Mediziner der neuen Generation benötigen<br />

diese Fertigkeiten ebenso wie Architekten<br />

und Physiker. Für kulturkritischen Konservatismus<br />

istkeine Zeit. Wirmüssen die eigentliche<br />

Herausforderung der digitalen Epoche<br />

annehmen. Siebesteht darin, den kognitiven<br />

Transformationsprozess aktiv zu bewältigen,<br />

in den wir voreinigen Jahren eingetreten sind.<br />

„Wir stellen Fragen und es<br />

kommt raus, dass wir gar<br />

nicht alle gleich denken,<br />

auch nicht alle in dunklen<br />

Anzügen.“<br />

Margrethe Vestager, dänische EU-Kommissarin,<br />

lobt in der Süddeutschen <strong>Zeitung</strong> die bessere<br />

Atmosphäre, die unter Ursula von der Leyen<br />

in der EU-Kommission herrscht.<br />

AUSLESE<br />

Wasbringt die Fusion<br />

der Autohersteller?<br />

Nach wochenlangen Verhandlungen<br />

haben die Opel-Mutter PSA und Fiat<br />

Chrysler eine Mega-Fusion beschlossen.<br />

Sie wollen den viertgrößten Autohersteller<br />

der Welt schmieden. Eine gute Idee?<br />

Die Hannoversche Allgemeine <strong>Zeitung</strong><br />

kommentiert die Fusion so: „Das neue<br />

Marken-Sammelsurium aus Peugeot,<br />

Citroën, Opel, Vauxhall, DS, Fiat, Alfa Romeo,<br />

Maserati, Lancia, Chrysler, Dodge<br />

und Jeep versprüht kaum Charme. (...)<br />

Außer höheren Stückzahlen hat das Gebilde<br />

nichts zu bieten, was die größeren<br />

Konkurrenten nervös machen müsste:<br />

Bei Zukunftsthemen wie dem Elektroantrieb<br />

oder dem autonomen Fahren geben<br />

andereinder Branche den Takt vor.“<br />

Das Handelsblatt schreibt:„Die schiere<br />

Masse des zusammen 16 Marken umfassenden<br />

Kolosses ist noch längst kein Erfolgsgarant.<br />

Auch unter dem neuen, gemeinsamen<br />

Dach bleiben die Probleme<br />

dieselben wie zuvor: Man kämpft mit<br />

schrumpfenden Pkw-Verkäufen und unterausgelasteten<br />

Werken. (...) Und in<br />

China, dem größten Absatzmarkt der<br />

Welt, ist der neue Gigant ein Zwerg.“<br />

Die Frankfurter Allgemeine <strong>Zeitung</strong><br />

sieht das anders: „Die Autoindustrie ist<br />

längst von einer gewaltigen Konsolidierungswelle<br />

erfasst worden. Undsomanch<br />

etablierter Name droht hinweggespült zu<br />

werden. Deshalb ist die Bündelung der<br />

Kräfte vonPSA und Fiat sinnvoll, bietet sie<br />

doch neues Potenzial in China und Amerika.“<br />

Bettina Cosack<br />

PFLICHTBLATTDER BÖRSE BERLIN<br />

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Seite 3/Report:Bettina Cosack.<br />

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 9 *<br />

·························································································································································································································································································<br />

Berlin<br />

Greifen Sie zu:<br />

Saisonale Süßigkeiten<br />

sind besser als ihr Ruf<br />

Seite 17<br />

Unterm Zeltdach: Der Circus Roncalli macht in Berlin Station Seite 13<br />

Unterm Himmelszelt: Menschen, die auf Weihnachtsmärkten arbeiten Seiten 14 und 15<br />

Stadtbild<br />

Lachsschinken,<br />

unfreundlich<br />

Marcus Weingärtner<br />

hat sich an Berlin gewöhnt.<br />

Wer länger in Berlin lebt, der wird<br />

mit Freundlichkeiten sicherlich<br />

nicht verwöhnt. Als ich nach Berlin<br />

zog, musste ich immer sehr über einen<br />

bestimmten Spruch lachen, den<br />

man damals exemplarisch für <strong>Berliner</strong><br />

Schnoddrigkeit auf jeder noch so<br />

drögen Küchen-Kartoffelsalat-WG-<br />

Party anbrachte und von dem man<br />

glaubte, erwürde alles charakterisieren,<br />

was Berlin ausmacht:<br />

Kommt eine Frau aus München<br />

(wahlweise jede anderewestdeutsche<br />

Stadt) in eine Bäckerei und frage:<br />

„Entschuldigung, kann ich hier Brötchen<br />

kaufen?“<br />

Bäckereifachverkäuferin (empathielos):<br />

„Wenn ’sedie Tür zumachen<br />

und hier Wasser reinlassen, dann<br />

können ’sehier drin auch ein paar<br />

Runden schwimmen.“<br />

Hahahaha! Damals, also vor rund<br />

20 Jahren, fand ich das charmant.<br />

Viele Menschen, die ich damals kennenlernte,<br />

schworen Stein und Bein,<br />

diese Geschichte genauso erlebt zu<br />

haben. Oder jemanden zu kennen,<br />

der jemanden kennt, dessen Bruder<br />

und so weiter.<br />

Mittlerweile hat die Schnoddrigkeit<br />

in dieser Stadt und natürlich auch<br />

in den sozialen Medien, die ja ebenfalls<br />

so eine Art virtuelle Stadt sind,<br />

derart drastisch zugenommen, dass<br />

sich die Bäckereifachverkäuferinnen-<br />

Ankedote ausnimmt, wie die Weihnachtsgeschichte<br />

zu einer Schmähschrift.<br />

Unlängst war ich im Biosupermarkt<br />

meines Vertrauens, der sich<br />

gerne den Anschein der warmherzigen<br />

Kundenbindung und des entschleunigten<br />

Einkaufens gibt. An der<br />

Fleischerei-Theke fragte ich (höflich!!),<br />

ob man Lachsschinken habe.<br />

Der Fleischereifachverkäufer blickte<br />

mich gelangweilt an und wies in Richtung<br />

mehrerer Kühlregale und murmelte<br />

etwas.Ich verstand das so,dass<br />

ich mir eines aussuchen könne und in<br />

jedem Lachsschinken liege.<br />

Unsinn, natürlich tat ich das nicht,<br />

sondern ich steuerte treudoof auf<br />

eine Kühltruhe mit Fleisch zu und<br />

fand keinen Lachsschinken.„Daist er<br />

nicht“, rief ich. „In der KÜHLUNG,<br />

Mann“, maulte der Verkäufer.„In der<br />

KÜHLUNG, nicht in der Truhe. Was<br />

ist denn daran so schwer?“ Ichwar so<br />

perplex ob dieses Ausbruchs,dass ich<br />

überlegte, ob ich dem Mann den<br />

Lachsschinken aus der KÜHLUNG<br />

vielleicht an den Kopf werfen sollte.<br />

Tatich nicht, ich ignorierte ihn einfach<br />

und fand das Fleisch schließlich<br />

alleine. Immerhin hat er mir keine<br />

Schwimmstunden angedroht, dachte<br />

ich beim Hinausgehen.<br />

Auch ohne freundliche Hilfe findet man<br />

seine Lebensmittel.<br />

IMAGO<br />

Blumen und Kerzen auf den Stufen zur Gedächtniskirche erinnernandie Opfer des Anschlags.<br />

Glockenschläge und Violinenklänge<br />

Zum dritten Jahrestag des Anschlags auf dem Breitscheidplatz hat die Trauer eine festeFormgefunden<br />

VonJulia Haak<br />

Für die Stadt reicht ein Knopfdruck.<br />

Um Viertel vorsieben<br />

schaltet ein Techniker die<br />

Musik auf dem Markt am<br />

Breitscheidplatz ab undWeihnachten<br />

endet erst mal für ein paar Stunden.<br />

Die Zeit füllt sich mit Trauer. Inder<br />

Gedächtniskirche hält Bischof Christian<br />

Stäblein eine Andacht, Jocelyn B.<br />

Smith singt „Shine alight“ wie schon<br />

am ersten Jahrestag. Menschen versammeln<br />

sich an den Stufen mit den<br />

Namen der zwölf Verstorbenen, die<br />

zur Kirche hinaufführen.<br />

Im dritten Jahr nach dem terroristischen<br />

Anschlag auf den Weihnachtsmarkt<br />

auf dem Breitscheidplatz<br />

hat die Stadt zu einer Form des<br />

Gedenkens gefunden, bei der es<br />

wohl vorerst bleiben wird. Stille und<br />

Kerzen anstelle von elektrischem<br />

Licht, Gesänge und Gebete, Blumen<br />

und Glockenschläge. All das ist<br />

durchaus anrührend –und doch bildet<br />

die durchkomponierte Form einen<br />

scharfen Gegensatz zum echten<br />

Verlust, den dieser Anschlag bewirkt<br />

hat. Das ist kein Vorwurf, es ist nur<br />

eine Feststellung. Es kann vielleicht<br />

auch gar nicht anders sein.<br />

Persönlicher Verlust<br />

In den zurückliegenden drei Jahren<br />

haben wir über Menschen geschrieben,<br />

die uns im Zusammenhang mit<br />

diesem Anschlag begegnet sind, die<br />

am 19. Dezember 2016 einen persönlichen<br />

Verlust erlitten haben. Wir<br />

haben sie angerufen, sie besucht,<br />

weil wir ihre Geschichten erzählen<br />

wollten. Es war der Wunsch, dass sie<br />

im Mittelpunkt einer Berichterstattung<br />

stehen sollten –und nicht der<br />

Täter, mit dem man sich ja auch befassen<br />

musste,wollte man seine Motiveverstehen<br />

und die Artund Weise<br />

wie er und seine Helfer vorgegangen<br />

sind. Auch, um zu verhindern, dass<br />

sich Ähnliches wiederholt.<br />

Die Menschen aus unseren Geschichten<br />

waren zum Zeitpunkt des<br />

Anschlags auf dem Markt und wurden<br />

schwer verletzt. Sie haben jemanden<br />

verloren, der ihnen nahe<br />

stand. Sie haben körperliche Einschränkungen.<br />

Sie sind Pflegefälle.<br />

Sie kämpfen noch heute mit Gefühlen,<br />

die sie nicht unter Kontrolle bekommen<br />

können. Manche hatten<br />

nur entfernt mit der eigentlichen Tat<br />

zu tun. Unddoch leiden sie.<br />

Überwältigung. Auch beim<br />

Schreiben dieses Textes ist dieses Gefühl<br />

zu spüren. Einmal angefangen,<br />

scheint ein Schicksal nach dem anderenauf.<br />

Manhat alles wieder vorAugen.<br />

Erst verkrampft sich der Magen.<br />

Dann steigt das Gefühl höher,<br />

schnürt den Hals zusammen. Man<br />

muss aufpassen, dass man sich nicht<br />

selbst hineinmanövriertineine Traurigkeit,<br />

ins Mitleiden. Es gibt eine Co-<br />

Traumatisierung, auch das haben wir<br />

gelernt in den vergangenen drei Jahren.<br />

Besonders betroffen davon sind<br />

Angehörige von psychisch oder körperlich<br />

geschädigten Menschen.<br />

Petr Cizmar und sein kleiner Sohn<br />

David haben Nada verloren, Davids<br />

Mutter, Petrs Frau. Wir haben die<br />

beiden besucht im vergangenen Jahr<br />

in Dresden, wo sie wohnen. Wir haben<br />

mit ihnen zwei tolle Menschen<br />

kennengelernt. Zurückgeblieben ist<br />

ein Eindruck von großer Tapferkeit,<br />

mit dem der Mann und der Junge<br />

dem Verlust von Nada begegnen.<br />

Aber auch ihreHilflosigkeit. DieUmzugskisten,<br />

die sich zum Zeitpunkt<br />

unseres Besuchs in der Wohnung<br />

stapelten. Petr Cizmar hatte sie kurz<br />

vor dem Anschlag dort abgestellt<br />

und dann nicht ausgepackt, jahrelang.<br />

Für ihn befand sich seine heile<br />

unverletzte Familie in diesen Kisten.<br />

Er hatte Angst, sie auspacken.<br />

Frank Hoedt ist Einsatzleiter bei<br />

der <strong>Berliner</strong> Feuerwehr. Am19. Dezember<br />

2016 organisierte er den Rettungsdienst<br />

auf dem Breitscheidplatz.<br />

Wir haben ihn getroffen im<br />

vergangenen Jahr und er erzählte<br />

von dieser Nacht, die auch für ihn,<br />

den Profi, sehr vieles verändert hat.<br />

Er war vorallen anderen Feuerwehrleuten<br />

direkt nach dem Anschlag der<br />

erste auf dem Platz, in den gerade<br />

der Terrorist Anis Amrimit einem 40<br />

Tonnen schweren Lastwagen hineingerast<br />

war.Ersprach davon, wie<br />

er minutenlang versucht hatte, zu<br />

begreifen, was überhaupt passiert<br />

war. Wie viele tote und schwer verletzte<br />

Menschen zu versorgen waren.<br />

Wie erversuchte, zuentscheiden,<br />

was zuerst zu tun war.<br />

Die Feuerwehr hat ein System für<br />

solche Einsätze. Die Einsatzkräfte<br />

verteilen verschiedenfarbige Bändchen,<br />

um die Hilfe nach Dringlichkeit<br />

„Dieser Ort des Gedenkens ist ein Anker für<br />

alle, die Angehörige verloren haben.<br />

Erinnern trägt Hoffnung.“<br />

Chen Elyakim, deren Mutter Dalia bei dem Anschlag getötet wurde, in ihrer Rede<br />

zu organisieren, sie alarmieren weitere<br />

Kräfte zum Ort der Katastrophe.<br />

Siefunktionieren, und am Anfang gab<br />

all das Frank Hoedt Halt. Im Verlauf<br />

der Nacht kam er dann an seine Grenzen<br />

und rutschte darüber hinaus. Er<br />

fühlte sich hilflos, überfordert, hatte<br />

auch in denTagen danach das Gefühl,<br />

nicht genug getan zu haben, wurde<br />

die Bilder nicht mehr los. Erkonnte<br />

nicht mehr richtig arbeiten. Frank<br />

Hoedt brauchte selbst medizinische<br />

Hilfe. Das erste Mal ging er erst nach<br />

Monaten wieder zum Breitscheidplatz.<br />

Er ließ sich dabei von seinem<br />

Arzt begleiten. Später hielt erVorträge<br />

über diesen Einsatz. Das darüber<br />

Sprechen half ihm. So war es auch mit<br />

dem Interview,das er unsgab.<br />

Wir haben den Pfarrer Martin<br />

Germer getroffen, der in jedem Jahr,<br />

auch in diesem wieder,den Gedenkgottesdienst<br />

in der Gedächtniskirche<br />

leitet. Germer ist geradezu unermüdlich<br />

darum bemüht, einen Ort<br />

und sich selbst als Gesprächspartner<br />

für die Trauer zu bieten. Er war direkt<br />

BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />

nach dem Anschlag auf dem Platz<br />

und hörte jedem zu, der mit jemandem<br />

reden musste. Erorganisierte<br />

für den Tag danach einen ersten<br />

Trauergottesdienst und dann viele<br />

weitere. Er weint, wenn er gerührtist<br />

und das tut er auch wenn er am Altar<br />

vorvielen Menschen steht.<br />

So könnteman fortfahren an dieser<br />

Stelle. Daist die Geschichte des<br />

Mitarbeiters der Firma Scania, die<br />

den Lkw hergestellt hatte, der zur<br />

Mordwaffe wurde und der am Telefon<br />

anfing zu weinen, obwohl er nur<br />

im Fernsehen gesehen hatte,was mit<br />

dem Wagen geschah. Verlust ist ein<br />

Gefühl, dass sich in vielen verschiedenen<br />

Formen ausdrücken kann.<br />

Die Form, die die Stadt gewählt hat,<br />

um ihren Verlust zu betrauern, ist<br />

eine durchaus besinnliche.<br />

Stille auf den Stufen<br />

Nach der Andacht in der Gedächtniskirche<br />

kommen Vertreter des<br />

Landes und des Bundes mit den Angehörigen<br />

der Opfer an die Stufen.<br />

Petr Cizmar und David sind gekommen.<br />

Es ist jetzt ganz still. An den<br />

Ständen in der Nähe wird nichts<br />

mehr verkauft. Die Menschen<br />

schweigen. Pfarrer Martin Germer<br />

spricht voneinemTagschmerzender<br />

Erinnerungen. Dann ist Chen Elyakim<br />

aus Israel dran.Sie spricht über<br />

den Verlust ihrer Mutter Dalia, die<br />

bei dem Anschlag ums Leben gekommen<br />

ist. „Der 19. Dezember<br />

2016 hatunser Leben für immer verändert.<br />

Andiesem Tagwurde meine<br />

Mutter vermisst gemeldet und es<br />

vergingen zwei Tage zwischen Hoffnung<br />

und Verzweiflung, bis wir die<br />

Nachricht erhielten, dass sie gestorben<br />

ist“, sagt sie.Inden vergangenen<br />

drei Jahren habe sie jedoch auch<br />

wunderbare Menschen kennen gelernt.<br />

„Dieser Ort des Gedenkens ist<br />

ein Anker für alle, die Angehörige<br />

verloren haben. Erinnern trägt Hoffnung“,<br />

sagt sie. Anschließend werden<br />

die Lichter auf dem Markt ausgeschaltet.<br />

Um 20.02 Uhr, dem Zeitpunkt<br />

des Anschlages beginnen die<br />

Glocken aus dem Ruinenturm der<br />

Gedächtniskirche zu schlagen. Zwölf<br />

Schläge für zwölf verlorene Leben.<br />

Violinenklänge durchbrechen die<br />

anschließende Stille.<br />

NACHRICHTEN<br />

Sechs Schüsse auf<br />

Lagerhalle abgefeuert<br />

Sechs Schüsse aus einer scharfen<br />

Schusswaffe sind im Ortsteil Mariendorfauf<br />

die Fenster der Lagerhalle<br />

einer Gärtnerei abgegeben worden.<br />

DieInhaber bemerkten die Einschusslöcher<br />

in ihrem Geschäft in<br />

der Ullsteinstraße am Donnerstagmorgen,<br />

wie die Polizei später mitteilte.Demnach<br />

wurden die Schüsse<br />

außerhalb der Öffnungszeiten abgefeuert.<br />

Niemand wurde verletzt. Die<br />

Ermittlungen der Polizei laufen.<br />

(dpa)<br />

Schlüsselübergabe für<br />

Axel-Springer-Neubau<br />

Miteiner traditionellen Schlüsselübergabe<br />

feierte der Axel-Springer-<br />

Verlag am Donnerstag die Fertigstellung<br />

seines Neubaus an der Axel-<br />

Springer-Straße.Inden kommenden<br />

Monaten soll das Gebäude möbliert<br />

und im Frühjahr 2020 dann bezogen<br />

werden. Entworfen hat das Haus mit<br />

rund 52 000 Quadratmeternder niederländische<br />

Star-Architekt Rem<br />

Koolhaas,der auch für den Umbau<br />

des KaDeWe verantwortlich zeichnet.<br />

(BLZ.)<br />

Dino-Skelett Tristan Otto<br />

verlässt Berlin<br />

Star mit hohem Beliebtheitsfaktor:Tristan<br />

Otto.<br />

BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />

<strong>Berliner</strong> Dino-Fans haben nur noch<br />

ein paar Wochen Zeit: Dasbeliebte<br />

Originalskelett eines Tyrannosaurus<br />

rexverlässt Ende Januar 2020 für eine<br />

Weile das Land. Nach einem Abschiedswochenende<br />

werdedas Exponat<br />

namens Tristan Otto ab dem<br />

27. Januar für circa zwei Wochen abgebaut,<br />

teilte eine Sprecherin des<br />

Naturkundemuseums am Donnerstag<br />

mit. Ab Ende Märzsolle das Skelett<br />

ein Jahr lang in Kopenhagen zu<br />

sehen sein. Daszwölf Meter lange<br />

und vier Meter hohe Skelett war 2010<br />

in den USA gefunden worden. Es ist<br />

mehr als 65 Millionen Jahrealt. (dpa)<br />

Berlin hat Babylotsen auf<br />

allen Geburtsstationen<br />

In Berlin gibt es auf allen Geburtsstationen<br />

Frühe Hilfen für Familien.<br />

Um die Unterstützung kümmern<br />

sich insgesamt 38 Babylotsen, die<br />

Elternvon der Schwangerschaft<br />

über die Geburtbis in die ersten Lebensjahredes<br />

Kindes begleiten,<br />

teilte die Senatsverwaltung für<br />

Gesundheit mit. DerService ist für<br />

Familien gedacht, die durch unterschiedlichste<br />

Umstände überfordertsind<br />

und individuelle Unterstützung<br />

brauchen. DieSenatsgesundheitsverwaltung<br />

stellt für<br />

Frühe Hilfen rund 1,5 Millionen<br />

Euro im Jahr zur Verfügung. (dpa)


10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Berlin<br />

Im Tiergartentunnel ist nur Tempo 50 erlaubt. Doch viele Kraftfahrer halten sich nicht an das Limit. Darum nimmt die Polizei dortAnfang des neuen Jahres eine Überwachungsanlage in Betrieb –wie angekündigt.<br />

IMAGO IMAGES<br />

Im Tunnel warten die schwarzen Blitzer<br />

Polizei kontrolliert demnächst auf zwei weiteren Strecken die Geschwindigkeit. Anderswo in Berlin sind fast zehn Überwachungsanlagen außer Betrieb<br />

VonPeter Neumann<br />

ImBritzer Autobahntunnel gibt<br />

es sie schon seit rund neun Jahren–sie<br />

blitzen eifrig Autos,die<br />

deutlich schneller als Tempo<br />

80 fahren. Nicht mehr lange, dann<br />

möchte die <strong>Berliner</strong> Polizei auch im<br />

Autobahntunnel unter dem Flughafen<br />

Tegel und im Tiergartentunnel<br />

schwarze Blitzer scharfschalten. Sie<br />

heißen so, weil sie Temposünder<br />

mithilfe von Infrarotstrahlen feststellen,<br />

die für das menschliche Auge<br />

unsichtbar sind. Erst wenn der Brief<br />

der Bußgeldstelle eintrifft, merken<br />

die Fahrer,dass sie geblitzt wurden.<br />

„Wir gehen davon aus, dass wir<br />

die neuen Geräte im Februar oder<br />

März2020 in Betrieb nehmen“, sagte<br />

Frank Schattling, Leiter des Fachstabs<br />

Verkehr im Polizeipräsidium,<br />

der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> auf Anfrage.<br />

In dem Tunnel, der die A111 unter<br />

dem Flughafen Tegel hindurchführt,<br />

hat der Probebetrieb bereits begonnen.„Mit<br />

positiverWirkung“, berichtete<br />

Schattling. Fahrer sehen die<br />

schwarzen Kästen –und bremsen,<br />

wenn sie zu schnell sind. In der fast<br />

einen Kilometer langen Tunnelröhre<br />

stadtauswärts wird eine enge Kurve<br />

überwacht, in der nur 40 Kilometer<br />

in der Stunde erlaubt sind.<br />

Auch in dem Tunnel, der unter<br />

dem Tiergarten und dem Spreebogen<br />

verläuft, wird immer wieder zu<br />

schnell gefahren, berichtet die Polizei.<br />

Nicht selten erleben die Mitarbeiter<br />

der <strong>Berliner</strong> Tunnelleitzentrale<br />

auf ihren Bildschirmen mit, wie<br />

sich Fahrer illegale Rennen liefern –<br />

obwohl im Tunnel Tempo 50 gilt.<br />

Die neue Blitzertechnik befindet<br />

sich in der Tunnelröhre inRichtung<br />

Süden, hieß es. Die Polizisten legen<br />

Wert auf die Feststellung, dass die<br />

Anlage sowohl die Front- als auch die<br />

Heckpartie ins Visier nimmt. Damit<br />

erfasst sie auch Motorräder, die<br />

meist nur hinten ein Kennzeichen<br />

haben. Auch diese Fahrzeuge sind in<br />

dem mehr als zwei Kilometer langen<br />

Tunnel oft zu schnell unterwegs. So<br />

starb im März2018 ein 27 Jahrealter<br />

Motorradfahrer, nachdem er gegen<br />

eine Tür in der Wand geprallt war.<br />

Gerichte verfügen Abschaltung<br />

Durch die beiden Anlagen im Flughafen-<br />

und im Tiergartentunnel wird<br />

die Zahl der stationären Blitzer in<br />

Berlin auf 33 wachsen. Die neuen<br />

Blitzer gehören zu den Geräten, die<br />

nur Fahrzeuge erfassen, die zu<br />

schnell unterwegs sind. Andere Blitzer<br />

halten Autos im Bild fest, deren<br />

Fahrer rotes Ampellicht ignorieren.<br />

50 Prozent Zuwachs: Der<br />

Senat hat in den vergangenen<br />

zwölf Monaten die Zahl<br />

der stationären Tempo-Überwachungsanlagen<br />

um die<br />

Hälfte erhöht. Nun sind vorerst<br />

keine neuen Blitzersäulen<br />

mehr mehr vorgesehen.<br />

VANDALISMUS IN KÖPENICK<br />

Auch im Osten: Noch immer<br />

gibt es im Westen Berlins<br />

mehr Blitzersäulen als im<br />

Osten. So wurde amAdlergestell/<br />

Otto-Franke-Straße<br />

eine Anlageinstalliert. Ein<br />

weiterer Standortist Mollstraße/<br />

Otto-Braun-Straße.<br />

Häufig beschädigt: Die Blitzersäule<br />

An der Wuhlheide/<br />

Rudolf-Rühl-Allee nahe der<br />

Alten Försterei in Köpenick<br />

wird immer wieder beschädigt.<br />

Nun plant die Polizei,<br />

diesen Blitzerstandort<br />

aufzugeben.<br />

Mehr als die Hälfte der Blitzer in Berlin<br />

kann beides. Allerdings sind von<br />

den jetzigen stationären Überwachungsanlagen<br />

nicht alle in Betrieb.<br />

Dem Vernehmen nach erfüllten vor<br />

kurzemnur 22 Blitzer ihreAufgaben,<br />

neun standen nicht zur Verfügung.<br />

Außer Betrieb ist weiterhin die<br />

Blitzersäule An der Wuhlheide/ Rudolf-Rühl-Allee<br />

im Bezirk Treptow-<br />

Köpenick, die es seit 2018 gibt. Die<br />

dort installierten stationären Anlagen<br />

fallen immer wieder Beschädigungen<br />

zum Opfer.„Vandalismus ist<br />

ein großes Problem“, hieß es bei der<br />

Polizei. Schon mehrmals wurden die<br />

schwarzen Glasscheiben zerschlagen,<br />

hinter denen sich die Blitzertechnik<br />

verbirgt. Einmal wurden<br />

Union-Aufkleber hinterlassen –das<br />

Fußballstadion Alte Försterei ist in<br />

der Nähe.Nun will die Polizei Konsequenzen<br />

ziehen und den Blitzerstandort<br />

aufgeben. „Die Säule wird<br />

umgesetzt“, kündigte Schattling an.<br />

Auch der Blitzer, der am Halleschen<br />

Ufer in Höhe der Einmündung<br />

der Schöneberger Straße für Ordnung<br />

sorgen soll, wird dem Vernehmen<br />

nach immer wieder zur Zielscheibe<br />

von Vandalen. Es gibt noch<br />

weitere Gründe, warum stationäre<br />

Blitzer abgeschaltet werden. So sind<br />

einige Geräte außer Betrieb,weil nebenan<br />

Tiefbauarbeiten stattfinden.<br />

Andere Anlagen dürfen nicht mehr<br />

genutzt werden, weil Gerichte dies<br />

verbieten. Für einige Rotlichtblitzer,<br />

die zum Teil schon rechtbetagt sind,<br />

hat das Landesamt für Mess- und<br />

Eichwesen die Abschaltung verfügt.<br />

In der Vergangenheit trugen auch<br />

Fahrbahnschäden dazu bei, dass Anlagen<br />

ausgestellt werden mussten.<br />

Weniger Tempo-Unfälle in Berlin<br />

Die rot-rot-grüne Koalition hat sich<br />

die Zivilisierung des Straßenverkehrs<br />

auf die Fahnen geschrieben.<br />

Verbände und Bürgerinitiativen fordern<br />

mehr Überwachung und Kontrollen,<br />

um das Rasenzuverhindern.<br />

„Nicht angepasste Geschwindigkeit“<br />

gilt als dritthäufigste Hauptunfallursache<br />

in Berlin –wenngleich die Zahl<br />

der Zusammenstöße, die in diesem<br />

Zusammenhang registriert wurden,<br />

von 2798 im Jahr 2016 auf 2330 im<br />

vergangenen Jahr gesunken ist.<br />

In den vergangenen zwölf Monaten<br />

kamen in Berlin zehn stationäre<br />

Blitzer dazu. Allerdings dauerte es<br />

nicht selten Monate,bis die Geräte in<br />

Betrieb gehen konnten. „Bis sie ans<br />

Stromnetz angeschlossen werden<br />

konnten, verging meist einige Zeit“,<br />

sagte Frank Schattling. Inzwischen<br />

sind aber fast alle Anlagen am Netz.<br />

Außer den stationären Anlagen<br />

zur Geschwindigkeitsüberwachung<br />

verfügt die <strong>Berliner</strong> Polizei noch<br />

über insgesamt fast 90 mobile und<br />

halbstationäre Geräte. Frank Schattling<br />

und seine Kollegen wissen, dass<br />

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Lesen Sie am Wochenende<br />

MobileWelten<br />

Vorne, hinten, Allrad:<br />

Welcher Antrieb ist der beste?<br />

Die neue Lust an der Limousine:<br />

Der VW Arteon im Test<br />

sie sich mit Tempokontrollen nicht<br />

beliebt machen. Doch die Gemeinschaft<br />

habe sich nun mal auf Regeln<br />

verständigt, wie der Verkehr auf den<br />

Straßen ablaufen soll. „Diese Regeln<br />

müssen durchgesetzt werden“, so<br />

der Chef des Verkehrs-Stabs im Polizeipräsidium.„Jeden<br />

Tagaufs Neue.“<br />

Peter Neumann<br />

hält es für notwendig,<br />

gegenRaser vorzugehen.<br />

Verbrannt und versenkt<br />

Zwei Männer zünden ihre Gewerbeabfälle auf offener Straße an und werden von der Polizei angezeigt. Dass Müll-Sünder erwischt werden, ist aber die Ausnahme<br />

VonPhilippe Debionne<br />

Müll-Sünder, die alte Schränke,<br />

Matratzen, Fahrräder oder<br />

Farbeimer auf die Straße stellen, gehören<br />

in Berlin mittlerweile zum Alltag.<br />

Auch die illegale Müllentsorgung<br />

in der Spree und anderen<br />

Hauptstadt-Gewässern kommt nahezu<br />

täglich vor. Jetzt hat die <strong>Berliner</strong><br />

Polizei besonders dreiste Müll-Sünder<br />

auf frischer Tatertappt: DieMänner<br />

hatten ihre Hinterlassenschaften,<br />

darunter auch einen kompletten<br />

Herd, einfach in Brand gesteckt.<br />

PassiertinHohenschönhausen.<br />

Geldbuße bis zu 100 000 Euro<br />

Gegen 23.15 Uhr alarmierte ein bislang<br />

unbekannter Anrufer in der<br />

Nacht zu Donnerstag die Polizei und<br />

meldete,dass es an derWollenberger<br />

Straße brennen würde. Die Einsatzleitung<br />

schickte einen Streifenwagen<br />

los,auch die Rettungskräfte der Feuerwehr<br />

wurde alarmiert. Auf einem<br />

brachliegenden Privatgelände in einem<br />

verwinkelten Gewerbegebiet<br />

Der angebrannte Gewerbemüll wurde noch nicht entsorgt.<br />

anzeige klingen mag, so deutlich ist<br />

auch die Höhe der möglichen Strafe:<br />

Nach Paragraf 69 kann bei vorsätzlichem<br />

oder fahrlässigen Verstoßen<br />

gegen die strengen Müllgesetze eine<br />

Geldbuße von bis zu 100 000 Euro<br />

verhängt werden. Erst Ende Oktober<br />

hatte der Senat einen neuen Bußgeldkatalog<br />

verabschiedet. Dem-<br />

OBERST<br />

standen zwei Männer neben einer<br />

lichterloh brennenden Badewanne,<br />

die laut Polizei „mit Gewerbeabfällen<br />

gefüllt war“. Daneben stand nach<br />

Angaben eines Augenzeugen zudem<br />

einen Elektroherd, der ebenfalls in<br />

Flammen stand.<br />

Als die Einsatzkräfte zwei daneben<br />

stehende Männer ansprachen<br />

was hier los sei, versuchten sie, die<br />

Feuerstelle als Lagerfeuer zu verkaufen,<br />

an dem sie sich wärmen würden.<br />

Doch die Polizisten rochen im<br />

wahrsten Sinne des Wortes Lunte.<br />

Denn offenbar hatten die Männer<br />

mehrere Dinge in Brand gesetzt, die<br />

man nicht unentgeltlich bei der BSR<br />

oder anderen Entsorgern abgeben<br />

darf.<br />

Nachdem die Feuerwehrmänner<br />

das Feuer gelöscht hatten, wurde der<br />

für den Brand verantwortliche Mann<br />

angezeigt. Eine Polizeisprecherin<br />

sagte,dass nun wegen„Verstoßes gegen<br />

das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />

wegen des Verbrennens von Gewerbeabfällen“<br />

ermittelt werden. So<br />

sperrig diese Ordnungswidrigkeitsnach<br />

werden für einen weggeworfenen<br />

Einwegbecher 55 Euro Strafe fällig,<br />

für Sperrmüll wie Matratzen,<br />

Kinderwagen oder Stühle zwischen<br />

150 und 500 Euro. Eine achtlos weggeschnippte<br />

Zigarettenkippe schlägt<br />

mit 120 Euro zu Buche.<br />

Dass zahllose Menschen ihren<br />

Schrott und ihre Abfälle trotz der<br />

drohenden Bußgelder rücksichtslos<br />

und illegal entsorgen, passiert in<br />

Berlin immer wieder. Daher warnt<br />

die BSR: „Illegale Müllplätze am<br />

Wegrand verschandeln nicht nur<br />

den Kiez.Sie können auch gefährlich<br />

für Mensch und Umwelt werden,<br />

wenn zum Beispiel Schadstoffe aus<br />

alten Elektrogeräten austreten.“<br />

Das ist vor allem bei der Entsorgung<br />

von illegalem Abfall nahe bei<br />

oder direkt in Gewässern ein großes<br />

Problem. Denn zum einen werden<br />

diese Müllkippen oftmals lange<br />

nicht entdeckt, zum anderen rosten<br />

Elektrogeräte im Wasser – Schadstoffe<br />

werden somit schneller freigesetzt.<br />

Rund 6,7 Prozent des <strong>Berliner</strong><br />

Stadtgebiets bestehen aus Flüssen,<br />

Seen und Kanälen, eine Fläche, die<br />

so groß ist wie die BezirkeMitte und<br />

Friedrichshain-Kreuzberg zusammen.<br />

DieMüllschiffe der Senatsverwaltung<br />

haben „zwischen März 2018<br />

und Februar 2019 über 730 Kubikmeter<br />

Müll nur von der Oberfläche<br />

der <strong>Berliner</strong> Gewässer gefischt“,<br />

heißt es bei dem unter anderem<br />

durch die Stiftung Naturschutz Berlin<br />

sowie die BSR geförderten Projekt<br />

„Alles im Fluss“. 730 Kubikmeter<br />

Müll entsprechen in etwa dem Inhalt<br />

von 14 Güterwaggons. Und als<br />

„Müllsäule mit einem Quadratmeter<br />

Grundfläche ergäbe diese Menge das<br />

1,9-fache des Fernsehturms“, so die<br />

Macher von„Alles im Fluss“.<br />

Illegale Müllkippen melden<br />

Sollte man „illegale Ablagerungen<br />

und Verschmutzungen im öffentlichen<br />

Raum“ entdecken, rät die BSR,<br />

sich beim Ordnungsamt zu melden.<br />

Wenn sich kein Verursacher finden<br />

lässt, beseitigt die BSR illegal abgelagerten<br />

Sperrmüll und Elektroschrott<br />

auf Anforderung des Amtes.<br />

Und das nach BSR-Angaben „leider<br />

viel zu oft: Jedes Jahr entfernen<br />

wir im Schnitt 30 000 Kubikmeter<br />

dieser Abfälle“.Wersich im aktuellen<br />

Fall nun darum kümmert, dass der<br />

angebrannte Gewerbeschrott aus<br />

der Wollenberger Straße entsorgt<br />

wird, ist noch unklar.


