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Bedrohte Vielfalt: Buchhandlungen unter Druck – Made in Berlin Seite 6<br />
Sylvester<br />
Groth im<br />
Interview<br />
Seite 22<br />
5°/12°<br />
Wolkenfelder<br />
Wetter Seite 2<br />
Spektakel in Washington:<br />
Anklage gegen Trump<br />
Tagesthema Seite 2, Kommentar Seite 8<br />
www.berliner-zeitung.de<br />
Samoa greift durch:<br />
Masernimpfung als Zwang<br />
Panorama Seite 28<br />
Freitag,20. Dezember 2019 Nr.296 HA -75. Jahrgang<br />
Auswärts/D**: 1.70 €–Berlin/Brandenburg: 1.60 €<br />
Union und Hertha:<br />
Die Fußball-Kolumne<br />
Sport Seite 20<br />
Der neue starke<br />
Mann aus<br />
Sachsen<br />
VonDaniela Vates<br />
Michael<br />
Kretschmer,<br />
Ministerpräsident<br />
CDU<br />
Eshieß, es werdekeine Revolution<br />
geben. Aber vorzweiWochen hat<br />
sich Michael Kretschmer lieber noch<br />
mal persönlich an die Tür des CDU-<br />
Parteitags gestellt. Hände schütteln,<br />
ein paar freundlicheWorteanden einen<br />
und die andere. Lieber mal auf<br />
Nummer sicher gehen, so wirkte das.<br />
Die sächsische CDU hatte sich versammelt,<br />
um über den Koalitionsvertrag<br />
abzustimmen.<br />
Das<br />
hat sie schon<br />
häufiger gemacht,<br />
sie regiert<br />
in Sachsen<br />
ja seit 30 Jahren,<br />
die Hälfte davon<br />
mit der SPD.<br />
Aber nun in einer<br />
Jamaika-Koalition<br />
zusätzlich<br />
noch mit den<br />
Grünen zusammenzuarbeiten, das<br />
ist neu für die CDU. „Es ist die<br />
Chance, unserer Heimat eine stabile<br />
Staatsregierung zu geben“, warb<br />
Kretschmer bei den Delegierten.<br />
Unddie stimmten zu.<br />
Mittlerweile haben auch SPD und<br />
Grüne dem Vertrag zugestimmt. An<br />
diesem Freitag nun wird Kretschmer<br />
erneut als Ministerpräsident vereidigt.<br />
Der44-Jährige wirddamit zu einem<br />
der mächtigsten Politiker der<br />
Bundes-CDU. „An ihm kommt man<br />
nicht vorbei“, heißt es dort. Sachsen<br />
ist zwar einer der kleineren CDU-Verbände.<br />
Aber seit dem 1. September<br />
gilt derWirtschaftsingenieur aus Görlitz<br />
als Held: Beider Landtagswahl hat<br />
die CDU zwar verloren, blieb aber<br />
stärkste Partei –vor der AfD.<br />
Ein tiefes Aufatmen folgte. Da<br />
hatte einer gewonnen, der sich zur<br />
AfD abgegrenzt hatte. „Mit diesen<br />
Leuten haben wir nichts zu tun“,<br />
schärfte Kretschmer den Delegierten<br />
auf dem Parteitag nochmals ein.<br />
Der frühere Generalsekretär hat<br />
damit mit der Praxis der Sachsen-<br />
CDU gebrochen, die sich im Umgang<br />
mit Rechtsaußen über Jahre<br />
durch Lavieren auszeichnete.Erverlor<br />
2017 seinen Bundestagswahlkreis<br />
an die AfD. Wenig später übergab<br />
ihm der blasse Stanislaw Tillich den<br />
Ministerpräsidentenposten. Im<br />
Wahlkampf setzte Kretschmer auf<br />
Präsenz vor Ort und einen Würstchengrill,<br />
in den Koalitionsverhandlungen<br />
auf Pragmatismus.Das Wirtschaftsministerium<br />
geht an die SPD,<br />
Landwirtschaft und Umwelt an die<br />
Grünen. Die von der CDU bekämpfte<br />
Kennzeichnungspflicht für<br />
Polizisten kommt in eingeschränkter<br />
Form. Kretschmer versucht seine<br />
Partei mit dem Ausbau der A4 zu<br />
trösten, mit 1000 zusätzlichen Polizisten<br />
und mit dem Festhalten an<br />
der 40-Stunden-Woche.<br />
In der großen Koalition im Bund<br />
heißt es, mit Kretschmer werde es<br />
nicht einfach werden. In der Klimapolitik<br />
stand er als Vertreter eines<br />
Kohlelandes auf der Bremse.Erkann<br />
es sich leisten: Wegen der Schwäche<br />
der CDU im Bund gilt sein Wahlsieg<br />
als persönlicher Erfolg.<br />
Senioren leben gefährlich<br />
Jeder zweite Mensch, der 2019 im <strong>Berliner</strong> Straßenverkehr starb, war älter als 65 Jahre<br />
VonPeter Neumann<br />
Mehr Autos, mehr Hektik,<br />
mehr aggressive<br />
Fahrer: Vom Straßenverkehr<br />
in Berlin fühlen<br />
sich bereits junge Menschen oft<br />
überfordert. Nun zeigen offizielle<br />
Zahlen, dass er für alte Menschen<br />
immer häufiger zur tödlichen Gefahr<br />
wird. Vonden 40 Menschen, die in<br />
diesem Jahr bislang bei Verkehrsunfällen<br />
in Berlin starben, waren 21 Senioren.<br />
Das teilte die Polizei auf Anfrage<br />
mit. Damit war ungefähr jeder<br />
zweite Mensch, der voneinem Kraftfahrzeug<br />
getötet wurde,älter als 65.<br />
Zum Vergleich: Im vergangenen<br />
Jahr kamen in Berlin 13 Senioren bei<br />
Verkehrsunfällen ums Leben. Der<br />
Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtzahl<br />
der Verkehrsunfalltoten in<br />
Berlin stieg von29auf 53 Prozent.<br />
Die Zahl der Unfälle in Berlin, an<br />
denen Senioren beteiligt sind,<br />
nimmt immer weiter zu, so die Polizei.<br />
In den ersten drei Quartalen dieses<br />
Jahres lag sie um fast drei Prozent<br />
über dem Durchschnitt der vergangenen<br />
drei Jahre –für die Polizeistatistiker<br />
ein klares Zeichen dafür,dass<br />
sich die Lage weiter verschlechtert.<br />
„Ein schlimmes Jahr“<br />
Berlin trauert<br />
Die Stadt gedenkt der Opfer des Attentats auf dem Breitscheidplatz in aller Stille Seite 9<br />
„2019 ist ein schlimmes Jahr für<br />
uns“, sagte Roland Stimpel vom<br />
Fachverband Fußverkehr Deutschland<br />
(FUSS). 2018 starben 19 Menschen,<br />
die sich umweltfreundlich zu<br />
Fuß durch Berlin bewegten, bei Unfällen.<br />
In diesem Jahr waren es laut<br />
Polizei bereits 24. FUSS hat sogar<br />
26 tote Fußgänger ermittelt. „ImUnterschied<br />
zur Polizei zählen wir auch<br />
einen Mann mit, der gerade in sein<br />
Auto steigen wollte,aber in dem Moment<br />
auf den Beinen stand, und einen,<br />
der auf der Fahrbahn zusammenbrach<br />
und überfahren wurde.“<br />
Auffällig sei, dass die meisten Senioren<br />
als Fußgänger unterwegs waren,<br />
als sie beiVerkehrsunfällen getötet<br />
wurden. „16 Getötete waren über<br />
60 Jahrealt, 14 Getötete über 70 und<br />
fünf sogar über 80 Jahre“, berichtete<br />
Roland Stimpel. Die Unfallbilanz<br />
zeige,dass im <strong>Berliner</strong> Verkehr etwas<br />
gründlichschiefläuft: „Er ist auf<br />
Tempo und Durchdrängeln getrimmt,<br />
nicht auf Rücksicht und den<br />
Schutz der Schwächsten.“<br />
„Alte Menschen gehen meist<br />
langsamer als jüngere, nehmen Gefahren<br />
schwächer wahr, reagieren<br />
langsamer und können oft nicht<br />
mehr ausweichen. Dievielen Unfälle<br />
mit Betagten beweisen erneut: Man<br />
kann nicht die Menschen an den<br />
Verkehr anpassen, sondernwir müssen<br />
endlich den Verkehr an den<br />
Menschen und ihren Fähigkeiten<br />
ausrichten“, forderte der Sprecher.<br />
„Auch viele Autofahrer sind im <strong>Berliner</strong><br />
Gewusel und Gedrängel überfordert.“<br />
FUSS verlangt mehr Tempo-<br />
30-Bereiche,mehr Zebrastreifen und<br />
Ampeln sowie höhereStrafen.<br />
Noch vor einigen Wochen sah es<br />
so aus, als ob die Zahl der Verkehrstoten<br />
in Berlin 2019 unter dem Stand<br />
des Vorjahres bleibt. Doch innerhalb<br />
von nur zwölf Tagen wurden fünf<br />
„Alte Menschen gehen meist langsamer als<br />
jüngere, nehmen Gefahren schwächer wahr,<br />
reagieren langsamer und können oft<br />
nicht mehr ausweichen.“<br />
Roland Stimpel, Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS)<br />
Menschen, die zu Fuß oder per Rad<br />
unterwegs waren, von Kraftfahrern<br />
getötet, bilanzieren Initiativen wie<br />
Changing Cities und der Allgemeine<br />
Deutsche Fahrrad-Club.Sie rufen für<br />
Sonnabend, 15.30 Uhr, zu einer<br />
Demo vordem Roten Rathaus auf.<br />
Polizeistatistiker weisen darauf<br />
hin, dass es nicht selten vom Zufall<br />
abhängt, ob ein Unfall für das Opfer<br />
tödlich ausgeht –oder ob es noch gerettet<br />
werden kann. Wie schnell war<br />
der Notarzt zur Stelle? War die Behandlung<br />
im Krankenhaus erfolgreich?<br />
Darumplädieren die Experten<br />
dafür,insbesonderedie Zahl der Unfälle<br />
und Verunglückten zu betrachten.<br />
Beiden Senioren ist der Trend in<br />
beiden Fällen jedoch ebenfalls negativ,sagte<br />