12 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Berlin<br />

Milieuschutz<br />

hilft Bewohnern<br />

nur bedingt<br />

5200 Mietwohnungen in<br />

Eigentum umgewandelt<br />

VonUlrich Paul<br />

InBerlin sind im vergangenen Jahr<br />

etwa 12 800 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen<br />

umgewandelt<br />

worden –5200 davon lagen in einem<br />

Milieuschutzgebiet. Das geht aus<br />

dem am Donnerstag veröffentlichten<br />

Jahresbericht über die Folgen der<br />

sogenannten Umwandlungsverordnung<br />

hervor, den die Senatsverwaltung<br />

für Stadtentwicklung vorgelegt<br />

hat.<br />

Mitder Verordnung, die seit März<br />

2015 gilt, wurde die Umwandlung<br />

von Miet- in Eigentumswohnungen<br />

in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig.<br />

Ziel ist, Mieter nach<br />

einem Verkauf der Wohnung besser<br />

vor Eigenbedarfskündigungen zu<br />

schützen. Verhindert wird die Umwandlung<br />

von Miet- in Eigentumswohnungen<br />

dadurch aber nicht. So<br />

müssen die Ämter eine Umwandlung<br />

gestatten, wenn die Eigentümer<br />

erklären, dass sie die Wohnungen<br />

sieben Jahre lang nur den Mietern<br />

zum Kauf anbieten. DerAnteil dieser<br />

Begründung lag laut dem Bericht im<br />

Jahr 2018 bei 98 Prozent –mit steigender<br />

Tendenz.<br />

Im Vergleich zum Jahr 2017 hat<br />

sich die Zahl aller umgewandelten<br />

Wohnungen inBerlin laut dem Bericht<br />

um 21 Prozent verringert. In<br />

den Milieuschutzgebieten ging die<br />

Zahl der Umwandlungen um 33 Prozent<br />

zurück. Insgesamt gibt es in<br />

Berlin derzeit 58 Milieuschutzgebiete.<br />

Dort leben mehr als 887 000<br />

<strong>Berliner</strong> in 464 000 Wohnungen.<br />

Stadtentwicklungssenatorin Katrin<br />

Lompscher (Linke) bewertet die<br />

Entwicklung positiv.Die Verordnung<br />

sei eines der wichtigsten Instrumente,<br />

umdie Bewohner vor Verdrängung<br />

zu schützen. Siesolle deshalb<br />

um weitere fünf Jahre bis März<br />

2025 verlängertwerden.<br />

DerMieterverein kritisiertdie bestehende<br />

Ausnahmeregelung, die<br />

Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen<br />

in Milieuschutzgebieten<br />

ermöglicht. In sehr vielen dieser<br />

Fälle kauften Eigentümer die<br />

Mieter aus der Wohnung und vermieteten<br />

diese an einen kaufwilligen<br />

Haushalt mit hohem Einkommen.<br />

So werde der Milieuschutz am Ende<br />

konterkariert. Die Bundesregierung<br />

müsse die Ausnahme aus dem Baugesetzbuch<br />

streichen.<br />

In Zukunft soll die <strong>Berliner</strong> Polizei Verdächtige abhören und orten dürfen.<br />

Keine Fußfesseln, aber Überwachung<br />

Nach anderthalb Jahren Streit nähert sich Rot-Rot-Grün beim Sicherheitsgesetz einer Einigung.<br />

VonAnnika Leister<br />

Der Knoten ist endlich geplatzt,<br />

eine Einigung ist<br />

in Sicht. Anderthalb<br />

Jahrelang hat die rot-rotgrüne<br />

Koalition um die Novelle zum<br />

Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz<br />

(ASOG) gerungen. Dabei<br />

haben sich SPD,Linke und Grüne<br />

heftig zerstritten und die Verhandlungen<br />

mit taktischen Spielchen<br />

zwischenzeitlich fast ganz zum Erliegen<br />

gebracht.<br />

Es geht um Polizeirechte und Sicherheit<br />

auf der einen, um Bürgerund<br />

Freiheitsrechte auf der anderen<br />

Seite. Gerade in einer linken Koalition<br />

ist das keine einfache Aufgabe,<br />

besonders hart prallten in den Verhandlungen<br />

die Vorstellungen der<br />

Linken und der SPD aufeinander.<br />

Die SPD wollte nach dem Terroranschlag<br />

auf dem Breitscheidplatz<br />

2016 den Ermittlungsbehörden weitreichende<br />

Befugnisse erteilen und<br />

forderte unter anderem Telefonüberwachung,<br />

den finalen Rettungsschuss<br />

und elektronische Fußfesseln<br />

für Gefährder. Die Linken lehnen<br />

mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden<br />

traditionell ab.<br />

Jetzt haben zumindest die innenpolitischen<br />

Sprecher der drei Fraktionen<br />

im Abgeordnetenhaus mit Innensenator<br />

Andreas Geisel (SPD) in<br />

vielen Punkten Kompromisse gefunden.<br />

Bevor das Gesetz geschrieben<br />

werden kann, müssen die Fraktionen<br />

dem vonihnen erarbeiteten Beschlussvorschlag<br />

allerdings noch zustimmen<br />

– und ob diese Zustimmung<br />

in allen Punkten erfolgen<br />

wird, ist nicht sicher.Denn das Paket<br />

ist, das bestätigen dieVerhandler aus<br />

allen Parteien, ein echter Kompromiss,<br />

bei dem jede Partei ein paar<br />

Kröten schlucken muss.<br />

Die wichtigsten, bisher bekannten<br />

Punkte: Finaler Rettungsschuss<br />

und elektronische Fußfesseln sind<br />

gestrichen, ebenso die Videoüberwachung<br />

an kriminalitätsbelasteten<br />

Orten –alles drei Wünsche der SPD.<br />

Die Telekommunikationsüberwachung<br />

(TKÜ) zur Gefahrenabwehr<br />

soll hingegen kommen. Berlin<br />

ist zurzeit das einzige Bundesland,<br />

das die TKÜ noch nicht anwendet.<br />

Ein kritischer Punkt für Linke wie<br />

Grüne, sie rangen vor allem um die<br />

genaue Umsetzung. Stille SMS, mit<br />

denen die Polizei Verdächtige orten<br />

und Bewegungsprofile erstellen<br />

kann, lehnte die Verhandlungsrunde<br />

am Ende ab –wie vonden Linken gefordert.<br />

Eingesetzt werden können sollen<br />

aber sogenannte IMSI-Catcher, mit<br />

denen ebenfalls Standorte von Verdächtigen<br />

bestimmt und ihre Telefongespräche<br />

zugleich abgehört<br />

werden können. Vor allem in der<br />

Grünen-Fraktion könnte das auf Ablehnung<br />

stoßen. Denn im Gegensatz<br />

zur Stillen SMS erfassten die Catcher,<br />

die an einer Funkzelle angebracht<br />

werden, auch alle Handynummern<br />

in der direkten Umgebung, erklärt<br />

der innenpolitische Sprecher der<br />

Ökopartei, Benedikt Lux. „Es werden<br />

immer auch Nummernvon unbeteiligten<br />

Dritten erfasst. Aus meiner<br />

Sicht ist das grundrechtsintensiver<br />

als die Stille SMS.“ Er sei nicht sicher,<br />

wie die Fraktion sich dazu verhalte.<br />

Ebenfalls mit im Kompromiss-<br />

Paket: <strong>Berliner</strong> Polizisten sollen in<br />

Zukunft Bodycam tragen. Dieaufgenommenen<br />

Bilder sollen aber nicht –<br />

wie in anderen Bundesländern –lediglich<br />

der Polizei zur Verfügung stehen,<br />

sondern auch Betroffenen und<br />

dem unabhängigen Polizeibeauftragten,<br />

der schon im Januar eingeführtwerden<br />

soll.<br />

Klare Siegpunkte von Linken und<br />

Grünen: Die umstrittene Präventivhaft,<br />

mit der die Polizei Verdächtige<br />

festsetzen kann, auch wenn sie noch<br />

gar keine Straftaten begangen haben,<br />

soll zukünftig vonvier Tagen auf<br />

zwei Tage verkürzt werden. An sogenannten<br />

kriminalitätsbelasteten Orten<br />

–inBerlin zählen dazu zum Beispiel<br />

Alexanderplatz und Görlitzer<br />

Park –hat die Polizei weiterhin mehr<br />

Rechte als an anderen Orten, soll<br />

IMAGO/KAI HORSTMANN<br />

aber in Zukunft Menschen nicht<br />

mehr wegen des Verdachts auf „Verstoß<br />

gegen aufenthaltsrechtliche<br />

Strafvorschriften“ kontrollieren dürfen.<br />

Das befördere rassistisch motivierte<br />

Kontrollen, kritisieren Linke<br />

und Grüne seit Langem. Außerdem<br />

soll der Einsatz von V-Männern des<br />

Verfassungsschutzes in Zukunft von<br />

einem Richter abgesegnet werden.<br />

Nach Wunsch der Grünen sollen<br />

die Fraktionen rasch über das Paket<br />

entscheiden, das Gesetz soll dann im<br />

Januar geschrieben, noch im Februar<br />

eingebracht und im Juni beschlossen<br />

werden. „Wir stehen Millimeter<br />

vor einer Einigung“, sagt Benedikt<br />

Lux. Zurückhaltender äußern<br />

sich da noch die Gegenpole Linke<br />

und SPD: Man sei „vorsichtig, vorsichtig<br />

optimistisch“, sagt Niklas<br />

Schrader.Esfolge jetzt die Textarbeit,<br />

er wage keine Prognose,wie lange sie<br />

dauere. Frank Zimmermann, Innenexperte<br />

der SPD –die vonihrem ausladenden<br />

Wunschzettel vieles streichen<br />

musste –sagte lediglich: „Nach<br />

intensiven Beratungen haben wir einen<br />

Kompromiss gefunden. Alles<br />

anderemüssen wir abwarten.“<br />

Annika Leister<br />

findet die Kompromisse<br />

recht gelungen.<br />

Razzia in Bars<br />

und bei<br />

einem Friseur<br />

Polizisten und Bezirksamt<br />

machten Geschäfte dicht<br />

Erneut haben Polizei und andere<br />

Behörden einen Einsatz gegen<br />

Clans und Geldwäsche gefahren. Polizisten<br />

und Mitarbeiter verschiedener<br />

Behörden kontrollierten am<br />

Mittwochabend in Neukölln mehrere<br />

Bars und Cafés. Insgesamt sieben<br />

Lokalitäten bekamen Besuch<br />

von Beamten des Polizeiabschnitts<br />

55, Mitarbeitern des Zolls und des<br />

Bezirksamtes.<br />

Laut Polizei stellten die Kontrolleureinjeeinem<br />

Café in der Flughafen-<br />

und der Karl-Marx-Straße Drogenhandel<br />

fest. Sie beschlagnahmten<br />

35 Verkaufseinheiten Cannabis<br />

und eineVerkaufseinheit Kokain. Die<br />

Polizei machte beide Lokale dicht.<br />

In sechsvon sieben kontrollierten<br />

Lokalen stellten die Beamten Ordnungswidrigkeiten<br />

fest: Verstöße gegen<br />

das Jugendschutzgesetz, die<br />

Spielverordnung, das Sozialgesetzbuch<br />

und die Preisverordnung. Neben<br />

Drogen wurden unversteuerte<br />

Zigaretten, eine vierstellige Summe<br />

Geld und gefälschte Markenbekleidung<br />

beschlagnahmt.<br />

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Karriere<br />

DerTon machtdie Musik:<br />

WieSie Kritik richtigäußern<br />

Kein Zuckerschlecken:<br />

DieAusbildung zum Pferdewirt<br />

InsVisier der Polizei sind auch die<br />

sogenannten Barbershops geraten –<br />

Friseurläden, die wie Pilze aus dem<br />

Boden schießen, und in denen die<br />

meisten Inhaber keinen Meisterbrief<br />

haben. Die Läden dienen oft der<br />

Geldwäsche. Einen solchen Laden<br />

suchten Polizisten am Mittwoch in<br />

der Schöneberger Dominicusstraße<br />

Laden auf. Nach Angaben der Polizei<br />

hat der Betreiber weder eine Konzession<br />

noch den Meisterbrief. Als die<br />

Beamten den Laden betraten, versuchte<br />

einer der Mitarbeiter, ein 25-<br />

jähriger Mann, zu flüchten.<br />

Dies verhinderten die Polizisten.<br />

Es stellte sich heraus, dass er illegal<br />

nach Berlin eingereist war und keine<br />

Arbeitserlaubnis hat. Die Polizisten<br />

schlossen den Laden und leiteten Ermittlungsverfahren<br />

ein. (kop.)<br />

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 13 *<br />

·························································································································································································································································································<br />

Berlin<br />

Ohne Plastik, Tiere und Clown Zippo<br />

BERNHARD PAUL<br />

steht in der am Donnerstagabend im<br />

Tempodrom mit der Premiere eröffneten<br />

aktuellen Saison von seinem<br />

Roncalli-Weihnachtscircus selbst<br />

nicht in der Manege,obwohl sich das<br />

<strong>Berliner</strong> Publikum sicher über Auftritte<br />

von Clown Zippo („Bienchen,<br />

Bienchen –gib mir Honig!“) gefreut<br />

hätte.Die Familie des Chefs ist allerdings<br />

wieder gut im Programm vertreten.<br />

Seine drei Kinder Vivi, Lilli<br />

und Adrian treten mit eigenen Nummern<br />

auf und zeigen auch eine gemeinsame.<br />

Diese waghalsige Rollschuh-Nummer,<br />

die sie vor Jahren<br />

heimlich gemeinsam mit Jemile<br />

Martinez einstudierten, um ihren<br />

Vater damit zu überraschen, sorgt<br />

mit rasanten Nackenwirblern für<br />

Spannung im Zelt. Der 16. Roncalli-<br />

Weihnachtscircus in Berlin soll also<br />

ganz im Zeichen der kommenden<br />

Generationen stehen. Wassich auch<br />

an einigen Entscheidungen des<br />

Chefs ablesen lässt. So ist Bernhard<br />

Paul inzwischen stolz darauf, dass<br />

sein Zirkus plastikfrei ist und ohne<br />

Tiere anreist. Sein Zirkus trotzt der<br />

Sterbewelle der Branche, der Chef<br />

hat auch eine Ahnung, warum es so<br />

ist. Roncalli bietet eine Show für alle:<br />

„Kleine Kinder und Intellektuelle lachen<br />

bei uns an denselben Stellen.“<br />

DOLLYBUSTER<br />

liebt Zirkusbesuche: „Das ist doch<br />

immer sehr lustig hier!“ Über die Bewirtung<br />

ihrer Gäste zu Weihnachten<br />

muss der ehemalige Pornostar sich<br />

dieser Tage keine Gedanken mehr<br />

machen: „Das habe ich schon alles<br />

bei Bofrost bestellt.“ Allerdings gibt<br />

Dana Golombek ließ sich in der Pause<br />

überraschen.<br />

CHRISTIAN SCHULZ<br />

es ein Problem mit den Gänsekeulen:<br />

„Die werden nicht reichen, denn<br />

es wurde nur eine Packung geliefert.<br />

Da werde ich wohl mit Entenkeulen<br />

mischen müssen.“<br />

von Andreas Kurtz<br />

ak@andreaskurtz.net<br />

Der Roncalli-Weihnachtscircus feiert<br />

mit viel Prominenz seine Premiere.<br />

Die Kinder von Gründer Bernhard Paul<br />

stehen diesmal gemeinsam<br />

in der Manege<br />

MURIEL BAUMEISTER<br />

gehört schon lange zu den Roncalli-<br />

Stammgästen. Weil ihre Eltern mit<br />

Richard Hirzel, besser bekannt als<br />

Clown Pic, befreundet waren, durfte Roncalli-Gründer Bernard Paul mit seinen KindernVivi, Lili und Adrian CHRISTIAN SCHULZ<br />

Kam ebenfalls zu Roncalli: Martina Gedeck.<br />

IMAGO<br />

sie als Kind hinter die Kulissen<br />

schauen. Undwurde bei dieser Gelegenheit<br />

vom Zirkusvirus infiziert.<br />

Eine Begeisterung, die die Schauspielerin<br />

an ihre Kinder weitergegeben<br />

hat. „Für uns gehört Roncalli<br />

einfach zuWeihnachten.Voriges Jahr<br />

war die Premieresospät und wir waren<br />

schon nicht mehr in der Stadt –<br />

da hat uns wirklich was gefehlt.“ Die<br />

Schauspielerin kam in bester Laune<br />

ins Tempodrom: „Ich bin richtig gut<br />

drauf, denn ich bin dieses Jahr zur<br />

Bestsellerautorin geworden.“ Ihr<br />

Buch „Hinfallen ist keine Schande,<br />

nur Liegenbleiben“ verkauft sich mit<br />

Schwung. Ob deshalb dieses Weihnachten<br />

die Geschenke größer werden?<br />

Sielacht:„Nein, derVerlag rechnet<br />

erst im Maiab.“<br />

MICHAEL PREETZ<br />

kann dieser Tage besonders gut ausgehen,<br />

denn der Hertha-Manager<br />

muss nach dem Trainercoup,der die<br />

Verpflichtung vonJürgen Klinsmann<br />

war und nach zwei gewonnenen<br />

Spielen nicht mit blöden Bemerkungen<br />

rechnen. Die Roncalli-Show gefiel<br />

ihm und seinem Sohn. Komplett<br />

entspannen konnte der Papa allerdings<br />

nicht: „Samstag ist noch ein<br />

Spiel ...“ Nach dem Sieg ist vor dem<br />

Ungewissen.<br />

MARTINA GEDECK<br />

beweist sich alle Jahre wieder am<br />

Premierenabend als beste Tante der<br />

Welt, die ihren Neffen erstklassige<br />

Plätze verschafft. Der sechsjährige<br />

Theo und Anton, der schon zwölf ist,<br />

hatten Spaß. Tantchen aber auch:<br />

„Ich habe es als Kind geliebt, in den<br />

Zirkus zu gehen.“ Sie als Schauspielerin<br />

interessiertauch, was die Kollegen<br />

in der Manege machen: „Das ist<br />

immer auf sehr, sehr hohem Niveau.“<br />

Schauspielerin Dana Golombek<br />

freute sich in der Pauseübereine gelungene<br />

Überraschung im Programm:<br />

„Ich bin voll darauf reingefallen.<br />

Das war aber auch gut gemacht!“<br />

©emperorcosar -stock.adobe.com<br />

Bratislava<br />

Wien -Budapest<br />

Lernen Sie die schönsten Städte der<br />

Habsburger Monarchie kennen. Lange<br />

Zeit galten die Städte dieser Reise als<br />

die Perlen in der Krone der österreichungarischen<br />

Monarchie. In Bratislava<br />

wurden Könige gekrönt, in Budapest<br />

feierlich Verträge mit ungarischen Magnaten<br />

unterzeichnet und Wien zog mit<br />

der alljährlichen Ballsaison Hunderte an,<br />

die auf eine Audienz beim Kaiser hofften.<br />

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14 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Berlin<br />

Schloss Charlottenburg<br />

Noch glänzen die Äpfel grün im Karton,<br />

doch bald schon sind sie von einer roten<br />

Glasur überzogen oder in dunkle Schokolade<br />

getaucht. Udo Wilms, 73, stellt die<br />

kleine Ladung Granny Smith auf der Ablage<br />

am Stand ab. Es ist Mittag und Vorbereitungszeit.<br />

In zwei Stunden ist der Osnabrücker<br />

wieder für die weihnachtlichen Düfte<br />

zuständig: Gebrannte Mandeln, Cashewnüsse,<br />

Macadema sowie Schokoladenfrüchte<br />

sind sein Geschäft.<br />

Wilms ist ein freundlicher Mann, mit<br />

nach hinten gekämmtem, dichtem, weißem<br />

Haar und dunkler Brille. Inseiner Outdoor-<br />

Jacke und dem Karohemd sieht er sportlich<br />

aus.Man könnte meinen, er ist zum Spaziergang<br />

ans Schloss Charlottenburg gekommen.<br />

Doch die kleinen Alleen mit den Buden<br />

am Barockschloss sind sein Arbeitsplatz –für<br />

die knapp fünf Wochen Weihnachtsmarkt.<br />

Seit mehr als 50 Jahren ist Wilms auf Jahrmärkten<br />

und Kirmessen unterwegs. Mit 19<br />

fragte er auf einem Rummel in Osnabrück,<br />

ob am Bierstand eine Aushilfe gebraucht<br />

werde. Der Chef, der noch ein halbes Jahr<br />

Udo Wilms ist seit 50 Jahren auf Jahrmärkten unterwegs.<br />

Die Mandeln brennt er selbst<br />

jünger war als er, stellte ihn ein und so begann<br />

ein Leben im Tross vonFahrgeschäften<br />

und Losbuden, zumeist in Niedersachsen<br />

und Nordrhein-Westfalen. In Berlin arbeitet<br />

Wilms seit 2008. Und wie ist die <strong>Berliner</strong><br />

Kundschaft? „Freundlich, außer denen, die<br />

aus Spandau kommen“, sagt er mit einem<br />

Lachen. „Was –vier Euro für die Mandeln?<br />

Diesind in Spandau billiger“, hieße es dann.<br />

DiePreise findet Wilms ganz und gar nicht<br />

zu hoch. Der Einkauf sei schon teuer und<br />

dann würden die Früchte ja auch verarbeitet.<br />

Er brennt die Mandeln und überzieht die<br />

Früchte mit heißer Schokolade,indem Stand<br />

wirdalles vorOrt frisch hergestellt. DieNussbrennmaschine<br />

steht direkt neben der Eingangstür<br />

zur Bude. Kupferfarben glänzt die<br />

innere Beschichtung. Die Arbeit ist schwer,<br />

denn bei der Röstung wird den Nüssen Wasser<br />

entzogen, das aufsteigt und die Haut an<br />

den Händen zum Platzen bringt. Wilms zeigt<br />

die kleinen Wunden an seinen Fingern. Sie<br />

werden erst nach Weihnachten heilen.<br />

Aber so ist das eben. Dennoch findet er<br />

seine Arbeit normal. „Es ist immer der gleiche<br />

Trott“, sagt er. Ein Job, doch einer, von<br />

dem er auch als Rentner nicht leicht wegkommt.<br />

Wenn der Chef ihn braucht, ist er<br />

da. „Aber nur noch im Winter“, betont er.<br />

Zu Hause wartet seine Frau. Anders als<br />

viele andere Menschen, die auf Jahrmärkten<br />

arbeiten, hat Wilms Familie. Als er mal<br />

wieder in Osnabrück Station machte, ging<br />

er nach der Arbeit in die Disco und fand<br />

sein Glück.<br />

Eine Seltenheit –vor allem, dass die Ehe<br />

gehalten hat. An Weihnachten kommt seine<br />

Frau nach Berlin und die beiden feiern zusammen.<br />

Kochen wollen sie nicht, aber das<br />

ist ein Problem, denn am 24. Dezember hat<br />

kaum ein Restaurant geöffnet. „Letztes Jahr<br />

waren wir in der Himmelspagode –das war<br />

sehr schön“, sagt er.Bis nach Hohen Neuendorfmussten<br />

die beiden fahren.<br />

Seit elf Jahren dasselbe Spiel. Fast ist<br />

Wilms zum Heiligabend-Restaurant-Experten<br />

geworden. Es ist der einzige Tag, an dem<br />

er mal was vonBerlin sieht. „Ich war auf dem<br />

Fernsehturm, sonst nirgends“, sagt er. Und<br />

jetzt muss er dringend weiter vorbereiten.<br />

Im<br />

Kalten<br />

für<br />

wohlige<br />

Stunden<br />

Breitscheidplatz<br />

Gendarmenmarkt<br />

Fernweh an den<br />

Kashmirschals<br />

Anna-Maria Buchmann jobbt am Breitscheidplatz.<br />

Wichtelmänner zur Studienfinanzierung<br />

Die beiden Frauen aus Marseille haben<br />

keinen Platz im Koffer für einen Kerzenhalter<br />

mit aufgesetztem Mobile.„Wirwürden<br />

es gern nehmen, können es aber nicht transportieren“,<br />

sagen sie bedauernd. Gut, dass<br />

Anna-Maria Buchmann, 21, fließend Französisch<br />

spricht. Sie zeigt den Frauen die<br />

schmale Verpackung der Tischdekoration<br />

und die beiden greifen zu. Neben ihnen steht<br />

eine junge Familie aus Italien, die ein buntes<br />

Gläschen für ein Teelicht ersteht. Rechts am<br />

Stand prüft ein älteres Ehepaar die Gewürzduftkerzen.<br />

Buchmanns Stand hat eine Toplage auf<br />

dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz:<br />

Er befindet sich kurz hinterm Zugang vom<br />

Europacenter auf der Seite des Tauentzien.<br />

Hier kommt fast jeder vorbei und das bunte<br />

Meer aus farbigen Lichternvor dunklem Hintergrund<br />

zieht viele an. Das ist gut für die<br />

junge Studentin mit grünen Augen und hochgesteckten<br />

Haaren, die hier arbeitet. Wenn<br />

das Geschäft gut läuft, kann sie nach Abschluss<br />

des Markts auf eine Provision hoffen.<br />

Doch bis dahin ist es noch lange hin, denn<br />

der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz<br />

hat bis zum 6. Januar geöffnet. Buchmann ist<br />

nur am Wochenende und einen Taginder<br />

Woche am Stand. Sie studiert Ökolandbau<br />

und Vermarktung in Eberswalde. „Mein<br />

Wunsch ist es, einen Bauernhof zu haben“,<br />

sagt sie. Ihr erstes Studium brach sie ab und<br />

ging für ein freiwilliges Jahr nach Frankreich,<br />

wo sie auf einem Ökobauernhof arbeitete.<br />

„Früher habe ich mir gesagt: Wenn ich älter<br />

bin, ziehe ich aufs Land“, sagt sie. Nach der<br />

Zeit in Frankreich wusste sie: Diesen Wunsch<br />

will sie sich soforterfüllen.<br />

Das Jobben zwischen Leuchtgläsern und<br />

Mützenwichtelkerzen ist wichtig, damit das<br />

klappt. Buchmann bekommt nur das Kindergeld<br />

zum Studium dazu. Undsosteht sie hinter<br />

dem Stand und achtet darauf, ob ein<br />

Kunde Hilfe braucht oder nur gucken will.<br />

„Ich bin niemand, der die Leute zuquatscht“,<br />

sagt sie. Erst wenn sie das Gefühl habe, dass<br />

jemand ihre Beratung möchte, klinkt sie sich<br />

ein.<br />

Zwei Engländerinnen sind an den Gewürzkerzen<br />

interessiert. Buchmann nimmt<br />

eine aus dem Regal hinter ihr und hält sie den<br />

Frauen zum Schnuppern hin. „Very Christmassy!“,<br />

freuen die sich und nehmen eine.Als<br />

sie weiterziehen, bleibt Buchmann fröstelnd<br />

zurück. Sie hustet und schnupft –eine Erkältung<br />

aus der erstenWoche des Markts.„An die<br />

Kälte werdeich mich nie gewöhnen“, sagt sie.<br />

Auch wenn es im Boden Heizplatten gibt.<br />

Wenn sie dicke Schuhe trägt, merkt sie davon<br />

nichts.<br />

Immer wieder treten Kunden an den<br />

Stand. Das lenkt ab. Einige fragen nach dem<br />

Anschlag vor drei Jahren. „Das ist häufig ein<br />

Thema.“ Auch die Polizeipräsenz fällt den Besuchernauf.<br />

Es ist kein Weihnachtsmarkt wie<br />

die anderen. Dafür sprechen auch die großen<br />

Barrieren, die überall aufgebaut worden sind.<br />

Kein einfacher Ort zum Arbeiten, aber<br />

Anna-Maria Buchmann macht das Beste<br />

draus. Sie erinnert sich an schöne Momente<br />

im vergangenen Jahr, ihrem ersten Jahr am<br />

Kerzenstand.„An Silvester gab es auf dem Europacenter<br />

ein Riesenfeuerwerk“, erzählt<br />

Buchmann. Dicht an dicht hätten die Menschen<br />

gestanden und in die Höhe geblickt.<br />

Ihre Freunde waren gekommen, um mit ihr<br />

das neue Jahr zu begrüßen. Das ist ein Moment,<br />

der ihr in Erinnerung bleiben wird.<br />

Majid Sultani verkauft Feines aus Wolle und Seide.