Frank Schattling, der bei der<br />
Polizei Berlin den Fachstab Verkehr<br />
leitet. „Die Zahlen sind jedes Jahr gestiegen.“<br />
2013 wurden 13 960 Unfälle<br />
mit Senioren registriert, bei denen<br />
1208 Menschen über 65 zu Schaden<br />
kamen. Im vergangenen Jahr nahm<br />
die Polizei 16 907 Seniorenunfälle<br />
mit 1514 Verunglückten auf. Erste<br />
Zahlen für 2019 zeigen, dass sich die<br />
Entwicklung weiter fortsetzt.<br />
Mehr Unfälle mit Radfahrern<br />
„Uns ist klar,dass wir uns noch stärker<br />
um die Senioren kümmernmüssen“,<br />
sagte Schattling. Verkehrssicherheitsberater<br />
informieren in Heimen<br />
und Freizeitstätten über aktuelle<br />
Gefahren im Verkehr. In der<br />
<strong>Berliner</strong> Unfallkommission hilft die<br />
Polizei dabei mit, Unfallschwerpunkte<br />
zu entschärfen. Polizisten<br />
berichten aber auch, dass längst<br />
nicht jeder alte Mensch für sie erreichbar<br />
ist. Das gelte auch für Senioren,<br />
die Auto fahren. Nichtselten<br />
sind sie misstrauisch, weil sie befürchten,<br />
dass man ihnen die Fahrerlaubnis<br />
wegnehmen will, hieß es.<br />
Schattling sagte, dass die Unfallbilanz<br />
für dieses Jahr erst Anfang<br />
2020 vorliegen wird. Bisher zeige der<br />
Trend, dass die Gesamtzahl der Unfälle<br />
denWert desVorjahres (144 325)<br />
wohl übertreffen wird. Dagegen lag<br />
die Zahl der Verunglückten bislang<br />
unter dem Durchschnitt der vergangenen<br />
drei Jahre. Bei den Radfahrunfällen<br />
gab es wiederum einen Zuwachs<br />
vondreiProzent. DieZahl der<br />
Todesopfer unter Radlernsank dagegen<br />
vonelf im Jahr 2018 auf sechs in<br />
diesem Jahr. Seite3,Berlin Seite10<br />
BERLINER ZEITUNG/ PAULUS PONIZAK<br />
Mord in Moabit:<br />
Putin korrigiert<br />
sich<br />
Doch kein Antrag auf<br />
Auslieferung des Opfers<br />
Der russische Präsident Wladimir<br />
Putin hat in dem Fall des ermordeten<br />
Georgiers in Berlin eingeräumt,<br />
dass es nie ein offizielles Auslieferungsgesuch<br />
gegeben hat. Darüber<br />
sei nur auf Geheimdienstebene<br />
gesprochen worden, sagte der<br />
Kremlchef am Donnerstag in Moskau.<br />
Nach seinen Angaben ist von<br />
deutscher Seite signalisiert worden,<br />
dass der von Russland gesuchte<br />
Georgier nicht nach Moskau ausgeliefertwerde.Deshalb<br />
sei auf ein offizielles<br />
Gesuch verzichtet worden.<br />
In Berlin hieß es,dass man nichts<br />
von einem russischen Ersuchen<br />
wisse. Russland hatte Deutschland<br />
dagegen vorgeworfen, den Mann<br />
trotz eines Gesuchs nicht ausgeliefertzuhaben.<br />
Putin deutete an, dass<br />
die Politik womöglich nichts von<br />
Kontakten auf Geheimdienstebene<br />
gewusst und es deshalb widersprüchliche<br />
Aussagen gegeben habe.<br />
Das Mordopfer aber sei ein Terrorist<br />
gewesen. Nach Putins Angaben soll<br />
er bei einem Anschlag den Todvon<br />
98 Menschen verschuldet haben.<br />
Der Fall hat die diplomatischen Beziehungen<br />
belastet. Deutschland<br />
und Russland wiesen jeweils zwei<br />
Botschaftsmitarbeiter aus.<br />
Der 40-jährige Georgier, der in<br />
Tschetschenien aufseiten der Separatisten<br />
gekämpft haben soll, war im<br />
August in Moabit erschossen worden.<br />
Der mutmaßliche Täter, ein Russe,<br />
sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft<br />
verdächtigt staatliche<br />
Stellen in Russland oder der russischen<br />
Teilrepublik Tschetschenien,<br />
den Mord in Auftrag gegeben zu haben.<br />
DerKreml hat Verstrickungen in<br />
dem Fall zurückgewiesen.<br />
Schüsse in Moskau<br />
Am Abend hat in Moskau ein Unbekannter<br />
an der Zentrale des Inlandsgeheimdiensts<br />
FSB mit einer Kalaschnikow-Maschinenpistole<br />
auf<br />
Menschen geschossen. Der FSB bestätigte<br />
der Agentur Interfax zufolge<br />
denVorfall. DerTäter sei unmittelbar<br />
nach dem Angriff getötet worden,<br />
teilte das staatliche Ermittlungskomitee<br />
mit. Seine Identität werde<br />
noch ermittelt. Durch die Schüsse<br />
sei ein FSB-Mitarbeiter getötet worden.<br />
Zusätzlich seien fünf Menschen<br />
verletzt worden, darunter auch ein<br />
Zivilist. (dpa) Politik Seite 5<br />
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4<br />
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501603<br />
51051
2* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Tagesthema<br />
Impeachment<br />
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ist offiziell eröffnet. Damit ist der Präsident politisch befleckt.<br />
Doch die Republikaner sind entschlossen, ihn zu verteidigen.<br />
Reaktionen<br />
„Die Partei, die die<br />
Wahlen verloren<br />
hat, die demokratische<br />
Partei,<br />
versucht über andere<br />
Mittel und<br />
Wege Ergebnisse zu<br />
erzielen, indem sie<br />
Trump eine Verschwörung<br />
mit<br />
Russland vorwirft.<br />
Dann zeigte sich,<br />
dass es keinerlei<br />
Verschwörung gab<br />
und dies nicht als<br />
Grundlage für ein<br />
Impeachment<br />
diente. Dann<br />
haben sie sich eine<br />
Art Druck auf die<br />
Ukraine<br />
ausgedacht.“<br />
Wladimir Putin, Russlands Präsident<br />
„Die Demokraten<br />
könnten sich<br />
durchaus mit dem<br />
Versuch verrechnet<br />
haben, dieses<br />
Mittel für ihren<br />
Wahlkampf im Jahr<br />
2020 zu nutzen.<br />
(…) Trumps Basis<br />
wird das Impeachment-Verfahren<br />
als<br />
erneuten Versuch<br />
des Washingtoner<br />
Establishments<br />
betrachten, ihren<br />
Champion in<br />
Schwierigkeiten zu<br />
bringen.“<br />
The Times, London<br />
Die Worte„In Wirklichkeit sind sie nicht hinter mir her,sondernhinter euch. Ich bin nur im Weg“ postete Trump zusammen mit einem Foto, auf dem er „Uncle Sam“ imitiert. TWITTER/IMAGO<br />
Ein tiefer Graben durchs Parlament<br />
Der Schlagabtausch im Repräsentantenhaus schwankt zwischen zähem Ringen und absurdem Spektakel<br />
VonKarlDoemens, Washington<br />
AmEnde eines langen Tages<br />
mit einer mehr als zehnstündigen<br />
Redeschlacht<br />
im Parlament, nervöser<br />
Gereiztheit im Weißen Haus und unabsehbaren<br />
politischen Langzeitwirkungen<br />
bot sich der amerikanischen<br />
Fernsehnation am Mittwoch ein geteilter<br />
Bildschirm mit einem bizarren<br />
Kontrastprogramm. Donald<br />
Trump hatte gerade die Bühne einer<br />
Mehrzweckarena in Michigan für<br />
eine Wahlkundgebung bestiegen, als<br />
die Digitalanzeige im Washingtoner<br />
Repräsentantenhauses über die magische<br />
Marke von 216 Stimmen<br />
sprang. Das ist die Mehrheit. Um<br />
20.24 Uhrwar das Amtsenthebungsverfahren<br />
gegen den amerikanischen<br />
Präsidenten offiziell eröffnet.<br />
Während die Demokraten im Parlament<br />
jeden Anschein eines Triumphes<br />
vermieden und ihre Parlamentssprecherin<br />
Nancy Pelosi den<br />
aufkommenden Applaus mit einer<br />
Handbewegung abwürgte, konnte<br />
Trump nicht an sich halten.„SIE sind<br />
diejenigen, die des Amtes enthoben<br />
werden sollen“, drohte er vor 9800<br />
Zuhörern seinen politischen Gegnern:<br />
„Die Demokraten der verrückten<br />
Nancy Pelosi haben sich selbst<br />
ein ewiges Schandmal eingebrannt.“<br />
Tatsächlich ist fürs erste nun aber<br />
Trump politisch schwer befleckt. Erst<br />
zweimal in der amerikanischen Geschichte<br />
ist zuvor eine Impeachment-Anklage<br />
gegen einen Präsidenten<br />
beschlossen worden: 1868 gegen<br />
Andrew Johnson und 1998 gegen Bill<br />
Clinton. Anders als sein Vor-Vor-Vorgänger,<br />
der über eine außereheliche<br />
Affäre log, hat Trump ein Fehlverhalten<br />
nie eingestanden. Im Gegenteil<br />
betont er bei jeder Gelegenheit, er<br />
habe sich in der Ukraine-Affärenichts<br />
zuschulden kommen lassen.<br />
Videoclip für den Wahlkampf<br />
Im Kapitol rangen Demokraten und<br />
Republikaner in zermürbenden Geschäftsordnungsdebatten<br />
über den<br />
Ablauf der Debatte.Eswar ein historischer<br />
Tag, der sich über weite Strecken<br />
gar nicht so anfühlte.Nicht nur<br />