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 15<br />

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Berlin<br />

Kulturbrauerei<br />

Der Glühwein wärmt, die<br />

Pilzpfanne brutzelt und der Duft<br />

der Lebkuchen weht einem um die<br />

Nase. Doch wer sind eigentlich die<br />

Menschen, die uns auf den<br />

Weihnachtsmärkten der Stadt bis<br />

zum Fest und mancherorts auch<br />

darüber hinaus diese schönen<br />

Stunden bereiten? Die den ganzen<br />

Taginder Kälte stehen und immer<br />

ein freundliches Wort haben.<br />

Wirstellen auf dieser Doppelseite<br />

fünf von ihnen vor<br />

VonMechthild Henneke(Text)<br />

und Thomas Uhlemann (Foto)<br />

Petra Sauerzapf ist eigentlich Übersetzerin.<br />

Finnischer Glögi mit spanischem Rotwein<br />

Es muss nicht immer Schreibtischarbeit<br />

sein, dachte sich Petra Sauerzapf vor gut<br />

15 Jahren und begann, in Finnland nach einem<br />

Rezept für ein Weihnachtsmarktgetränk<br />

zu suchen. „Dort gibt es in jedem Dorf, bald<br />

jeder Familie eigene Rezepte für den Glögi,<br />

den finnischen Glühwein“, sagt sie. Häufig<br />

sind das Beerensäfte, die mit Hochprozentigem<br />

vermischt werden. Die 61-Jährige kennt<br />

sich in dem Land bestens aus, denn sie ist<br />

Dolmetscherin und Übersetzerin für die<br />

Sprache. Eine finnische Freundin verriet ihr<br />

schließlich das Rezept ihrer Oma und damit<br />

kehrte Sauerzapf zufrieden nach Berlin zurück.<br />

Ausder Idee,mal was anderes zu machen,<br />

wurde ein Plan. Die große, blonde Frau holte<br />

ein paar Freunde an den Küchentisch. Sietesteten<br />

das feine Gesöff aus dem Norden und<br />

befanden es für gut. Bald war eine feste<br />

Gruppe gegründet, die gemeinsam auf dem<br />

Lucia-Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei<br />

inPrenzlauer Berg einen Glögi-Stand eröffnete.<br />

„Inzwischen sind wir zwölf Leute“,<br />

sagt Sauerzapf. DieSchichten werden geteilt,<br />

genauso wie der Gewinn.<br />

Der Glögi schmeckt würzig, ist aber nicht<br />

zu kräftig. Manhat den Eindruck, sein Aroma<br />

ist differenzierter,natürlicher als beim klassischen<br />

Glühwein. Drei Euro kostet ein Glas,<br />

mit Schuss sind es vier.Die Basis für den Glögi<br />

bildet spanischer Rotwein. Die Gewürzzutaten<br />

sind nicht viel anders als beim Glühwein:<br />

Ingwer,Vanille, Zitronen- und Orangenschalen,<br />

Zimt, Nelken, Kardamom und Sternanis.<br />

DieMischung macht’s und die wirdnatürlich<br />

nicht verraten, sagt Sauerzapf. Die Spirituosen<br />

für den Schuss sind ungewöhnlich: finnischer<br />

Likör aus Multebeere, Moosbeere oder<br />

Blaubeere, finnischer Wodka, Salkmiak- oder<br />

Minz-Likör.<br />

Da kann man sich schon durch einige Gläser<br />

durchprobieren. Am Stand herrscht Betrieb.„Wirdachten,<br />

wir machen das ein, zwei<br />

Jahre und dann ist es das“, sagt Sauerzapf.<br />

Weit gefehlt –seit 2004 ist der Glögi-Stand fester<br />

Teil des Lucia-Weihnachtsmarkts. „Der<br />

Glögi hat eine super Qualität. Er schmeckt<br />

sehr rein“, sagt ein Kunde. Dieses Kompliment<br />

freut Sauerzapf besonders. Schließlich<br />

geben sich die Freunde größte Mühe, den<br />

besten Glögi hinzubekommen. „Wir setzen<br />

uns in die Küche und probieren, bis wir lustig<br />

sind“, sagt Sauerzapf. Tetrapaks verwenden<br />

die Freunde keine. Der Glögi wird jedes Jahr<br />

neu angesetzt und schmeckt deshalb auch<br />

immer ein bisschen anders.Hinter Sauerzapf<br />

stehen drei große, weiße Kanister am Boden,<br />

die mit roter Flüssigkeit gefüllt sind. „An einem<br />

Samstag können schon mal 14 20-Liter-<br />

Kanister leer werden“, verrät sie.Das sind 280<br />

Liter oder 1400 Gläser. Kein schlechtes Geschäft.<br />

Kommt der Januar,werden aus den Glögi-<br />

Verkäufernwieder Rentner,Reisebüro-Mitarbeiter,<br />

Studenten oder eben Übersetzer für<br />

finnische Sprache.Der Elchkopf an der Rückwand<br />

des Stands und die Weihnachtsdeko<br />

aus dem fernen Norden wandern ineinen<br />

Karton. Bis Ende November ist wieder Bürojob<br />

angesagt, aber es kommt die Zeit, da wird<br />

in der Küche der Glögi gekocht.<br />

Ist es wegen der Schals oder ist<br />

es wegen Majid Sultani, dass<br />

die Menschen stehenbleiben?<br />

Aufjeden Fall fragt eine Besucherin<br />

des Weihnachtsmarkts am<br />

Gendarmenmarkt, ob sie ein<br />

Foto von dem 59-Jährigen machen<br />

dürfe. Der Mann aus Kashmir<br />

in Nord-Indien ist ein Hingucker<br />

–mit seinem langen, grauschwarz<br />

gelockten Bart und den<br />

blitzenden, dunklen Augen unterm<br />

Lederhut. Sultani weiß das<br />

und lässt die Frau das Foto schießen,<br />

„weil sie so freundlich gefragt<br />

hat“. Er ist schließlich auf<br />

dem Markt, um Geschäfte zu machen<br />

und nicht um die Passanten<br />

optisch zu beglücken.<br />

Vermutlich ist es das Gesamtpaket,<br />

das die Frau begeistert.<br />

Vor Sultani liegen Hunderte<br />

Schals aus feiner Wolle und Seide<br />

ausgebreitet, in allen Farben, die<br />

die Palette hergibt: von Purpur<br />

über Südsee-Blau bis zu Cremeweiß.<br />

Es ist schwer sich loszureißen,<br />

die Hände greifen nach den<br />

Schals, obwohl kleine Schilder<br />

warnen: Nicht berühren! Do not<br />

touch! Der Besuch an seinem<br />

Stand hat etwas Sinnliches. Sind<br />

wir noch in Berlin? Reiselust wird<br />

geweckt nach fernen Ländern<br />

mit Märkten und Bazaren.<br />

Und dann noch die Kälte! Sie<br />

fordert einen geradezu dazu auf,<br />

den altbekannten Schal, der<br />

vorm Rausgehen achtlos um den<br />

Hals geschlungen wurde, durch<br />

feines Webgut vonSultanis Tisch<br />

zu ersetzen. „Alles kommt original<br />

aus Kashmir“, sagt er und<br />

verweist auf das Paisley-Muster<br />

im Schal, den er vor sich ausgebreitet<br />

hat. „So, wie in Europa<br />

Blumen zur Verlobung geschenkt<br />

werden, schenkt der<br />

Mann der Frau in Indien zur Verlobung<br />

einen Schal mit Paisley-<br />

Muster“, erzählt der Händler.<br />

Die Paisley-Form ähnele einer<br />

Mandel und diese sei ein typisches<br />

Hochzeitsgeschenk.<br />

Eine Amerikanerin tritt an<br />

den Tisch und wählt einen<br />

Schal, der sie durch die kalten<br />

Winter in der Hauptstadt Washington<br />

bringen soll. „Das ist<br />

sehr gut“, bestärkt Sultani sie.<br />

Die Wolle atme und dadurch sei<br />

sie angenehm zu tragen. Um<br />

den Vergleich zu Polyester deutlich<br />

zu machen, hat er einen<br />

Schal aus diesem Material hinter<br />

sich liegen, den die Kunden<br />

in die Hand nehmen dürfen, um<br />

sich zu überzeugen.<br />

Er ist ein guter Verkäufer,<br />

weiß genau, wann er Argumente<br />

bringen, wann er schweigen<br />

muss. Die Preise sind ordentlich:<br />

zwischen 25 und 150 Euro<br />

liegen sie. Ein handgestickter<br />

Schal mit Blumenmuster bringt<br />

den höchsten Preis. Wer über<br />

100 Euro anlegt, bekommt<br />

schon ein kleines Kunstwerk,<br />

das sicher an jedem Hals bewundert<br />

wird. Ein Beamter aus<br />

einer nahen Behörde gesteht,<br />

dass er jedes Jahr bei Sultani<br />

zwei, drei Schals für seine Frau,<br />

den Sohn oder sich selbst kauft.<br />

Sultani hat seine Berufung<br />

gefunden. Vor einem Vierteljahrhundert<br />

kam er, verliebt in<br />

eine Deutsche, nach Berlin. Er<br />

probierte sich im Einzelhandel,<br />

auf Baustellen, in einer Tischlereiund<br />

sogar in einem Kraftwerk<br />

aus. Nirgends war er so zufrieden<br />

und erfolgreich wie hinter<br />

dem Marktstand, den er seit<br />

mittlerweile 17 Jahren betreibt.<br />

Gibt es Schals, die er ungern<br />

hergäbe? „Ja, drei“, sagt Sultani<br />

und lacht. Die hat er zu Hause.<br />

Sie hängen als Dekoration an<br />

seiner Wand –so, wie das in Indien<br />

mit besonders wertvollen<br />

Stücken üblich ist.<br />

Vladimir Krivickij bietet das russische Kinderspielzeug an.<br />

Matrjoschkas, die Geschichten erzählen<br />

Die Armee aus Lindenholz ist bunt und<br />

sieht die Passanten magnetisch an.<br />

Kleine und große Püppchen, in Rot, Türkis,<br />

Dunkelblau, Grün und Gelb stehen aufgereiht<br />

auf der Etalage.ZweiTage brauchtVladimir<br />

Krivickij, 57, um die Truppen in Stellung<br />

zu bringen. Es sind aber keine Soldaten, die<br />

auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz<br />

neben U-Bahn-Eingang und Straßenbahnschienen<br />

in Reih und Glied stehen. Es<br />

sind kleine Matrjonas, Mütterchen, auf Russisch:<br />

Matrjoschkas.<br />

Siewecken Glücksgefühle und Erinnerungen<br />

und das ist Krivickij durchaus bewusst.<br />

Seine Auslage trifft die Nostalgischen, die<br />

Mütter und Großmütter, die Liebhaberinnen<br />

und Liebhaber russischer Märchen an ihrer<br />

empfindlichsten Stelle: der Sehnsucht nach<br />

dem Einfachen und Schönen.<br />

Vor mehr als 100 Jahren tauchten die<br />

Matrjoschkas zum ersten Mal auf. Ende des<br />

19. Jahrhunderts entwarfen zwei russische<br />

Künstler sie, inspiriert von japanischem<br />

Spielzeug. Die Idee mit der Puppe, inder<br />

Puppe, inder Puppe war allerdings original<br />

russisch. Auf Krivickijs Tisch gibt es Varianten<br />

von vier bis 13 Püppchen, die ineinander<br />

stecken. Sie kosten zwischen sieben<br />

und 390 Euro.<br />

Die teuersten sind sehr groß und haben<br />

wunderschöne Blumen auf ihrem Kleid.<br />

„Daran kann man erkennen, woher die<br />

Puppen stammen. Dieses Muster ist typisch<br />

für die Stadt Kirow“, sagt er und zeigt auf die<br />

aufgeblühten Rosen. Eine andere Puppe<br />

trägt ebenfalls eine Rosendekoration –doch<br />

die Blätter sind anders gestaltet. „Das ist typisch<br />

für Semjonow bei Nischni Nowgorod.“<br />

Fragt man ihn, ob mehr Kinder oder Erwachsene<br />

mit den Matrjoschkas spielen,<br />

sagt er vage: „Fünfzig –fünfzig.“ Krivickij<br />

legt sich ungern fest. Der Russe kam vor 15<br />

Jahren nach Deutschland, versuchte sich in<br />

russischen Lebensmitteln, hat Bonbons auf<br />

Märkten verkauft, Geschenkartikel, Socken<br />

oder Taschen. „Dann habe ich gemerkt: Die<br />

Matrjoschkas sind besser“, erzählt er.<br />

Er spezialisierte sich auf das Kinderspielzeug<br />

und importiertesaus Kirow, einer Stadt,<br />

die 900 Kilometer östlich von Moskau, aber<br />

noch westlich vom Ural liegt. Dort werden<br />

Alexanderplatz<br />

handbemalte Matrjoschkas traditionell gefertigt.<br />

Undwer an dem Stand genau hinschaut,<br />

sieht, dass jedes Püppchen anders guckt und<br />

die Bäckchen mal richtig rot und mal nur<br />

leicht rosa sind.<br />

Werden Tisch genauer studiert, entdeckt<br />

auch, dass die Püppchen ganze Märchen erzählen.<br />

In einer Reihe stehen die Figuren aus<br />

dem Märchen „Die Rübe“, in dem es darum<br />

geht, dass ein Rübchen gezogen werden soll.<br />

Doch weder der Großvater, noch die Großmutter,<br />

noch ein Mädchen, noch ein Hündchen,<br />

noch ein Kätzchen schaffen es.Erst ein<br />

Mäuslein kommt auf die rettende Idee: Es<br />

müssen sich alle bei den Händen fassen und<br />

gemeinsam ziehen. So kommt die Rübe aus<br />

der Erde raus.<br />

Eine ältere Dame aus Friedrichshain beginnt<br />

zu schwelgen, als sie die Märchen-<br />

Matrjoschkas entdeckt. Die Geschichten aus<br />

alten Zeiten tauchen vorihrem inneren Auge<br />

auf. Jetzt nimmt sie erst mal eine Drei-Puppen-Variante<br />

für ihreEnkeltochter Ronja mit.<br />

„Sie ist erst zwei Jahre“, sagt sie ein bisschen<br />

entschuldigend, und fügt hinzu: „Ich kaufe<br />

das auch für mich.“


16 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Brandenburg<br />

Fischadler mit Beute: Vondiesen Tieren hat Brandenburg seit 2004 auch einige Jungvögel nach Spanien exportiert.<br />

IMAGO IMAGES<br />

„Jeder Mensch braucht einen Vogel“<br />

Serie zur Vogelwelt in Brandenburg, Teil 5: Günter Lohmann gehört zu den vielen Ehrenamtlichen, die sich um gefährdete Arten kümmern –bei ihm sind es Adler<br />

VonJens Blankennagel, Tremmen<br />

Etwas sehr Nützliches für<br />

Menschen kann auch negative<br />

Seiten für die Natur<br />

haben. Aber selbst dann<br />

lässt sich daraus etwas Gutes machen.<br />

Oder besser gesagt: Wenn eine<br />

technische Errungenschaft für Vögel<br />

eine Gefahr darstellt, muss man so<br />

lange daran arbeiten und die Verantwortlichen<br />

überzeugen, bis die Sache<br />

für die Vögel kein Problem mehr<br />

darstellt. Das jedenfalls ist die Meinung<br />

vonGünter Lohmann.<br />

Die Stromkonzerne überzeugt<br />

Der 73-Jährige steht zwischen drei<br />

Windrädern im Kreis Havelland –<br />

westlich von Berlin –und zeigt auf<br />

eine Überlandleitung am Horizont.<br />

„Die wurde bereits zu DDR-Zeiten<br />

gebaut“, sagt der Mann aus Ketzin.<br />

„Diese 380-KV-Leitung kommt aus<br />

Magdeburg, geht hier in der Nähe an<br />

Tremmen vorbei und dann weiter in<br />

Richtung Spandau. Die Leitung<br />

diente von Anfang an dazu, West-<br />

Berlin mit Strom zuversorgen.“ Das<br />

Negative ist, dass sich vor allem<br />

große Vögel wie Adler gern auf solchen<br />

Masten ihre Horste bauen. Vor<br />

100 Jahren wohnten sie meist noch<br />

in Baumwipfeln. Doch 1938 wurde<br />

erstmals in der Nähe vonTemplin in<br />

Nordbrandenburg gesehen, dass<br />

Fischadler ihr Nest auf einem Strommast<br />

angelegt hatten. Inzwischen<br />

befinden sich zwei Drittel aller<br />

Horste auf solchen Masten.<br />

Der erste Nachteil daran ist, dass<br />

die Tiere einen Stromschlag bekommen<br />

und sterben können. Der<br />

zweite Nachteil ist, dass die Horste<br />

auf den Masten oft nicht stabil genug<br />

sind und vondenWinterstürmen heruntergeweht<br />

werden. „Wir haben<br />

uns gefragt: Können wir solche Masten<br />

auch nutzen, um Vögel zu schützen,<br />

die vom Aussterben bedroht<br />

sind“, sagt Lohmann.<br />

Die Ehrenamtlichen sorgen dafür,<br />

dass stabile Nisthilfen auf den<br />

Masten gebaut werden. Es sind angeschweißte<br />

Stahlkonstruktionen<br />

mit einer Fläche von90mal 90 Zentimetern.<br />

Als Lohmann 1986 anfing,<br />

sich um die Fischadler zu kümmern,<br />

gab es gerade einmal zwei Brutpaare<br />

in seinem Revier.Die reicht vonBerlins<br />

Grenze in Spandau bis nach<br />

Sachsen-Anhalt. „Inzwischen haben<br />

wir hier im Havelland 60 Nisthilfen<br />

gebaut“, sagt er nicht ohne Stolz:<br />

„Die Zahl der Brutpaare steigerte<br />

sich über die Jahrzehnte auf derzeit<br />

Brandenburg: Drei Arten<br />

sind in dem Bundesland heimisch:<br />

Seeadler,Fischadler<br />

und Schreiadler.2013<br />

wurde auch ein Steinadler<br />

gesehen, aber nur einmal.<br />

Adler wollen bei der Aufzucht<br />

ihrer Jungen möglichst ungestörtsein.<br />

Aber ruhigeAreale<br />

gibt es immer weniger.<br />

etwa 50. Im Jahr 2019 haben wir 122<br />

Jungtieregezählt.“<br />

Lohmann sagt aber auch, dass<br />

diese Erfolge nicht nur auf das Konto<br />

der professionellen Vogelschützer<br />

vom Landesumweltamt gehen und<br />

auf das der ehrenamtlichen Vogelschützer,<br />

sondern dass die Erfolge<br />

letztlich auch den regionalen Energieversorgern<br />

zu verdanken sind.<br />

Die haben sich überzeugen lassen,<br />

dass sie einen wichtigen Beitrag<br />

beim Vogelschutz leisten können.<br />

„Unser Energieversorger, die Edis<br />

ADLER<br />

Gefährdet: Etliche Adler<br />

sterben auch auf ihrem Flug<br />

in die Überwinterungsgebiete<br />

in Afrika. Der Grund dafür:InRegionen<br />

wie der Südtürkei,<br />

in Syrien, Libanon<br />

und Ägypten gilt es für nicht<br />

wenigeJäger als Statussymbol,<br />

Greifvögel zu schießen.<br />

Auch wenn es illegal ist.<br />

Serie: In unserer Serie zeigenwir,wie<br />

gut das Land<br />

rings um Berlin für Vögel<br />

geeignet ist. Wirstellen<br />

staatliche und ehrenamtliche<br />

Vogelschützer vor.<br />

Alle Teile der Serie finden<br />

Sie im Internet unter:<br />

www.berliner-zeitung.de<br />

AG,bezahlt bei uns die Kosten für die<br />

Nisthilfen und zahlt auch für zwei<br />

Leute, die zwei Wochen im Jahr mit<br />

mir unterwegs sind und auf die Masten<br />

steigen, um die Jungtiere zuberingen“,<br />

sagt er. Der 73-Jährige darf,<br />

seit er 65 Jahreist, nicht mehr hoch.<br />

Auf die Frage, wie er zum Vogelschutz<br />

gekommen ist, erzählt Lohmann,<br />

dass er früher mal Lehrer für<br />

Biologie und Sportwar.„Ichsage immer:<br />

Jeder Mensch braucht einen<br />

Vogel, besonders wir Biologen.“ Dabei<br />

hatte er nie einenVogel zu Hause.<br />

Fischadler gehören schon immer<br />

zu seinen Lieblingsvögeln, um die er<br />

sich nun vor allem kümmert. Für<br />

diese Tiereist er in den Weiten Brandenburgs<br />

ständig unterwegs.Und er<br />

nimmt die Sache sehr ernst, obwohl<br />

er als Ehrenamtlicher dafür kein<br />

Geld bekommt. „Früher,als ich noch<br />

gearbeitet habe, konnten wir immer<br />

erst im August in den Urlaub fahren,<br />

weil dann die Brutzeit der Vögel abgeschlossen<br />

war.“<br />

Immer wenn der Winter vorbei<br />

ist, fährt erzuden Bruthilfen, kontrolliert,<br />

ob sie vom Sturm beschädigt<br />

wurden und sorgt dafür,dass die<br />

Edis-Mitarbeiter sie wieder reparieren.<br />

Ab Mitte Märzkommen die ersten<br />

Adler aus ihren Überwinterungsgebieten<br />

zurück und brüten. Lohmann<br />

schaut dann regelmäßig mit<br />

seinem Fernglas auf den Ringen<br />

nach, woher sie kommen. Er kontrolliert,<br />

ob die Jungen genügend<br />

Futter bekommen. Ob sich Jungtiere<br />

im Bindegarn von den Feldern verfangen<br />

haben und die Krallen beider<br />

Beine so verknotet sind, dass sie<br />

nicht überleben würden. Dann müssen<br />

die Knoten von Lohmanns Helfernaufgeschnitten<br />

werden.<br />

Und die Belohnung für all den<br />

Einsatz, für die Stunden im Auto und<br />

an den Nisthilfen? Lohmann lächelt<br />

und erzählt vom Beringen der Jungtiere.<br />

Siebekommen einen „Hiddensee-<br />

Ring“ vonder für Fischadler zuständigen<br />

Station auf der Ostseeinsel.<br />

Aber Lohmann bringt immer<br />

noch einen zusätzlichen Plastikring<br />

mit einer speziellen Kombination<br />

aus Buchstaben und Zahlen an.Viele<br />

Vogelfreunde haben ein Spektiv dabei,<br />

also ein starkes Fernrohr. Damit<br />

können sie auf den Ringen die Codes<br />

lesen und herausbekommen, in welchem<br />

Revier das Tier brütet.<br />

Fotos aus Westafrika<br />

„Ich bekomme immer mal Fotos zugeschickt<br />

von einem meiner Fischadler<br />

–eines wurde in Dakar aufgenommen,<br />

in Zentralafrika. Andere<br />

Adler vonmir wurden in Holland gesehen,<br />

in Belgien, in Frankreich oder<br />

im Senegal“, sagt er stolz.<br />

Die Erlaubnis, Adler zu beringen,<br />

hat er 1974 bekommen. Inzwischen<br />

hat er so 2000 Adler gekennzeichnet.<br />

Wie schätzt Günter Lohmann die<br />

eigene Arbeit und die der ungezählten<br />

freiwilligen Vogelfreunde ein.<br />

„Ganz einfach: Ohne Leute wie uns<br />

hätten sich zum Beispiel hier in dieser<br />

Region nicht so viele Fischadler<br />

angesiedelt.“<br />

Wichtige Information für unsere Anzeigenkunden:<br />

Vorgezogener<br />

Anzeigenschluss<br />

nach Weihnachten2019<br />

Erscheinungstag Anzeigenschluss Rubrik<br />

Freitag, 27.12.2019<br />

Montag, 23.12.2019, 10 Uhr<br />

JetztAnzeige buchen!<br />

Telefon: 030 2327-50, Fax: 030 2327-6697<br />

E-Mail: anzeigen@berlinerverlag.com<br />

Am 25.12 und26.12.2019<br />

erscheintdie<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> nicht.<br />

alle Rubriken<br />

Drei Polizisten waren bei Uniter<br />

Dem Verein wird vorgeworfen, Verbindungen zu Rechtsextremen zu haben<br />

VonJens Blankennagel, Potsdam<br />

InBrandenburg sind bislang drei<br />

Fälle von Polizisten bekannt, denen<br />

Verbindungen zum Verein Uniter<br />

vorgeworfen werden. Der Verein<br />

soll Verbindungen in die rechtsextreme<br />

Szene haben. Am Mittwoch<br />

hatte die Polizei-Hochschule mitgeteilt,<br />

dass ein Dozent seine Mitgliedschaft<br />

bei Uniter aufgegeben hat. Am<br />

Donnerstag gab das Polizeipräsidium<br />

bekannt, dass die Polizeiführung<br />

aktuell von keinen weiteren<br />

Mitgliedschaften weiß. Aber es habe<br />

davor zwei Fälle von Beamten mit<br />

Uniter-Verbindung gegeben.<br />

So habe eine staatliche Behörde<br />

der Polizeiführung im Sommer 2019<br />

die Mitgliedschaft eines Beamten<br />

mitgeteilt. „Nach einem Gespräch<br />

durch die Interne Revision des Polizeipräsidiums<br />

mit dem Beamten,<br />

das sofort nach Bekanntwerden seiner<br />

Mitgliedschaft mit ihm geführt<br />

worden ist, hat dieser bereits im<br />

Sommer dieses Jahres seine Mitgliedschaft<br />

gekündigt und ist damit<br />

aus dem Verein ausgetreten“, sagte<br />

Polizeisprecher Torsten Herbst.<br />

Ein zweiter Polizist gab nach einem<br />

Gespräch im Sommer die Mitgliedschaft<br />

auf. Er war damals Student<br />

an der Hochschule. Heute arbeitet<br />

er im Polizeipräsidium.<br />

Bei Uniter handelt es sich um einen<br />

Verein, der für eine Regierungskrise<br />

in Sachsen-Anhalt gesorgt hat,<br />

weil der CDU-Politiker Robert Möritz<br />

vergangene Woche einräumen<br />

musste, dass er in den Verein Mitglied<br />

war und auch 2011 als Ordner<br />

bei einer Neonazi-Demo.<br />

Der Brandenburger Dozent ist<br />

nach Angaben der Hochschule weiter<br />

im Dienst. Er ist seit 28 Jahren bei<br />

der Polizei. Er sei zu DDR-Zeiten „als<br />

Angehöriger des damaligen Ministeriums<br />

für Staatssicherheit der DDR“<br />

zum Kriminalistik-Studium an der<br />

Humboldt-Uni entsandt worden. Er<br />

lehre seit 2006 an der Polizeihochschule.Nach<br />

Angaben der Schule gilt<br />

er als allgemein anerkannt. Im Rahmen<br />

von EU-Missionen war er 2012<br />

und 2013 im Kosovo und in Georgien<br />

eingesetzt. Hochschulpräsident Rainer<br />

Grieger sagte: „Ich habe nach in-<br />

Anzeige<br />

Lesen Sie am Wochenende<br />

Reise<br />

OstseeinselGotland:<br />

Schatzkästlein im blauen Meer<br />

Auf der ManufakTour:<br />

Handwerkliche Erlebnisroute<br />

tensiven Prüfungen und persönlichen<br />

Gesprächen mit dem Dozenten<br />

bisher keine Veranlassung gesehen,<br />

ihn von seiner Aufgabe zu entbinden.“<br />

Der Mann habe erkannt, dass<br />

er seine Mitgliedschaft in demVerein<br />

aufgeben sollte.


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 17<br />

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Gesundheit<br />

Gesünder naschen<br />

Überraschende medizinische Erkenntnisse über die süßen Verlockungen unter dem Weihnachtsbaum<br />

VonMichael Timm<br />

Die bunten Teller sind gefüllt.<br />

Lebkuchen, Zimtsterne,<br />

Plätzchen und<br />

Dominosteine haben<br />

Hochsaison. Weihnachten ohne<br />

Schokolade? Undenkbar! Doch<br />

schon meldet sich das schlechte Gewissen:<br />

Nasch nicht so viel! Aber gilt<br />

das auch an den Feiertagen? Ist<br />

Naschen wirklich ungesund? Oder<br />

hat Schokolade vielleicht auch ein<br />

paar gute Seiten?<br />

Ernährungswissenschaftlerin<br />

Birgit Alteheld von der Universität<br />

Bonn beruhigt alle Leckermäuler:<br />

„Zu Weihnachten dürfen Sie ruhig<br />

mal sündigen. Genießen Sie die<br />

Schokolade. Das Naschen wirkt positiv<br />

auf die Psyche, man fühlt sich<br />

wohl. Außerdem enthält Schokolade<br />

in derTateine ganzeReihe wertvoller<br />

Substanzen, die gut für unseren Körper<br />

sind. Undwenn Siesich den Rest<br />

des Jahres vernünftig ernähren, können<br />

auch ein paar Schoko-Nikoläuse<br />

und andere Leckereien vom bunten<br />

Teller über die Feiertage nicht schaden.“<br />

Wassagt die Figur dazu?<br />

Kein schlechtes Gewissen muss man haben, wenn man bei Zimtsternund Co. in Maßen zugreift.<br />

Auch Ärzte wissen: Wenn man mal<br />

ausnahmsweise vom hohen Zuckergehalt<br />

der leckeren Knabbereien absieht<br />

und solange Diabetiker ihre<br />

Werte imGriff haben, spricht nichts<br />

gegen Schoko-Nikoläuse und andere<br />

süßeVersuchungen. In der medizinischen<br />

Fachliteratur finden sich sogar<br />

zahlreiche interessante Studien über<br />

die gesundheitlichen Vorteile von<br />

Schokolade, Mandeln und anderen<br />

Leckereien. Wenn der Zucker nicht<br />

wäre, könnte Schokolade sogar als<br />

Naturheilmittel durchgehen.<br />

Wassagt die Figur dazu? Tatsache<br />

ist: Zu viel Schokolade macht dick,<br />

denn sie besteht hauptsächlich aus<br />

Zucker und Fett. Eine 100-Gramm-<br />

Tafel hat etwa 550 Kilokalorien.<br />

Schon vier Tafeln würden den Energiebedarf<br />

eines erwachsenen Menschen<br />

decken. „Für den Körper ist es<br />

jedoch viel wichtiger, dass Sie sich<br />

zwischen Neujahr und Weihnachten<br />

gesund ernähren“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin.<br />

„Da spielt<br />

die Woche zwischen Weihnachten<br />

und Neujahr kaum eine Rolle. Außerdem<br />

gibt es Alternativen. Bitterschokolade<br />

hat zum Beispiel weniger<br />

Kalorien als weiße Schokolade,<br />

weil der Zuckeranteil geringer ist.“<br />

Dafür ist Schokolade mit einem<br />

hohen Milchanteil weniger schädlich<br />

für die Zähne. Denn Milch enthält<br />

kariesvorbeugende Substanzen<br />

wie Kasein, Kalzium und Phosphate.<br />

Allgemein gilt aber:Wegen ihres hohen<br />

Zuckergehaltes und der langen<br />

Verweildauer im Mund greift Schokolade<br />

die Zähne an.<br />

Dennoch: der Zucker liefert auch<br />

schnell verwertbare Energie. In<br />

Stresssituationen greifen viele Menschen<br />

automatisch zu einem Stück<br />

Schokolade. Heißhunger auf Schokolade<br />

–wer kennt das nicht? Und<br />

die Zähne lassen sich ganz einfach<br />

schützen: Wer sie regelmäßig und<br />

gründlich putzt, hat in der Regel<br />

nichts zu befürchten. Japanische<br />

Forscher der Universität in Osaka<br />

fanden zudem heraus: Die Schale<br />

der Kakaobohne, dem Hauptbestandteil<br />

vonSchokolade,wirkt antibakterizid<br />

und schützt vor Zahnbelägen<br />

und Zahnausfall.<br />

Medizinisch gesehen hat der Kakao<br />

noch zahlreiche weiteregünstige<br />

Eigenschaften: Schokolade enthält<br />

mehr Flavonoide als Rotwein,<br />

schützt dadurch Herz und Gefäße,<br />

kann sogar Infarkte und Schlaganfälle<br />

verhindern. Einer der Gründe<br />

dafür: Flavanol erweitert die Blutgefäße.<br />

Dr. Roberta Hold von der University<br />

of California in Davis: „Nach<br />

dem Verzehr von25Gramm Schokoladen-Chips,stieg<br />

die Flavanol-Konzentration<br />

im Blut deutlich an und<br />

verhinderte messbar das Zusammenkleben<br />

von Blutplättchen“. Da<br />

macht der Schoko-Nikolaus fast<br />

schon dem guten alten Aspirin Konkurrenz.<br />

Die gefäßerweiternden Eigenschaften<br />

von Flavanol könnten<br />

auch dafür verantwortlich sein, dass<br />

Kakao und Schokolade bei manchen<br />

älteren Bluthochdruck-Patienten<br />

zu einem Rückgang sowohl<br />

des systolischen als auch des diastolischen<br />

Blutdrucks führen. In einer<br />

Untersuchung bei älteren Männern<br />

bestand ein umgekehrter Zusammenhang<br />

zwischen Kakaoaufnahme<br />

und Blutdruckentwicklung.<br />

IMAGO<br />

Also je mehr Schokolade sie aßen,<br />

desto geringer war ihr Blutdruck.<br />

Eine deutliche Senkung des Blutdrucks<br />

durch Schokoladenkonsum<br />

zeigt sich auch bei Personen mit<br />

hochnormalen oder leicht erhöhten<br />

Blutdruckwerten.<br />

Die Kakaomenge und die Menge<br />

an konzentrierten Flavanolen, die<br />

in diesen Untersuchungen eingesetzt<br />

wurden, waren jedoch viel höher<br />

dosiert, als dies bei Schokolade<br />

der Fall ist. In einer Hypertonie-Studie<br />

erhielten die Teilnehmer beispielsweise<br />

täglich im Durchschnitt<br />

670 Milligramm Flavanole.Das wiederum<br />

entspricht dem Gehalt von<br />

zwölf Tafeln dunkler oder 50 Tafeln<br />

Vollmilch-Schokolade.<br />

Eine schwedische Studie zeigte<br />

eine Reduktion des Schlaganfallrisikos<br />

durch Schokoladenkonsum bei<br />

Frauen. Ein um50Gramm pro Woche<br />

erhöhter Schokoladenkonsum<br />

verringerte das Risiko von Hirninfarkt<br />

und vonakuten Hirnblutungen<br />

um 27 Prozent, und das allgemeine<br />

Schlaganfallrisiko um 14 Prozent.<br />

Eine andere neurologische Studie<br />

kam zu dem Ergebnis, dass auch<br />

Männer von Schokolade profitieren.<br />

Ihr Schlaganfallrisiko wurde durch<br />

erhöhten Schokoladenkonsum<br />

(mindestens 50 Gramm pro Woche)<br />

um 17 Prozent reduziert.<br />

Anregend fürs Nervensystem<br />

Unbestritten ist, dass zu viel Schokolade<br />

zu Übergewicht führen kann.<br />

Trotzdem scheint zumindest dunkle<br />

Schokolade mit einem Kakao-Anteil<br />

von 60bis 70 Prozent den Cholesterinspiegel<br />

positiv beeinflussen zu<br />

können, indem sie die schädlichen<br />

LDL-Werte senkt und die positiven<br />

HDL-Werte erhöht.<br />

Weiterer Effekt: Schokolade wirkt<br />

anregend auf das Zentralnervensystem,<br />

nicht zuletzt auch wegen des in<br />

ihr enthaltenen Koffeinanteils. Es<br />

kommt daher nicht von ungefähr,<br />

wenn man Schokolade als „Nervennahrung“<br />

bezeichnet. „Das Koffein<br />

wiederum wirkt auch harntreibend,<br />

ist also auch gut für die Nieren“, sagt<br />

Birgit Alteheld.<br />

Am wichtigsten jedoch zu Weihnachten:<br />

Schokolade macht glücklich!<br />

Auch das ist inzwischen wissenschaftlich<br />

bewiesen. Denn Schokolade<br />

enthält Tryptophan. Ein Stoff,<br />

der den Serotoninspiegel im Gehirn<br />

anhebt.<br />

Dadurch wirkt Schokolade wie<br />

ein mildes Antidepressivum in der<br />

düsteren Winterzeit. Dabei hilft wieder<br />

der Zuckergehalt. Denn Zucker<br />

ist der Treibstoff unseres Gehirns –<br />

und stimuliert damit auch die Umwandlung<br />

von Tryptophan in das<br />

Glückshormon Serotonin. Außerdem<br />

werden beim Genuss vonSchokolade<br />

Endorphine freigesetzt, die<br />

berühmten Wohlfühl-Hormone. Sie<br />

heben nicht nur die Stimmung und<br />

sorgen für mehr Energie, sondern<br />

vermindern sogar die Schmerzempfindlichkeit.<br />

Also: Beruhigen SieIhr schlechtes<br />

Gewissen, greifen Sie zu. Der<br />

Schoko-Nikolaus hält Siegesund!<br />

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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Lokalsport<br />

Tritt an diesem Wochenende zur nationalen Olympiaqualifikation in Kienbaum an: Abdulrahman Abu-Lubdeh. OSTKREUZ/SEBASTIAN WELLS (2)<br />

Abuds Welt<br />

Nach einem Schicksalsschlag hat der Boxer Abdulrahman Abu-Lubdeh seine Gedanken geordnet. Sein Ziel ist die Qualifikation für Olympia 2020 in Tokio<br />

VonKarin Bühler<br />

Klar, Dehnen gehört dazu.<br />

Auch das kann wehtun. Abdulrahman<br />

Abu-Lubdeh<br />

sitzt im Boxring seinem<br />

Kumpel Murat Yildirim gegenüber,<br />

die Beine zu einem breitenVgeöffnet.<br />

Er kneift die Augen zusammen, verzieht<br />

das Gesicht, weil die Sehnen in<br />

den durchgedrückten Beinen<br />

schmerzen, während Murat seinen<br />

Oberkörper an den Armen nach<br />

vornezieht. Als Boxer muss er beweglich<br />

sein, schnell auf den Beinen, tänzeln<br />

können, wenn es sein muss.<br />

UndandiesemWochenende muss<br />

es sein. Denn von Donnerstag bis<br />

Sonnabend hat der Deutsche Boxsport-Verband<br />

(DBV) die nationale<br />

Olympia-Qualifikation im Trainingszentrum<br />

Kienbaum terminiert. Im Irgendwo<br />

einer Turnhalle ganz hinten<br />

auf dem Sportgelände der Gemeinde<br />

Grünheide in Brandenburg. Unter<br />

Ausschluss der Öffentlichkeit. Round<br />

Robin heißt das Format: In jeder Gewichtsklasse<br />

kämpfen vier Boxer; jeder<br />

gegen jeden. Der Gewinner darf<br />

im März beim europäischen Olympia-Qualifikationsturnier<br />

in London<br />

um seinen Platz bei den Sommerspielen<br />

im August 2020 in Tokio boxen.<br />

Dort brauchen die Boxer zwei,<br />

drei Siege,inmanchen Gewichtsklassen<br />

reicht Rang eins bis acht, in manchen<br />

eins bis vier. Für den, der es<br />

nach London schafft, sind die Olympiachancen<br />

groß.<br />

Zuerst wird national ausgesiebt.<br />

„Warum das in Kienbaum ohne Zuschauer<br />

ist, weiß man nicht“, sagt<br />

Abu-Lubdeh, den Trainer und Boxer<br />

Abud nennen. Abud weiß, dass sein<br />

palästinensicher Name lang und<br />

schwierig zu merken ist. Er sagt: „Ich<br />

bin aber nicht der Typ, der seinen<br />

Namen ändertinArnold oder Adolf.“<br />

Das olympische Boxen sperrtsich<br />

an diesem Wochenende selber aus.<br />

Keine Zuschauer bedeutet: keine Aufmerksamkeit<br />

–keine Sponsoren für<br />

den DBV und seine Boxer. Dafür<br />

Raum für Spekulationen, für Fragen,<br />

ob denn bei den Urteilen der Punktrichter<br />

alles mit rechten Dingen zugeht.<br />

„Vielleicht wollen sie es neutral<br />

halten“, überlegt Abud. „Ich mach’<br />

mir keine Gedanken darüber.Ich geb’<br />

im Ring einfach meine Leistung ab.“<br />

Abud, 25, kämpft im Halbschwergewicht.<br />

Er ist Rechtsausleger, seine<br />

Schlaghand ist die linke, das ist für<br />

seine Gegner oft unbequem. Er ist einer<br />

vonsechs Boxernaus dem <strong>Berliner</strong><br />

Bundesstützpunkt in Prenzlauer<br />

Berg, die dieses Wochenende die<br />

Weichen Richtung Olympia stellen<br />

wollen. „Alle können es schaffen“,<br />

sagt der <strong>Berliner</strong> Bundestrainer Ralf<br />

Dickert, während er in seinem Büro<br />

nebenan einen dicken Ordner aufschlägt.„Wir<br />

haben hier ja ein ganzes<br />

Brimborium an Nominierungskriterien.“<br />

Beim Boxen geht es immer um<br />

Vorleistungen. Weil die Trainer daraus<br />

Perspektiven ableiten.<br />

Abud, dieser 1,92 Meter lange<br />

Zwölf Fäuste aus Berlin: Hamsat Schadalow,Murat Yildirim, Paul Wall, Silvio Schierle,<br />

Abdulrahman Abu-Lubdeh und Alexander Müller vom Berge (v.l.).<br />

Sextett: Für die nationale<br />

Olympiaqualifikation schickt<br />

der <strong>Berliner</strong> Bundestrainer<br />

Ralf Dickertfünf Boxer aus<br />

Berlin und dazu den Brandenburger<br />

Silvio Schierle in<br />

den Ring,der seit einigen<br />

Wochen in der Paul-Heyse-<br />

Straße in Berlin mittrainiert.<br />

FÜNF PLUS EINS<br />

Duell: Wersich beim Round-<br />

Robin-Turnier in Kienbaum<br />

durchsetzt, hat gute Chancen<br />

für die europäische<br />

Olympiaqualifikation nominiertzuwerden.<br />

In der Klasse<br />

bis 57 Kilo duellieren sich in<br />

Hamsat Schadalowund Murat<br />

Yildirim zwei <strong>Berliner</strong>.<br />

Solo: Dickertist als Disziplintrainer<br />

Männerboxen im<br />

Deutschen Boxsport-Verband<br />

Mitglied der sogenannten<br />

ExpertRating Kommission,<br />

die am Sonntag jene<br />

Boxer nominiert, die sich für<br />

die Europa-Qualifikation bereitmachen<br />

können.<br />

Kerl, aufgewachsen mit vier Brüdern<br />

im Rollbergkiez, später dann im eher<br />

bürgerlichen Rudow, hatte Vorleistungen<br />

gebracht, 2016 wurde er<br />

deutscher Meister, erglänzte beim<br />

Chemiepokal, kam in die Sportfördergruppe<br />

der Bundeswehr, aber<br />

dann geriet plötzlich alles durcheinander.<br />

Abud erinnert sich gut, wie ihn<br />

die Panikattacke zum ersten Mal<br />

überkam. Er trainierte damals, vor<br />

zwei Jahren, in diesem Raum. Er<br />

zeigt mit der Hand hinüber auf den<br />

größeren Ring. Dort stand er,<br />

schaute aus dem Fenster, sah aber<br />

nicht die rotbraune Laufbahn, die<br />

eckigen Wohnblocks, die S-Bahn-<br />

Schienen, sondern wirres Zeug. „Ich<br />

habe noch nie Drogen genommen,<br />

aber ich kann mir vorstellen, dass es<br />

so ist, wie es damals bei mir war“,<br />

sagt Abud.<br />

Er spürte ein Ziehen im Nacken.<br />

Er sagte niemandem was. Erbekam<br />

Fieber, aber er wollte unbedingt<br />

beim Bundesliga-Kampf für Hertha<br />

BSC in den Ring steigen. Er kämpfte.<br />

Er verlor. Erst tags darauf ging er in<br />

die Praxis seines Vaters, eines Hals-<br />

Nasen-Ohren-Arztes in Neukölln.<br />

Der Vater, der als Student als Palästina<br />

nach Berlin gekommen war,<br />

sagte, wenn Kopfschmerztabletten<br />

nicht gegen Kopfschmerzen helfen,<br />

muss es was Ernstes sein. Er schickte<br />

Abud zur Magnetresonanztomographie.<br />

Die Diagonse: Abszess in der<br />

linken Gehirnhälfte. Notaufnahme.<br />

Operation. „ZweiWochen Blackout“,<br />

sagt Abud. Und nein, nicht das Boxen<br />

sei die Ursache gewesen, sonderneine<br />

Infektion, die sich vonseinem<br />

Zahn oder der Nase ausgebreitet<br />

habe.<br />

Ein halbes Jahr fiel Abud aus. Ein<br />

ganzes Jahr boxte er nicht. Mike<br />

Hanke, sein Trainer am Bundestützpunkt,<br />

sagt: „Es war lange nicht klar,<br />

ob es weitergeht.“ Aber er glaubte<br />

weiter an Abuds Potenzial. Andere<br />

zweifelten. Der Boxer sagt: „Es war<br />

ein Schub nach vorne. Nach dem<br />

Krankenhaus habe ich viel Kraft entwickeln<br />

können, weil ich einfach<br />

mehr wollte. Weil ich nur boxen<br />

wollte.Nichts anderes machen.“<br />

In diesem Jahr holte er als einziger<br />

DBV-Athlet beim Cologne Cup,<br />

dem Nachfolgewettbewerb des<br />

Chempiepokals, eine Goldmedaille.<br />

Dabei schlug er Russlands Meister,<br />

Russlands Zweitbesten und vor allem:<br />

den dreimaligen Europameister<br />

und zweimaligen WM-Zweiten Joe<br />

Ward aus Irland.„Das war schon sehr<br />

sensationell“, sagt Trainer Hanke.<br />

Abud will sich an diesem Wochenende<br />

wieder durchsetzen, seine<br />

Reichweitenvorteile nutzen, tänzeln.<br />

Er sagt, er habe seine Gedanken geordnet.<br />

Er wolle vorankommen, sein<br />

kleiner Bruder sei schließlich schon<br />

verheiratet und verdiene im Fleischhandel<br />

sein eigenes Geld. „Ich habe<br />

meinen Sport, meine Familie, meinen<br />

Glauben. Und ich möchte zu<br />

Olympia.“ Dasist AbudsWelt.<br />

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 19 *<br />

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Sport<br />

Das<br />

Tempo<br />

macht’s<br />

Füchse setzen gegen Wetzlar<br />

ihre Heimsiegserie fort<br />

Die Füchse Berlin bleiben weiter<br />

in der Spitzengruppe der Handball-Bundesliga.<br />

Am Donnerstag<br />

siegten die <strong>Berliner</strong> vor 8 235 Zuschauern<br />

in der Max-Schmeling-<br />

Halle gegen die HSG Wetzlar mit<br />

32:27 (16:14). Es war der achte Heimsieg<br />

der Füchse in Serie. Beste <strong>Berliner</strong><br />

Werfer waren Hans Lindbergmit<br />

zehn und Jacob Holm mit fünf Toren.<br />

Bei den Füchsen fehlte weiterhin<br />

das Torhüterduo Silvio Heinevetter<br />

und Dejan Milosavljev. Auch Abwehrchef<br />

Jakov Gojun wurde nicht<br />

rechtzeitig fit.<br />

Nach einer mühsamen Auftaktphase<br />

waren die <strong>Berliner</strong> dann doch<br />

etwas griffiger in Abwehr, kamen zu<br />

einigen schnellen Tempogegenstößen<br />

und konnten sich nach 23 Minuten<br />

auf 13:9 etwas absetzen. Anschließend<br />

leistete man sich aber einige<br />

Fehler undWetzlar kam wieder ran.<br />

DieFüchse kamen gut aus der Kabine,agierten<br />

vorallem offensiv sehr<br />

variabel. In dieser Phase konnten die<br />

Gäste die <strong>Berliner</strong> nicht stoppen. So<br />

zogen die Gastgeber auf 24:18 davon<br />

(39.). In der 45 Minute sah dann aber<br />

Kreisläufer Mijajlo Marsenic nach einer<br />

Rangelei am Kreis erneut die<br />

Rote Karte. Danach lief das <strong>Berliner</strong><br />

Spiel nicht mehr so rund, der Sieg<br />

wurde trotzdem souverän über die<br />

Zeit gebracht. (dpa)<br />

Einmal mehr der beste Schütze bei den<br />

Füchsen: Hans Lindberg. IMAGO IMAGES/KÖNIG<br />

Der<br />

unsichtbare<br />

Dritte<br />

Die Eisbären wirken<br />

defensiv derzeit instabil<br />

U<br />

nabhängig voneinander haben<br />

Trainer SergeAubin und Verteidiger<br />

Wissmann eine wesentliche<br />

Ursache für die aktuellen Abwehrprobleme<br />

erkannt: den dritten<br />

Mann. Damit ist der Stürmer gemeint,<br />

der den Verteidigern beim<br />

Gegengriff als Erstes zur Seite springen<br />

soll. „Dieser war nicht sehr diszipliniert“,<br />

sagt Aubin, weshalb die<br />

Eisbären nicht nur am Dienstag in<br />

heimischer Halle mit 1:5 verloren haben,<br />

sondern in den vergangenen<br />

fünf Partien 21 Tore kassierten. Wissmann<br />

weiß: „In der Zone waren wir<br />

gar nicht schlecht, aber wir hatten<br />

viele Zwei-gegen-Drei-Situationen.“<br />

Die <strong>Berliner</strong> müssen das in den<br />

Griff bekommen, denn mit den Adlern<br />

aus Mannheim kommt nicht<br />

nur der amtierende Meister in die<br />

Arena (19.30 Uhr). DieKurpfälzer gewannen<br />

auch souverän beide bisherigen<br />

Duelle mit den Eisbären (4:1,<br />

7:3). Nach einigen zwischenzeitlichen<br />

Abstimmungsproblemen gewannen<br />

sie zudem zehn Spiele in Serie.<br />

Neben einem taktisch versierten<br />

Auftritt braucht es deshalb die richtige<br />

Einstellung der Gastgeber.Aubin<br />

sagt: „In den ersten beiden Spielen<br />

haben wir zu sehr auf sie geachtet.<br />

Respekt gehörtdazu, aber nur bis zu<br />

einem bestimmten Punkt. Jetzt wollen<br />

wir aufbieten, was wir zur Verfügung<br />

haben.“ Dazu gehört auch ein<br />

sichtbarer dritter Mann. (pae.)<br />

Maodo Lo wirft BayernMünchen mit seinem Drei-Punkte-Wurf in die Verlängerung und damit zum Sieg. IMAGO IMAGES/CAMERA 4<br />

Foulen oder verteidigen<br />

Nach der Niederlage im Euroleague-Duell gegen die Bayern stellt sich bei Alba die Gretchenfrage<br />

VonChristian Kattner<br />

Beleidigt: Der frühere NBA-Profi Greg Monroe<br />

vomdeutschen Meister Bayern München<br />

ist während des Euroleague-Spiels bei Alba<br />

Berlin voneinem Zuschauer rassistisch beleidigt<br />

worden. Wiedie <strong>Berliner</strong> am Donnerstag<br />

mitteilten, erhielt der Fannoch vorOrt von<br />

der Polizei eine Strafanzeigesowie<br />

Hausverbot.<br />

Es war die meist gestellte<br />

Frage an diesem Abend.<br />

Warum nur hatte Alba Berlin<br />

bei drei Punkten Vorsprung<br />

diesen Dreier von Maodo Lo<br />

nicht vorher schon durch ein Foul<br />

unterbunden? Vonder Freiwurflinie<br />

hätte Münchens Aufbauspieler mit<br />

<strong>Berliner</strong> Wurzeln lediglich zwei<br />

Punkte erzielen und Alba die verbleibenden<br />

2,8 Sekunden ausspielen<br />

können. Die Frage, ob man foult<br />

oder nicht, wurde in der Auszeit zuvor<br />

von Spielern und Trainer beantwortet.<br />

Manwollte,wie es für Teams<br />

unter der Leitung vonAíto García Reneses<br />

üblich ist, gut verteidigen, aber<br />

eben nicht foulen. „Das birgt halt gewisse<br />

Risiken und die haben voll zugeschlagen“,<br />

sagte Niels Giffey.<br />

Wäre esgutgegangen, wären der<br />

Kapitän und seine Teamkollegen auf<br />

Händen aus der Halle getragen worden.<br />

So aber gingen sie in die Verlängerung,<br />

verloren dort das Spiel und<br />

mussten sie sich für ihre Herangehensweise<br />

im letzten Angriff sowie<br />

die 76:77-Niederlage nach Verlängerung<br />

erklären.<br />

Am Ende ist das eine Frage der<br />

Spielphilosophie. Schon die deutsche<br />

Basketball-Nationalmannschaft<br />

musste sich im September<br />

2001 die Frage gefallen lassen,<br />

warum denn im Halbfinale der Europameisterschaft<br />

der letzte Angriff<br />

der Türken nicht mit einem Foul unterbunden<br />

und damit eine Verlängerung<br />

vermieden wurde. Im Unterschied<br />

zu Alba am Mittwochabend<br />

entschieden sich die Deutschen damals<br />

dafür, foulen zu wollen, bekamen<br />

es aber nicht hin und kassierten<br />

schließlich einen Dreier.„Es ist auch<br />

nicht immer einfach, in dieser Situation“,<br />

sagt Reneses. Der Alba-Trainer,<br />

der heute seinen 73. Geburtstag<br />

feiert, hat diese Frage schon mehrfach<br />

gestellt bekommen, lässt seine<br />

Teams aber in der Schlussphase<br />

nicht foulen, sondernverteidigen.<br />

Das imNachgang als falsch und<br />

einzigen Grund für die Niederlage zu<br />

bezeichnen, wäre nicht richtig. Genauso<br />

könnte man schließlich die<br />

RASSISTISCHER AUSFALL<br />

Bestürzt: Umstehende Fans hatten die Beleidigungen<br />

dem Sicherheitsdienst gemeldet.<br />

„Wir sind bestürzt und verurteilen den<br />

Vorfall in aller Schärfe. Diskriminierung jeglicher<br />

Arthat weder bei uns noch in der Gesellschaft<br />

irgendetwas zu suchen und wird von<br />

uns konsequent geahndet und strafrechtlich<br />

verfolgt“, sagte Alba-Sprecher Strauven.<br />

Das Weihnachtsparty-Prinzip<br />

Frage stellen, warum Luke Sikma bei<br />

noch 2,8 Sekunden auf der Spieluhr<br />

ein hohes Anspiel unter den Korb auf<br />

Landry Nnoko versuchte und nicht<br />

auf die sicherereVariante eines kurzen<br />

Passes sowie den daraus möglichen<br />

Wurf setzte. Und hatte nicht<br />

Giffey mit Ablauf der Spielzeit in der<br />

Verlängerung noch einen völlig<br />

freien Wurf, den er nicht verwandelte?<br />

„Man kann verschiedene Diskussionen<br />

um Freiwürfe, verpasste Rebounds<br />

und Ballverluste aufmachen,<br />

aber es geht nicht um den einen<br />

Grund. Dengibt es nicht“, sagte<br />

MarcoBaldi zu später Abendstunde,<br />

„es gab so viele Rhythmen und so<br />

viele Möglichkeiten. Bis zum allerletzten<br />

Wurf, bis zur allerletzten Sekunde<br />

war es vollkommen offen.<br />

Und deshalb muss man es einfach<br />

akzeptieren.“<br />

Albas Geschäftsführer war natürlich<br />

genauso enttäuscht. Nicht nur<br />

über die Niederlage. Denn: „Meistens<br />

kommt da auch nicht ein Unglück<br />

alleine.Was besonders wehtut,<br />

ist, dass Peyton Siva sich wieder verletzt<br />

hat“, so Baldi.<br />

Wieder einmal soll es eine muskuläre<br />

Sache sein, die den Aufbauspieler<br />

erneut in dieser Saison zu einer<br />

Pause zwingt. Gegen die Bayern<br />

musste Siva in der zweiten Hälfte<br />

von der Bank mit ansehen, wie sein<br />

früherer Teamkollege Greg Monroe<br />

zweistellig punktete (17) sowie reboundete<br />

(10) und damit entscheidenden<br />

Einfluss auf die Partie nahm.<br />

Aber auch, wie mit Makai Mason ein<br />

aktueller Mitspieler in seinem bislang<br />

besten Spiel für Alba 17 Punkte<br />

erzielte und damit überhaupt dafür<br />

sorgte,dass man nach der Partie darüber<br />

diskutieren konnte, ob man<br />

kurz vor Ende hätte foulen sollen<br />

oder eben nicht.<br />

An einem Abend mit bitterem<br />

Ausgang gingen diese Leistung und<br />

das Comeback von Johannes Thiemann<br />

freilich unter. Doch viel Zeit<br />

zum Ärgern bleibt nicht: Bereits am<br />

Donnerstag ging die Reise nach<br />

Lyon, wo es im StadtteilVilleurbanne<br />

schon Freitagabend (20.45 Uhr) in<br />

der Euroleague weitergeht.<br />

Die Finalspiele der Volleyball-Champions-League finden auch 2020 in Berlin statt –und das aus gutem Grund<br />

VonAnnika Schultz<br />

Wer das Hotel Adlon als Veranstaltungsort<br />

wählt, hat Großes<br />

vor. Das bestätigte sich auch am<br />

Donnerstag, als der EuropäischeVolleyball-Verband<br />

(CEV) und die BR<br />

Volleys gemeinsam mitVertreterndes<br />

Deutschen Volleyball-Verbandes<br />

(DVV), der Stadt Berlin sowie der Volleyball-Bundesliga<br />

(VBL) im edlen<br />

Fünfsternehaus davon berichteten,<br />

dass die Champions-League-Endspiele<br />

auch 2020 in der <strong>Berliner</strong> Max-<br />

Schmeling-Halle ausgetragen werden.<br />

Die deutsche Hauptstadt ist damit<br />

nach 2015 und 2019 zum dritten<br />

Mal Ausrichter der Finals des wichtigsten<br />

europäischen Klub-Wettbewerbs,<br />

2019 erstmals im geänderten<br />

Modus, nach dem die Frauen und<br />

Männer an einem Tagund an einem<br />

OrtihreSieger küren.<br />

„Wir setzen auf ein kurzes, aber<br />

dafür starkes Event. Mitder Premiere<br />

waren wir sehr zufrieden, aber wir<br />

wollen uns natürlich immer weiter<br />

verbessern“, sagt CEV-Präsident<br />

Aleksandar Boricic. Im Mai dieses<br />

Jahres waren die Tickets innerhalb<br />

Wäre bei den Finals 2020 natürlich gernamBall: Volleys-Profi Patch.<br />

weniger Wochen ausverkauft –trotz<br />

fehlender deutscher Beteiligung.<br />

Auch 2020 ist trotz allerVolleys-Ambitionen<br />

ein Finaleinzug einer deutschen<br />

Mannschaft nicht zu erwarten,<br />

stattdessen gehören Teams aus Russland,<br />

Italien, der Türkei oder Polen<br />

zum Kreis der Favoriten. Dass im<br />

Frühjahr mehr als die Hälfte der Besucher<br />

in diesem Jahr nicht aus<br />

Deutschland kam, zeigt aber,dass das<br />

JÜRGEN ENGLER<br />

dem Erfolg der Veranstaltung nicht<br />

imWegsteht. Berlin zieht.<br />

Nach dem Olympia-Qualifikationsturnier,<br />

das Anfang Januar 2020<br />

stattfindet, ist es die zweite internationale<br />

Volleyball-Veranstaltung, die<br />

in der Hauptstadt ausgetragen wird.<br />

„Wir brauchen solche Großevents in<br />

Deutschland, um den Volleyball in<br />

Deutschland weiterzuentwickeln“,<br />

bekräftigt René Hecht, Präsident des<br />

DVV. Davon wollen auch die BR Volleys<br />

profitieren, die erneut an der Organisation<br />

des Events beteiligt sein<br />

werden. „Das zeigt das Vertrauen in<br />

unsere Fähigkeiten“, betont Kaweh<br />

Niroomand, der außerdem eine verbesserte<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