waren die Bänke des Repräsentantenhaus-Plenums<br />
stundenlang nur<br />
zu einem Drittel gefüllt. Auch erlebten<br />
die Anwesenden keine Sternstunde<br />
des Parlaments: DieRedebeiträge<br />
gingen kaum aufeinander ein<br />
und brachten selten neue Gedanken.<br />
Siewaren öfter erkennbar alsVideoclip<br />
für den eigenen Wahlkampf<br />
inszeniert.<br />
Anders als bei früheren Impeachment-Verfahren,<br />
die Unterstützer<br />
und Kritiker in beiden Parteien hatten,<br />
verlief dieses Maldie Meinungsgrenze<br />
strikt zwischen den Republikanernund<br />
den Demokraten. Im Sitzungssaal<br />
trennt sie ein Gang mit einem<br />
blauen Teppich. Er wirkte wie<br />
ein tiefer Graben. Während die Demokraten<br />
anprangerten, dass Trump<br />
regelmäßig das Recht missachte und<br />
deswegen aus dem Amt entfernt<br />
werden müsse,wiederholten die Republikaner<br />
ein ums andere Mal, das<br />
Verfahren sei eine „Hexenjagd“.<br />
Zu den eindrucksvolleren Szenen<br />
gehörte der Redebeitrag der Bürgerrechtsikone<br />
John Lewis, der einst an<br />
der Seite vonMartin Luther King gegen<br />
die Rassentrennung kämpfte.<br />
Damals hätten die Afroamerikaner<br />
große Hoffnungen auf eine weitere<br />
Demokratisierung des Landes gehabt,<br />
sagte der 79-Jährige. Nun geriere<br />
sich Trump wie ein absolutistischer<br />
König. „UnsereKinder werden<br />
uns fragen, was habt ihr gemacht?“,<br />
rief Lewis in den Saal: „Unser Mandat<br />
verpflichtet uns,auf der richtigen<br />
Seite zu sein.“<br />
Die Republikaner hingegen bemühten<br />
sich, dieVeranstaltung zu einem<br />
absurden Spektakel zu machen.<br />
Ihr Abgeordnete Barry Loudermilk<br />
verstieg sich gar zu einem Vergleich<br />
von Trump mit dem Gottessohn:<br />
„Pontius Pilatus hat Jesus während<br />
des Scheinprozesses mehr Rechte<br />
eingeräumtals die Demokraten dem<br />
Präsidenten.“<br />
Zwei schwerwiegende Anklagepunkte<br />
gegen den Präsidenten standen<br />
im Plenarsaal zur Abstimmung.<br />
Nach den Aussagen zahlreicher hoher<br />
Beamter und Diplomaten kann<br />
kein Zweifel mehr daran bestehen,<br />
dass Trump den ukrainischen PräsidentenWolodymyr<br />
Selenskyj zu einer<br />
Schmutzkampagne gegen seinen innenpolitischen<br />
Rivalen Joe Biden<br />
drängte und als Druckmittel eine zugesagte<br />
Militärhilfe zurückhielt. Später<br />
erteilte Trump allen beteiligten<br />
Regierungsmitarbeiternein Aussageverbot.<br />
Die Demokraten werfen ihm<br />
deshalb Machtmissbrauch und Behinderung<br />
des Kongresses vor.<br />
Das mit Spannung erwartete Votum<br />
fiel dann weitgehend entsprechend<br />
der Parteifarben aus: Beizwei<br />
Abstimmungen stimmten 230 beziehungsweise<br />
229 Abgeordnete für das<br />
Impeachment und 197 (198) dagegen.<br />
Damit musste die Ober-Demokratin<br />
Pelosi zwar drei Nein-Stimmen<br />
aus den eigenen Reihen verkraften.<br />
Dassindaber deutlich weniger,als<br />
zu befürchten war.Hingegen<br />
gab es bei den Republikanern nicht<br />
einen einzigen Abweichler.<br />
Das lässt die Wahrscheinlichkeit<br />
einer tatsächlichen Amtsenthebung<br />
vonTrump weiter schrumpfen. Dazu<br />
müssten sich im republikanisch beherrschten<br />
Senat 20 Republikaner auf<br />
die Seite der Demokraten schlagen.<br />
DieArbeit des Repräsentantenhauses<br />
sei getan, sagte Pelosi am Mittwochabend.„Ich<br />
hoffe auf einen fairen Prozess<br />
im Senat.“ Es klang nicht so, als<br />
würde sie daran ernsthaft glauben.<br />
Historie<br />
Clinton,<br />
Johnson,<br />
Nixon<br />
Bill Clinton sprach den zentralen<br />
Satz einer der bis dahin<br />
größten Krisen der US-Politik am<br />
26. Januar 1998:„Ich hatte kein sexuelles<br />
Verhältnis mit dieser Frau,<br />
Miss Lewinsky.“ Damals versuchten<br />
die Republikaner, den erfolgreichen<br />
demokratischen Präsidenten<br />
aus dem Amt zu jagen.<br />
Das Mittel zum Zweck war seine<br />
Affäremit Monica Lewinsky,einer<br />
Praktikantin im Weißen Haus.<br />
Clinton hatte 1997 die Wahl für<br />
eine zweite Amtszeit gewonnen,<br />
doch im Kongress hatten die Republikaner<br />
die Mehrheit. Clinton<br />
und seine Gattin Hillary waren<br />
Hassfiguren für das konservative<br />
Amerika. Clinton verkörperte den<br />
Aufstiegstraum der USA: Jeder<br />
kann es schaffen. DasPaar war Teil<br />
jener Ost- und Westküstenelite,<br />
deren liberaler Lebensstil wenig<br />
mit den Werten vieler Bürger auf<br />
dem Land zu tun hatte.<br />
Clinton profitierte von einem<br />
wirtschaftlichen Höhenflug der<br />
USA. Politisch war er kaum antastbar.<br />
Aber moralisch öffnete die<br />
Lewinsky-Affäre eine Flanke, die<br />
die Republikaner vehement angriffen.<br />
Clintons anfängliches<br />
Leugnen führte zur Einsetzung eines<br />
Sonderermittlers und zu hochnotpeinlichen,<br />
live übertragenen<br />
Befragungen Clintons. Das ganze<br />
mündete im Amtsenthebungsverfahren<br />
wegen Meineids undJustizbehinderung.<br />
Damit aber begann sich das<br />
Blattzuwenden. DasMissverhältnis<br />
zwischen Clintons Verfehlungen<br />
und dem Strafmaß erschien<br />
geradezu monströs. Die Abstimmung<br />
im Senat wurde zum Desaster<br />
für dieVerfolger:Den Meineidsvorwurf<br />
verwarfen die Senatoren<br />
mit 55 zu 45 Stimmen, das<br />
Votum über den Vorwurf der Justizbehinderung<br />
endete 50:50.<br />
Auch das erste Impeachment,<br />
1868 gegen Andrew Johnson wegen<br />
Missachtung der Rechte des<br />
Kongresses geführt, scheiterte.<br />
Schon damals kamen den Senatoren<br />
Zweifel, ob die Absetzung<br />
eines Präsidenten nicht einen gefährlichen<br />
Präzedenzfall schaffen<br />
würde. Der Versuch, den in die<br />
Watergateaffäre verstrickten Präsidenten<br />
Richard Nixon abzusetzen,<br />
wäre1974 wegen der Dimension<br />
seines Verfassungsbruchs<br />
wohl erfolgreich verlaufen. Er entzog<br />
sich der Schmach durch seinen<br />
Rücktritt. (sch.)<br />
Heute ziehen Wolkenfelder durch, die gelegentlich die Sonne verdecken.<br />
Dabei pendeln sich die Höchsttemperaturen bei 8bis 12 Grad ein, und<br />
der Wind weht schwach bis mäßig aus südlichen Richtungen. In der Nacht<br />
erreichen die Temperaturen 5Grad. Dazu ist der Himmel stark bewölkt bis<br />
bedeckt, gebietsweise regnet es.<br />
Biowetter: Wetterfühlige Menschen<br />
klagen häufig über Kopfweh und Migräneattacken.<br />
Schwindelgefühle<br />
und Kreislaufbeschwerden können<br />
sich einstellen. Die Leistungsfähigkeit<br />
ist unterdurchschnittlich.<br />
Wittenberge<br />
4°/9°<br />
<strong>Berliner</strong> Luft: gestrige Höchstwerte<br />
um 13 Uhr: Ozon: 5µg/m 3 ; Brandenburg BERLIN<br />
Frankfurt<br />
Stickstoffdioxid: 33 µg/m 3 ;<br />
4°/10° 4°/10° (Oder)<br />
Schwebstaub: 32 µg/m 3 ;<br />
Luckenwalde<br />
4°/11°<br />
Luftfeuchtigkeit: 87%<br />
4°/9°<br />
Cottbus<br />
Gefühlte Temperatur: maximal 10Grad.<br />
5°/12°<br />
Wind: schwach aus Süd.<br />
BERLIN U ND BRANDENBURG WETTERLAGE Reykjavik<br />
Kiruna<br />
R EISEWETTER<br />
3°<br />
-14°<br />
Archangelsk<br />
-3°<br />
Min./Max.<br />
des 24h-Tages<br />
Sonnabend<br />
Sonntag<br />
Montag<br />
bedeckt stark bewölkt Regen<br />
3°/8° 1°/ 6° 5°/7°<br />
Prenzlau<br />
4°/8°<br />
Das Regenband eines Tiefs bei den Hebriden reicht von der Nordsee über Frankreich<br />
bis in den westlichen Mittelmeerraum. Imsüdwestlichen Alpenraum besteht<br />
lokal Unwettergefahr. Östlich davon dringt mit südlichen Winden sehr<br />
milde Luft bis nach Südskandinavien und inden nordwestlichen Schwarzmeerraum<br />
vor.<br />
Sylt<br />
7°/12°<br />
Hannover<br />
5°/11°<br />
Köln<br />
7°/12°<br />
Saarbrücken<br />
6°/10°<br />
Konstanz<br />
4°/9°<br />
Hamburg<br />
6°/12°<br />
Erfurt<br />
4°/9°<br />
Frankfurt/Main<br />
4°/9°<br />
Stuttgart<br />
4°/9°<br />
Rostock<br />
4°/9°<br />
Magdeburg<br />
5°/10°<br />
Nürnberg<br />
3°/9°<br />
München<br />
5°/13°<br />
Rügen<br />
4°/7°<br />
Dresden<br />
6°/10°<br />
Deutschland: Heute zeigt sich zuweilen<br />
die Sonne. Esgibt aber stellenweise<br />