dem Verband und den Klubs lobte.<br />

„Die Entscheidung fiel aber erst vor<br />

zehn Tagen, die Arbeit geht erst jetzt<br />

richtig los.“<br />

Langfristig diskutiertder CEVweitere<br />

Formatänderungen, so sollen<br />

größere Gruppen den Klubs weitere<br />

Vermarktungsmöglichkeiten bieten.<br />

„Jeder erkennt die Schuhe von Neymar,<br />

Messi und Ronaldo, Volleyball-<br />

Weltmeister werden auf der Straße<br />

nur selten erkannt“, sagte Boricic, um<br />

dann ein weiteres Bild zu bemühen:<br />

„Wir wollen Volleyball wie einen<br />

Weihnachtsbaum organisieren, die<br />

vielen Lichter werden zur Spitze hin<br />

immer weniger.Wir wollen, dass der<br />

Volleyball das ganze Jahr über eine<br />

Weihnachtsparty feiert.“ Wie momentan<br />

im Hotel Adlon, in dem zwei<br />

glitzernde Weihnachtsbäume und<br />

viele Lichterketten für vorweihnachtliche<br />

Atmosphäresorgen.<br />

NACHRICHTEN<br />

Russland zieht gegen die<br />

Wada-Sperre vor den Cas<br />

DOPING. Russland zieht gegen die<br />

vonder Welt-Antidoping-Agentur<br />

(Wada) verhängte Vierjahressperre<br />

vorden Internationalen Sportgerichtshof<br />

(Cas). Dasbeschloss der<br />

Aufsichtsrat der russischen Antidoping-Agentur<br />

(Rusada) am Donnerstag.<br />

Damit kommt es sehr wahrscheinlich<br />

zu einem monatelangen<br />

juristischen Tauziehen, das bis zu<br />

den Olympischen Spielen in Tokio<br />

2020 dauernkönnte.Russlands<br />

Staatspräsident Wladimir Putin<br />

hatte kurzzuvor die Strafe gegen das<br />

Riesenreich als „politisch motiviert“<br />

bezeichnet. DieSanktionen seien<br />

„unfair“ erklärte der Kreml-Chef, die<br />

Wada-Entscheidung verstoße „gegen<br />

den gesunden Menschenverstand“.<br />

DieWada hatte in der vergangenen<br />

Woche die Rusada wegen<br />

manipulierter Daten aus dem russischen<br />

Kontrolllabor suspendiertund<br />

weitereStrafen beschlossen. Da der<br />

Einspruch aufschiebende Wirkung<br />

hat, werden die Sanktionen zunächst<br />

nicht rechtskräftig.<br />

Doll beschertBiathleten<br />

den ersten Saisonsieg<br />

BIATHLON. Benedikt Doll hat den<br />

deutschen Biathleten nach einem<br />

durchwachsenen Saisonstartden ersten<br />

Sieg desWinters beschert. Der29-<br />

Jährige aus Breitnau holte zum Auftakt<br />

desWeltcups im französischen Le<br />

Grand Bornand im Sprint über 10 km<br />

dank einer fehlerlosen Schießleistung<br />

den zweiten Erfolg seiner Karriere.<br />

Doll gewann 9,4 Sekunden vordem<br />

Norweger Tarjei Bö (0 Strafrunden),<br />

Quentin Fillon Maillet (Frankreich/<br />

0/+11,3 Sekunden) wurde Dritter.<br />

ZAHLEN<br />

Fussball<br />

Bundesliga, 17. Spieltag<br />

1899 Hoffenheim -Borussia Dortmund Fr., 20.30<br />

Bayern München -VfL Wolfsburg Sa., 15.30<br />

RB Leipzig -FCAugsburg Sa., 15.30<br />

FSV Mainz 05 -Bayer Leverkusen Sa., 15.30<br />

FC Schalke04-SCFreiburg Sa., 15.30<br />

1. FC Köln -Werder Bremen Sa., 15.30<br />

Hertha BSC -Bor.Mönchengladbach Sa., 18.30<br />

Fortuna Düsseldorf -1.FCUnion So., 15.30<br />

SC Paderborn07-Eintracht Frankfurt So., 18.00<br />

1. RB Leipzig 16 45:19 34<br />

2. Mönchengladbach 16 33:18 34<br />

3. Bayern München 16 44:22 30<br />

4. Borussia Dortmund 16 40:22 30<br />

5. Schalke04 16 27:19 29<br />

6. SC Freiburg 16 25:21 25<br />

7. BayerLeverkusen 16 22:21 25<br />

8. VfL Wolfsburg 16 18:16 24<br />

9. TSG Hoffenheim 16 23:27 24<br />

10. FC Augsburg 16 27:28 23<br />

11. 1. FC Union 16 19:22 20<br />

12. Eintracht Frankfurt 16 26:27 18<br />

13. Hertha BSC 16 22:29 18<br />

14. FSV Mainz 05 16 25:38 18<br />

15. 1. FC Köln 16 18:32 14<br />

16. Werder Bremen 16 23:40 14<br />

17. Fortuna Düsseldorf 16 16:35 12<br />

18. SC Paderborn 16 18:35 9<br />

Handball<br />

Bundesliga, 18. Spieltag<br />

Kiel -Balingen-Weilstetten 36:26<br />

Füchse -Wetzlar 32:27<br />

Hannover-Burgdorf -Erlangen 29:25<br />

RN Löwen -Nordhorn-Lingen 32:28<br />

Ludwigshafen -Flensburg- Handewitt 25:23<br />

1. THW Kiel 17 520:443 28: 6<br />

2. Hannover-Burgdorf 17 487:453 26: 8<br />

3. Flensburg-Handewitt 18 480:421 26:10<br />

4. RN Löwen 18 515:474 26:10<br />

5. Füchse Berlin 17 485:436 24:10<br />

6. SC Magdeburg 17 503:455 24:10<br />

7. MT Melsungen 17 467:464 21:13<br />

8. DHfK Leipzig 17 472:478 18:16<br />

9. HSG Wetzlar 17 477:480 16:18<br />

10. Bergischer HC 17 458:470 15:19<br />

11. Frisch AufGöppingen 17 430:448 15:19<br />

12. HC Erlangen 17 441:457 14:20<br />

13. Balingen-Weilstetten 17 472:503 13:21<br />

14. TBV LemgoLippe 17 464:490 12:22<br />

15. TVB Stuttgart 17 443:481 12:22<br />

16. GWD Minden 17 447:470 10:24<br />

17. Ludwigshafen 18 421:466 8:28<br />

18. Nordhorn-Lingen 18 432:525 2:34


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 20<br />

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Sport<br />

„Hertha<br />

will nach<br />

Europa“<br />

Coach Klinsmann kündigt<br />

weitere Großtransfers an<br />

Das Erfrischende an Jürgen Klinsmann,<br />

das gilt auch für uns Beobachter,<br />

ist seine Hemmungslosigkeit.<br />

Er sagt, was er denkt, wobei er<br />

natürlich keineswegs unbewusst<br />

handelt. Im Gegenteil. So hat er nach<br />

dem 1:0-Auswärtserfolg bei Bayer<br />

Leverkusen erst mal nicht etwa über<br />

die Gegenwart gesprochen, also<br />

über eine Hertha-Mannschaft, die<br />

sich durch den zweiten Sieg in Serie<br />

in der Bundesliga etwas Luft verschaffen<br />

konnte, nein, Klinsmann<br />

sprach über Europa, über die Vision,<br />

die er als Trainer von Hertha BSC in<br />

Absprache mit den Klubverantwortlichen,<br />

vor allem aber in Absprache<br />

mit Investor Lars Windhorst für den<br />

Traditionsklubs aus Berlin-Charlottenburgentwickelt<br />

hat.<br />

„Der Hauptstadtklub will nach<br />

Europa“, sagte der 55-Jährige nach<br />

dem „großen Dreier“ beim Champions-League-Aspiranten<br />

und kündigte<br />

ohne Umschweife für den<br />

Sommer große Investitionen an.<br />

„Durch unsereKonstellation mit unserem<br />

Investor haben wir mittelund<br />

langfristig ganz andere Ziele<br />

und gehen da mit einer anderen<br />

Denkweise ran. Unser Manager Michael<br />

Preetz hat nun ganz andere<br />

Möglichkeiten“, sagte der ehemalige<br />

Bundestrainer.<br />

Klar, dass dabei von den Reportern<br />

umgehend der Name Mario<br />

Götze ins Spiel gebracht wurde. Der<br />

WM-Held steht bei Borussia Dortmund<br />

auf der Liste der „Verzichtbaren“,<br />

soll im Umkehrschluss ein<br />

Transferziel der Herthaner sein.<br />

Klinsmann antwortete diesbezüglich:<br />

„Ob dann über Mariospekuliert<br />

wird, oder über andere Champions-<br />

League-Spieler –das wird ganz normal<br />

sein. Das wird unsere Zukunft<br />

sein. Nach denen schauen wir uns ja<br />

auch um.“ Schließlich kündigte er<br />

dem Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach<br />

zum Abschluss der<br />

Hinserie am Sonnabend (18.30 Uhr)<br />

einen großen Fight an: „Durch unseren<br />

Erfolg gegen Leverkusen haben<br />

wir weiteres Selbstvertrauen getankt.<br />

Die Luft für uns wird immer klarer.<br />

Wirhaben das Gefühl, dass wir Gladbach<br />

schlagen können.“<br />

Nach einer Startniederlage gegen<br />

Borussia Dortmund (1:2) und einem<br />

Remis bei Eintracht Frankfurt (2:2)<br />

folgten zuletzt zwei Siege –und das<br />

mit einer auf die Defensive konzentrierten<br />

Taktik. „Wenn wir die nötigen<br />

Punkte haben, können wir auch<br />

wieder schönen Fußball spielen“,<br />

sagte Klinsmann, der seinem Team<br />

eine klare Marschroute verordnet<br />

hat. „Der Matchplan war gut: Wir<br />

standen defensiv sehr kompakt und<br />

haben schnelle Konter nach vorne<br />

gespielt. Wir haben es gut gemacht,<br />

haben kein Torkassiertund selbst eines<br />

gemacht. Das war auch schon<br />

gegen Freiburg so–und das muss<br />

unsere Basis sein“, sagte Torschütze<br />

KarimRekik (64.). (BLZ mit sid)<br />

Jürgen Klinsmann philosophiertbereits<br />

über eine goldene Zukunft. GETTY IMAGES/BARON<br />

Die Kraft der<br />

Kabinenpredigt<br />

VonMichael Jahn<br />

Mit diesen Worten<br />

stimmte Jürgen Klinsmann<br />

seine Nationalspieler<br />

auf das Viertelfinale<br />

bei den Weltmeisterschaften<br />

2006 gegen Argentinien ein: „Die haben<br />

Muffe,die haben Muffe vorEuch!<br />

Diemachen sich in die Hosen! Es geht<br />

darum, aggressiv und konzentriert<br />

zuzubeißen. Diesind heute fällig! Absolut<br />

fällig! Geht raus und haut sie<br />

weg!“ Und Deutschland gewann im<br />

dramatischen Elfmeterschießen<br />

schließlich mit 4:2.<br />

Ichhabe mir in diesen<br />

Tagen, in denen<br />

Klinsmann oft im Fokus<br />

steht, diverse Kabinenansprachen<br />

von<br />

Klinsmann noch einmal<br />

angehört und angeschaut<br />

in den Sequenzen<br />

des Films<br />

„Deutschland, ein<br />

Sommermärchen“ von<br />

Sönke Wortmann.<br />

Ganz ehrlich: Ich bekam<br />

Gänsehaut und<br />

fühlte mich plötzlich<br />

stark.<br />

Nun hat Jürgen<br />

Klinsmann, der neue<br />

„Ich<br />

bekam<br />

Gänsehaut<br />

und<br />

fühlte<br />

mich<br />

plötzlich<br />

stark.“<br />

Hertha-Trainer, viele<br />

Bewunderer, die sich<br />

vorallem für seine Motivationskünste<br />

begeistern. Aber es<br />

gibt auch zahlreiche Kritiker,die dem<br />

einstigen Klassestürmer ähnliche Fähigkeiten<br />

im technisch-taktischen<br />

Bereich absprechen und monieren,<br />

dass er stets einen riesigen Stab an Assistenten<br />

benötige, umErfolg zu haben.<br />

Herthas Profis jedenfalls sollen<br />

angetan sein vom Optimismus und<br />

den Ansprachen des Trainers.<br />

Mich interessierte deshalb die<br />

Frage: Wie wichtig sind eigentlich<br />

emotionale Ansprachen eines Trainers<br />

vor einem Bundesligaduell?<br />

Brauchen gestandene Profis überhaupt<br />

aufrüttelnde Worte? Ich habe<br />

mit Thorben Marx, 38, gesprochen.<br />

Der ehemalige Mittelfeldmann<br />

spielte sechs Jahre inder Bundesliga<br />

für Hertha BSC und auch sechs Jahre<br />

für Borussia Mönchengladbach.<br />

Marx besitzt ein Alleinstellungsmerkmal.<br />

2000/2001 war er der erste Spieler<br />

aus der Hertha-Jugend-Akademie,<br />

der den Sprung in die Profimannschaft<br />

schaffte.Darauf ist er durchaus<br />

stolz. Am Sonnabend kommt der gebürtige<br />

<strong>Berliner</strong> zum Duell Hertha<br />

kontra Borussia ins Olympiastadion.<br />

Er lebt mit seiner Familie noch immer<br />

in Mönchengladbach.<br />

In Berlin treffen die Trainer Marco<br />

Rose und Jürgen Klinsmann zum ersten<br />

Mal aufeinander. Marx bezeichnet<br />

beide als „starke Trainer mit großer<br />

Ausstrahlung“. Marx’ Eindruck:<br />

„Klinsmann ist offen und positiv,echt<br />

cool!“ MarcoRose charakterisiert<br />

erals „leidenschaftlichen<br />

Typen,<br />

der bestens zur<br />

Borussia passt“.<br />

Thorben Marx erlebte<br />

in der Bundesliga<br />

bei Hertha, in Gladbach<br />

und auch in Bielefeld<br />

insgesamt zehn<br />

Trainer. „Am emotionalsten<br />

waren Jürgen<br />

Röber, Ernst Middendorp<br />

bei der Arminia<br />

und auch Michael<br />

Frontzeck.“ Lucien<br />

Favre, sagt Marx,sei ein<br />

„Super-Trainer“, aber<br />

ihm fehle ein wenig das<br />

emotionale Moment.<br />

„Und das ist wichtig!“<br />

Also doch! „Trainer<br />

sollten positiv sein in der Krise, aber<br />

auch glaubwürdig bleiben“, so Marx,<br />

„nur Lob darf keine Masche sein, es<br />

muss auch Kritik geben.“<br />

Für den ehemaligen Profi gehören<br />

emotionale Kabinenansprachen<br />

dringend dazu, um erfolgreich zu<br />

sein.„Gerade in schwierigen Situationen<br />

glauben viele Beobachter und<br />

Fans, dass wir Spieler das schon irgendwie<br />

meistern werden. Dann<br />

heißt es immer:Naja, die sind ja Profis!“<br />

Aber ein optimistischer, emotionaler<br />

Trainer könne eine große Hilfe<br />

sein.<br />

Waswird wohl Jürgen Klinsmann<br />

am Sonnabend vor dem Duell gegen<br />

Mönchengladbach in der Kabine sagen?<br />

Mein Vorschlag: „Die Borussen<br />

haben Muffe vor euch! Wir sind Berlin,<br />

wir sind Hertha. Geht raus und<br />

haut sie weg!“<br />

Der Weisheit letzter Schuss<br />

Der Fluch der<br />

guten Tat<br />

VonAndreas Baingo<br />

Für die meisten, mit der Physik<br />

ist das ja so eine Sache,<br />

ist die Relativitätstheorie<br />

ein Buch mit sieben Siegeln.<br />

Ich habe mir dafür, fernab von<br />

Genius Albert Einstein, meine eigene<br />

Theorie gebastelt. Unddie geht<br />

so: Drei Haareauf dem Kopf –das ist<br />

wenig; drei Haareinder Suppe –das<br />

ist viel. Relativitätstheorie zum Sehen<br />

und zum Anfassen. Für alle zum<br />

Verstehen ohnehin.<br />

Genauso ist es mit 20 Punkten<br />

nach 16 Spieltagen in<br />

der Fußball-Bundesliga.<br />

Für die einen wäre<br />

das wie mit den drei<br />

Haaren auf dem Kopf,<br />

nicht zum Aushalten,<br />

eher zum Rausreißen<br />

und Grund dafür, den<br />

Trainer zu feuern. Für<br />

anderejedoch ist das –<br />

vom Geschmack einmal<br />

abgesehen – wie<br />

mit den drei Haaren in<br />

der Suppe,eine durchaus<br />

satte Portion.<br />

Zu den Letzteren,<br />

denke ich, sollte sich<br />

auch der 1. FC Union<br />

zugehörig fühlen.<br />

Dabei, ja, es soll sie<br />

durchaus geben, diese<br />

Pferde,die vorder Apotheke<br />

das sprichwörtliche Kotzen bekommen<br />

haben. Auf die Bundesliga<br />

gemünzt heißt es, dass Mannschaften,<br />

obwohl lange alles im tiefgrünen<br />

Bereich liegt, bei der Abrechnung<br />

dann tatsächlich einen Bauchklatscher<br />

hinlegen. Es hat Teams gegeben,<br />

die sind nach den ersten 90 Minuten<br />

als Tabellenführer in die weitere<br />

Saison gegangen, um 33 Spieltage<br />

später abzusteigen. Der<br />

Karlsruher SC hat es vor 22Spielzeiten<br />

so erlebt und Borussia Mönchengladbach<br />

hat es vor 21Jahren derart<br />

erwischt.<br />

Spitzenreiter? Absteiger? Das hat<br />

doch nichts mit dem 1. FC Union zu<br />

tun, oder?<br />

Naja, nach dem 0:2 gegen die TSG<br />

Hoffenheim, nach dem Ende der stolzenund<br />

nie erwarteten Serievon vier<br />

Zu-Null-Heimsiegen in Folge und vor<br />

Zwei <strong>Berliner</strong> Teams in der Bundesliga,<br />

zwei Kenner des <strong>Berliner</strong> Fußballs:<br />

Michael Jahn und Andreas Baingogeben<br />

normalerweise immer mittwochs, dieses Mal<br />

aufgrund der Englischen Woche allerdings erst<br />

an diesem Freitag ihre Expertise ab.<br />

Michael Jahn für die Hertha, die er seit mehr<br />

als zwei Jahrzehnten als Reporter begleitet.<br />

Und Andreas Baingofür den 1. FC Union, für<br />

den er selbst früher am Ball war. Vordem<br />

siebzehnten Spieltag macht sich der eine<br />

Gedanken über die Motivationskünste der<br />

Trainer,der andere entwickelt eine<br />

Relativitätstheorie für den Fußball.<br />

„Für mich<br />

sind 20<br />

Punkte wie<br />

drei Haare<br />

in der<br />

Suppe,<br />

nämlich<br />

viel.“<br />

GETTY IMAGES<br />

dem Abschlussspiel der ersten eisernen<br />

Bundesliga-Hinrunde am Sonntag<br />

bei Fortuna Düsseldorf ist so etwas<br />

wie leichte Ernüchterung eingezogen<br />

in der Alten Försterei, auch<br />

weil einTotgesagter wie der 1. FC Köln<br />

plötzlich wieder lebt. Da kratzt so eine<br />

Niederlage,man kennt es inzwischen<br />

ja anders, schon mal ein klein wenig<br />

das rot-weißeWeltbild.<br />

Dabei ist, außer dass die Eisernen<br />

ein Heimspiel verloren haben, allerdings<br />

schon das vierte,keinsonderliches<br />

Malheur geschehen. Es geht nur<br />

nicht mehr so steil nach oben wie zuletzt.<br />

Das ist, ganz<br />

menschlich, so etwas<br />

wie der Fluch der guten<br />

Tat. Zu schnell mag<br />

man sich an Dinge gewöhnen,<br />

die kürzlich<br />

nur im Traum existierten,<br />

nun aber zum<br />

Greifen nahe sind. Wie<br />

der sechste Heimsieg<br />

eben, den es dann<br />

doch nicht gegeben<br />

hat.<br />

Was wäre anders<br />

gewesen, hätte es die<br />

Niederlage gegen Borussia<br />

Mönchengladbach<br />

gegeben, dafür<br />

gegen Hoffenheim den<br />

Sieg?Nichts.20Punkte<br />

sind 20 Punkte.Nagut,<br />

der Trend würde nach<br />

oben zeigen, aberder ist schnelllebig<br />

und kehrt sich womöglich übermorgen<br />

schon um. Andererseits schärft<br />

das die Sinne.<br />

Natürlich hat es bessereAufsteiger<br />

gegeben zu diesem Saisonzeitpunkt<br />

als den 1. FC Union. Schlechtereaber<br />

ebenso, zumal deren Zahl höher ist<br />

als die der besseren. Also: 20 Punkte<br />

und ein ziemlich dickes Polster auf<br />

die Abstiegsränge sind es durchaus<br />

wert, als schnuckeliges Weihnachtspräsent<br />

durchzugehen, wobei Luft<br />

nach oben immer besteht. Andere,<br />

vor allem auch Bundesliga-Inventar<br />

Werder Bremen, wären froh, auch nur<br />

annähernd so dazustehen.<br />

Deshalb, um bei meiner Relativitätstheorie<br />

zu bleiben und die auf den<br />

1. FC Union zu stülpen: Für mich sind<br />

20 Punkte wie drei Haare in der<br />

Suppe,nämlich viel.<br />

Krawall<br />

statt<br />

Fußballfest<br />

Beim Clásico ist der Sport<br />

dieses Mal nur Nebensache<br />

Vermummte<br />

Demonstranten<br />

setzten Mülltonnen und Barrikaden<br />

in Brand, die Polizei beantwortete<br />

den Hagel aus Steinen und<br />

Flaschen mit Schaumkugeln: Als der<br />

Clásico mit über 100 Verletzten und<br />

mehreren Festnahmen sein „hässliches<br />

Gesicht“ (Marca) zeigte, geriet<br />

die schönste Nebensache der Welt<br />

schnell wieder zur Randnotiz.<br />

„Viel Lärmund wenig Clásico“, titelte<br />

das katalanische Blatt Sport<br />

nach dem torlosen Remis zwischen<br />

dem FC Barcelona und Real Madrid<br />

am Mittwochabend, die Sporttageszeitung<br />

Marca sah den Klassiker<br />

„vom Feuer umringt“. Der anfangs<br />

friedliche Protest katalanischer Separatisten<br />

eskalierte rasch –und war<br />

auch im altehrwürdigen Camp Nou<br />

zu spüren.<br />

Die Fans ergriffen mit zwei riesigen<br />

Bannern mit der Aufschrift<br />

„#SpainSitAndTalk“ und „Freedom“<br />

Partei für die Separatisten, im Stadion<br />

wurden Tausende katalanische<br />

Fahnen geschwenkt. Auch gab es<br />

Sprechchöre(„Setzt euch hin und redet!“)<br />

und war eine Vielzahl von<br />

blauen Bannern mit dem Slogan<br />

„Drets,Llibertat, Autodeterminacio“<br />

(Rechte, Freiheit, Selbstbestimmung)<br />

der Unabhängigkeitsbewegung<br />

„Demokratischer Tsunami“ zu<br />

sehen. Diese hatte zur Demonstration<br />

vor dem Stadion aufgerufen,<br />

rund 5000 Menschen folgten und<br />

äußerten ihreMeinung zunächst gewaltfrei.<br />

Ausdem Ruder gelaufen<br />

Doch die Situation lief aus dem Ruder.<br />

Spanische Medien berichteten<br />

von bis zu 115 meist leicht Verletzten,<br />

zwei Polizisten sollen schwerere<br />

Blessuren davongetragen haben.<br />

Nahe Tor18imSüden des Stadions<br />

ging die Straße in Flammen auf, der<br />

Geruch verbrennenden Plastiks<br />

drang bis zu den Zuschauernauf die<br />

Tribüne vor. Der Ausgang wurde gesperrt,<br />

mit Durchsagen wurden die<br />

Fans vor Spielende in den Norden<br />

geleitet –ein „in der Geschichte des<br />

Camp Nou einmaliger Vorgang“<br />

(Mundo Deportivo).<br />

Auf dem Platz war von den Krawallen<br />

nichts zu spüren, wenngleich<br />

die Begegnung kurz nach der Pause<br />

für zwei Minuten unterbrochen werden<br />

musste: Zuschauer hatten zahlreiche<br />

aufgeblasene Bälle aufsSpielfeld<br />

geworfen. „Mehr war nicht“,<br />

sagte Barça-Trainer Ernesto Valverde,<br />

und Real-Coach Zinédine Zidane<br />

meinte: „Jeder hier wollte ein<br />

gutes Fußballspiel sehen. In diesem<br />

Sinnekönnen wirzufriedensein.“<br />

Wobei: Gut spielte letztlich nur<br />

Zidanes „weißer Tsunami“ (AS). Real<br />

Madrid überraschte mit einerMittelfeldraute<br />

und starkem Pressing, der<br />

deutsche Nationaltorwart Marc-<br />

André terStegen hielt BarçaimSpiel<br />

und punktgleich mit Madrid an der<br />

Tabellenspitze. (sid)<br />

Protestfeuer:ein Barça-Fan vor dem<br />

Camp Nou.<br />

DPA/MATEU


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 21<br />

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Feuilleton<br />

In Ingeborg Ruthes<br />

Bild der Woche geht es<br />

um einen Schielenden<br />

Seiten 24/25<br />

„Manchmal glaube ich nämlich, dass es mich gar nicht gibt.“<br />

Der Schauspieler Sylvester Groth hält das in unserem Interview für einen schönen Gedanken. Seite 22<br />

Advent<br />

Nach<br />

Hause<br />

Harry Nutt<br />

hörtChris Rea<br />

im Pflegeheim.<br />

In dem Pflegeheim, in dem ich<br />

meine Mutter besuche,ist der Eingangsbereich<br />

weihnachtlich geschmückt.<br />

Eine weiß-geflockte Decke<br />

simulierteine Schneelandschaft,<br />

und ein altes Paar Skier deutet eine<br />

Mobilität an, über die hier niemand<br />

mehr verfügt. DasArrangement kündet<br />

vom Wechsel der Jahreszeiten.<br />

Das Leben, soll das wohl heißen,<br />

geht weiter –das Heim als Durchgangsstation.<br />

Und obwohl hier das<br />

ganze Jahr über eine Art weihnachtliche<br />

Langsamkeit den Takt angibt,<br />

werden die Feiertage hier doch als<br />

besonderes Fest wahrgenommen.<br />

Die Zahl der Besuche steigt an, und<br />

wenigstens für ein paar Tage erfährt<br />

das Personal jeneWertschätzung, die<br />

es das ganzeJahr über verdient hätte.<br />

Es gibt sie tatsächlich, die Weihnachtsstimmung.<br />

Chris Reas Song<br />

„Driving Home for Christmas“ ist ja<br />

wohl nur deshalb ein Evergreen, weil<br />

er sehr viel mehr ausdrückt als die<br />

Fahrtbewegung von hier nach da.<br />

Vielmehr handelt das Lied von dem<br />

anthropologischen Bedürfnis nach<br />

Ankunft. Die Tage davor werden als<br />

Passage wahrgenommen, durch die<br />

man sich in dieWeihnachtszeit rettet<br />

–das gilt auch für jene,die darauf aus<br />

sind, aus der weihnachtlichen Enge<br />

auf ferne Inseln zu entfliehen.<br />

Wohlige Vergangenheit<br />

Eine ganz ähnliche Stimmungslage<br />

war es wohl auch, die die Briten in<br />

der vergangenen Woche dem Halunken<br />

Boris Johnson den Vorzug<br />

hat geben lassen. Im Gegensatz<br />

zum orientierungslosen Zauderer<br />

Jeremy Corbyn nahm man Johnson<br />

trotz all der nachgewiesenen Lügen<br />

ab, dass er wenigstens weiß, wohin<br />

er will. Wenn der Slogan „Let’s get<br />

Brexit done“ schon keine Aussage<br />

über die Zukunft enthielt, so signalisierte<br />

er doch das Versprechen auf<br />

ein wohliges Vergangenheitsgefühl.<br />

Die populistischen Bewegungen<br />

verheißen einen Zuwachs an Selbstachtung<br />

und Geltung, die aus nationaler<br />

Besinnung hervorgehen mögen.<br />

Es geht dabei um ein rückwärtsgewandtes<br />

Adveniat.<br />

Enthielt die christliche Botschaft<br />

angesichts bedrückender Ungewissheit<br />

und Kontingenz seit jeher auch<br />

ein Zukunftsversprechen, so scheint<br />

diese derzeit nicht allzu hoch im<br />

Kurs zu stehen. Obwohl die junge<br />

Bewegung „Fridays for Future“ die<br />

Zukunft im Namen trägt, verweist sie<br />

auf das Drama des Zuspätkommens,<br />

eine Art negative Eschatologie. Die<br />

Apokalypse droht nicht mehr als atomarer<br />

Knall, sondern durch langsames<br />

Verglühen. Die Kipppunkte, so<br />

heißt es in mathematischer Nüchternheit,<br />

sind kurzdavor,überschritten<br />

zu werden.<br />

Vorein paar Tagen musste meine<br />

99-jährige demente Mutter für ein<br />

paar Tage ins Krankenhaus. Eine<br />

aus medizinischer Sicht gebotene<br />

Operation unterblieb mit Verweis<br />

auf ihr hohes Lebensalter. An ihrem<br />

Bett sitzend, erklärte ich ihr<br />

wiederholt, wo sie sich befinde.<br />

„Du bist im Krankenhaus“, versuchte<br />

ich mit Nachdruck zu sagen.<br />

Unter einigen Mühen drehte sie<br />

sich langsam zu mir und sagte ruhig,<br />

aber bestimmt: „Komm, lass<br />

uns jetzt nach Hause gehen!“<br />

Moskau in den 1920er-Jahren. Der Literat und Ingenieur Andrej Platonow setzte im Kampf gegen Armut auf technischen Fortschritt und Ökologie.<br />

Kommunismus, Sex und Ökologie<br />

Zweineue Bücher zeigen den modernen Klassiker Andrej Platonow alserstaunlichen VordenkerunsererZeit<br />

VonMathias Schnitzler<br />

Konnte Andrej Platonow in<br />

die Zukunft sehen? In seinem<br />

Roman „Dshan“, dessen<br />

Druck die sowjetischen<br />

Zensoren 1935 verhinderten, reist ein<br />

Ökonom im Auftrag der Regierung<br />

nach Zentralasien, um ein von Hungertod<br />

bedrohtes Volk zu retten. Das<br />

gelingt nur mithilfe einer minderjährigen,<br />

recht schroffen Aktivistin. Als<br />

die Menschen dennoch beschließen<br />

fortzugehen, besteigt das junge Mädchen<br />

einen Berg. Als Zukunft ihres<br />

Volkes und möglicherweise der<br />

Menschheit behält die Zurückbleibende<br />

als Einzige den Überblick:„Die<br />

kleine Sonne bestrahlte die ganze<br />

große Erde,und das Licht reichte vollkommen.“<br />

Mithilfe der Sonnenenergie<br />

würden die Menschen nachhaltig<br />

überleben können.<br />

Natürlich war Platonow<br />

(1899–1951), dessen Meisterwerke<br />

„Tschewengur“ oder „Die Baugrube“<br />

erst lange nach seinem Toderschienen<br />

und den Stalin schon Anfang der<br />

30er-Jahre als Anarchisten, als<br />

„Dreckskerl“ beschimpft hatte; natürlich<br />

war der melancholische, mitfühlende<br />

Ingenieur aus Woronesh,<br />

der das kommunistische Paradies<br />

suchte und die Verbrechen der Sowjetunion<br />

thematisierte; natürlich<br />

war der von Joseph Brodsky auf eine<br />

Stufe mit Kafka und Joyce gestellte<br />

Autor nicht Nostradamus –und das<br />

asiatische Mädchen Aidym aus dem<br />

Volk Dshan keine Präfiguration Greta<br />

Thunbergs.<br />

Als ökologischen Propheten darf<br />

man Platonowdennoch bezeichnen.<br />

Vor hundert Jahren forderte er die<br />

Abkehr von fossilen Brennstoffen,<br />

beschäftigte sich mit erneuerbaren<br />

Energien und kritisierte den Raubbau<br />

an der Natur:injournalistischen<br />

und fiktionalen Texten ebenso wie in<br />

seiner Arbeit als Ingenieur und Bewässerungsexperte.<br />

Nährstoffe und<br />

Feuchtigkeit, die dem Boden durch<br />

Landwirtschaft entzogen wurden,<br />

wollte er diesem zurückzugeben.<br />

Auch experimentierte er an einem<br />

„fotoelektromagnetischen Resonanz-Transformator“,<br />

dem Prototypen<br />

einer Solarzelle.<br />

Platonow hatte für die Oktoberrevolution<br />

und im Bürgerkrieg gekämpft<br />

–gegen den ewigen Kreislauf<br />

vonArmut und Hunger des einfachen<br />

Volkes, dem er selbst entstammte.<br />

Technischem Fortschritt als Motor<br />

der gesellschaftlichen Verbesserung<br />

stand er positiv gegenüber, warnte<br />

aber vor Stalins radikaler Industrialisierung<br />

und Kollektivierung. Beides<br />

wurde ohne Rücksicht auf Verluste,<br />

mit Millionen Toten in der Landbevölkerung<br />

und enormem Zerstörungen<br />

der Naturvorangetrieben.<br />

Platonow, Sohn eines Eisenbahnschlossers<br />

und Ingenieur aus<br />

Leidenschaft, wurde schon als Kind<br />

für Ökologie sensibilisiert. In seiner<br />

Heimat, dem Schwarzerdegebiet<br />

Zentralrusslands, hatte Peter der<br />

Große im 18. Jahrhundertviele Wälder<br />

abholzen lassen. Seither litt die<br />

Region oft unter massiven Dürren.<br />

Als eine solche 1921 zur Hungerkatastrophe<br />

führte,reistePlatonowfür<br />

das Gouvernement übers Land,<br />

säuberte Flussbette, baute Dämme<br />

und Brunnen, schuf nachhaltige<br />

Projekte und leitete die bäuerliche<br />

Bevölkerung in demokratischem<br />

Geist an, sich selbst zu helfen. Bei<br />

den sowjetischen Bürokraten aber<br />

stieß er bald auf Widerstand, Verbote<br />

und Intrigen folgten.<br />

„Das Grundkapital der Menschen<br />

ist die Fruchtbarkeit der Erde“,<br />

schrieb Platonow 1924. „Deshalb darf<br />

man dieses Kapital nicht plündern<br />

und vernichten, sondern muss es so<br />

nutzen, dass seine absolute Größe<br />

konstant gehalten wird.“<br />

In seinem Essay „Über die erste<br />

sozialistische Tragödie“ (1935), den<br />

man als einen der frühesten und bedeutendsten<br />

ökologischen Texte bestaunt,<br />

warnt der Autor vor der Gefahr<br />

einer durch den Menschen ver-<br />

NEU ERSCHIENEN VON ANDREJ PLATONOW<br />

Andrej Platonow: Dshan oder Die erste<br />

sozialistische Tragödie Prosa, Essays,<br />

Briefe. Herausgegeben und aus dem<br />

Russischen übersetzt vonMichael Leetz.<br />

Quintus, Berlin 2019. 376 S.,25Euro.<br />

Andrej Platonow:<br />

Die glückliche Moskwa<br />

Roman. Ausdem Russischen<br />

vonRenate Reschkeund Lola Debüser.<br />

Suhrkamp, Berlin 2019. 221 S.,24Euro.<br />

ursachten globalen Umweltkatastrophe.<br />

Die literarische Bedeutung Platonows<br />

mit seiner Erzähltechnik subversiv<br />

verfremdeter Sprache<br />

wächst immer mehr. Doch wer<br />

wusste, dass viele seiner Texte ein<br />

frappierend aktuelles ökologisches<br />

Denken beinhalten? Der Slawist<br />

Michael Leetz! In dem von ihm im<br />

<strong>Berliner</strong> Quintus-Verlag herausgegebenen<br />

und übersetzten Buch<br />

„Dshan oder Die erste sozialistische<br />

Tragödie“ erscheinen die<br />

meisten der Platonow’schen Texte<br />

mit ökologischen Motiven erstmals<br />

auf Deutsch oder, wie der Roman<br />

„Dshan“, in der ungekürzten Originalfassung.<br />

Leetz zeigt, auch in seinem<br />

spannenden Nachwort, dass<br />

Literatur auf höchstem ästhetischen<br />

Niveau und ein über den<br />

Zeitgeist hinausgehendes Umweltbewusstsein<br />

einander nicht ausschließen.<br />

Ein Buch des Jahres,<br />

auch für die junge Generation.<br />

IMAGO<br />

Ebenfalls atemberaubend ist der<br />

dritte, wieder wunderschön gestaltete<br />

Band der Platonow-Werkausgabe<br />

bei Suhrkamp.Erzieht neueste<br />

Forschungsergebnisse heran, bietet<br />

Varianten und gestrichene Passagen<br />

aus den Notizbüchern des Autors.<br />

„Die glückliche Moskwa“, geschrieben<br />

zwischen 1932 und 1936,<br />

Fragment gebliebener Roman,<br />

ebenfalls verboten und erst 1999<br />

publiziert, ist ein Buch zum Verlieben<br />

–und extrem verstörend. Heldin<br />

ist die junge, aus ärmsten Verhältnissen<br />

stammende Moskwa<br />

Tschestnowa, die „Tochter der Revolution“<br />

genannt wird, aber bekennt:<br />

„Ich bin keine Tochter, ich<br />

bin eine Waise“. Ihre ersten Erinnerungen<br />

und ihr Leben beginnen mit<br />

der Oktoberrevolution.<br />

Selten hat man in der russischen<br />

Literatur solch eine strahlende,<br />

starke, selbstbestimmte und sexy<br />

junge Frau gesehen. Auf der Suche<br />

nach Essen, Wohnraum, Arbeit<br />

und einer glücksverheißenden Zukunft<br />

irrt und fliegt sie (unter anderem<br />

als Fallschirmspringerin)<br />

durch das Moskau der frühen<br />

30er-Jahre, während die Männer,<br />

meist Angehörige der neuen Elite,<br />

über den Geist der Epoche philosophieren<br />

und Stalins Losungen<br />

reflektieren. Moskwa schläft mit<br />

vielen Männern, will sich aber<br />

nicht binden: „Liebe kann unmöglich<br />

Kommunismus sein.“<br />

Emotional ist Moskwa, wie auch<br />

die Struktur des gesamten Romans,<br />

zerrissen: Es fehlt die notwendige<br />

Verbindung zwischen Bewusstsein<br />

und Seele, Technik und Natur, Gemeinschaft<br />

und individuellen Bedürfnissen,<br />

zwischen gestern und<br />

morgen, neu und alt. Diepropagierte<br />

Geschichtslosigkeit, das Waisentum<br />

der apostrophierten „neuen Menschen“<br />

der ersten originär sozialistischen<br />

Generation macht diese zu<br />

seelischen Krüppeln.<br />

So erzählt dieser packende Roman<br />

von der aufrichtigen, utopischen Attraktion<br />

und Hoffnung, die viele Russen<br />

in der Anfangsphase mit dem<br />

Kommunismus verbanden. Und endet<br />

–fragmentarisch, düster,tragisch<br />

–mit verlorenen Illusionen und Gewalt.<br />

Auch der Mensch lässt sich, wie<br />

die Natur, nicht ungestraft manipulieren<br />

und berauben.<br />

NACHRICHTEN<br />

Volker Heller erneut zum<br />

Vorstand der ZLB berufen<br />

DerStiftungsrat der Zentral- und<br />

Landesbibliothek Berlin (ZLB) hat<br />

Volker Heller erneut zum Vorstand<br />

und nun auch zum Generaldirektor<br />

berufen, dies teilt die Kulturverwaltung<br />

mit. Als Vorstand und Managementdirektor<br />

leiteteVolker Heller die<br />

ZLB seit 2012, das bisherigeVertragsende<br />

der Stiftung mit Volker Heller<br />

war im Dezember 2019. DieZentralund<br />

Landesbibliothek Berlin ist<br />

Deutschlands größte öffentliche Bibliothek.<br />

Siearbeitet starkprogrammbezogen<br />

und bietet 3,5 Millionen<br />

Medien. (BLZ)<br />

Tanz, Performance, Theater:<br />

Stipendien ausgeschrieben<br />

DieSenatsverwaltung für Kultur vergibt<br />

2020 Arbeits- und Recherchestipendien<br />

im Bereich des Tanzes und<br />

der darstellenden und performativenKünste.Wie<br />

die Behörde mitteilt,<br />

sind die Stipendien für professionelle<br />

Bühnenkünstler bestimmt. Gefördertwerden<br />

sollen mit bis zu 8000<br />

Euro selbst gewählte Vorhaben, z.B.<br />

Forschung, Recherche oder Vorarbeiten<br />

an einem bestimmten<br />

Thema, die Entwicklung vonProjekten<br />

oder die Erschließung neuer Arbeitstechniken.<br />

Bewerbungsschluss<br />

ist der 30. Januar 2020 um 18 Uhr.<br />

Formular und Informationen auf<br />

berlin.de. (BLZ)<br />

Suche nach Azteken-Grab<br />

in Mexiko-Stadt<br />

Mitten in der Millionenmetropole<br />

Mexiko-Stadt wollen Archäologen<br />

erstmals eine Grabstätte der mächtigen<br />

Aztekenherrscher freilegen. Zwar<br />

erwarten die Forscher nur ein recht<br />

einfaches Grab −die Entdeckung der<br />

letzten Ruhestätte eines Aztekenkönigs<br />

wäretrotzdem eine wissenschaftliche<br />

Sensation. Aufder Suche<br />

nach dem Grab haben Archäologen<br />

am Fuße des Haupttempels der Aztekenhauptstadt<br />

Tenochtitlan<br />

(1325−1521) schon mehrereüber 500<br />

Jahrealte Opfergaben gefunden, die<br />

für den Sonnengott Huitzilopochtli<br />

bestimmt waren. (dpa)<br />

Ausstellung über Geschichte<br />

und Symbolkraft des Huts<br />

Mitder Symbolik und der Historie<br />

vonKopfbedeckungen setzt sich<br />

eine neue Ausstellung in Stuttgart<br />

auseinander.Unter dem Titel „Hut<br />

ab? Pickelhaube,Pussyhat und andereKopfgeschichten“<br />

hinterfragt<br />

die Schau im Haus der Geschichte<br />

vorallem, warum Kopfbedeckungen<br />

nach Jahrzehnten wieder im Alltag<br />

auftauchen −und dann oft als religiöse<br />

Symbole für Streit und Debatten<br />

sorgen wie die Kippa und das<br />

Kopftuch. (dpa)<br />

Kopfbedeckungen können auch zur politischen<br />

Botschaft werden. DPA/TOM WELLER


22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

·························································································································································································································································································<br />

Feuilleton<br />

Sylvester Groth liebt Interviews<br />

eigentlich gar nicht,<br />

denn er redet nicht gern auf<br />

Knopfdruck, aber wenn er<br />

auch vom Theater erzählen kann,<br />

freut er sich und läuft doch ziemlich<br />

schnell warm. Wir treffen uns im<br />

Souterrain des Restaurants Borchardt,<br />

wo man hört, wie nebenan<br />

die Schnitzel geklopft werden und<br />

wo außer uns niemand sitzt. Aber<br />

man darf hier rauchen, und darauf<br />

möchte Sylvester Groth nicht verzichten.<br />

Der Kellner hat dafür volles<br />

Verständnis und gibt ihm Feuer.Und<br />

Groth, der passionierte Raucher,<br />

dankt ihm nicht wie einem Dienstboten,<br />

sondern wie einem vertrauten<br />

„Brother in Crime“. Um seinen<br />

neuen Film soll es hier natürlich<br />

auch gehen.<br />

Herr Groth, in dem Film „Der Club<br />

der singenden Metzger“ spielen Sieeinen<br />

Clown in Kostüm und Maske<br />

und mit den typischen riesigen Schuhen.<br />

Wardas schwer?<br />

Höchstens insofern, als ich<br />

Clowns bis dahin eigentlich hasste.<br />

Was natürlich auch daran lag, dass<br />

ich sie nur als billige Faxenmacher<br />

wahrgenommen hatte. Nicht solche<br />

Größen wie Charlie Rivel oder Grock,<br />

das waren selbst für mich grandiose<br />

Artisten, ja sogar Philosophen. Und<br />

dann lernte ich Raoul Schoregge<br />

kennen, der ist nicht nur ein wunderbarer<br />

Clown ist, sondern auch<br />

Manager des Chinesischen Nationalzirkus.<br />

Undder hat es geschafft, dass Sieumzudenken<br />

begannen?<br />

Ja, denn er hat mir gezeigt, wie<br />

viel der Beruf des Clowns in Sachen<br />

Timing, Präzision, Körperbeherrschung<br />

mit dem Beruf des Schauspielers<br />

zu tun haben kann. Und in<br />

Sachen Denken, das müssen wir<br />

schließlich alle, umunser Publikum<br />

zu erreichen. Der Clown kann die<br />

Leute mit seinen Mitteln überdies<br />

zum Lachen bringen, aber nicht auf<br />

die billige Manier,sondernindem er<br />

zu einer Figur wird, mit der die Zuschauer<br />

etwas anfangen können. Oft<br />

hat der Clown in der Manege ein<br />

ganz normales Problem und versucht,<br />

dieses zu lösen. Daskann sehr<br />

komisch werden –wenn er gut ist …<br />

Wie haben Sie sich konkret auf die<br />

Rolle dieses alkoholkranken Robert<br />

vorbereitet?<br />

Aylin Tezel, die eine Hamburger<br />

Zirkusartistin spielt, und ich als ihr<br />

Vater, der Clown, haben mit Schoregge<br />

eine richtig große, professionelle<br />

Nummer einstudiert. Davon<br />

sieht man im Film nur sehr kurze<br />

Ausschnitte, aber wir wollten diesen<br />

Aufwand trotzdem betreiben, weil<br />

wir überzeugt waren, dass sonst die<br />

ganzen Zirkusszenen nicht stimmen.<br />

Auch als Schauspieler muss<br />

man viel mehr im Lager haben, als<br />

man in der Auslage zeigt. Und man<br />

sieht im Schaufenster, wenn nichts<br />

im Lager ist!<br />

Die Metzger im Film sind Arbeitsmigranten,<br />

die in ihrer schwäbischen<br />

Heimat nach dem Ersten Weltkrieg<br />

kaum überleben können. Sie sind als<br />

DDR-Bürger 1985 in Westdeutschland<br />

geblieben. Könnte man Sieauch<br />

als Arbeitsmigranten bezeichnen?<br />

Oder eher als politischen Flüchtling?<br />

Am besten als Lebensmigranten!<br />

Ich war damals 27 Jahre alt und<br />

fragte mich: Washabe ich bisher gemacht?<br />

Waswill ich in Zukunft machen?<br />

Was will ich noch erleben?<br />

Wolf Biermann war ausgebürgert<br />

worden, die Stimmung in der DDR<br />

am Boden. Alle meine Freunde verließen<br />

die DDR. Sollte ich abschließen<br />

und das Licht löschen? Nein, ich<br />

wollte etwas vonder Welt mitkriegen<br />

und nicht wie ein eingesperrtes Tier<br />

im Zooherumsitzen.<br />

Deshalb sind Sie nach einem Engagement<br />

bei den Salzburger Festspielen<br />

einfach nicht in die DDR<br />

zurückgekehrt?<br />

Genau, ich bin ins kalte Wasser<br />

gesprungen und wollte mir meinen<br />

Traum von der Freiheit erfüllen. Natürlich<br />

hatte ich Glück, dass ich im<br />

Ausland arbeiten konnte. Ich weiß<br />

nicht, ob ich den demütigenden Prozess<br />

einer legalen Auswanderung per<br />

Ausreiseantrag durchgestanden<br />

„Ich kann mich von allem trennen“<br />

hätte.Das muss schrecklich gewesen<br />

sein. Hut abvor den Menschen, die<br />

es trotzdem gewagt haben.<br />

Hat Sie der Regisseur Johannes<br />

Schaaf 1984 als junger Tempelherr in<br />

Lessings „Nathan der Weise“ nach<br />

Salzburg engagiert, weil Sie eine andereArt<br />

des Spielens als IhreKollegen<br />

im Westen pflegen?<br />

Daskann ich nicht beurteilen. Auf<br />

jeden Fall habe ich ihm viel zu verdanken.<br />

Es sind immer die Menschen,<br />

die wichtig sind, die einem<br />

helfen, indem sie eine Tür öffnen<br />

und dann sagen: „Aber durchgehen<br />

musst du schon selbst.“ Man kann<br />

nichts allein schaffen.<br />

Gute Regisseure sehen in einer<br />

Schauspielerin, einem Schauspieler<br />

mehr, als die zu diesem Zeitpunkt<br />

selbst wissen?<br />

Ich glaube, das ist oft wirklich so.<br />

Werfür mich in dieser Hinsicht am<br />

bedeutendsten war, ist Klaus Michael<br />

Grüber.Erwar der beste Regisseur,<br />

den ich je kennengelernt habe,<br />

und die größte Persönlichkeit im<br />

Theaterbereich. Er hatte einfach so<br />

viel im Lager, der musste nichts ins<br />

Schaufenster legen. Selbst wenn es<br />

leer gewesen wäre, hätten die Leute<br />

trotzdem davor gestanden und„Oh!“<br />

gesagt. Er war das einzige Genie,das<br />

mir je begegnet ist.<br />

Was hat denn diesen großen Regie-<br />

Außenseiter gekennzeichnet?<br />

Er war so unglaublich eigenständig,<br />

aber nicht, um sich von<br />

Ein Lebensmigrant mit leichtem Gepäck: Sylvester Groth spielt in dem Zweiteiler<br />