Wolken und etwas Regen, und<br />
die Temperaturen steigen am Tage<br />
auf 7bis 13Grad. Nachts gehen die<br />
Wertedann auf 7bis 3Grad zurück.<br />
Der Wind weht mitunter inBöen stürmisch<br />
aus südlichen Richtungen.<br />
Morgen ziehen teils dichte Wolken<br />
heran und haben anwenigen Stellen<br />
auch Regen dabei. Eswerden<br />
Höchstwerte von 7bis 10Grad anvisiert,und<br />
der Wind weht schwach bis<br />
mäßig aus Südwest.<br />
Schneehöhen:<br />
Thüringer Wald bis 30cm<br />
Harz bis 8cm<br />
Erzgebirge bis 20cm<br />
Bayerische Alpen bis 100 cm<br />
Mondphasen: 26.12. 03.01. 10.01. 17.01.<br />
Sonnenaufgang: 08:14 Uhr Sonnenuntergang: 15:53 Uhr Mondaufgang: 00:43 Uhr Monduntergang: 13:08 Uhr<br />
Lissabon<br />
18°<br />
Las Palmas<br />
23°<br />
Madrid<br />
16°<br />
Dublin<br />
8°<br />
London<br />
11°<br />
Paris<br />
14°<br />
Bordeaux<br />
17°<br />
Palma<br />
19°<br />
Algier<br />
21°<br />
Trondheim<br />
7°<br />
Mailand<br />
Nizza 11°<br />
17°<br />
Tunis<br />
20°<br />
Oslo<br />
4°<br />
Stockholm<br />
7°<br />
Kopenhagen<br />
8°<br />
Berlin<br />
10°<br />
Rom<br />
13°<br />
Warschau<br />
11°<br />
Wien<br />
15° Budapest<br />
11°<br />
Palermo<br />
19°<br />
Oulu<br />
1°<br />
Dubrovnik<br />
17°<br />
Athen<br />
18°<br />
St. Petersburg<br />
2°<br />
Wilna<br />
5°<br />
Kiew<br />
6°<br />
Odessa<br />
11°<br />
Varna<br />
14°<br />
Istanbul<br />
15°<br />
Iraklio<br />
19°<br />
Moskau<br />
3°<br />
Ankara<br />
13°<br />
Antalya<br />
18°<br />
Acapulco 33° wolkig<br />
Bali 27° wolkig<br />
Bangkok 32° wolkig<br />
Barbados 28° heiter<br />
Buenos Aires 26° Schauer<br />
Casablanca 18° bewölkt<br />
Chicago 2° bewölkt<br />
Dakar 28° wolkig<br />
Dubai 25° sonnig<br />
Hongkong 20° bewölkt<br />
Jerusalem 16° sonnig<br />
Johannesburg 34° heiter<br />
Kairo 22° sonnig<br />
Kapstadt 25° wolkig<br />
Los Angeles 19° wolkig<br />
Manila 30° wolkig<br />
Miami 25° bedeckt<br />
Nairobi 28° wolkig<br />
Neu Delhi 20° heiter<br />
New York 2° wolkig<br />
Peking -1° heiter<br />
Perth 26° wolkig<br />
Phuket 32° heiter<br />
Rio deJaneiro 31° Gewitter<br />
San Francisco 13° wolkig<br />
Santo Domingo 28° heiter<br />
Seychellen 28° Gewitter<br />
Singapur 30° Gewitter<br />
Sydney 28° heiter<br />
Tokio 16° heiter<br />
Toronto -2° bewölkt
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 3<br />
·························································································································································································································································································<br />
Seite 3<br />
Am Brunsbütteler Damm, dort, wo<br />
die Nauener Straße einmündet,<br />
steht ein weißes Kinderfahrrad.<br />
Am Lenker lassen zwei braune<br />
Plüschhasen ihre Ohren traurig hängen. Ein<br />
Meer aus Kuscheltieren und Grabkerzenumgibt<br />
das Rad. Dazwischen steht ein Strauß<br />
frischer gelber Rosen.<br />
Weiß gestrichene Fahrräder, aufgestellt<br />
von Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club<br />
(ADFC), erinnern inBerlin an Radfahrer, die<br />
im Straßenverkehr getötet wurden. Doch<br />
dieses Kinderfahrrad in Spandau ist anders.<br />
Es ist kein „normales“ Geisterrad, das nach<br />
dem Totensonntag wieder aus dem Straßenbild<br />
verschwindet. Es steht schon seit 16 Monaten<br />
dort.<br />
Auf dem Kinderrad hat Constantin das<br />
Fahrradfahren gelernt. Es gehörte einst seiner<br />
großen Schwester. Constantins Vater<br />
musste es blau lackieren. Jungs fahren<br />
schließlich nicht mit einem lilafarbenen<br />
Fahrrad durch die Gegend. So hatte es Constantin<br />
seinen Elternerklärt.<br />
Genau ein Jahr,bevor der Junge starb,bekam<br />
Constantin ein neues, ein größeres<br />
Fahrrad. Damit fuhr der Zweitklässler zur<br />
Schule. Seine Mutter radelte jeden Morgen<br />
hinter ihm, sie passte auf, dass dem Kind<br />
nichts passiert. Sein altes Kinderfahrrad aber<br />
hatte Constantin ins Herz geschlossen. Seine<br />
Eltern durften es nicht verkaufen. Sie mussten<br />
das Rad für ihren Sohn im Keller aufbewahren.<br />
Nun steht es an dieser viel befahrenen<br />
Kreuzung. An der Stelle,ander der Junge am<br />
13. Juni 2018 auf dem Wegzur Schule tödlich<br />
verunglückte. Der Fahrer eines Lkw übersah<br />
das Kind beim Rechtsabbiegen. Der Laster<br />
erfasste den bei Grün fahrenden Jungen.<br />
Constantin stürzte. Der Lkw-Fahrer bemerkte<br />
weder den Sturz des Jungen, noch,<br />
dass das rechte Hinterrad seines Lasters den<br />
Kopf des Kindes überrollte. Vor den Augen<br />
der Mutter. Der Junge war sofort tot. Fünf<br />
Tage vorseinem achten Geburtstag.<br />
Wasist schon gerecht?<br />
Die Altstadt von Spandau liegt keine zehn<br />
Fahrradminuten von der Unfallstelle entfernt.<br />
Weihnachtsmusik schallt durch die<br />
Straßen, es duftet nach gebrannten Mandeln<br />
und Bratwurst. In einer kleinen Nebenstraße<br />
wohnen Julia und Alexander S., Constantins<br />
Eltern, und seine beiden Schwestern, 15 und<br />
16 Jahrealt.<br />
Auf einem kleinen Tischchen im Wohnzimmer<br />
der Maisonette-Wohnung steht ein<br />
Foto von Constantin. Ein verschmitzt lächelnder<br />
Junge mit runden Brillengläsernist<br />
darauf zu sehen. Vordem Foto brennt eine<br />
Kerze. Nicht nur in der Vorweihnachtszeit.<br />
An der Wand dahinter, zwischen den Fotos<br />
der drei Kinder,hängt die blau-graue Basecap<br />
des Jungen. An der weiß getünchten<br />
Tapete fällt zudem ein buntes Bild auf, dass<br />
von Kinderhand auf Leinwand gemalt<br />
wurde.Eszeigt Batman. Es ist das letzte Bild,<br />
das Constantin zeichnete. Erhat es wie ein<br />
Künstler signiert. „Consti“ steht in der rechten<br />
unteren Ecke des Bildes.<br />
Malen sei die Leidenschaft seines Sohnes<br />
gewesen, sagt Alexander S. Constantin habe<br />
schon eine eigene Staffelei besessen. Und<br />
wenn Constantin Lust gehabt habe zu malen,<br />
dann habe er gefragt: Papa, wollen wir?<br />
Alexander S. malt selbst. Seine Bilder, doppelt<br />
so groß wie die des Sohnes, hängen an<br />
einer anderen Wand des Zimmers.<br />
Alexander S., 49, nimmt das Batman-Bild<br />
vonderWand, er streicht versonnen darüber,<br />
dann wischt er sich verstohlen die Tränen<br />
aus den Augen. Er lächelt seiner Frau zu, sie<br />
lächelt zurück und nickt. Constantins Eltern<br />
wollen reden. Über ihren toten Sohn, über<br />
den Unfall. Über Hilfe, die es für Hinterbliebene<br />
nur schwer gibt. Über Politiker,die den<br />
Lkw-Verkehr sicherer machen könnten, es<br />
aber nicht tun.<br />
Siewollen reden, jetzt, da der Prozess um<br />
den Todihres Jungen gerade vorbei ist. Da sie<br />
endlich in Ruhe trauern können, ohne immer<br />
an die Verhandlung denken zu müssen.<br />
Vorzwei Wochen erst stand der Lkw-Fahrer<br />
vorGericht, der Constantins Todverschuldet<br />
hat. DieElterndes Jungen saßen dem Mann<br />
gegenüber.Sie hofften seit eineinhalb Jahren<br />
auf ein persönliches Wort der Anteilnahme,<br />
auf eine ehrliche Entschuldigung. Sie wurden<br />
enttäuscht.<br />
Der mittlerweile arbeitslose Mann wurde<br />
vomAmtsgericht Tiergarten zu einer Bewährungsstrafe<br />
verurteilt. Den Führerschein<br />
durfte er behalten. Obwohl er gerade einmal<br />
vier Wochen nach Constantins Todüber eine<br />
rote Ampel gefahren und dabei geblitzt worden<br />
war.<br />
Julia und Alexander S. haben überlegt, ob<br />
sie gegen das Urteil Berufung einlegen sollten.<br />
Eine Woche hatten sie Zeit. Sie haben<br />
sich dagegen entschieden. Nicht, weil sie<br />
den Richterspruch als gerecht empfinden<br />
würden. Was ist schon gerecht, wenn ein<br />
Kind auf solch tragische Weise ums Leben<br />
Das andere<br />
Julia S., Constantins Mutter,mit einem Foto ihres Sohnes<br />
Im Juni 2018 verunglückte der siebenjährige Constantin<br />
in Spandau tödlich. Der Fahrer eines Lkw übersah das radelnde Kind<br />
beim Rechtsabbiegen. Julia S., Constantins Mutter,musste das Unglück<br />
mitansehen. Sie und ihr Mann haben beschlossen,<br />
über den Schmerz, die Trauer und den Familienalltag danach<br />
öffentlich zu reden. Und sie kämpfen für<br />
mehr Sicherheit im Straßenverkehr<br />
kommt.Wenn eine Familie auf solche Artaus<br />
der Bahn geworfen wird. Wenn bei einem<br />
solchen Unglücksfall nicht sofort professionelle<br />
Hilfe angeboten wird –weder von den<br />
Behörden, noch von den Krankenkassen.<br />
Wasnutzt es,wenn die Betroffenen erst Monate<br />
nach so einem Unglück einen Termin<br />
beim Traumatherapeuten bekommen. Julia<br />
S., die den Toddes eigenen Kindes mitansehen<br />
musste, wartete länger als ein halbes<br />
Jahr darauf.<br />
„Was hätte eine Berufung gebracht?“,<br />
fragt Constantins Mutter nun. Sie wirkt gefasst,<br />
als sie sich selbst die Frage beantwortet.<br />
DerFahrer habe schon die höchstmögliche<br />
Strafe bekommen – Bewährung. Und<br />
keine Geldstrafe, wie üblich in solchen Fällen<br />
von fahrlässiger Tötung. Immerhin<br />
müsse der Lkw-Fahrer auch die Kosten des<br />
Verfahrens tragen. Anwälte bezahlen, den<br />
Leben<br />
VonKatrin Bischoff<br />
Gutachter, der bescheinigt habe, dass der<br />
Angeklagte den Jungen und dessen Mutter<br />
auf dem gut einsehbaren Radweg habe sehen<br />
können, ja sehen müssen. Viele Sekunden<br />
lang. Hätte er nur in seine Rückspiegel<br />
geschaut. Der Gutachter bescheinigte auch,<br />
dass der Lasterfahrer beim Abbiegen nicht<br />
angehalten habe und vermutlich bei Rot gefahren<br />
sei. Julia S. weiß, dass ihr Sohn keine<br />
Schuld trägt. Dass auch sie, die Mutter,<br />
nichts falsch gemacht hat. Doch was taugt<br />
diese Gewissheit. Sie bringt ihr den Sohn<br />
nicht wieder zurück.<br />
Constantins Eltern haben kein Auto, seit<br />
Jahren schon nicht mehr.Wozu auch, wenn<br />
man in Spandau lebt und arbeitet. „Wir<br />
können hier alles mit dem Fahrrad wunderbar<br />
erreichen“, sagt Alexander S., der in der<br />
Altstadt ein kleines Geschäft hat. Und so<br />
entfalle die nervige Suche nach einem Park-<br />
BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER<br />
platz. Auch Constantins Schulweg war bequem<br />
und eigentlich auch sicher. Erfuhr<br />
üblicherweise mit seiner Mutter am Havelufer<br />
entlang, ohne eine Straße kreuzen zu<br />
müssen. Doch am 13. Juni vergangenen Jahres<br />
holte Julia S. ihren Sohn bei den Großeltern<br />
ab, bei denen Constantin übernachtet<br />
hatte.<br />
Constantins Mutter ist Erzieherin vonBeruf.<br />
Siekümmertsich um behinderte Kinder,<br />
sie weiß, was es heißt, Verantwortung zu tragen.<br />
An jenem Morgen sprach sie mit Constantins<br />
Großeltern noch kurz über den anstehenden<br />
Geburtstag des Jungen.<br />
Im Garten war alles für die Party mit der<br />
Familie und den Freunden des Sohnes vorbereitet.<br />
Der Rasen war gemäht. Die Getränke<br />
standen bereit. DieWürstchen waren<br />
gekauft. Constantin freute sich. Er hatte sich<br />
ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft<br />
gewünscht. Der Junge spielte<br />
gerne Fußball. Auch an jenem Mittwoch<br />
hätte er am Nachmittag Training gehabt.<br />
Julia S. sagt, sie sei mit ihrem Sohn auf<br />
dem Radweg der Nauener Straße gefahren.<br />
Viele Kinder nutzten diesen Wegzur Schule.<br />
Am Brunsbütteler Damm hätten sie an der<br />
roten Ampel gewartet. Als es grün geworden<br />
sei, habe sie ihrem Sohn zugerufen: „Fahr<br />
los!“ Zu spät sah sie den Lkw,der um die Ecke<br />
bog. Der Laster touchierte das Rad des Kindes.Constantin<br />
stürzte.<br />
Seine Mutter erinnert sich, dass sie damals<br />
ihr Fahrrad zur Seite warfund voller Panik<br />
schrie. Doch der Laster fuhr weiter. Bis<br />
Autos hupten und Passantenandas schwere<br />
Fahrzeug klopften. Constantin hatte keine<br />
Chance.Auchder Helm rettete ihn nicht. Julia<br />
S. erzählt, dass der Fahrer zu ihr gekommen<br />
sei. Doch anstatt ein Wort des Entsetzens<br />
oder der Entschuldigung hervorzubringen,<br />
sagte er mit Blick auf den toten Jungen<br />
nur vorwurfsvoll, er könne doch nicht auf alles<br />
achten. „Ich dachte, die Welt müsste stehenbleiben“,<br />
sagt die 42-Jährige. Sie konnte<br />
nicht verstehen, dass das Leben um sie<br />
herum einfach weiterging.<br />
Julia S. erlebte den Tagwie in Watte gepackt,<br />
als wärealles ganz weit weg. Sierief ihrenMann<br />
an. Polizisten kümmerten sich um<br />
sie,boten ihran, sie in die Rechtsmedizin zu<br />
fahren. Constantins Mutter bewegte sich wie<br />
in Trance. Erst zu Hause brach sie zusammen,<br />
erst zu Hauseweintesie hemmungslos.<br />
Erst zu Hause wusste sie, dass Constantin<br />
nicht mehr wiederkommen, sein Lachen<br />
nicht mehr durch die Wohnung hallen<br />
würde. Der kleine Junge, der in der Familie<br />
Everybodys Darling genannt wurde,war tot.<br />
Eine zermürbende Zeit<br />
Julia S. sagt, ohne die Familie und die<br />
Freunde hätten sie es nicht geschafft, das Erlebte<br />
zu verkraften. Bekannte sorgten dafür,<br />
dass sie etwas aßen, sie kochten für sie, sie<br />
holten Medikamente vom Arzt, sie räumten<br />
die Wohnung auf und erledigten Behördengänge.<br />
Eineinhalb Jahre mussten Constantins<br />
Eltern auf den Prozess gegen den Lkw-<br />
Fahrer warten, dreimal wurde der Termin<br />
verschoben. Es war eine lange,zermürbende<br />
Zeit.„Soetwas dürfte eigentlich nicht passieren“,<br />
sagt Constantins Vater.<br />
Julia und Alexander S. haben sich nach<br />
dem Todihres Jungen nicht dem Schmerz<br />
hingegeben. Zusammen mit dem ADFC haben<br />
sie dafür gekämpft, dass die Unfallkreuzung<br />
umgebaut wird. Sie soll getrennte<br />
Grünphasen für Autofahrer und den Radverkehr<br />
bekommen. „Es wird auch Zeit, dass<br />
sich die Politiker bewegen“, sagt Julia S., die<br />
noch immer in Therapie ist. Siefordert, dass<br />
in Laster zwingend Abbiegeassistenten mit<br />
Notbremsfunktion und Kollisionserkennung<br />
eingebaut werden. 2000 Euro würde soein<br />
System kosten. 2000 Euro, die ihrem Sohn<br />
das Leben gerettet hätten, weil der Laster<br />
nach dem ersten Kontakt mit ihrem Kind sofortabgebremst,<br />
der Junge so nicht überrollt<br />
worden wäre.<br />
In der Wohnung ist es still. Die Töchter<br />
sind nicht da, zwei Katzen streifen neugierig<br />
durch das Zimmer. Dort, wo sonst zur Adventszeit<br />
der Weihnachtsbaum seinen Platz<br />
fand, steht nun ein kleines Gesteck. Einen<br />
Weihnachtsbaum gibt es seit dem vergangenen<br />
Jahr nicht mehr. Ihre drei Kinder hatten<br />
sich immer um das Schmücken des Baumes<br />
gekümmert.<br />
„Wir feiern jetzt anders“, sagt der Vater<br />
des Jungen. Auch wenn man es nicht glaube:<br />
Es werde gelacht dabei. Nur eben anders als<br />
früher. „Als wir nach Constantins Toddas<br />
erste Malbeide wieder richtiggelacht haben,<br />
da haben wir uns danach dafür geschämt“,<br />
sagt JuliaS.Stimmt, sagt ihr Mann.Essei ein<br />
sehr eigenartiges Gefühl gewesen. Ein Gefühl,<br />
dass sie heute zulassen würden.<br />
Constantins Mutter hat sich ein Jahr lang<br />
nicht aufs Fahrrad getraut. Mit wackligen<br />
Beinen hat sie es wieder versucht –als Teil ihrerTherapie.Constantins<br />
Großelternwollen<br />
nicht mehr, dass ein Enkel bei ihnen übernachtet.<br />
Siehätten ein ungutes Gefühl dabei.<br />
Constantins Schwesternhüten denKuschelbären,<br />
den der Junge bei seinem Unfall im<br />
Rucksackhatte.Sein Kuschelkissen liegtnun<br />
im Bett der Mutter.<br />
Vor der Schule haben Constantins Mitschüler<br />
einen Kirschbaum gepflanzt. Der<br />
Junge mochte Kirschen. Deswegen hatte er<br />
auch mit seinen Eltern imGarten Kirschbäume<br />
gepflanzt, die aber noch keine<br />
Früchtetrugen.<br />
Constantins Eltern erfüllten ihrem Kind<br />
den letzten Wunsch. Sie besorgten das heißersehnte<br />
Fußballtrikot.<br />
DerJunge trug es,als er beerdigt wurde.<br />
Katrin Bischoff findet, dass<br />
Angehörigevon Unfallopferndringend<br />
besser betreut werden müssen.