„Club der singenden Metzger“ einen alkoholkranken Clown<br />

den anderen Regisseuren abzuheben,<br />

sondern weil er ganz klar ausdrücken<br />

wollte, wie er die Welt sah.<br />

Für ihn waren Details sehr wichtig,<br />

eine Geste, ein Blick. Denn die großen<br />

Sachen erzählen sich ohnedies<br />

von selbst. Er ließ lieber etwas weg<br />

als etwas hinzuzufügen. Und er<br />

wollte, dass man nicht deklamiert<br />

und den Text nicht interpretiert,<br />

sondern einfach spricht. Aber sagen<br />

Sie mal ein schlichtes Nein<br />

oder Ja, und dann meinen Sie das<br />

auch so! Das ist wahnsinnig<br />

schwer, doch genau da wollte er<br />

immer hin. Er hat es ja auch geschafft.<br />

Tschechows „Ander großen<br />

Straße“ 1984 auf der damaligen<br />

Kreuzberger Probebühne der<br />

Schaubühne ist das Schönste, was<br />

ich je gesehen habe.<br />

VonIrene Bazinger<br />

Sylvester Groth: „Auch als Schauspieler muss man viel mehr im Lager haben, als man im Schaufenster sieht.“<br />

DER SCHAUSPIELER UND SEIN NEUER FILM<br />

Sylvester Groth,geboren 1958 in Jerichow, wurde 1983 mit dem Film „Der Aufenthalt“ (Regie:<br />

Frank Beyer) bekannt. 1985 blieb er nach einem Gastengagement bei den Salzburger<br />

Festspielen im Westen. Von1986 bis 1989 gehörte er zum Ensemble der Schaubühne. Er<br />

spielte in zahlreichen Filmen wie „Momo“, „Stalingrad“, „Mein Führer −Die wirklich wahrste<br />

Wahrheit über Adolf Hitler“, „Inglourious Basterds“, „Whiskey undWodka“, „Fargo“, „In Zeiten<br />

des abnehmenden Lichts“. Außerdem wirkte er in der „Deutschland“-Serie vonRTL mit sowie<br />

in den Netflix-Serien „Dark“ und „Criminal“.<br />

Der Club der singenden Metzger 27. Dezember,20.15 Uhr (ARD)<br />

Regie: Uli Edel, Drehbuch: Doris Dörrie, Ruth Stadler,mit JonasNay,Leonie Benesch,<br />

AylinTezel, Sylvester Groth, Vladimir Korneevu.a.<br />

Wie kann man als Schauspieler zu<br />

solch einem verdichteten Minimalismus<br />

finden, wie Sieihn beschreiben?<br />

Grüber hateinen in eine Situation<br />

gebracht, dass man ihm nichts mehr<br />

vormachen wollte. Das hat er einem<br />

ausgetrieben. Er hat einen entblättert.<br />

Das hält man nicht ohne weiteres<br />

aus. Aber dann ist es das Größte,<br />

was es gibt, weil man eine Freiheit<br />

gewinnt, alles auf der Bühne zu tun,<br />

ohne nachzudenken − weil man<br />

nichts mehr spielt, sondern ist, und<br />

trotzdem seinen Beruf ausübt, also<br />

nichts Privates durchsuppen lässt.<br />

Für das Theater sind Sie nach derlei<br />

Höhenflügen nun wohl verloren?<br />

Ich glaube, ich habe alles am<br />

Theater gespielt, was für mich vorgesehen<br />

war. Ich muss ja nicht bis<br />

BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />

an mein Lebensende auf der<br />

Bühne stehen. Meine Familien<br />

habe ich gehabt, an der Schaubühne<br />

mit Grüber, in Düsseldorf<br />

mit Herbert König, auch ein großartiger<br />

Regisseur, selbst wenn ihn<br />

heute keiner mehr kennt. König<br />

hat mir das artistische, rein äußerlich<br />

virtuose Spielen abgewöhnt<br />

und gesagt: „Stell dich einfach mal<br />

hin und mach mir nichts vor!“<br />

Seine Inszenierung von Goldonis<br />

„Der Impresario von Smyrna“<br />

1982 in Görlitz/Zittau war für<br />

mich eine Initialzündung. Er war<br />

eigentlich der künstlerische Vater<br />

von Frank Castorf. Ohne König<br />

wäre Castorf nicht denkbar.<br />

Undwer war beim Film alsRegisseur<br />

für Siewichtig?<br />

Auf jeden Fall Frank Beyer! Der<br />

hat mich 1983 mit „Der Aufenthalt“<br />

ins Metier gehievt und für meinen<br />

Durchbruch gesorgt.<br />

In diesem Jahr wird der Mauerfall vor<br />

30 Jahren gefeiert. Hätte es auch eine<br />

andere DDR geben können als die,<br />

der Sieentflohen sind?<br />

Nach der friedlichen Revolution<br />

mit den positiven Anzeichen für eine<br />

politische Veränderung war der Zug<br />

für eine bessere DDR leider sehr<br />

schnell abgefahren. Das Geld war<br />

halt doch stärker und hat alles Weiterebestimmt.<br />

DerEinzige, der das gleich befürchtet<br />

hatte, war Heiner Müller, oder?<br />

Er kannte ja den Westen aus direkter<br />

Erfahrung. Und wurde bei seiner<br />

kleinen Rede auf dem Alexanderplatz<br />

am 4. November 1989 heftig<br />

ausgebuht.<br />

Ja, der guckte sich das einfach an<br />

und wirdsich gedacht haben, „wenn<br />

ihr das Volk seid, bin ich Volker“.<br />

Haben Sie noch ein paar Verbindungen<br />

in IhrealteHeimat?<br />

Seine Wurzeln verliert man ja<br />

nie. Ich freue mich immer, nach<br />

Leipzig zu kommen oder nach Jerichow,<br />

woich geboren wurde und<br />

wo meine Schwester in der Nähe<br />

lebt. Aber ich fahre nicht extra hin,<br />

weil ich Sehnsucht hätte oder melancholisch<br />

wäre. Ich weiß sowieso<br />

nicht, wohin ich gehöre. Jetzt gehöre<br />

ich hierher, zu Ihnen hier an<br />

den Tisch. Heimat ist immer da, wo<br />

ich bin und wo ich mich wohlfühle<br />

und auch dort, wo ich arbeite.<br />

Hat diese Ungebundenheit mit den<br />

Paradigmen Ihres Berufs zu tun? Sie<br />

müssen in immer neue Geschichten<br />

eintauchen und Figuren schaffen<br />

können, die es nur auf der Bühne<br />

oder der Leinwand gibt?<br />

Bestimmt! Ich lebe und spiele<br />

aus dem Moment. Sonst würde<br />

das langweilig werden und wäre<br />

nicht mehr lebendig. Früher bin<br />

ich deswegen einfach regelmäßig<br />

umgezogen, um nicht irgendwo<br />

festzukleben und um nicht allzu<br />

viel Besitz anzuhäufen. Auch jetzt<br />

bin ich gerade wieder dabei,<br />

meine Sachen auszumisten. Ich<br />

kann mich von allem trennen. Nur<br />

meine Bilder gebe ich nicht her,<br />

die bedeuten mir wirklich etwas,<br />

sie sind von Malern, die ich kenne.<br />

Ich muss für mich herausfinden,<br />

was wichtig im Leben ist und was<br />

nicht. Besitzmäßig komme ich<br />

bald wieder auf einen einzigen<br />

Koffer zurück, mit dem ich jederzeit<br />

anderswohin gehen könnte …<br />

Viel mehr haben die FigureninIhrem<br />

neuen Film auch nicht dabei, wenn<br />

sie per Schiff nach Amerika umsiedeln,<br />

oder?<br />

Ja, was für ein Mut! Denn die<br />

wussten kaum etwas über das<br />

neue Land und verließentrotzdem<br />

ihren vertrauten Kulturkreis. Aber<br />

ich finde, der Aufbruch und das<br />

Risiko lohnen sich, wenn sonst<br />

nichts mehr möglich ist − selbst<br />

wenn man scheitert. Sich später<br />

vorzuwerfen, „Ach, hätte ich doch<br />

mal“, ist viel schlimmer. Deshalb<br />

tue ich eigentlich immer das, was<br />

ich mir in meinen Sturkopf setze.<br />

Was wäre in Ihrem Koffer, wenn<br />

Sie, wie der Clown Robert,auswandern<br />

würden?<br />

Ein paar meiner kleineren Bilder,<br />

ein paar Fotografien aus meinem Leben<br />

…Viele habe ich nicht mehr,<br />

mein ganzes Eigentum hat sich die<br />

Stasi gekrallt, nachdem ich abgehauen<br />

war. Und natürlich meinen<br />

Pass, den habe ich sehr zu schätzen<br />

gelernt –auchals ein Dokument, das<br />

beweist, dass es mich gibt. Manchmal<br />

glaube ich nämlich, dass es mich<br />

gar nicht gibt. Schöner Gedanke,<br />

oder? Ich wäre nicht mehr in das<br />

Weltgeschehen involviert und<br />

nähme trotzdem daran teil –angekommen<br />

im Nichts.Welch unglaubliche<br />

Freiheit hätte ich dann!<br />

WaswürdenSie tun, wenn es Sienicht<br />

gäbe und Sietrotzdem existierten?<br />

Ich weiß es nicht, aber das<br />

Nichts als Daseinszustand ist etwas,<br />

das mir gefällt. Ich bin kein<br />

Buddhist und ich bereue nichts,<br />

was ich gemacht habe, ich bin ein<br />

relativ zufriedener Mensch. Trotzdem<br />

gefällt mir die Vorstellung,<br />

keine Verpflichtungen zu haben,<br />

keine Geschichte, keine Ziele. Und<br />

ich könnte, völlig unbelastet und<br />

unbeleckt, auf die Welt zugehen.<br />

Washaben Sie denn noch für Pläne,<br />

außer sich dem Nichts anzunähern.<br />

Mich nicht verbiegen zu lassen<br />

und ein guter Schauspieler zu<br />

bleiben. Das ist genug, und gar<br />

nicht leicht!<br />

Irene Bazinger<br />

achtet den Lebensmut<br />

ihres Gesprächspartners


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 23<br />

· ·<br />

·······················································································································································································································································································<br />

Feuilleton<br />

Wo ist<br />

der Bär der<br />

Berlinale?<br />

Nüchtern ist das Plakat zur<br />

70. Ausgabe des Filmfests<br />

Der <strong>Berliner</strong> Designagentur State<br />

hat das Plakat zur 70. Ausgabe<br />

der Internationalen Filmfestspiele<br />

Berlin (20.2.-1.3.) entworfen. Das<br />

Motiv soll offenbar die Zäsur ausdrücken,<br />

die der Leitungswechsel bedeutet.<br />

Der kulinarische Spaß mit<br />

Dieter Kosslick ist vorbei, unter Carlo<br />

Chatrian und Mariette Rissenbeek<br />

gibt es − Jubiläum hin oder her −<br />

Schwarzbrot. Dierecht albernen Plakatmotive<br />

der letzten Jahrgänge<br />

zeigten das zottelige Wappentier<br />

Berlins in ortsüblich übellaunigen<br />

Posen an eher weniger glamourösen<br />

Ecken dieser Stadt: in der U-Bahn,<br />

am Steh-Imbiss oder im Whirlpool.<br />

Mit dem gelben Bhinter einer 70 ist<br />

bewiesen: Berlin kann noch übellauniger<br />

und unglamouröser. (use.)<br />

Das Plakatmotiv zur Jubiläumsausgabe<br />

der Berlinale verzichtet auf Jubel. DPA<br />

VonCornelia Geißler<br />

Stolze Blicke<br />

Wasman aus den Botschaften des Aufbau-Literaturkalenders lernen kann<br />

Vier Blätter von 53 aus dem Aufbau-Literaturkalender.Erkostet 22 Euro. AUFBAU-VERLAG (4)<br />

Alter ist keine Eigenschaft,<br />

die für einen Kalender<br />

spricht. Doch für den Kalender,<br />

von dem hier die<br />

Rede ist, steht das Alter für Vertrautheit,<br />

für ein gewisses Heimatgefühl.<br />

Durchall meine Wohnungen seit der<br />

Kindheit begleiten mich Bilder von<br />

Schriftstellern wöchentlich verteilt<br />

auf den Aufbau-Literaturkalender.<br />

Zum Jahresende wird mir wieder<br />

einmal bewusst, wie viel Bildung ich<br />

erlangt hätte, wenn ich doch die bequeme<br />

Möglichkeit genutzt hätte,<br />

die Blätter genau zu studieren. Zum<br />

Beispiel über Murasaki Shikibu, die<br />

im 11. Jahrhundert den ersten bedeutenden<br />

Roman Japans verfasste,<br />

„Die Geschichte vomPrinzen Genji“.<br />

Zu einer Illustration des Werks, die<br />

das Blatt für den 16. bis 22. Dezember<br />

schmückt, heißt es, Gelehrte<br />

stritten bis heute,warum das Manuskript<br />

abrupt ende. Das weckt Neugier<br />

für das bei Manesse auf Deutsch<br />

erschienene Buch. Dann folgt die<br />

Woche, in der vermutlich vieltausendfach<br />

der neue Kalender unter<br />

Weihnachtsbäumen liegt. Der<br />

2019er-Jahrgang schließt mit einem<br />

Fontane-Bilanz-Gedicht, man lese<br />

nur die letzte Strophe: „Das flücht’ge<br />

Lob,des Tages Ruhm/ Magst Du dem<br />

Eitlen gönnen;/ das aber sei dein<br />

Heiligtum:/ Vor dir bestehen können.“<br />

Schade, dass heute keine Poesiealben<br />

mehr vollgekritzelt werden.<br />

Das neue Jahr beginnen die Kalendermacher<br />

mit einem Foto von<br />

Ernst Barlach, dessen 150. Geburtstag<br />

am 2. Januar von der Kunst- und<br />

Literaturwelt begangen wird. DieKalendermacher,<br />

das sind der Literaturkritiker<br />

und -vermittler Thomas<br />

Böhm und die Lektorin Catrin Polojachtof.<br />

Das sind auch die Gestalter<br />

Ute und TomHenkel: Sie sind dafür<br />

verantwortlich, dass der Kalender<br />

optisch sein Gesicht wahrt. Denn<br />

das macht das Heimatliche aus.<br />

Im Lauf der Jahrzehnte haben<br />

viele Verlage erkannt, dass Leser sich<br />

gern mit Zitaten und Fotos großer<br />

oder zu entdeckender Autoren, umgeben.<br />

Zurältesten Konkurrenz (1985<br />

begründet) für das Produkt aus dem<br />

<strong>Berliner</strong> Aufbau-Haus, dem „Arche<br />

Literaturkalender“ gesellt sich neuerdings<br />

„Der Literatur Kalender“ der<br />

Edition Momente. Esgibt auch literarische<br />

Katzen- und Hundekalender,noch<br />

allerdings nicht vonschreibenden<br />

Tieren, sondern mit Zitaten<br />

über sie zu hübschen Fotos.<br />

Das Blättern durch den Aufbau-<br />

Literaturkalender für 2020 stimmt<br />

mich optimistisch. Dieses Jahr stehlen<br />

weniger geltungsbedürftige<br />

Männer den Frauen die Aufmerksamkeit.<br />

Benoîte Groult wird zwar<br />

Ende Januar so zitiert: „Jedes Mal,<br />

wenn ich auf unseren Bildschirmen<br />

eine begabte oder einflussreiche<br />

Frau sehe, weiß ich, dass sie auf der<br />

Stelle verkünden wird, natürlich<br />

keine Feministin zu sein, und damit<br />

weiter eine Sache in Misskredit<br />

bringt, auf die wir im Interesse unserer<br />

Kultur stolz sein sollten.“ Dieser<br />

Satz kann doch ein Auftrag sein. Im<br />

September sieht man mit Hanya Yanagihara<br />

eine der erfolgreichsten<br />

Autorinnen der vergehenden Dekade,ein<br />

Anstoß zum Lesen, und angesichts<br />

ihres Fotos in auffälliger<br />

Kleidung mit dem interessanten<br />

Hinweis versehen: „Mittlerweile ist<br />

Yanagihara Chief Editor des Stilmagazins<br />

Tder NewYork Times.“ Sympathisch<br />

ist mir auch, dass Kirsten<br />

Boie hier als Autorin von Kinderund<br />

Jugendbüchern genauso wahrgenommen<br />

wird wie die, die nur für<br />

Erwachsene schreiben.<br />

Natürlich sind nicht nur Frauen<br />

in diesem Kalender versammelt,<br />

auch schreibende Männer kommen<br />

in den 53 Wochen angemessen vor.<br />

Das Blatt Ende November ist dem<br />

Dichter Paul Celan gewidmet, der<br />

am 23.11.1920 geboren wurde. Da<br />

gilt es wieder,ein Jubiläum zu feiern.<br />

NACHRICHTEN<br />

Journalistenmord: Gericht<br />

weist Einspruch ab<br />

ZumAuftakt des international<br />

beachteten Journalistenmord-Prozesses<br />

in der Slowakei haben die Angeklagten<br />

eine erste Niederlage erlitten.<br />

EinSondergericht für organisierte<br />

Kriminalität in Pezinok bei<br />

Bratislavalehnte eine vonder Verteidigung<br />

verlangte vorläufige Zurückweisung<br />

der Anklage ab.Zugleich<br />

legte das Gericht als Beginn der eigentlichen<br />

Hauptverhandlung den<br />

13. Januar fest. (dpa)<br />

Preis für Gerichtsreporterin<br />

Gisela Friedrichsen<br />

DieGerichtsreporterin Gisela Friedrichsen<br />

wirdfür ihr Lebenswerkgeehrt.<br />

Siesoll den Ehrenpreis der Auszeichnung<br />

„Journalistin des Jahres“<br />

erhalten. Dasteilte das Medium Magazin<br />

mit. Die1945 in München geborene<br />

Friedrichsen wechselte 2016<br />

vomSpiegel zur Welt. (dpa)<br />

TOP 10<br />

Mittwoch, 18. Dezember<br />

1 Bares für Rares ZDF 5,53 19 %<br />

2 heute-journal ZDF 4,53 17 %<br />

3 Tagesschau ARD 4,16 14 %<br />

4 SokoWismar ZDF 3,72 19 %<br />

5 heute ZDF 3,58 16 %<br />

6 Wer weiß denn ...? ARD 3,45 18 %<br />

7 Sportschau ARD 3,05 17 %<br />

8 Heldt ZDF 2,98 11 %<br />

9 RTL aktuell RTL 2,94 13 %<br />

10 Lotto ZDF 2,73 12 %<br />

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erhalten Sie weitere vorvertragliche Informationen und Details von unseren Reiseberatern. Druckfehler vorbehalten. Vermittler: AtourO GmbH, Martin-Luther-Straße 69, 71636 Ludwigsburg /Veranstalter: AIDA Cruises -German Branch of Costa Crociere S.p.A., Am Strande 3d,18055 Rostock.<br />

Mehr Informationen auch unter www.berliner-zeitung.de/leserreisen |leserreisen@berliner-zeitung.de<br />

Detaillierte Informationen zur Reise und rechtliche Hinweise erhalten Sie vom Reisevermittler.<br />

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> Leserreisen<br />

LESERREISEN


24 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Tagestipp<br />

KALENDER<br />

Dialogabend<br />

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FREIHEIT IST<br />

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Tickets unter www.mandelaexhibition.de<br />

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in Kooperation mit<br />

Häuser<br />

aus<br />

Holz<br />

Steine sind auch nicht mehr<br />

das, was sie mal waren,<br />

könnte man denken, wenn<br />

man heute einem Maurer (heißen<br />

die noch so?) dabei zusieht,<br />

wie er mit einer Handsäge<br />

diese aufgepufften Bauquader<br />

zurechtstutzt und zu<br />

einer tragenden Wand zusammenfügt.<br />

Wenn so „Die drei<br />

kleinen Schweinchen“ gebaut<br />

hätten, hätte der Wolf das Gemäuer<br />

sicher problemlos wegpustet<br />

und -gehustet. Dann<br />

doch lieber Holz, das den Vorteil<br />

hat, nachzuwachsen, vergleichsweise<br />

leicht und stabil<br />

zu sein. Das Architekturforum<br />

Aedes diskutiert heute über<br />

„Holzbaugiganten im urbanen<br />

Wohnbau“ und annonciert im<br />

Untertitel die Baumkadaver<br />

als Baumaterial des 21. Jahrhunderts.Auf<br />

dem Podium sitzen<br />

Denny Ohnesorge, Andreas<br />

Burgherr, Philipp-Martin<br />

Dworok, Adrian Wyss und Adrian<br />

Ulrich. Ulrich Seidler<br />

Dialogabend Holzgeschichten<br />

18.30Uhr, ArchitekturforumAedes,<br />

Christinenstraße 18–19<br />

„Schielender“, undatiert, Radierung auf Papier PRIVATBESITZ Diller in seinem Atelier in der Pappelallee um 1985 FOTO: HARF ZIMMERMANN<br />

Freilich hatte Michal Diller<br />

seinen „Schielenden“ mit<br />

einem Wortspiel betitelt,<br />

seinen Doppelsinn in die<br />

Radierplatte geritzt, dieses zur<br />

Maske unkenntliche Gesicht des<br />

Mannes und den entblößten Körper.<br />

Der ist hühnerbrüstig mager, eckig<br />

fast, verletzbar ausgesetzt, existenzialistisch.<br />

Eine Egon-Schiele-Gestalt<br />

eben, ein„Ecce homo“ wie er im<br />

Buche steht. Kein Held, eher ein Leidender,<br />

aber ein Märtyrer, der sich<br />

still zu wehren weiß, sich entzieht –<br />

jeder Festlegung, jeder Vereinnahmung<br />

oder Anpassung.<br />

Solche expressiven Grafiken, eigensinnig,<br />

technisch exzellent, von<br />

subtilem Humor, ja, Sarkasmus geprägt,<br />

hat Michael Diller,dieser Thüringer<br />

in Berlin, seit Mitte der<br />

1980er-Jahre immer öfter übermalt,<br />

seinen hell-dunklen „Grabungen“ in<br />

die Zink- oder Kupferplatten Farbe<br />

gegeben. Das war gleichsam ein<br />

symbolischer Akt, der das Exklusive,<br />

Kostbare der düsteren Radierungen<br />

rabiat tilgte und ihm, dem bisherigen,<br />

ausschließlichen Grafiker ermöglichte<br />

– und ermutigte – nun<br />

auch ausdrucksstarkzumalen.<br />

Am 27. Januar des bald beginnenden<br />

neuen Jahres würde MichaelDiller<br />

siebzig Jahrealt und gernwürden<br />

seine Freunde ihn feiern. Aber schon<br />

1993 verwaiste sein illustres, von einem<br />

gründerzeitlichen Glasdach<br />

überwölbtes Atelier in der Pappelallee,<br />

indem dereinst, wie es heißt,<br />

Künstler der Preußischen Akademie<br />

gewerkelt hatten.<br />

Zehn Jahre lang war dieses gewächshausartige<br />

Atelier über den<br />

Dächern der Stadt Treffpunkt der<br />

Szene des Prenzlauer Bergsund weit<br />

darüber hinaus. Die Besonderheit<br />

des Ortes bestand darin, dass es<br />

keine homogene Szene war, die sich<br />

hier versammelte – Dillers Atelier<br />

war offen für jeden, der kommen<br />

wollte. Und er saß mittendrin –und<br />

radierte seine ruppigen Schutzengel<br />

und das eine oder andere Kruzifix,<br />

schleuderte feuerrote und sonnengelbe<br />

Farbe über eine „Siesta“-<br />

Szene, machte seine Bilder wie ein<br />

Unberührbarer, einfach nicht abgelenkt<br />

vom Partylärm oder den hitzigen<br />

Debatten derFreunde.<br />

Der Grafiker und Bohemien Diller<br />

wurde zu einem abstrakten Expressionisten.<br />

Kunsthistoriker ver-<br />

Ingeborg Ruthe<br />

erlebteMichael Diller schon in den<br />

1980er-Jahren als Ausnahmefigur in der<br />

ost-berliner Szene. Seine Kunst kam<br />

zwar vomtiefen Erleben und vonder<br />

Anschauungder Welt,aber er war ein<br />

kühner abstrakter Expressionist und<br />

beherrschte das Vokabulardes Informellen.<br />

Sein tragisch früher Todwar ein<br />

herber Verlust für die <strong>Berliner</strong> Kunst.<br />

KINO


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 25<br />

· ·<br />

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Tagestipp<br />

KALENDER<br />

Expressive<br />

Grabungen<br />

Technisch exzellent und<br />

von subtilem Sarkasmus:<br />

Michael Dillers Bildernachlass<br />

in der Galerie Parterre<br />

„Mann mit gelber Gambe“, 1984 ,Ölauf Papier und Hartfaser<br />

MEIN BILD DER WOCHE<br />

Der Künstler: Michael Diller,geboren<br />

1950 in Thüringen, war gelernter Schiffsbauer,studierte<br />

Kunsterziehung an der<br />

Humboldt-Universität Berlin, wurde Grafiker.<br />

Inspiriertvom Werk des niederländisch-amerikanischen<br />

Malers Willem de<br />

Kooning begann er 1987 zu malen. Sein<br />

Atelier in der <strong>Berliner</strong> Pappelallee wurde<br />

zum Künstlertreff. 1993 starb Michael<br />

Diller bei einem Autounfall.<br />

Die Ausstellung: „Mal wieder was Farbiges.<br />

Michael Diller und sein Kreis“ ist eine<br />

Hommageandie Freiheit der Kunst. Zu<br />

sehen sind Diller-Werkeund dievon 14<br />

engen Freunden. Galerie Parterre, DanzigerStr.101,bis<br />

23. Februar,Mi–So<br />

19−21/Do bis 22 Uhr (Pause:<br />

21.12.−1.1.), Tel.:902953821<br />

www.galerieparterre.de<br />

PRIVATBESITZ<br />

gleichen sein relativ überschaubaresWerk,<br />

das zu schaffen ihm ja gerade<br />

mal ein Jahrzehnt vergönnt<br />

war, mit den dänisch-belgisch-niederländischen<br />

COBRA-Malern um<br />

Karel Appel und Asger Jorn in den<br />

1950er-Jahren. Mehr noch hatte Diller<br />

Inspiration bei Willem de Kooning,<br />

diesem kreativen Universum<br />

des „abstract painting“ gefunden.<br />

So wundersam und nicht fassbar<br />

wie Dillers surreale Wesen auf den<br />

Grafiken, so sind sie es auch auf der<br />

Leinwand. Der „Mann mit gelber<br />

Gambe“ von1984 wirkt wie einer anderen<br />

Zeit entstiegen, eine wilde<br />

Phantasma-Gestalt, aber im Zerrspiegel<br />

derVerhältnisse in den engen<br />

und einzwängenden DDR-Nischen,<br />

den obrigkeitsstaatlichen Bevormundungen<br />

und den immer hörbarererzerschellenden<br />

Utopien.<br />

Diller war ein nicht zu domestizierender<br />

Außenseiter, allerdings<br />

mit großem und echtem Freundeskreis.<br />

Was er mit schwarzem Humor<br />

radierte und mit heftigem<br />

Gestus und dick aufgetragenen<br />

Farben malte, hat etwas von tief<br />

melancholischen, absurden, paradoxen<br />

Komödien. Und eswirkt zugleich<br />

aufsässig – bei gleichzeitigem<br />

Rückzug des Verursachers dieser<br />

Bildgeschichten.<br />

Ein Kenner von Dillers Werk, der<br />

Kunsthistoriker und heutige Künstlerhaus-Bethanien-Leiter<br />

Christoph<br />

Tannert, erlebt in den Bildern des<br />

Freundes, in den „hektischen Expressionen“<br />

dieses Sonderlings gar<br />

ein Gefühl höchster Dringlichkeit,<br />

fast etwas Panisches. Das alles ist<br />

weit weg von jeder akademischen<br />

Feinmalerei, von der Mythenschwere<br />

der Leipziger Schule und<br />

auch diesem gewissen weltabgewandten<br />

Sensualismus der sogenannten<br />

<strong>Berliner</strong> Schule.<br />

1990 malte Diller „Brüder“ –ein<br />

lichter Farbrausch zur Wende? Aber<br />

1991, zwei Jahre vor seinem tödlichen<br />

Autounfall auf einer vereisten<br />

Landstraße in der alten Heimat Thüringen,<br />

malte er den „Sitzriesen“,<br />

eine hohe vertikale Tafel. Die seltsame,<br />

groß erscheinende Figur mit<br />

langem Rumpf und kurzen Beinen<br />

erscheint als abstruser, jeden Aufbruch<br />

erdrückender Fleisch- und<br />

Farbberg, abstrakt-real. So nah war<br />

Michael Diller seinem Vorbild de<br />

Kooningnie zuvor.<br />

Pop<br />

Weihnachten<br />

im<br />

Freundeskreis<br />

Rund um die Weihnachtstage<br />

machen es sich die<br />

<strong>Berliner</strong> Konzertveranstalter<br />

gemütlich. „Same procedure<br />

…“ bespielt dann das Programm,<br />

viele Freundeskreise<br />

stehen gemeinsam auf der<br />

Bühne und erinnern sich vor<br />

Eingeweihten der gemeinsam<br />

verbrachten Jahre. In diesem<br />

Sinne darfman wohl auch das<br />

Get-Together-Konzert von<br />

Lüül verstehen, dessen musikalische<br />

Wanderbewegungen<br />

zum Aufregendsten gehören,<br />

was das <strong>Berliner</strong> Kulturleben<br />

zu bieten hat. Seine erste Band<br />

gründete der heute 68-Jährige<br />

in den 60er-Jahen, 1975 trat er<br />

Ash Ra Temple bei, die neben<br />

Can und Tangerine Dream zu<br />

den Pionieren des Krautrocks<br />

gehörten. Mit der legendären<br />

Nico war Lüül liiertund für sie<br />

schrieb er auch ein paar Songs.<br />

Am wohlsten aber fühlt er sich,<br />

wenn er mit anderen, zum Beispiel<br />

den 17 Hippies, Musik<br />

macht. HarryNutt<br />

Lüül &Band &Gäste 20 Uhr,Ufa-Fabrik,<br />

Viktoriastraße 10–18<br />

HEUTE–21.12.<br />

SkandalimSpreebezirk<br />

GUTSCHEINE<br />

verschenken<br />

distel-berlin.de<br />

Tel. 20 44 704<br />

KINO


26 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />

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Netzwerk<br />

NACHRICHTEN<br />

Netflix hat auf YouTube<br />

die meisten Follower<br />

STREAMING<br />

Ein Fest<br />

für<br />

TV-Junkies<br />

VonMarcus Posimski<br />

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen,<br />

der Advent ist fast vorbei<br />

und Weihnachten steht vor der Tür.<br />

Egal, ob man vomWeihnachtstrubel<br />

nicht genug bekommen kann, oder<br />

ob man bereits die Nase voll hat,<br />

man kann sich dem Spektakel nicht<br />

entziehen. Undfür alle,bei denen in<br />

Sachen Weihnachtsstimmung noch<br />

Luft nach oben ist, gibt es hier ein<br />

paar Streaming-Tipps:<br />

AVeryMurrayChristmas (Netflix)<br />

Am gekonnten Wortspiel (Merry –<br />

Murray) erkennt man sofort, dass bei<br />

diesem einstündigen Weihnachts-<br />

Special der großartige Bill Murray im<br />

Mittelpunkt steht. Unter der Führung<br />

von Sofia Coppola läuft Mr.<br />

Murray zu der ihm eigenen komödiantischen<br />

Höchstform auf. Der Film<br />

ist als eine Art Mockumentary angelegt,<br />

in der Superstars wie George<br />

Clooney oder Miley Cyrussich selbst<br />

spielend wie Statisten kurz auftauchen,<br />

um dann einfach wieder zu<br />

verschwinden. Gespickt mit einer<br />

Reihe Weihnachtsliederngibt es hier<br />

eine sehr schöne kleine Weihnachtsgeschichte<br />

für Großund Klein.<br />

Home for Christmas (Netflix)<br />

Diese kleine, aber feine norwegische<br />

Serieist vorkurzembei Netflix an den<br />

Startgegangen und ist, obwohl sie auf<br />

den ersten Blick wie Tausende andere<br />

Weihnachts-Specials aussieht, eine<br />

wahrePerle.Esgeht um die 30-jährige<br />

Johanne, die, wie es sich in Christmas-Comedys<br />

gehört, Single ist und<br />

bis zum Weihnachtsessen im Kreis<br />

der Familie noch schnell irgendeinen<br />

Partner auftreiben muss,umdie„perfekte<br />

Weihnachtsidylle“ nicht zu gefährden.<br />

Was nach einer typischen<br />

Rom-Com klingt, ist dank der großartigen<br />

und erfrischenden Besetzung<br />

ein wirklich gelungener Spaß.<br />

Und sonst noch …<br />

Für Weihnachtsnostalgiker:„ACharlie<br />

Brown Christmas“ –(leider) nur<br />

25 Minuten lang, aber seit der Erstausstrahlung<br />

im Jahr 1965 ein Kultklassiker.<br />

Für Weihnachtshasser:<br />

„Bad Santa“ –Billy Bob Thorntons<br />

Der etwas andere Weihnachtsmann: Billy<br />

Bob Thornton in „Bad Santa“.<br />

ZVG<br />

beste Rolle. Ein Weihnachtsmann-<br />

Betrüger und sein kleiner Helfer wollen<br />

an Heiligabend Geschäfte ausrauben.<br />

Für Animationsfreunde:<br />

„The NightmareBeforeChristmas“ –<br />

ein düsterer,oscarnominierter Stop-<br />

Motion-Film, der Tim Burtons Gedankenwelt<br />

entsprungen ist.<br />

Undnatürlich darf der beste aller<br />

Weihnachtsfilme nicht fehlen: „Stirb<br />

langsam“ (Teil 1!). BruceWillis im Unterhemd<br />

macht zur Weihnachtszeit<br />

Geiselnehmern ineinem Hochhaus<br />

das Leben schwer. Immer wieder<br />

grandios.<br />

Marcus Posimski hat<br />

amerikanische Kultur mit<br />

Schwerpunkt Film studiert.<br />

Der digitale Blackout<br />

Wieautoritäre Staaten versuchen, ihren Bürgern<br />

die Nutzung des Internets unmöglich zu machen<br />

VonAdrian Lobe<br />

Das Internet kann man nicht so einfach abstellen oder gar löschen. Regime nutzen aber gerndie Möglichkeit, den technischen Zugriff zu sperren.<br />