4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Politik<br />
NACHRICHTEN<br />
Fall „Nordkreuz“:<br />
Bewährung für Ex-Polizist<br />
Einehemaliger Elitepolizist aus<br />
Mecklenburg-VorpommernmitVerbindungen<br />
zur Prepper-Gruppe<br />
„Nordkreuz“ ist wegenVerstoßes gegen<br />
das Kriegswaffenkontrollgesetz<br />
zu einem Jahr und neun Monaten<br />
Haft auf Bewährung verurteilt worden.<br />
BeiDurchsuchungen waren bei<br />
ihm eine Uzi-Maschinenpistole mit<br />
Schalldämpfer sowie 1500 Schuss<br />
Munition gefunden worden.Weitere<br />
gefundeneWaffen und Munition<br />
habe er legal besessen, sagte der Richter<br />
am Landgericht Schwerin am<br />
Donnerstag bei der Urteilsverkündung.<br />
(dpa)<br />
Verfassungsschutzchef<br />
Brandenburgs abgesetzt<br />
Brandenburgs Verfassungsschutzchef<br />
Frank Nürnberger muss nach<br />
knapp zwei Jahren gehen. DasInnenministerium<br />
teilte am Donnerstag<br />
in Potsdam mit, Minister Michael<br />
Stübgen (CDU) habe Nürnberger<br />
„mit sofortiger Wirkung“ vonder<br />
weiteren Dienstausübung entbunden.<br />
Als Grund wurde „ein nicht ausreichend<br />
vorhandenes Vertrauensverhältnis“<br />
angegeben. DasKabinett<br />
werdeinKürze gebeten, Nürnberger<br />
in einstweiligen Ruhestand zu versetzen.<br />
(dpa)<br />
Abschuss von Wölfen soll<br />
erleichtertwerden<br />
DerAbschuss vonWölfen soll künftig<br />
auch dann möglich sein, wenn unklar<br />
ist, welcherWolf genau etwa eine<br />
Schafherde angegriffen hat. Dassieht<br />
ein Gesetzentwurfvon Bundesumweltministerin<br />
Svenja Schulze(SPD)<br />
vor, den am Donnerstag der Bundestag<br />
beschließen wollte.Essollen so<br />
langeWölfe in der Gegend geschossen<br />
werden können, bis es keine Attacken<br />
mehr gibt –auch wenn dafür ein<br />
ganzes Rudel getötet wird. DieLänderbehörden<br />
müssen aber jeden Abschuss<br />
einzeln genehmigen. (dpa)<br />
Unicef-Foto zeigt Mädchen<br />
beim Müllfischen<br />
Ein Mädchen sammelt Plastikflaschen aus<br />
verdreckter Bucht. UNICEF/HARTMUT SCHWARZBACH<br />
Das„Unicef-Foto des Jahres 2019“<br />
zeigt Wenie.Das Mädchen fischt im<br />
Hafen vonManila nach Plastikmüll,<br />
um dafür etwas Geld bei einem Recycler<br />
zu bekommen. DasBild des<br />
deutschen Fotografen Hartmut<br />
Schwarzbach erzähle „vom mutigen<br />
Überlebenskampf vonKindernangesichts<br />
gleich dreier Tragödien unserer<br />
Zeit: Armut, Umweltverschmutzung<br />
und Kinderarbeit“, erklärte<br />
das UN-Kinderhilfswerkam<br />
Donnerstag in Berlin. (dpa)<br />
Großrazzia gegen Mafia in<br />
Italien und Deutschland<br />
Beieiner der größten Razzien gegen<br />
die Mafia sind der Polizei in Italien<br />
Hunderte Verdächtige ins Netz gegangen.<br />
Beidem Schlag gegen die<br />
kalabrische 'Ndrangheta müssten<br />
330 Menschen entweder in Untersuchungshaft<br />
oder in den Hausarrest,<br />
teilte die Polizei am Donnerstag mit.<br />
DieErmittlungen bezogen sich auch<br />
auf Deutschland, die Schweiz und<br />
Bulgarien. An der Aktion waren rund<br />
2500 Polizisten beteiligt. Güter im<br />
Wert von15Millionen Euro seien beschlagnahmt<br />
worden, hieß es in der<br />
Mitteilung der Carabinieri. (dpa)<br />
Der Klima-Kompromiss<br />
Der Bundesrat beschließt nach einem langen Ringen eine Reihe von Maßnahmen. Ein Überblick<br />
VonMarina Kormbaki<br />
Kein Thema hat die politische<br />
Debatte im ausklingenden<br />
Jahr so stark beherrscht<br />
wie der Klimawandel.<br />
An diesem Freitag findet sie<br />
ihren vorläufigen Höhepunkt im<br />
Bundesrat. Die Länderkammer beschließt<br />
das Klimapaket, sodass der<br />
Maßnahmenkatalog zum 1. Januar<br />
2020 in Kraft treten kann.<br />
Der Weg bis zur Verabschiedung<br />
des Klimapakets war weit. Die Bundesregierung<br />
hatte das Thema nicht<br />
auf ihrer Agenda. Im Koalitionsvertrag<br />
von Union und SPD taucht der<br />
Klimaschutz erst in Kapitel elf auf,<br />
Seite 137 folgende.Konzepte? Expertise?<br />
Fehlanzeige. Umso härter war<br />
der klimapolitische Realitätsschock<br />
Tanken<br />
Durch die neue CO 2 -Abgabe auf<br />
fossile Brennstoffe steigen die<br />
Preise von Benzin und Diesel an der<br />
Tankstelle.Pro fünf Euro/Tonne wird<br />
Benzin um brutto 1,4 Cent und Diesel<br />
um 1,6 Cent teurer. Da2021 mit einem<br />
CO 2 -Preis von 25 Euro/Tonne<br />
begonnen wird, müssen die Autofahrer<br />
dann für Benzin sieben Cent und<br />
für Diesel acht Cent je Liter mehr zahlen.<br />
Bis2025 klettertder Preis für Benzin<br />
dann insgesamt um 15,4 Cent und<br />
für Diesel um 17,6 Cent. Ab 2026 wäre<br />
ein maximales Plus bei Benzin von<br />
18,2 Cent und bei Diesel von 20,8<br />
Cent möglich. EinBeispiel: EinAutofahrer,der<br />
mit seinem Fahrzeug (Verbrauch<br />
sieben Liter Benzin) 20 000<br />
Kilometer im Jahr fährt, muss 2025<br />
wegen der CO 2 -Besteuerung etwa 216<br />
Euro mehr zahlen. (tms., korm. ftw.)<br />
Bahnfahren<br />
Wie im Nahverkehr wirdauch im<br />
Bahn-Fernverkehr über 50 Kilometer<br />
die Mehrwertsteuer zum<br />
1. Januar 2020 auf den ermäßigten<br />
Satz vonsieben Prozent reduziert. Die<br />
Deutsche Bahn AG hat versprochen,<br />
die Reduzierung eins zu eins weiterzugeben.<br />
Damit wirdBahnfahren um<br />
etwa zehn Prozent günstiger.Beispiel:<br />
Eine Fahrkarte von Berlin nach Köln<br />
kostet in der 2. Klasse derzeit 125<br />
Euro.Künftig sind es 112,39 Euro.Das<br />
ist eine Ersparnis von12,61 Euro.Eine<br />
Fahrt von Hamburg nach München<br />
kostet in der 1. Klasse 211,90 Euro.<br />
Künftig müssen Bahnfahrer dafür<br />
190,53 Euro zahlen. Damit sparen sie<br />
21,37 Euro. (tms., korm. ftw.)<br />
Pendeln<br />
Zum Ausgleich für die höheren<br />
Spritpreise werden Fernpendler<br />
entlastet. Die steuerliche Pendlerpauschale<br />
für Fahrten zwischen<br />
Wohnung und Arbeitsstätte wird<br />
2021 ab dem 21. Kilometer um fünf<br />
auf 35 Cent angehoben. 2024, 2025<br />
und 2026 beträgt die Anhebung<br />
acht Cent auf 38 Cent. Ab 2027 gelten<br />
wieder die heutigen 30 Cent. Beispiel:<br />
Ein Beschäftigter fährt jeden Tag30<br />
Kilometer zur Arbeit. Bei 250 Arbeitstagen<br />
im Jahr erhöht sich die<br />
Pendlerpauschale 2025 dann um 200<br />
Euro. Bei einem Jahreseinkommen<br />
von 40000 Euro sinkt die Steuerlast<br />
somit etwa um 70 Euro im Jahr. Für<br />
Geringverdiener, die keine oder nur<br />
wenig Steuern zahlen, gibt es eine<br />
kompliziert zuberechnende Mobilitätsprämie.<br />
Sie beträgt 14 Prozent<br />
des Anteils der Pendlerpauschale,<br />
die nicht mehr zu einer Senkung der<br />
Steuerlast führt. Beispiel: Ein Beschäftigter<br />
mit einem zu versteuernden<br />
Einkommen von rund 8500<br />
Euro, der 2025 an 150 Tagen 40 Kilometer<br />
zur Arbeit pendelt, bekommt<br />
2025 eine Prämie von rund 146 Euro<br />
ausgezahlt. (tms., korm. ftw.)<br />
für die große Koalition im zurückliegenden<br />
Jahr.<br />
Wöchentliche Protestmärsche einer<br />
aufgebrachten Jugend entlarven<br />
Hoffnungen als Illusion Klimaschutz<br />
sei bloß ein Modethema. DieWahlerfolge<br />
der Grünen lassen jeden in<br />
Union und SPD wissen, dass klimapolitische<br />
Ignoranz das eigene politische<br />
Überleben gefährdet. Also<br />
macht sich die Koalition an die Arbeit.<br />
Erstmals soll der Klimaschutz Aufgabe<br />
aller Ressortchefs sein. Das Ziel<br />
lautet: Bis 2030 muss Deutschland<br />
seinenTreibhausgasausstoß um mindestens<br />
55 Prozent verringern. Kanzlerin<br />
Angela Merkel beruft ein halbes<br />
Dutzend Fachminister in ihr „Klimakabinett“.<br />
Bis zum Spätsommer feilt<br />
die Runde am Klimaschutzgesetz, das<br />
CO 2 -einsparende Maßnahmen für<br />
Die Fahrtmit der Bahn soll im kommenden Jahr günstiger werden.<br />
Heizen &Strom<br />
Das Heizen mit Öl und Gas wird<br />
durch die neue C0 2 -Abgabe teurer.<br />
Pro5Euro/Tonne steigt der Heizölpreis<br />
um 1,6 Cent. Die Kilowattstunde<br />
Erdgas wird jeweils um 0,1<br />
Cent teurer.Beispiele: BeieinemVerbrauch<br />
von 1500 Litern Heizöl pro<br />
Jahr (Durchschnittsverbrauch bei<br />
100 Quadratmetern) muss eine Familie<br />
im Jahre 2025 wegen der CO 2 -<br />
Bepreisung rund 264 Euro mehr zahlen<br />
(1 500 mal 17,6 Cent). Bei einem<br />
Verbrauch von 20000 Kilowattstunden<br />
Gas im Jahr beträgt der Aufschlag<br />
2025 rund 220 Euro.<br />
Hingegen wird der Bezug von<br />
Strom aus erneuerbaren Energien<br />
sämtliche Bereiche enthalten soll:<br />
vonVerkehr über Landwirtschaft und<br />
Gebäudebau bis hin zur Industrie.<br />
Drei Bedingungen muss das Klimapaket<br />
erfüllen: Es muss ökologisch<br />
wirksam, sozial gerecht und verfassungsrechtlich<br />
haltbar sein.<br />
Zunächst scheitert die Bundesregierung<br />
daran. Als die Kanzlerin und<br />
die Parteichefs das Klimapaket Ende<br />
September vorstellen, erweist sich<br />