Im Jahr 2009 gingen im Iran die<br />

Menschen auf die Straßen, um<br />

gegen den Wahlbetrug nach<br />

der Wahl Ahmadineschads zu<br />

demonstrieren. DieProteste,die von<br />

der Polizei mit brutaler Härte niedergeschlagen<br />

wurden, gingen als<br />

Grüne Revolution bzw. „Twitter-Revolution“<br />

in die Geschichte ein –die<br />

Opposition hatte die Demonstrationen<br />

über den Kurznachrichtendienst<br />

organisiert.<br />

Zehn Jahrespäter wiederholt sich<br />

die Geschichte: Wieder gehen die<br />

Menschen auf die Straßen. Undwieder<br />

geht die Polizei mit Gewalt gegen<br />

Demonstranten vor. Nach Angaben<br />

von Amnesty International wurden<br />

mehr als 200 Menschen bei den Protesten<br />

getötet. Doch während der<br />

Unruhen drangen diesmal kaum<br />

Nachrichten nach draußen. Der<br />

Grund: Das Regime hatte das Internet<br />

abgeschaltet und das Land vom<br />

Rest der Welt abgeschottet.<br />

Kampf David gegen Goliath<br />

Eine gemeinsame Sprache für<br />

Alexa, Siri und Co.soll bald möglich<br />

sein. Die Technologie-Schwergewichte<br />

Apple,Google und Amazon<br />

wollen bei der besseren Vernetzbarkeit<br />

von Smarthome-Geräten künftig<br />

an einem Strang ziehen und einen<br />

gemeinsamen Standard entwickeln.<br />

Wie die US-Konzerne jetzt zusammen<br />

mit der Stiftung Zigbee Alliance<br />

ankündigten, soll das Projekt<br />

denjenigen Verbrauchern Verbesserungen<br />

bringen, deren intelligente<br />

ZENSUR IM INTERNET<br />

Nicht nur autoritäre Regime<br />

sperren Internet-Seiten. In<br />

Deutschland sind zum Beispiel<br />

die Verherrlichung der<br />

NS-Kriegsverbrechen oder<br />

auch die Leugnung des Holocaust<br />

verboten. In den USA<br />

hingegen kann man diese<br />

Dingeungestraft verbreiten.<br />

In der EU werden mit Unterstützung<br />

vonEuropol Webseiten,<br />

die Darstellungen von<br />

Kindesmissbrauch enthalten<br />

und vondenen die Behörde<br />

Kenntnis erlangt hat, mit<br />

dem „Child Sexual Abuse<br />

Anti Distribution Filter“<br />

(CSAADF) gesperrt.<br />

Als am 6. August 1991, wenige Monate<br />

vor dem Zerfall der Sowjetunion,<br />

am Genfer Forschungszentrum<br />

Cern in der Schweiz die erste<br />

Webseite online gestellt wurde,<br />

herrschte Aufbruchsstimmung.<br />

Der Siegeszug des World Wide Web<br />

würde Diktatoren stürzen und die<br />

Freiheit in die Welt tragen. Im Juni<br />

1989 hatte der damalige US-Präsident<br />

Ronald Reagan, der Anführer<br />

der freien Welt, gesagt: „Der David<br />

des Mikrochips wird den Goliath<br />

des Totalitarismus zu Fall bringen.“<br />

So leicht ist der Goliath allerdings<br />

nicht zu Fall zu bringen. Immer<br />

mehr autoritäre Regime zensieren<br />

das Netz oder verhängen Internetsperren.<br />

Sri Lanka hat nach<br />

den Ausschreitungen im Mai 2019<br />

soziale Netzwerke wie Facebook<br />

und Whatsapp im Land blockiert.<br />

Äthiopien hat nach einem Putschversuch<br />

das Internet komplett abgeschaltet;<br />

Tools wie der VPN-Client<br />

oder die Anonymisierungstechnologie<br />

Tor, mit der sich Sperren<br />

umgehen lassen, wurden<br />

ebenfalls blockiert. Auch die Bewohner<br />

des Sudan waren inmitten<br />

der Proteste tagelang offline.<br />

Die irakische Regierung hat im<br />

Juni 2019 zu den Abschlussprüfungen<br />

landesweit die Internetverbindungen<br />

gekappt, um Täuschungsversuche<br />

zu verhindern (wie auch<br />

Algerien im Vorjahr). Bereits unter<br />

Diktator Saddam Hussein wurde<br />

im Irak um die Jahrtausendwende<br />

das Internet zensiert –Seiten wie<br />

Yahoo oder Hotmail waren blockiert.<br />

Normalerweise sollte man annehmen,<br />

dass es technisch gesehen<br />

gar nicht so leicht ist, ein ganzes Land<br />

voneinem dezentralen, weltumspannenden<br />

Netz abzuschotten, das mit<br />

zahlreichen Knoten und Seekabeln<br />

auf derWelt verbunden ist. Mankann<br />

die Verbindung auch nicht so einfach<br />

kappen, so wie man einen Stromstecker<br />

zieht, wie dies die Formulierung<br />

vom „Internet abschalten“ zuweilen<br />

suggeriert.<br />

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten,<br />

das Internet zu sperren.<br />

Zum einen physisch, indem Seekabel<br />

beschädigt werden. So geschehen<br />

zum Beispiel 2008, als ein<br />

sechs Tonnen schwerer Schiffsanker<br />

vor der Küste Dubais eine Kabeltrasse<br />

mit Glasfasersträngen für<br />

Internet- und Telefonverbindungen<br />

zertrümmerte, was zu einem<br />

Störfall in 14 Ländern führte. Oder<br />

digital, indem man den Transfer<br />

vonDatenpaketen blockiert.<br />

Mankann sich dieses Adressauflösungsprotokoll<br />

als eine Art Navigationssystem<br />

vorstellen, das Datenpakete<br />

anweist, welchen Pfad<br />

sie zwischen den Routerneinschlagen<br />

sollen. Werden diese Verbindungslinien<br />

mit Computerbefehlen<br />

gekappt, laufen Informationsabfragen<br />

wie etwa die Eingabe von<br />

Domains ins Leere. Es erscheint<br />

dann eine Fehlermeldung.<br />

Zugangssperren sind leichter,<br />

wenn die Provider vom Staat kontrolliert<br />

werden. Grundsätzlich gilt:<br />

Je weniger Provider und physische<br />

Verbindungen, desto leichter lassen<br />

sich Blockaden errichten. Der Iran<br />

hat sich bei der jüngsten Internetsperre<br />

verschiedener Taktiken bedient:<br />

Zumeinen hat das Regime die<br />

Internetgeschwindigkeit gedrosselt.<br />

Zum anderen wurden Datenpakete<br />

vereinfacht gesagt an heimischen<br />

Netzen vorbeigeroutet. 24 Stunden<br />

hat es gedauert, bis das Land vonder<br />

digitalen Welt abgeschnitten war.<br />

Siri spricht bald mit Alexa<br />

Apple, Google und Amazon wollen die Vernetzbarkeit von Smarthome-Geräten verbessern<br />

ten. Beiintelligenten Kühlschränken<br />

bis hin zu sprachgesteuerten Lichtanlagen<br />

oder Sicherheitsrollläden<br />

sind sie bislang darauf angewiesen,<br />

ihre Produkte entweder für mehrere<br />

Standards maßzuschneidern oder<br />

sich zwischen diesen zu entscheiden.<br />

Für Entwickler werdeder einheitliche<br />

Standard „die Kosten reduzieren“,<br />

erklärten Nik Sathe and Grant<br />

Erickson vonGoogle Nest, der Smarthome-Sparte<br />

des Suchmaschinenkonzerns.<br />

Verbrauchern werde da-<br />

GETTY IMAGES/IGOR SHISHOV<br />

Internetsperren sind extrem kostspielig.<br />

Nach Schätzungen der NGOs<br />

Netblocks und The Internet Society<br />

belief sich bei der jüngsten Netzsperre<br />

imIran der volkswirtschaftliche<br />

Schaden auf 370 Millionen Dollar<br />

–pro Tag.Wobei das Land dieVerluste<br />

durch sein eigenes Netz kompensieren<br />

konnte. Das Regime hat<br />

vor einigen Jahren mit dem Aufbau<br />

eines landesweiten Intranets mit<br />

staatlich kontrollierten Knoten, dem<br />

Nationalen Informationsnetzwerk<br />

(NIN), begonnen, über das E-Government-Leistungen<br />

oder E-Mail-<br />

Dienste abgewickelt werden. Einsolches<br />

isoliertes, zentralisiertes Netz<br />

lässt sich von der Regierung viel effektiver<br />

überwachen. Laut eines Berichtes<br />

der Jerusalem Post ist der<br />

Aufbau des nationalen Netzwerks zu<br />

80 Prozent vollendet.<br />

Derlei Nationalisierungstendenzen<br />

sind schon länger zu beobachten.<br />

China hat vor einiger Zeit eine<br />

digitale Brandmauer („The Great<br />

Firewall“) errichtet, die Seiten wie<br />

Facebook, Google,Twitter undWikipedia<br />

blockiert, heimische Dienste<br />

wie Weibo oder WeChat protegiert.<br />

Putinwill sich abkoppeln<br />

Russland will sich derweil ganz vom<br />

World Wide Web abkoppeln: Das<br />

Parlament hat im April ein Gesetz<br />

beschlossen, das Providern verbietet,<br />

ihren Traffic über ausländische<br />

Server laufen zu lassen. Das„Internet-Souveränitätsgesetz“<br />

soll Telekommunikationsanbieter<br />

verpflichten,<br />

mithilfe von Filtertechnologien<br />

den Internet-Traffic zu<br />

überwachen und eine Infrastruktur<br />

zu schaffen, die es der Regierung<br />

im Krisenfall erlaubt, das Netz abzuschalten.<br />

Präsident Wladimir Putin<br />

hat das Internet schon vor Jahren<br />

als „CIA-Projekt“ denunziert.<br />

Für dieFreiheit im Netz verheißt das<br />

nichts Gutes.<br />

Geräte zu Hause bislang nicht kompatibel<br />

sind. Das neue Protokoll<br />

habe das Potenzial, bei Smarthome-<br />

Systemen und digitalen Assistenzsystemen<br />

wie dem Google Assistant,<br />

Amazons Alexa oder Apples Siri<br />

„weithin angenommen“ zu werden,<br />

hieß es in einer Erklärung der Konzerne.<br />

Siri spricht also bald mit<br />

Alexa. Undumgekehrt.<br />

Die Entwicklung einer gemeinsamen<br />

Plattform könnte vor allem für<br />

die Entwickler von Smarthome-Anwendungen<br />

Erleichterungen bedeumit<br />

die Möglichkeit verschafft, zu<br />

wählen, wie das Zuhause gesteuert<br />

werden solle – unabhängig davon,<br />

welche Technik zum Einsatz komme.<br />

Smarthome-Geräte sind auch eines<br />

der großen Themen bei der kommenden<br />

Consumer Electronics<br />

Show CES in LasVegas (vom 7. bis 10.<br />

Januar). Analysten zufolge erwies<br />

sich beim sogenannten „Internet der<br />

Dinge“ bislang vorallem die Vielzahl<br />

an unterschiedlichen Standards und<br />

Systeme als Bremsklotz. Infos zur<br />

Show:www.ces.tech (dpa)<br />

DerOnlinevideo-Produzent Divimove<br />

hat jetzt ermittelt, welche Marken<br />

und Branchen die größten You-<br />

Tube-Kanäle haben. Besonders viele<br />

Fans haben Medien- und Technikunternehmen.<br />

Denerfolgreichsten<br />

Youtube-Kanal betreibt hier das Hollywood-Studio<br />

Warner Bros.mit<br />

über acht Millionen Filmfans.Netflix<br />

hat bei YouTube11,8 Millionen Fans,<br />

Blubberbrause verleiht Flügel:Red<br />

Bull hat 9,04 Millionen Abonnenten<br />

auf seinem YouTube-Kanal und liegt<br />

damit vorCoca-Cola (3,28 Million)<br />

und Pepsi (838 000). (kk)<br />

Vorsicht: Spam-Mails im<br />

Namen von Bundesbehörden<br />

DasBundesamt für Sicherheit in der<br />

Informationstechnik (BSI) warnt vor<br />

schädlichen Spam-E-Mails,die vermeintlich<br />

im Namen vonBundesbehörden<br />

geschickt werden. Demnach<br />

seien dem BSI aus Behörden der<br />

Bundesverwaltung mehrereInfektionen<br />

mit der SchadsoftwareEmotet<br />

gemeldet worden. Diese sende im<br />

Namen der Betroffenen E-Mails mit<br />

schädlicher SoftwareimAnhang.<br />

Um welche Behörden es im Detail<br />

geht, dazu wollte das BSI keine Auskunft<br />

geben. DieSchad-Software<br />

kann Adressbücher und Mailverläufe<br />

auslesen. (dpa)<br />

Gelesene E-Books dürfen<br />

nicht weiterverkauft werden<br />

Gelesene E-Books dürfen nach einem<br />

Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />

nicht ohne weiteres als<br />

„gebrauchte“ Exemplareüber eine<br />

Internetseite weiterverkauft werden.<br />

Nach EU-Recht handele es sich dabei<br />

um eine „öffentliche Wiedergabe“,<br />

für die es die Erlaubnis des<br />

Urhebers bedürfe,urteilten die Luxemburger<br />

Richter am Donnerstag<br />

(Rechtssache C-263/18). (dpa)<br />

Rechner sagt, wie viele<br />

Kugeln an den Baum müssen<br />

Eine zumindest aus mathematischer<br />

Sicht perfekte Anzahl an Kugeln und<br />

Lichter für eine bestimmte Baumgröße<br />

lässt sich errechnen. DieDIY<br />

Academy verweist dazu auf einen<br />

Rechner namens „Treegonometry“<br />

der Universität im englischen Sheffield.<br />

Hier gibt man die Höhe des gekauften<br />

Baums in Zentimeternein.<br />

Dann spuckt der englischsprachige<br />

Rechner aus,wie viele Kugeln es<br />

nach mathematischem Kalkül sein<br />

müssten und welche Höhe der Stern<br />

an der Spitzehaben sollte.Außerdem<br />

wirddie perfekte Gesamtlänge<br />

der Lichterkette und des Lamettas<br />

genannt. (dpa)<br />

AUSDER REDAKTION<br />

Berlin Mitte,<br />

der Podcast<br />

von<br />

Jochen Arntz<br />

Freitags<br />

ab sechs<br />

Jetzt gibt’s unter www.berliner-zeitung.de<br />

auch was zum Hören –direkt<br />

aus der Chefredaktion. „Berlin<br />

Mitte“ heißt der Podcast, in dem ich<br />

Ihnen jeden Freitag ab sechs Uhr<br />

morgens Neues aus der Redaktion<br />

und Neues aus Berlin präsentiere.<br />

Diesmal spreche ich über die Ausgaben<br />

der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> zu Weihnachten<br />

und zum Jahreswechsel<br />

und über unsere ganz besondere<br />

Ausgabe zumJahrzehntwechsel.<br />

Wirhören uns,<br />

Ihr Jochen Arntz, Chefredakteur<br />

bei Twitter @JochenArntz


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 27<br />

· ·<br />

·······················································································································································································································································································<br />

TV-Programm<br />

ARD<br />

5.30 (für HG) ZDF-Morgenmagazin 9.00 (für HG)<br />

Tagesschau 9.05 (für HG) Livenach Neun 9.55<br />

(für HG) Sturmder Liebe 10.45 (für HG) Meister<br />

des Alltags 11.15 (für HG) Werweiß denn<br />

sowas? 12.00 (für HG) Tagesschau 12.15 (für<br />

HG) ARD-Buffet 13.00 (für HG) ARD-Mittagsmagazin<br />

14.00 (für HG) Tagesschau 14.10 (für HG)<br />

Rote Rosen 15.00 (für HG) Tagesschau 15.10<br />

(für HG) Sturmder Liebe 16.00 (für HG)<br />

Tagesschau 16.10 (für HG) Verrückt nach Meer<br />

17.00 (für HG) Tagesschau 17.15 (für HG)<br />

Brisant 18.00 (für HG) Werweiß denn sowas?<br />

18.50 (für HG) Quizduell-Olymp 19.45 (für HG)<br />

Sportschau 19.50 (für HG) Wetter 19.55 (für<br />

HG) Börse 20.00 (für HG) Tagesschau<br />

20.15 (für HG) Der kleine Lord<br />

Melodram,GB1980. Mit Ricky Schroder.<br />

Der EarlofDorincourtlässt seinen<br />

kleinen Enkel Ceddie aus Amerika nach<br />

England kommen, um ihn auf seinem<br />

Schloss standesgemäß zu erziehen.<br />

21.55 (für HG) Tagesthemen<br />

22.10 (für HG) Tatort: Klingelingeling<br />

Krimireihe, D2016. Mit MiroslavNemec<br />

23.40 (für HG) St. Vincent –<br />

Mein himmlischer Nachbar<br />

Tragikomödie, USA 2014. Mit Bill Murray<br />

1.15 (für HG) Tagesschau<br />

RTL<br />

5.25 Exclusiv –Das Starmagazin 5.35 Explosiv<br />

–Das Magazin 6.00 Guten Morgen Deutschland<br />

8.30 (für HG) Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Daily<br />

Soap 9.00 Unter uns. Daily Soap 9.30 (für HG)<br />

Alles was zählt. Daily Soap 10.00 Der Blaulicht<br />

Report 11.00 Der Blaulicht Report 12.00 Punkt<br />

12 –Das RTL-Mittagsjournal 14.00 Die<br />

Superhändler –4Räume, 1Deal 15.00 Die<br />

Superhändler –4Räume, 1Deal 16.00 Mensch<br />

Papa! Väter allein zu Haus 17.00 Herz über Kopf.<br />

Telenovela 17.30 Unter uns. Daily Soap 18.00<br />

Explosiv –Das Magazin 18.30 Exclusiv –Das<br />

Starmagazin 18.45 RTL Aktuell 19.03 RTL Aktuell<br />

–Das Wetter 19.05 (für HG) Alles was zählt<br />

19.40 (für HG) Gute Zeiten, schlechte Zeiten<br />

20.15 5gegen Jauch<br />

Quizshow. Kurz vorWeihnachten tritt<br />

Günther Jauch alleine gegendas „Let’s<br />

Dance“-Rateteam Evelyn Burdecki, Pascal<br />

Hens, Sabrina Mockenhaupt, Joachim<br />

Llambi und MassimoSinató an.<br />

0.00 RTL Nachtjournal<br />

0.27 RTL Nachtjournal –Das Wetter<br />

0.30 Mario Barth &Friends<br />

Comedyshow. Zu Gast: Paul Panzer,Chris<br />

Tall, Kaya Yanar,Maxi Gstettenbauer<br />

1.45 Mario Barth &Friends<br />

2.55 Willkommen bei Mario Barth<br />

MDR<br />

12.30 (für HG) Ein Engel namensHans-Dieter.<br />

Familienfilm, D2004 13.58 (für HG) MDR aktuell<br />

14.00 (für HG) MDR um 2 14.50 (für HG) Frau<br />

Holle. Märchenfilm, D1961 16.00 (für HG) MDR<br />

um 4 17.45 (für HG) MDR aktuell 18.05 (für HG)<br />

Wetter für 3 18.10 (für HG) Brisant 18.54 (für<br />

HG) Unser Sandmännchen 19.00 Regionales<br />

19.30 (für HG) MDR aktuell 19.50 (für HG)<br />

Elefant, Tiger&Co. 20.15 (für HG) Das<br />

Adventsfest der 100 000 Lichter 23.30 (für HG)<br />

MDR aktuell 23.35 Das Riverboat der Komiker<br />

1.38 MDR aktuell 1.40 MDR-Kurzfilmnacht<br />

Bayern<br />

14.15 (für HG) Winter in Schwaben 14.45 (für<br />

HG) Gefragt –Gejagt 15.30 Schnittgut 15.58<br />

Sternstunden 16.00 (für HG) Rundschau 16.15<br />

(für HG) WirinBayern 17.30 Regionales 18.00<br />

(für HG) Abendschau 18.28 Sternstunden 18.30<br />

(für HG) Rundschau 19.00 (für HG) Unser Land<br />

19.30 (für HG) Landgasthäuser Alpenseen 19.58<br />

Sternstunden 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />

(für HG) Hubertund Staller 21.55 (für HG)<br />

Rundschau Magazin 22.10 (für HG) Mittermeier!<br />

22.55 Cleopatra. Monumentalfilm, USA/GB<br />

1963 2.50 Rundschau Nacht<br />

Vox<br />

5.15 CSI: NY 6.50 CSI: Den Täternauf der Spur<br />

8.40 Verklag mich doch! 10.45 VoxNachrichten<br />

10.50 Mein Kind, dein Kind –Wie erziehst du<br />

denn? 11.55 Shopping Queen 12.55 Zwischen<br />

Tüll und Tränen 13.55 Mein Kind, dein Kind –Wie<br />

erziehst du denn? 14.55 Shopping Queen 16.00<br />

4Hochzeiten und eine Traumreise 17.00<br />

Zwischen Tüll und Tränen 18.00 First Dates –Ein<br />

Tisch für zwei 19.00 Das perfekte Dinner 20.00<br />

Prominent! 20.15 Readytobeef 22.20 (für HG)<br />

Bones –Die Knochenjägerin 0.10 VoxNachrichten<br />

0.30 Medical Detectives<br />

Super RTL<br />

11.35 Go Wild! 12.05 Friends 12.25 Trolls<br />

12.45 Polly Pocket 13.10 Tomund Jerry 13.45<br />

Weihnachtsmann &Co. KG 14.15 Angelo! 14.50<br />

Dragons 15.15 Scooby-Doo! 15.45 Alvinnn!!!<br />

16.10 Sally Bollywood 16.40 Barbie 17.10<br />

Grizzy &die Lemminge 17.40 Angelo! 18.10<br />

Weihnachtsmann &Co. KG 18.40 Woozle Goozle<br />

19.10 Alvinnn!!! 19.40 Super ToyClub 20.15<br />

(für HG) Der Polarexpress. Animationsfilm, USA<br />

2004 22.05 Drachenzähmen leicht gemacht –<br />

Die guten alten Zeiten 22.35 CSI: Miami 23.30<br />

30 Rock 0.05 Infomercials<br />

Sport1<br />

5.50 SportClips 6.00 Teleshopping 13.00<br />

Teleshopping 13.30 Darts. WM. 2. Runde, live.<br />

Am Nachmittag treffen aufeinander:Darren<br />

Webster –Yuki Yamada, Mervyn King –Ciaran<br />

Teehan, Ricky Evans –Mark McGeeneyund Jonny<br />

Clayton spielt gegenden Sieger Ryan Joyce–Jan<br />

Dekker 18.15 Der bet-at-home.com Quotentalk<br />

18.30 Basketball. Die BBL. s. Oliver Würzburg<br />

–Hakro Merlins Crailsheim, live 20.15 Darts. WM.<br />

2. Runde, live 0.00 Die 2. Bundesliga. 18.<br />

Spieltag 1.00 SportClips<br />

ZDF<br />

5.00 (für HG) hallo deutschland 5.30 (für HG)<br />

ZDF-Morgenmagazin 9.00 (für HG) heute Xpress<br />

9.05 (für HG) Volle Kanne –Service täglich<br />

10.30 (für HG) Notruf Hafenkante. Krimiserie. Die<br />

Zeugin 11.15 (für HG) SokoWismar.Hochwild<br />

12.00 heute 12.10 drehscheibe 13.00 (für HG)<br />

ARD-Mittagsmagazin 14.00 (für HG) ZDF<br />

Sportextra. Biathlon: 7,5 km Sprint Damen /ca.<br />

15.40 Ski Alpin: Super-G Herren 16.00 (für HG)<br />

heute –inEuropa 16.10 (für HG) Die Rosenheim-Cops.<br />

Die zerbrochene Feder 17.00 (für<br />

HG) heute 17.10 (für HG) hallo deutschland<br />

17.45 (für HG) Leute heute 18.00 (für HG) Soko<br />

Wien. Schuld 19.00 (für HG) heute 19.25 (für<br />

HG) Bettys Diagnose. Krankenhausserie. Glatteis<br />

20.15 (für HG) ZDF Sportextra<br />

Bundesliga: TSG 1899 Hoffenheim –<br />

Borussia Dortmund, 17. Spieltag,live.<br />

Béla Réthykommentiertdie Partie aus<br />

der PreZero Arena in Sinsheim. Oliver<br />

Kahn ist außerdem als Experte vertreten.<br />

22.50 (für HG) The Gunman<br />

Actionfilm, F/E/GB2015. Mit Sean Penn,<br />

Javier Bardem<br />

0.35 heute+<br />

0.50 Böhmermanns perfekte Weihnachten<br />

1.20 (für HG) Line of Duty<br />

2.20 (für HG) Line of Duty<br />

Sat.1<br />

5.30 Sat.1-Frühstücksfernsehen 10.00 Im<br />

Namen der Gerechtigkeit –Wir kämpfenfür Sie!<br />

11.00 Im Namen der Gerechtigkeit –Wir<br />

kämpfen für Sie! 12.00 Anwälte im Einsatz<br />

13.00 Anwälte im Einsatz 14.00 AufStreife<br />

15.00 AufStreife –Die Spezialisten 16.00 Klinik<br />

am Südring.Doku-Soap 17.00 Klinik am Südring<br />

–Die Familienhelfer.Doku-Soap. Der siebenjährige<br />

Till läuft nur noch rückwärts. Seine Mutter ist<br />

verzweifelt –ihr Sohn ist nicht zum Vorwärtslaufen<br />

zu bewegen. Hat der Jungeein motorisches<br />

Problem? 17.30 Klinik am Südring /oder Sat.1<br />

Regional-Magazine 18.00 AufStreife –Die<br />

Spezialisten 19.00 Genial daneben –das Quiz<br />

19.55 Sat.1 Nachrichten<br />

20.15 (für HG) Dancing on Ice<br />

Wererwärmt mit seinen Performances die<br />

Herzen der Zuschauer und der Juroren<br />

Katarina Witt, Judith Williams sowie<br />

Daniel Weiss? Durch die Showführen<br />

Marlene Lufen und Daniel Boschmann.<br />

23.20 111 höllische Hobbys!<br />

Clipshow<br />

1.20 Switch reloaded<br />

Comedyshow<br />

1.45 Switch reloaded<br />

2.05 Sechserpack<br />

2.30 Sechserpack<br />

WDR<br />

14.25 Heimathäppchen 14.30 (für HG) Um<br />

Himmels Willen –Weihnachten in Kaltenthal.<br />

Familienfilm, D2008 16.00 (für HG) WDR aktuell<br />

16.15 Hier und heute 18.00 (für HG) WDR<br />

aktuell /Lokalzeit 18.15 (für HG) Festlich<br />

köstlich 18.45 (für HG) Aktuelle Stunde 19.30<br />

Regionales 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />

(für HG) Der große NRW-Jahresrückblick –Das<br />

war 2019 21.00 (für HG) Dynastien in NRW<br />

21.45 (für HG) WDR aktuell 22.00 (für HG)<br />

Kölner Treff 23.30 Der Jahreslückblick 2019<br />

0.15 (für HG) Frust –Das Magazin<br />

NDR<br />

12.00 (für HG) Brisant 12.20 (für HG) In aller<br />

Freundschaft 13.10 (fürHG) In aller Freundschaft<br />

–Die jungen Ärzte 14.00 (für HG) Die Nordreportage<br />

14.30 (für HG) die nordstorySpezial 16.00<br />

(für HG) NDR Info 16.25 (für HG) Gefragt –Gejagt<br />

17.10 (für HG) Leopard, Seebär&Co.<br />

18.00 Regionales 18.15 (für HG) Hofgeschichten<br />

18.45 (für HG) DAS! 19.30 Regionales<br />

20.00 (für HG) Tagesschau 20.15 (für HG) die<br />

nordstorySpezial 21.45 (für HG) NDR Info 22.00<br />

Nonstop Comedy 22.30 (für HG) 3nach 9 0.30<br />

(für HG) Reinhold Beckmann trifft ...<br />

Kabel eins<br />

5.35 Watch Me 5.50 Blue Bloods 6.40 Blue<br />

Bloods 7.35 Blue Bloods 8.30 Blue Bloods 9.25<br />

(für HG) Navy CIS: L.A. 10.20 Navy CIS 11.10<br />

Without aTrace 12.05 Numb3rs 13.05 (für HG)<br />

Castle 14.00 (für HG) The Mentalist 14.55 (für<br />

HG) Navy CIS: L.A. 15.50 kabel eins news 16.00<br />

Navy CIS 16.55 Abenteuer Leben täglich 17.55<br />

Mein Lokal, Dein Lokal –Der Profi kommt 18.55<br />

Achtung Kontrolle! Wirkümmernuns drum 20.15<br />

Navy CIS 21.15 Navy CIS 22.15 Navy CIS: New<br />

Orleans 23.15 (für HG) Navy CIS: L.A. 0.10 Navy<br />

CIS 1.05 kabel eins late news 1.10 Navy CIS<br />

RTLZWEI<br />

5.15 PrivatdetektiveimEinsatz 6.00 Sterne von<br />

Berlin –Die jungen Polizisten 7.00 Sterne von<br />

Berlin –Die jungen Polizisten 8.00 Frauentausch<br />

10.00 Frauentausch 12.00 Frauentausch 14.00<br />

Dr.Dago 15.00 Babys! Kleines Wunder –Großes<br />

Glück 16.00 Krass Schule –Die jungen Lehrer<br />

17.00 News 17.05 Krass Schule –Die jungen<br />

Lehrer 18.05 Köln 50667 19.05 Berlin –Tag &<br />

Nacht 20.15 Liebe braucht keine Ferien.<br />

Liebeskomödie, USA 2006 23.00 Get The Gringo.<br />

Actionfilm, USA 2011 0.45 Repo Men.<br />

Science-Fiction-Film, USA/CDN 2010<br />

Eurosport 1<br />

8.30 Skispringen 9.30 Skispringen 10.30 Ski<br />

Alpin 11.00 Ski Alpin 11.35 Ski Alpin. Super-G<br />

Männer,live 13.00 Biathlon 14.05 Biathlon.<br />

7,5 km Sprint Frauen, live 15.35 Ski Alpin 16.45<br />

Skispringen. Einzelspringen (HS 140) 17.55<br />

Skispringen. Qualifikation, live 19.15 Nachrichten<br />

19.20 Biathlon. 7,5 km Sprint der Frauen 20.20<br />

Ski Alpin. Super-G Männer 21.15 Skispringen.<br />

Qualifikation 22.20 Nachrichten 22.30 Biathlon.<br />

7,5 km Sprint der Frauen 23.25 Nachrichten<br />

23.30 Against all Odds 0.00 Foul Play. Magazin<br />

TV-Tipps<br />

PRO 7,20.15 UHR SCIENCE-FICTION-FILM<br />

Der Marsianer –Rettet Mark Watney<br />

Von anderen Menschen zurückgelassen zu werden, ist nie ein schönes<br />

Gefühl, sei es nun in der Heimat oder aber in einem fremden Land.<br />

Kult-Regisseur Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“) trieb dieses Szenario in<br />

seiner preisgekrönten Adaption des Romans von Andy Weir auf die Spitze, indem<br />

er seinen Helden Mark Watney (Matt Damon) sogar auf einem anderen<br />

Planeten zurückließ: DemMars.Der Botaniker war mit seiner Crew auf den<br />

Himmelskörper gereist, um diesen für die NASA zu erforschen. Durch einen<br />

Sandsturmwurde Mark von seinen Kollegen getrennt und fälschlicherweise<br />

für tot gehalten. Nun sind Marks Fähigkeiten als Wissenschaftler gefragt,<br />

um alleine auf dem Mars zu überleben. Dank seiner Ausbildung schafft er es<br />

schon bald, Kartoffeln anzubauen. Doch wie lange kann er so überleben?<br />

(USA/2015)<br />

Foto: PRO7<br />

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2 9 6 3 4 5 8 7 1<br />

7 6 9 1 2 8 3 4 5<br />

3 8 2 4 5 9 6 1 7<br />

5 4 1 7 3 6 2 9 8<br />

RBB<br />

5.15 Berlin erwacht –Winter 5.30 (für HG)<br />

Panda, Gorilla &Co. 6.20 zibb 7.15 (für HG) Der<br />

Weihnachtsgrummel 7.20 (für HG) Brisant 8.00<br />

(für HG) Brandenburg aktuell 8.30 (für HG)<br />

Abendschau 9.00 (für HG) In aller Freundschaft<br />

10.30 (für HG) Rote Rosen 11.20 (für HG) Sturm<br />

der Liebe 12.10 (für HG) Hauptstadtrevier 13.00<br />

rbb24 13.05 (für HG) Land und Lecker im Advent<br />

13.50 (für HG) Land und Lecker im Advent<br />

16.00 (für HG) rbb24 16.15 (für HG) Gefragt–<br />

Gejagt 17.00 (für HG) rbb24 17.05 (für HG)<br />

Panda, Gorilla &Co. 17.55 Sandmännchen<br />

18.02 rbb UM6 18.27 zibb 19.20 (für HG) Der<br />

Weihnachtsgrummel 19.30 (für HG) Abendschau<br />

/Brandenburg aktuell 20.00 Tagesschau<br />

20.15 (für HG) Früher hat’s geschneit!<br />

Hat es tatsächlich früher zu Weihnachten<br />

öfter geschneit oder verklärendie<br />

Menschendie Vergangenheit? Wie<br />

besinnlichwar die Weihnachtszeit in<br />

Berlin in den vergangenen Jahrzehnten?<br />

21.45 (für HG) rbb24<br />

22.00 (für HG) Lauras Wunschzettel<br />

Liebesfilm, D/A 2005. Mit Christine<br />

Neubauer,Francis Fulton-Smith<br />

23.30 Der Spion, der aus der Kälte kam<br />

Agentenfilm, GB 1965<br />

1.15 (für HG) Annas Haus amSee<br />

ProSieben<br />

5.05 2BrokeGirls. Sitcom. Eher ungewöhnlich<br />

da unten 5.25 The Middle. Comedyserie 6.05<br />

(für HG) Twoand aHalf Men. Sitcom 7.30 (für<br />

HG) The Big Bang Theory. Sitcom 8.50 (für HG)<br />

HowIMet Your Mother.Sitcom 10.40 Fresh Off<br />

the Boat. Sitcom. Der Cheeseburger-Bengel<br />

11.05 Mike&Molly.Sitcom. Nach den<br />

Flitterwochen 11.35 2BrokeGirls. Sitcom 12.25<br />

Mom. Sitcom 13.20 (für HG) Twoand aHalf Men.<br />

Sitcom 14.40 The Middle. Comedyserie. Die<br />

Windel-Idee /Die Hoffnung stirbt zuletzt 15.40<br />

(für HG) The Big Bang Theory. Sitcom 17.00 taff<br />

18.00 Newstime 18.10 (für HG) Die Simpsons.<br />

Zeichentrickserie.Apucalypse Now/Liebe liegt in<br />

der N2-O2-Ar-CO2-Ne-He-CH4 19.05 Galileo<br />

20.15 (für HG) Der Marsianer –<br />

Rettet Mark Watney<br />

Science-Fiction-Film, USA 2015. Mit Matt<br />

Damon.Während einer Mission zur<br />

Erforschung des Mars wird ein Astronaut<br />

alleine auf dem Planeten zurückgelassen.<br />

23.20 (für HG) X-Men: Zukunft ist<br />

Vergangenheit<br />

Comicadaption, USA/GB 2014. Mit Hugh<br />

Jackman, James McAvoy<br />

1.40 Boot Camp<br />

Thriller,USA/CDN2008. Mit Mila Kunis<br />

3.30 Watch Me –das Kinomagazin<br />

Arte<br />

8.45 Stadt Land Kunst 9.35 1979: Urknall der<br />

Gegenwart 11.05 Amerika mit David Yetman<br />

11.30 (für HG) Märkte 12.15 (für HG) Re: 12.50<br />

Arte Journal 13.00 Stadt Land Kunst 13.50 Zeit<br />

des Erwachens. Drama, USA 1990 15.45 (für<br />

HG) Trauminseln 16.40 Xenius 17.10 (für HG)<br />

Die Enden der Welt 17.40 Im Flug über Chinas<br />

Große Mauer 18.30 Skandinaviens versteckte<br />

Paradiese 19.20 Arte Journal 19.40 Re: 20.15<br />

(für HG) Das Löwenmädchen. Drama, D/N 2016<br />

22.05 (für HG) Disco Europe Express 23.00<br />

Quincy Jones 0.20 Tracks 1.05 Dark Glamour<br />

3Sat<br />

10.30 (für HG) Mit Markus Lanz im Heiligen Land<br />

11.25 (für HG) Stöckl. 12.30 (für HG) Sehen<br />

statt Hören 13.00 (für HG) ZIB 13.20 Helden der<br />

Evolution 15.30 (für HG) Leo und Marie –Eine<br />

Weihnachtsliebe. Liebesfilm, D2008 17.00 (für<br />

HG) Wildes Russland 18.30 nano 19.00 (für HG)<br />

heute 19.20 Kulturzeit 20.00 (für HG)<br />

Tagesschau 20.15 (für HG) Tief durchatmen, die<br />

Familie kommt. Komödie, D2015 21.45 (für HG)<br />

Korsika 22.00 (für HG) ZIB 2 22.25 (für HG) Das<br />

finstere Tal. Drama, D/A 2014 0.10 (für HG)<br />

Gletscherblut. Drama, D2009<br />

Phoenix<br />

8.15 Haute Couture im Armenviertel 8.30<br />

phoenix vorort 8.45 bundestagsgespräch 9.00<br />

Bundestag live 15.15 phoenix plus 16.00<br />

phoenix ländersache 17.00 augstein und blome<br />

17.15 „Wir sind’s–die Atayal!“ 17.30 phoenix<br />

der tag 18.00 phoenix persönlich 18.30 Das<br />

Geschäft mit der Welternährung 19.15 Unser<br />

täglich Fleisch 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />

(für HG) Ein Tagin... 21.00 (für HG) Ein Tagin...<br />

21.45 (für HG) Ein Tagin... 22.30 Für Europa<br />

23.00 phoenix der tag 23.50 augstein und<br />

blome 0.00 phoenix persönlich<br />

Kika<br />

14.10 (für HG) SchlossEinstein –Erfurt 15.00<br />

(für HG) Tinkas Weihnachtsabenteuer 15.25 (für<br />

HG) Schneewelt 15.50 (für HG) Mascha und der<br />

Bär 16.05 (für HG) Lassie 16.50 Peter Pan–<br />

Neue Abenteuer 17.35 (für HG) Der kleine Prinz<br />

18.00 (für HG) Beutolomäus und der wahre<br />

Weihnachtsmann 18.15 (für HG) Belle und<br />

Sebastian 18.40 Inui 18.47 Baumhaus 18.50<br />

Unser Sandmännchen 19.00 SimsalaGrimm<br />

19.25 (für HG) logo! 19.30 (für HG) Pettersson<br />

und Findus: KleinerQuälgeist, große Freundschaft.<br />

Komödie,D2014 20.57 Packeis-TV<br />

Dmax<br />

5.40 VintageTechHunters 6.00 Der Geiger –<br />

Boss of Big Blocks 6.55 Infomercial 8.55<br />

Hardcore Pawn 9.25 Auction Hunters 9.50<br />

Infomercial 10.10 ToyHunter 11.10 Border<br />

Control 12.15 Steel Buddies 13.15 Airplane<br />

Repo 14.15 Die Schatzsucher 16.15 Outback<br />

Opal Hunters 17.15 Steel Buddies 18.15 Helden<br />

der Lüfte 19.15 Deutschland 24/7 20.15 Dark<br />

Waters mit Jeremy Wade 22.15 Expedition am<br />

Limit mit Steve Backshall 23.15 DMAX News<br />

23.20 Naked Survival 0.15 DMAX News<br />

Tagesschau 24<br />

5.00 Tagesschau 5.02 Hessenschau 5.30<br />

ZDF-Morgenmagazin 9.00 Tagesschau-Nachrichten<br />

9.15 Zoff in der Manege 9.45 Shift 10.00<br />

Tagesschau-Nachrichten 10.15 quer 11.00<br />

Tagesschau-Nachrichten 13.00 ARD-Mittagsmagazin<br />

14.00 Tagesschau-Nachrichten 19.15 Mex<br />

–Das Marktmagazin 20.00 Tagesschau 20.15<br />

Panorama 20.45 Der Juwelen-Coup 21.15<br />

Tagesschau 21.17 Die Bullen –Polizei, Proteste<br />

und Terrorismus 22.00 mehr/wert 22.30 Oh<br />

Tannenbaum 23.00 Tagesthemen 23.15<br />

Euroblick 23.45 Tagesschau vor20Jahren 0.00<br />

Tagesthemen 0.15 Die rote Linie –Widerstand im<br />

Hambacher Forst. Dokumentarfilm, D2019<br />

ONE<br />

5.20 Um Himmels Willen 6.10 Hubertund<br />

Staller 7.00 Brisant 7.40 Der beste Papa der<br />

Welt. Drama, A2018 9.05 Brisant 9.45<br />

Meuchelbeck 10.35 Lindenstraße 11.05 Hubert<br />

und Staller 11.55 Sturmder Liebe 12.40 Sturm<br />

der Liebe 13.30 Um Himmels Willen 14.20 Part<br />

of Five 15.00 PartyofFive 15.40 Hubertund<br />

Staller 16.30 Meuchelbeck 17.20 Lindenstraße<br />

17.50 Hartaber herzlich 18.40 Sturmder Liebe<br />

19.25 Sturmder Liebe 20.15 Torsten Sträter:<br />

„Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“ 21.00<br />

Seriös –Das Serienquartett 21.45 Vorsicht vor<br />

Leuten. Satire, D2015 23.15 Grand Hotel 0.00<br />

Grand Hotel 0.45 Die Erbschaft<br />

ZDF NEO<br />

6.00 (für HG) Märchen &Sagen 6.40 An Tagen<br />

wie diesen 7.25 Topfgeldjäger 8.20 Topfgeldjäge<br />

9.15 (für HG) Lafers Kochschule 9.55 (für HG)<br />

Bares für Rares 11.30 Du &Ich –Unverbesserlich!?<br />

12.15 (für HG) Monk 12.55 (für HG) Mon<br />

13.35 Psych 14.15 Psych 15.00 (für HG) Monk<br />

15.40 (für HG) Monk 16.20 Psych 17.00 Psych<br />

17.45 (für HG) Bares für Rares 18.35 Du &Ich<br />

–Unverbesserlich!? 19.20 (für HG) Bares für<br />

Rares 20.15 (für HG) Tatsächlich ... Liebe. Liebes<br />

komödie, GB 2003 22.20 (für HG) ... und dann<br />

kam Polly.Komödie, USA 2004 23.40 Nie wiede<br />

Sex mit der Ex. Komödie, USA 2008 1.20 Brüno<br />

Komödie,USA 2009<br />

ZDF INFO<br />

7.45 forum am freitag 7.58 heute Xpress 8.00<br />

Frontal 21 8.45 Brasilien unter Bolsonaro 9.15<br />

Kolumbien 10.00 Das neue Brasilien 10.45<br />

Kampf um Kaschmir 11.30 Der Schattengeneral<br />

12.15 (für HG) Iran bittersüß 13.00 Ruanda<br />

13.30 Pulverfass Jugoslawien 14.15 ZDF-History<br />

14.45 (für HG) Superbauten der Geschichte<br />

15.30 (für HG) Deutschlands Supergrabungen<br />

17.00 (für HG) Deutschland vonunten 18.30<br />

Teheran extrem 19.15 Iran 20.15 Fremde<br />

Heimat Saudi-Arabien 21.00 Flucht aus<br />

Saudi-Arabien 21.45 Geheimes Saudi-Arabien<br />

22.30 Geheimes Saudi-Arabien 0.00 Versklavt<br />

–Hausmädchen in der arabischen Welt<br />

Radio<br />

KLASSIK<br />

18.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />

Alte Musik Natale napolitano –Weihnachtsmusik<br />

aus dem barocken Neapel. Mit Bernhard<br />

Schrammek, ca. 46 Min.<br />

20.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6.4 MHz)<br />

Konzert Philharmonisches Staatsorchester<br />

Mainz: Lili Boulanger „D’un soir triste“ /Maurice<br />

Ravel„Ma mère l’oye“/Alexander Zemlinsky<br />

„Lyrische Symphonie“, ca. 117 Min.<br />

HÖRSPIEL<br />

14.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />

Lesung Die Liebe im Ernstfall (5/18). Von<br />

Daniela Krien /Gelesenvon Bibana Beglau,<br />

Maren Eggert, Jeanette Hain, Nina Kunzendorf,<br />

Anna Schudt, ca. 30 Min.<br />

19.15 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />

Mikrokosmos –Die Kulturreportage Besuch<br />

beim Märchenfestival: Mit Rumpelstilzchen am<br />

Lagerfeuer. VonJakob Schmidt, ca. 45 Min.<br />

20.10 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />

Das Feature Drei Lieben in Polen: Ludwig<br />

Zimmerer:Journalist –Sammler –Träumer.Von<br />

JadwigaKorte /Regie: die Autorin, ca. 50 Min.<br />

22.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />

Hörspiel Volmunster.Von David Zane Mairowitz /<br />

Mit Lea Draeger,Andreas Nickl, BorteyWendler /<br />

Regie: David Zane Mairowitz, ca. 56 Min.<br />

MAGAZIN<br />

15.50 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />

Schalom Jüdisches Leben heute: Musik und<br />

Gebete zum Chanukafest, ca. 10 Min.<br />

19.30 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />

Zeitfragen Gruppenbild mit Dom: Heinrich Böll<br />

und seine Heimatstadt Köln, ca. 30 Min.<br />

22.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />

Musikfeuilleton „Spiel, spiel, spiel! Spiele mit<br />

Gefühl!“. Szenische Darstellungauf der<br />

Opernbühne. VonHeidi Mottl, ca. 57 Min.<br />

JAZZ /BLUES<br />

19.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />

The Voice Die <strong>Berliner</strong> Sängerin Martina<br />

Gebhardt. Mit Lothar Jänichen, ca. 30 Min.<br />

20.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />

Jazz Berlin Jazzfest Berlin 1983 –ModernJazz<br />

Quartet und Miles Davis Group, ca. 116 Min.<br />

21.05 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />

On Stage Elegisches Spielgefühl: Tedeschi Trucks<br />

Band (1/2). Aufnahme vom14.4.2019aus dem<br />

RuhrCongress, Bochum, ca. 55 Min.<br />

22.05 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />

Milestones –Jazzklassiker Chet Baker (1929-<br />

1988): „The Last Great Concert. My Favourite<br />

SongsI&II“ (1988), ca. 45 Min.


<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 28<br />

·························································································································································································································································································<br />

Panorama<br />

LEUTE<br />

Heide Keller (80) ist uns noch in allerbester<br />

Erinnerung als freundliche,<br />

aber bestimmte Chefhostess Beatrice<br />

aus der unendlichen ZDF-Serie„Das<br />

Traumschiff“ –imPrinzip war sie ja<br />

die heimliche Herrscherin auf dem<br />

Kitsch-und-Intrigen-Dampfer.Dabei<br />

erfüllte die Schauspielerin auch im<br />

wirklichen Leben ihreRolle,als sie im<br />

Januar die Neubesetzung der Kapitänsrolle<br />

durch den Schlagersänger<br />

Florian Silbereisen als„eine totale<br />

Fehlbesetzung“ verdammte.Offenbar<br />

hatte man sie nicht um Erlaubnis<br />

gebeten. Nunallerdings wünscht sie<br />

dem„HerrnSilbereisen, dass er den<br />

Erfolg bekommt, den er sich vorgestellt<br />

hat“, und bestreitet, jemals den<br />

„fröhlichen Jungen, der mit guter<br />

Laune zu Musik auf der Bühne rumhüpft“<br />

und deswegen nicht die<br />

Würde eines Kapitäns habe,beschimpft<br />

zu haben. Das, so Keller,„ist<br />

unter meinerWürde.“ Zick!<br />

Florian Silbereisen (38) hat sich zur<br />

Kritik an seiner neuen Rolle als<br />

„Traumschiff“-Kapitän geäußert.<br />

„Ich bin es ja schon gewohnt, ohne<br />

Vorschusslorbeeren an den Startzu<br />

gehen: Vormeiner ersten Samstagabendshowwar<br />

das damals genauso.“<br />

Ohne sie mit Namen zu nennen,<br />

können wir das als Kommentar<br />

zu Heide Kellers Pöbeleien verstehen:<br />

Über dich, meine Liebe,ist die<br />

Zeit hinweggegangen.<br />

Ian McKellen (80) komplettiertunserenReigen<br />

des Ressentiments.Bekanntlich<br />

spielt der britische<br />

Film- und Theaterveteran<br />

in der Kinoverfilmung<br />

des<br />

Musicals „Cats“<br />

den Kater Gus.<br />

Dabei hat der<br />

Mann nichts für<br />

Katzen übrig: „Ich<br />

mag sie überhaupt<br />

nicht. Man<br />

kann nicht mit ihnen<br />

spazieren gehen.“<br />

Starkes Argument!<br />

(schl.)<br />

Findet Katzen<br />

einfach nur doof.<br />

IMAGO IMAGES<br />

TIERE<br />

20.<br />

Dezember<br />

Sissi, eine wahre Kaiserin, ist bei uns<br />

eingezogen. Siehieß bereits so,als<br />

wir das Kaninchen bei uns aufnahmen.<br />

Namen verändertman nicht,<br />

fand ich. Irgendwie hat Sissi auch gepasst.<br />

Wieein Sausewind rannte sie<br />

durchs Wohnzimmer.Runde um<br />

Runde,immer schneller.Soschnell,<br />

dass sie manche Kurvenicht schaffte<br />

und mit dem Hinterngegen die Heizung<br />

knallte.Rums! Siekonnte auch<br />

ganz verkuschelt sein. Eines Nachmittags<br />

war sie verschwunden. Wir<br />

haben die ganzeWohnung durchsucht.<br />

Hatsie ein Kabel angeknabbert?<br />

Klemmt sie hintermSofa? Ne,<br />

nichts.Bis sich die Bettdecke meiner<br />

Elternverdächtig bewegte.Sissi<br />

hatte es sich gemütlich gemacht –<br />

höchst kaiserlich. Dorothea Nitzsche<br />

Ein roter Lappen an einem<br />

Besenstiel im Gebüsch, ein<br />

rotes Band am Stamm einer<br />

Kokospalme, ein zwischen<br />

zwei Rundpfosten gespannter<br />

roter Pareo: All das ist kein<br />

Weihnachtsschmuck, und die Kindergesichter<br />

strahlen nicht fröhlich,<br />

so wie sonst, wenn man Urlaub<br />

auf Upolu, der Hauptinsel<br />

von Samoa, macht. Kranke Kinder<br />

ohne Lebenskraft, verängstigte<br />

Blicke und dann ein herzzerreißender<br />

Tränenausbruch, wenn die<br />

Nadel in den Oberarm pikst:<br />

Zwangsimpfung im tropischen Paradies.<br />

Die roten Bänder, Tücher und<br />

Lappen, sie markieren die Häuser<br />

von Familien, die nicht gegen Masern<br />

immunisiert sind, als Premierminister<br />

Tuilaepa Aiono Sailele<br />

Malielegaoi Anfang Dezember<br />

den Ausnahmezustand verhängt,<br />

um das Massensterben der Kinder in<br />

seinem Staat zu stoppen.<br />

Mehr als 70 Tote<br />

Die ehemalige deutsche Kolonie<br />

Deutsch-, später West-Samoa, fast<br />

16 000 Kilometer vom ehemaligen<br />

Mutterland entfernt, bietet seit Ende<br />

Oktober, als eine katastrophale Masern-Epidemie<br />

ausbrach, Anschauungsunterricht<br />

darüber, was passiert,<br />

wenn die Immunisierungsquote<br />

im Kampf gegen ansteckende<br />

Krankheiten auf ein gefährlich niedriges<br />

Niveau sinkt. Von den rund<br />

200 000 Einwohnern sind bis heute<br />

5371 an Masern erkrankt, 76 Personen<br />

sind gestorben, darunter 64 Kinder<br />

unter vier Jahren.<br />

Doch das Schlimmste scheint<br />

mittlerweile überstanden, es gibt<br />

jetzt Tage ohne Todesfälle und immer<br />

weniger neue Fälle. 94Prozent<br />

der Bevölkerung sind geimpft, seit<br />

der Regierungschef über die Nacht<br />

die Impfpflicht einführte. Vor dem<br />

Beginn der Krise waren es 31 Prozent,<br />

nachdem die Quote 2018 nach<br />

Schätzung des Weltkinderhilfswerks<br />

Unicef von 74auf 34 Prozent gesunken<br />

war.<br />

Die dramatische Entwicklung ist<br />

auf die Fehlinformation durch Impfgegner<br />

–auf Englisch: Anti-Vaxxers –<br />

in den sozialen Medien zurückzuführen.<br />

2018 starben zwei Babyskurz<br />

nach ihren Masernimpfungen, allerdings<br />

nicht, weil sie nach der Impfung<br />

an Masern erkrankt wären, sondern<br />

weil zwei Krankenschwestern<br />

das Serum mit einem abgelaufenen<br />

Wie die Masern,die bis vorwenigen<br />

Jahren als aussterbende<br />

Krankheit galten, eine Renaissance<br />

erleben, zeigt auch ein Beispiel auf<br />

dem afrikanischen Kontinent: In der<br />

Demokratischen Republik Kongo<br />

tobt derzeit eine Masern-Epidemie,<br />

wie sie die Welt schon lange nicht<br />

mehr erlebt hat. Innerhalb eines Jahres<br />

infizierten sich mehr als eine<br />

Viertelmillion Menschen mit dem<br />

Virus, mehr als 5000 Infizierte starben.<br />

90 Prozent der Opfer waren Kinder<br />

unter fünf Jahren.<br />

Mittlerweile hat sich die Masernepidemie<br />

auf sämtliche 26 Provinzen<br />

des Kongo ausgeweitet –einschließlich<br />

der Ituri- undNordkivu-Provinz,<br />

wo bereits seit eineinhalb Jahren die<br />

zweitschlimmste Ebola-Epidemie<br />

der Geschichte grassiert. Während<br />

die hämorrhagische Fiebererkrankung<br />

vonder ganzen Welt nervös begleitet<br />

wird, breitet sich das Masernvirus<br />

weitgehend unbemerkt aus.<br />

Obwohl inzwischen mehr als doppelt<br />

so viele Menschen an Masern<br />

wie an Ebolastarben.<br />

Das Masern-Virus ist wesentlich<br />

ansteckender: Eswird auch über die<br />

Luft, durch ausgehustete Speicheltröpfchen,<br />

übertragen. Auch gibt es<br />

gegen Masern noch immer kein<br />

Heilmittel. Wersich das Virus eingefangen<br />

hat, kann nur hoffen, dass<br />

sein Körper damit fertig wird. Das<br />

funktioniert bei gut ernährten Kindern<br />

inder Regel ganz gut –nur in<br />

Zwangsimpfung<br />

Impfung eines Kindes in Samoa.<br />

MASERN<br />

AP, GETTY<br />

Tödliche Krankheit: Zwischen 1891 und<br />

1893 hatte Samoa schon einmalMasern-<br />

Epidemien. Dabeistarben mindestens<br />

1200 vondamals 34000Einwohnern. 50<br />

Prozent der TotenwarenErwachsene.<br />

Dramatische Entwicklung: Die Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO schätzt, dass<br />

2018 fast 10 Millionen Menschen weltweit<br />

an Masernerkrankten und 140000<br />

Menschen, vornehmlich Kinder,daran<br />

starben. Das Bild für 2019 sei noch dramatischer.Gegenüber<br />

dem Vorjahr sei die<br />

Zahl der Infektionen (bis einschließlich<br />

November) um das Dreifache gestiegen.<br />

In Europa infizierten sich im vergangenen<br />

Jahr 82596 Menschen mit Masern,<br />

und 72 Personen starben an der Viruserkrankung.Nur<br />

sechs von53Ländernder<br />

europäischen WHO-Region waren frei von<br />

Masern.<br />

Tödlicher<br />

als Ebola<br />

Auch in Zentralafrika<br />

breiten sich die Masern<br />

weitgehend unbemerkt<br />

immer weiter aus<br />

VonJohannes Dieterich, Johannesburg<br />

seltenen Fällen kommt es zu Komplikationen,<br />

die Erblindung, Gehirnoder<br />

Lungenentzündung auslösen<br />

können. Doch wer das Pech hat, im<br />

Kongo geboren worden zu sein, kann<br />

sich auf seine körpereigenen Abwehrkräfte<br />

nichtverlassen.<br />

Im Bürgerkriegsland ist jedes<br />

zehnte Kind unterernährt und verfügt<br />

über zu wenig Vitamin A, das für<br />

den Kampf gegen dasVirusentscheidend<br />

ist. In dem Land vonder Größe<br />

Westeuropas haben außerdem 4,5<br />

Millionen Menschen ihr Zuhause<br />

verloren. Sieleben oft in Flüchtlingslagern,<br />

in denen sich Infektionskrankheiten<br />

schnell ausbreiten.<br />

hilft<br />

Drakonische Maßnahmen: Der südpazifische<br />

Inselstaat Samoa hat den Masernnotstand verhängt<br />

VonSissi Stein-Abel, Apia<br />

Der größte Feind des Masern-Virus<br />

ist ein seit 1963 massenhaft produzierter<br />

Impfstoff. Er ist höchst<br />

wirksam, sicher und relativ preiswert.<br />

Ineinem Land, in dem 95 Prozent<br />

der Bevölkerung geimpft sind,<br />

kann es zu keinen Epidemien mehr<br />

kommen.<br />

Narkosemittel statt der korrekten<br />

Flüssigkeit gemischt hatten.<br />

Dennoch verbreitet sich die Mär<br />

von der Gefährlichkeit von Impfungen.<br />

Hinzu kommt die Bereitschaft<br />

vieler Menschen, an die Kraft von<br />

Wunderheilern zuglauben. So traf<br />

ein Reporter des neuseeländischen<br />

TV-Senders Newshub auf einen dieser<br />

Scharlatane,der einen an Masern<br />

erkrankten und halb bewusstlosen<br />

Jugendlichen mit alkalischem Kangen-Wasser<br />

überschüttete und massierte,<br />

umihn innerlich zu reinigen,<br />

anstatt ihn ins Hospital zu schicken.<br />

Solchen Hokuspokus dulden die<br />

Behörden nicht mehr. Bis zum 29.<br />

Dezember hat der Premier gerade<br />

noch einmal den Notstand verlängern<br />

lassen, er verordnete eine Ausgangssperre,<br />

verbot öffentliche Veranstaltungen,<br />

ordnete die Massenimpfung<br />

an und dachte laut darüber<br />

nach, Eltern zubestrafen, die ihre<br />

Kinder nicht impfen lassen.<br />

MenschenleereStraßen<br />

Zwei Tage lang, am 5. und 6. Dezember,<br />

wurde die Hauptstadt<br />

Apia zur Geisterstadt. Sämtliche<br />

Behörden schlossen, die Beamten<br />

wurden zum Impfdienst abberufen.<br />

Die einzigen Fahrzeuge, die<br />

auf den apokalyptisch anmutenden<br />

leeren Straßen erlaubt waren,<br />

beförderten die 120 Impftrupps,<br />

die kreuz und quer über Upolu<br />

fuhren, an jedem mit roten Stofffetzen<br />

markierten Fale –das sind<br />

die wandlosen, offenen Häuser in<br />

den ländlichen Gegenden von Samoa<br />

– anhielten und Tausende<br />

Menschen gegen Masern impften.<br />

Auf dem Krankenhaus-Parkplatz<br />

in Apia wurde ein Großzelt aufgestellt,<br />

um dem Ansturm der in Panik<br />

geratenen Leute Herr zu werden.<br />

Ohne Hilfe von außen wäre all<br />

dies unmöglich gewesen: Unicef<br />

schickte 110 500 Impfdosen nach Samoa;<br />

medizinisches Personal aus<br />

Australien, Neuseeland, Großbritannien,<br />

Frankreich und anderen Ländernist<br />

noch immer vorOrt,umdie<br />

Krise zu meistern. Premierminister<br />

Malielegaoi brach sogar ein Tabu in<br />

diesem extrem religiösen Land und<br />

sprach über Sex, um den Ernst der<br />

Lage zu verdeutlichen: Er forderte<br />

seine Landsleute auf, nach einer Masernimpfung<br />

vier Wochen Enthaltsamkeit<br />

zu üben, „damit in dieser<br />

Zeit gezeugte Babys nicht blind zur<br />

Welt kommen“.<br />

Im Kongo wird diese Quote bei<br />

weitem verfehlt, wofür erneut das<br />

marode Gesundheitssystem, die bewaffneten<br />

Konflikte vorallem im Osten<br />

des Landes sowie die Unzugänglichkeit<br />

des vom Urwald bedeckten<br />

Riesenreichs verantwortlich sind.<br />

Dass bei Masern zwei Impfungen<br />

nötig sind, macht die Herausforderung<br />

noch größer. „Unsere Teams<br />

brauchen manchmal bis zu vier<br />

Tage,umein abgelegenes Dorfzuerreichen“,<br />

sagt Xavier Crespin, Gesundheitschef<br />

des Kinderhilfswerks<br />

Unicef im Kongo. „Und wenn sie<br />

schließlich ankommen, verweigern<br />

manche, sich impfen zu lassen.“<br />

Alles, was von außen<br />

oder von der Zentralregierung<br />

kommt, wird im<br />

Kongo – oft aus guten Gründen –<br />

skeptisch betrachtet.<br />

Die Impfskepsis hat sich auch in<br />

Industrienationen ausgebreitet. Sogenannte<br />

Anti-Vaxxers halten die<br />

vorbeugende Injektion mit kleinen<br />

Virenmengen für unnötig oder<br />

sogar schädlich. Experten sind<br />

überzeugt davon, dass diese Auffassung<br />

die Masern-Fälle auch in den<br />

USA und Europa wieder in die Höhe<br />

treibt: DerUS-Bundesstaat NewYork<br />

erlebte kürzlich zwei Masernepidemien.<br />

Aus der Ukraine, wonur ein<br />

Drittel der sechsjährigen Kinder<br />

geimpft sind, wurden fast 60 000 Masern-Fälle<br />

gemeldet, Dutzende von<br />

Infizierten starben.<br />

Notstand<br />

wegen<br />

Buschbränden<br />

Und Australiens Premier<br />

macht Urlaub auf Hawaii<br />

Aufgrund der verheerenden<br />

Buschbrände ist in Australiens<br />

bevölkerungsreichstem Bundesstaat<br />

New South Wales erneut der Notstand<br />

ausgerufen worden. Grund<br />

seien die „katastrophalen Wetterbedingungen“,<br />

erklärte die Regierungschefin<br />

des Bundesstaats, Gladys<br />

Berejiklian, am Donnerstag. In<br />

NewSouth Wales wüten seit Wochen<br />

rund 100 Buschbrände, von denen<br />

bislang nur etwa die Hälfte unter<br />

Kontrolle gebracht werden konnte.<br />

Zugleich herrscht eine Rekordhitze.<br />

Der Ausnahmezustand gilt seit<br />

Donnerstagmorgen (Ortszeit) und<br />

zunächst für sieben Tage. Erermöglicht<br />

den Behörden unter anderem<br />

die besonders schnelle Mobilisierung<br />

von Geld und Einsatzkräften,<br />

Evakuierungen und eine Unterbrechung<br />

der Strom- und Gasversorgung.<br />

In Sydney,der seit Wochen immer<br />

wieder von Rauchschwaden<br />

eingehüllten Hauptstadt von New<br />

South Wales, richtete die Regierungschefin<br />

eine Warnung an ihre<br />

Mitmenschen: Anwohner und Touristen<br />

sollten den Anweisungen der<br />

Behörden unbedingt Folge leisten<br />

und gegebenenfalls auch ihre Pläne<br />

für die Weihnachtstage ändern.<br />

Ein Buschfeuer in Balmoral, 150 Kilometer<br />

südwestlich von Sydney. AFP/PETER PARKS<br />

Seit Oktober haben Buschbrände<br />

in Australien mehrere Millionen<br />

Hektar Land vernichtet. Mindestens<br />

sechs Menschen kamen ums Leben,<br />

mehr als 1000 Häuser wurden zerstört.<br />

Der Südosten des Landes ist<br />

besonders stark betroffen: Allein in<br />

New South Wales, wobereits Mitte<br />

November ein einwöchiger Notstand<br />

ausgerufen worden war, kämpften<br />

zuletzt mehr als 2000 Feuerwehrleute<br />

gegen rund 100 Brände. Ein besonders<br />

bedrohliches Großfeuer ist bis<br />

auf etwa 70 Kilometer an die Millionenmetropole<br />

Sydney herangerückt.<br />

Erschwert wird der Kampf gegen<br />

die Flammen durch Rekordhitze.<br />

Australien leidet ohnehin seit etwa<br />

zwei bis drei Jahren unter starker<br />

Dürre, die ausgetrocknete Vegetation<br />

entzündet sich also besonders<br />

leicht. Am Mittwoch wurde erneut<br />

eine historische Hitzemarke gebrochen:<br />

Mit 41,9 Grad lag die landesweite<br />

durchschnittliche Höchsttemperatur<br />

so hoch wie nie seit Beginn<br />

der Aufzeichnungen. Am Dienstag<br />

waren bereits 40,9 Grad gemessen<br />

worden. Während die heißen Luftmassen<br />

durch das Land ziehen, werden<br />

besonders im Landesinneren<br />

und im Süden weiter Extremtemperaturen<br />

erwartet.<br />

Trotz der katastrophalen Lage an<br />

der Brandfront weilt Australiens Regierungschef<br />

Scott Morrison seit Tagen<br />

im Urlaub.Medienberichten zufolge<br />

entspannt er mit seiner Familie<br />

auf der Pazifikinsel Hawaii, was viele<br />

Landsleute in Rage bringt. Vordem<br />

Wohnsitz des konservativen Premiers<br />

in Sydney versammelten sich<br />

am Donnerstag Hunderte wütende<br />

Schüler, die ihm neben Vernachlässigung<br />

seiner Amtspflichten fehlendes<br />

Engagement für den Klimaschutz<br />

vorwarfen. (dpa; AFP)

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