dies rasch als Päckchen. Sein wichtigster<br />
Bestandteil ist ein Aufpreis auf<br />
den Ausstoß von Kohlendioxid. Die<br />
Koalition taxiert den CO 2 -Einstiegspreis<br />
auf Sprit und Heizstoffe bei<br />
zehn Euro je Tonne. „Wirkungslos“,<br />
schallt es aus der Wissenschaft zurück;<br />
selbst Wirtschaft und Gewerkschafter<br />
zweifeln öffentlich am ökologischen<br />
Nutzen. Schließlich sind<br />
DPA/SWEN PFÖRTNER<br />
für Verbraucher günstiger. Durch<br />
die Einnahmen aus der CO 2 -Abgabe<br />
wird die EEG-Umlage zur Förderung<br />
der erneuerbaren Energien,<br />
die bisher allein vonden Stromkunden<br />
bezahlt wird, abgesenkt. 2021<br />
soll die Umlage (2020 beträgt sie<br />
6,756 Cent) gegenüber der dann geltenden<br />
Höhe brutto um 2,08 Cent je<br />
Kilowattstunde reduziert werden.<br />
2022 sind es 1,73 Cent, im Jahr 2023<br />
1,84 Cent, 2024 2,71 Cent und 2025<br />
dann 3,42 Cent. Beispiel: Eine Familie,<br />
die im Jahr 2025 4000 Kilowattstunden<br />
Strom verbraucht, wird<br />
durch die Senkung um rund<br />
137 Euro entlastet. (tms., korm. ftw.)<br />
es die Grünen, an denen das Klimapäckchen<br />
zunächst scheitert.<br />
Im Bundesrat sind sie ein unumgänglicher<br />
Machtfaktor. Baden-<br />
Württembergs grüner Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann blockiert<br />
das Klimaschutzgesetz im<br />
Bundesrat: Sollen die Grünen der<br />
vonUnion und SPD geforderten Anhebung<br />
der Pendlerpauschale zustimmen,<br />
muss der CO 2 -Preis hoch.<br />
In dieser Woche gelingt eine Einigung<br />
dazu im Vermittlungsausschuss.Der<br />
CO 2 -Einstiegspreis steigt<br />
um erstaunliche 150 Prozent –auf 25<br />
Euro pro Tonne. „Ein mutiger<br />
Schritt“, loben Klimaforscher. Obes<br />
tatsächlich ökologisch wirksam, sozial<br />
gerecht und juristisch haltbar ist,<br />
wirdsich aber erst später zeigen. Ein<br />
Überblick über die Maßnahmen.<br />
E-Auto-Förderung<br />
Die Kaufprämie wirdbis 2025 verlängert.<br />
Bund und Autoindustrie<br />
wollen wie bisher jeweils zur Hälfte<br />
die Kosten übernehmen. Konkret<br />
steigt der Zuschuss bei E-Autos bis zu<br />
einem Nettolistenpreis von 40000<br />
Euro von4000 auf 6000 Euro und bei<br />
Fahrzeugen bis zu einer Grenze von<br />
65 000 Euro auf 5000 Euro. Bei Plugin-Hybriden<br />
steigt der Zuschuss auf<br />
4500 (Neupreis bis 40 000 Euro) beziehungsweise<br />
3750 Euro (Neupreis<br />
über 40 000 bis 65 000 Euro). Zudem<br />
werden E-Autos als Dienstwagen<br />
stärker gefördert: Die Dienstwagensteuer<br />
für Fahrzeuge unter 40 000<br />
Euro wird auf 0,25 Prozent halbiert.<br />
Beispiel: Der Nutzer eines Dienstwagens<br />
mitVerbrennungsmotor imWert<br />
von 50000 Euro würde pro Monat<br />
500 Euro (ein Prozent) zahlen, der eines<br />
Elektrofahrzeugs nur 125 Euro.<br />
(tms., korm. ftw.)<br />
Gebäudesanierung<br />
Die Wärmedämmung von Wänden<br />
und Dächern, der Einbau<br />
neuer Fenster oder die Erneuerung<br />
der Heizungsanlage in selbst genutzten<br />
Eigenheimen oder Eigentumswohnungen<br />
wird ab2020 steuerlich<br />
gefördert. 20 Prozent der Sanierungskosten<br />
können über einen Zeitraum<br />
vondreiJahren (1. und 2. Jahr jeweils<br />
sieben Prozent, 3. Jahr sechs Prozent)<br />
vonder Steuerschuld abgezogen werden.<br />
DerHöchstbetrag, der angesetzt<br />
werden kann, liegt in den drei Jahren<br />
zusammen bei 40 000 Euro. Das bedeutet,<br />
dass Sanierungen im Gesamtwert<br />
vonmaximal 200 000 Euro gefördert<br />
werden. Beispiel: Der Einbau<br />
neuer Fenster kostet 50 000 Euro.<br />
Dann können im ersten und zweiten<br />
Jahr je 3500 Euro und im dritten Jahr<br />
nach Abschluss der Baumaßnahmen<br />
3000 Euro vonder eigentlich zu zahlenden<br />
Steuer abgezogen werden.<br />
(tms., korm. ftw.)<br />
Fliegen<br />
Zur Finanzierung der Mehrwertsteuersenkung<br />
für Bahntickets<br />
wird die Luftverkehrsteuer angehoben.<br />
Flüge im Inland, in EU-Staaten<br />
sowie angrenzende Länder (Türkei,<br />
Russland, Marokko, Tunesien, Algerien)<br />
werden ab April 2020 um<br />
5,53 Euro teurer, konkret steigt die<br />
Steuer proTicket auf 13,03 Euro.Für<br />
die Mittelstrecke bis 6000 Kilometer<br />
werden künftig 33,01 Euro fällig, das<br />
ist ein Plus von 9,58 Euro. Für Flüge<br />
in alle anderen Staaten („Langstrecke“)<br />
beträgt die Steuer künftig 59,43<br />
Euro – eine Anhebung um 17,25<br />
Euro. Die Steuer wird von den Fluggesellschaften<br />
in der Regel auf den<br />
Flugpreis aufgeschlagen. Bei Sonderangeboten<br />
von Billig-Airlines<br />
wird die Abgabe aber oft nicht oder<br />
nicht in voller Höhe weitergegeben.<br />
(tms., korm. ftw.)<br />
Maut-Betreiber<br />
fordern<br />
560 Millionen<br />
Bund soll für entgangenen<br />
Gewinn aufkommen<br />
Nach dem Aus für die Pkw-Maut<br />
forderndie gekündigten Betreiber<br />
560 Millionen Euro vom Bund.<br />
Die Ansprüche seien in dieser Höhe<br />
beziffertworden und sollten in mehreren<br />
Schritten geltend gemacht<br />
werden, teilten die Unternehmen<br />
Kapsch und CTS Eventim am Donnerstag<br />
in einer Pflichtmitteilung für<br />
die Börsen mit.<br />
DieFirmen seien überzeugt, dass<br />
ihre für die Maut gegründete Gemeinschaftsfirma<br />
Autoticket für den<br />
vorliegenden Fall der Vertragsbeendigung<br />
durch den Bund Anspruch<br />
auf den entgangenen Gewinn über<br />
die Vertragslaufzeit von zwölf Jahren<br />
habe. Weiterhin sehe der Betreibervertrag<br />
einen Ausgleich von „Beendigungskosten“<br />
vor, zu denen auch<br />
Schadensersatzansprüche von Unterauftragnehmerngehörten.<br />
Verkehrsminister Andreas<br />
Scheuer (CSU) hat die Forderungen<br />
der gekündigten Pkw-Maut-Betreiber<br />
am Donnerstag auf Twitter zurückgewiesen.<br />
„Die Zahlen sind<br />
falsch und entbehren jeglicher<br />
Grundlage.“ Die Betreiber hätten<br />
keinen Anspruch auf Entschädigung.<br />
Sie hätten ihre vertraglichen<br />
Leistungen nicht erfüllt und „Meilensteine“<br />
gerissen. Sie hätten nach<br />
der Kündigung durch den Bund die<br />
Verträge „vorsätzlich und treuwidrig“<br />
verletzt. DerStreit könnte nun in<br />
einem Schiedsverfahren landen, das<br />
mehrereJahredauernkönnte.<br />
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver<br />
Luksic hat die Forderung der gekündigten<br />
Maut-Betreiber als „K.o.-<br />
Schlag“ für Verkehrsminister Andreas<br />
Scheuer (CSU) bezeichnet. Luksic<br />
sagte am Donnerstag in Berlin<br />
Scheuer müsse sich den Forderungen<br />
jetzt stellen, die Zeit der „Ablenkungsmanöver“<br />
sei vorbei. Grünen-<br />
Fraktionsvize Oliver Krischer fordert<br />
den Rücktritt von Scheuer.„560 Millionen<br />
Euro Schadensersatz, die mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit auch fällig<br />
werden, sind ein guter Grund für den<br />
Verkehrsminister, um endlich zurückzutreten.“<br />
Zu Lasten der Steuerzahler<br />
Der Bund hatte die Verträge zur Erhebung<br />
und Kontrolle der Maut mit<br />
Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen<br />
–bevor endgültige Rechtssicherheit<br />
bestand. Dann aber erklärte<br />
der Europäische Gerichtshof<br />
(EuGH) die Maut Mitte Juni für<br />
rechtswidrig. Scheuers Ministerium<br />
kündigte daraufhin umgehend die<br />
Verträge. Daraus resultieren nun die<br />
Forderungen der Firmen – diese<br />
könnten letztlich zu Lasten der Steuerzahler<br />
gehen.<br />
Scheuer ist wegen des Debakels<br />
bei der Pkw-Maut unter Druck. Die<br />
Opposition wirft ihm vor, die Maut-<br />
Verträge voreilig abgeschlossen,<br />
Haushalts- und Vergaberecht gebrochen<br />
und Regelungen zum Schadenersatz<br />
zu Lasten des Steuerzahlers<br />
vereinbart zu haben. Der Minister<br />
weist die Vorwürfe zurück. Zur Aufklärung<br />
des umstrittenen Vorgehens<br />
von Scheuer und seinem Ministerium<br />
hatte vor einer Woche ein Untersuchungsausschusses<br />
des Bundestags<br />
seine Arbeit aufgenommen.<br />
Der Europäische Gerichtshof erklärte die<br />
Maut Mitte Juni für rechtswidrig. DPA/ZB
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 5<br />
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Politik<br />
Im Großen und Ganzen läuft es<br />
Bei seinerJahrespressekonferenz deutet Wladimir Putin an, nichtwieder als Präsident kandidieren zu wollen. Auf massiveAttacken gegen denWesten verzichteter<br />
VonStefan Scholl, Moskau<br />
Ein wenig schien der Präsident<br />
seine Seele zu öffnen.<br />
Eine Journalistin der<br />
Staatsagentur Interfax<br />
wollte wissen, ob es nicht an der Zeit<br />
sei, die immer selbstherrlicheren Sicherheitsorgane<br />
einmal ordentlich<br />
durchzuschütteln. Wladimir Putin<br />
antwortete mit einem Verweis auf<br />
die Säuberungen der 30er-Jahre in<br />
den Sicherheitsbehörden. „Morgens<br />
kam jemand zur Arbeit, während des<br />
Tages wurde ein Strafverfahren gegen<br />
ihn eröffnet, abends der Körper<br />
des Erschossenen schon seiner Familie<br />
ausgehändigt.“ Er sei ja selbst<br />
Beamter im KGBgewesen. Dorthabe<br />
es einen alten Mann gegeben, den<br />
alle Kollegen ängstlich gemieden<br />
hätten. Weil der Alte in den 30er-Jahren<br />
die Erschießungsurteile vollstreckt<br />
hatte. „Besser, wir veranstalten<br />
keine ‚Säuberungen‘ mehr.“ Die<br />
Abteilungen für eigene Sicherheit in<br />
allen Rechtsschutzorganen arbeiteten<br />
schon so effektiv genug.<br />
Mögliche Verfassungsreform<br />
Am Donnerstag veranstaltete der<br />
russische Staatschef seine 15. Jahrespressekonferenz,<br />
4,19 Stunden, vor<br />
einer neuen Rekordkulisse von1895<br />
akkreditierten russischen und ausländischen<br />
Journalisten. Seine<br />
Hauptbotschaft auch dieses Jahr:Im<br />
Großen und Ganzen läuft alles so,<br />
wie es laufen sollte.<br />
Aber es gab auch Neuigkeiten,<br />
ihre gewichtigste war die mögliche<br />
Bei seiner Jahrespressekonferenz beschwor Wladimir Putin vor Journalisten die Rolle Russlands als globale Führungsmacht.<br />
Verfassungsreform, dieWladimir Putin<br />
andeutete. Nach einer gründlichen<br />
gesellschaftlichen Diskussion<br />
seien mehr Rechte für das Parlament<br />
und Veränderungen bei den Vorrechten<br />
des Präsidenten und der Regierung<br />
möglich. Auch die Formulierung,<br />
ein Präsident dürfe nicht mehr<br />
als zwei Amtszeiten hintereinander<br />
regieren, stellte er infrage: Das Wort<br />
„hintereinander“ hätte man durchaus<br />
streichen können. Wladimir Putin<br />
ist zurzeit in seiner vierten Amtszeit,<br />
mit dem Wegfallen des Wörtchens<br />
„hintereinander“, wäre eine<br />
fünfte nicht mehr verfassungsgerecht.<br />
„Das heißt, Putin wird nicht<br />
mehr für die Präsidentschaft kandidieren“,<br />
sagt der kremlnahe Politologe<br />
Alexei Muchin gegenüber der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. „Es ist gut möglich,<br />
dass er 2024 das Amt des Premierministers<br />
übernimmt.“<br />
Weitere Fragen über eine mögliche<br />
Machtübergabe beantwortete<br />
Putin ausweichend. Ein Journalist<br />
der Komsomolskaja Prawda erkundigte<br />
sich nach einem möglichen<br />
Nachfolger, Putin antwortete mit einem<br />
Scherz: „Sie könnten einer der<br />
Kandidaten sein.“<br />
Der Kremlchef berichtigte sich<br />
während dieser Pressekonferenz<br />
selbst, eine Seltenheit für ihn: Vergangene<br />
Woche hatte er in Paris erklärt,<br />
dass Russland wiederholt von<br />
Deutschland die Auslieferung des<br />
später ermordeten Tschetschenen<br />
verlangt, die deutsche Seite hätte dafür<br />
leider kein Verständnis gezeigt.<br />
Jetzt gab Putin auf eine Frage der<br />
Zeitschrift Spiegel zu, es habe keinen<br />
DDP IMAGES<br />
offiziellen Auslieferungsantrag gegeben,<br />
sondernnurVerhandlungen auf<br />
der Ebene der Geheimdienste. Das<br />
Mordopfer aber sei ein Terrorist gewesen.<br />
„Und solche Banditen gehen<br />
bei Ihnen in Berlin spazieren.“<br />
Die Sanktionen der Welt-Anti-<br />
Doping-Agentur gegen den russischen<br />
Sport verstoßen nach Putins<br />
Ansicht gegen den gesunden Menschenverstand<br />
und das Gesetz, auch<br />
im Ukraine-Konflikt blieb er auf seiner<br />
Linie: „Dortgibt es keine ausländischen<br />
Truppen.“<br />
Aber auf massive Attacken gegen<br />
den Westen verzichtete der Staatschef<br />
diesmal. Dafür beschwor er<br />
Russland als globale Führungsmacht,<br />
ob es um den Export von<br />
Weizen ging, um Vierfachsprünge<br />
russischer Eiskunstläuferinnen oder<br />
um den „Konkurrenzvorteil“ bei der<br />
Entwicklung Künstlicher Intelligenz<br />
aufgrund der überlegenen vaterländischen<br />
Mathematiker.<br />
Die Probleme sind lösbar<br />
Putin nannte auch zahlreiche Probleme<br />
innerhalb Russlands,etwa die<br />
sibirischen Waldbrände dieses Sommers.Aber<br />
sie alle seien lösbar,inSibirien<br />
etwa müsse man den Forstschutz<br />
„vervollkommnen“.<br />
Der Präsident äußerte sich auch<br />
zum Klimawandel. In Russland steige<br />
die Temperatur zweieinhalb mal so<br />
schnell wie anderswo, viele Städte<br />
aber seien auf Permafrostboden gebaut,<br />
sein Auftauen könnte sehr<br />
ernsthafte Folgen haben. Aber niemand<br />
kenne die wirklichen Gründe<br />
der globalen Veränderungen. Eine<br />
kleine Neigung der Erdachse und ihrer<br />
Sonnenumlaufbahn reiche, um<br />
das Klima schon mit kolossalen Folgen<br />
zu verändern. „Darum werden<br />
wir Maßnahmen ergreifen, um die<br />
Folgen zu minimalisieren.“ Nach einer<br />
Klimawende klang das nicht.<br />
Stefan Scholl freut sich<br />
nach seiner zwölften Putin-<br />
PK über eine Neuigkeit.<br />
Prickelnd dazu<br />
genießen!<br />
Liebe<br />
Kundinnen<br />
und Kunden,<br />
wir wünschen Ihnen<br />
ein besinnliches<br />
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20122019
6 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Made in Berlin<br />
BERLINER BEKANNTE<br />
9<br />
53<br />
NEU IN DER STADT<br />
Fortschritt<br />
im<br />
Neonlicht<br />
VonJörg Niendorf<br />
Berlin im Licht“ hieß Ende der<br />
1920er-Jahre eine ganze Werbewoche<br />
für die pulsierende –und im<br />
wahrsten Sinne auch elektrisierte –<br />
Großstadt. Überall leuchteten in diesem<br />
Herbst 1928 die Glühbirnen und<br />
Neonröhren an Gebäuden und Straßen<br />
um die Wette. Noch mehr als<br />
sonst prahlte die Stadt mit jenem Medium,<br />
das sie überhaupt groß gemacht<br />
hatte: der Elektrizität. Ohne<br />
deren Erfindungen, Kraftwerke,ohne<br />
elektrische Züge und das voll beleuchtete<br />
öffentliche Leben wäreBerlin<br />
nie so schnell zur Metropole herangewachsen,<br />
wie dies seit 1880 geschehen<br />
war. Die ganze Stadt stand<br />
also „Unter Strom“: So heißt nun<br />
auch ein neuer Bildband mit Material<br />
aus den Archiven der Stiftung Preußischer<br />
Kulturbesitz. Das Buch ähnelt<br />
einer Stadtrundfahrt durch ein frühmodernes<br />
Berlin, größtenteils bei<br />
Nacht, inszeniert mit Tausenden von<br />
Watt. Eine Lichtspiel-Tour.<br />
Einige Motivesind berühmt, oder<br />
man meint zumindest, diese Artvon<br />
Foto zu kennen: All jene grellen<br />
Varieté-Reklamen, all die Potsdamer-und-Hermann-Platz-<br />
oder U-<br />
Bahn-Neonlichter. Eswaren die Zeiten,<br />
als man die Nacht zum Tage<br />
machte. Andere Motive sind nicht<br />
weniger interessant, weil hintergründiger.<br />
Sie zeigen die Technik.<br />
Etwa die Arbeitsplätze der Theater-<br />
Beleuchter oder die mittlerweile taghell<br />
beleuchteten Festsäle der Stadt.<br />
Genauso gibt es Bilder vom Wirkungsbereich<br />
eines obersten Straßenlaternen-Verantwortlichen<br />
der<br />
Bewag – demjenigen also, der die<br />
Stadt zentral „an-“ oder „ausknipsen“<br />
konnte. Diese weit über hundert<br />
Aufnahmen der bpk-Bildagentur<br />
sind der Schatz des Bands. Man<br />
legt das Buch so schnell nicht aus der<br />
Hand, kann sich fast verlieren in den<br />
Orten. Jeder erkennt hier etwas, was<br />
er noch kennt, findet eingängige<br />
Leuchtschriften, Erhellendes.<br />
Die großen Industrien voneinst<br />
Wasdas Zeitalter der Elektrisierung<br />
ausmachte, beschreibt die Herausgeberin<br />
Dorothee Haffner dazu in<br />
griffigen Begleittexten. Es geht um<br />
die neue Straßenbeleuchtung, um<br />
elektrischenTransport, um die Elektrifizierung<br />
von Museen und Theatern,<br />
und natürlich um die großen<br />
Industrien der „Elektropolis“ von<br />
einst. Dorothee Haffner ist Professorin<br />
ander Hochschule für Technik<br />
und Wirtschaft in Oberschöneweide<br />
und Leiterin vom <strong>Berliner</strong> Zentrum<br />
Industriekultur (bzi). Ihre Begleittexte<br />
geben eine schnelle Orientierung<br />
darüber, was allein die Präsenz<br />
von Siemens und AEG in Berlin bewirkte,<br />
der Big Player ihrer Zeit. Sie<br />
bauten eigene Stadtteile und veränderten<br />
mit ihren Neuerungen das<br />
Leben in der gesamten Stadt. So<br />
wuchs der Anteil der mit Strom versorgten<br />
Privathaushalte bis 1938 auf<br />
92 Prozent, und überall dort zogen<br />
Waschmaschinen, E-Herde und andere<br />
Geräte mit ein. Es entstanden<br />
viele neue Jobs in Telegrafenämtern,<br />
Banken, Elektrofabriken.<br />
Ob es wohl später einmal, in<br />
100 Jahren, ein ähnliches Werk über<br />
unser jetziges Zeitalter geben wird,<br />
das dann zeigt, wie die Digitalisierung<br />
die ganze Stadt und jeden Lebensbereich<br />
der Bewohner radikal<br />
veränderthat?<br />
Unter Strom:Berlin auf dem Wegzur Metropole.<br />
Herausgegeben vonDorothee Haffnerund Christina<br />
Stehr.Edition Braus, 24,95 Euro<br />
George Grosz kaufte hier<br />
Bücher, Erich Kästner<br />
und Bertolt Brecht, aber<br />
auch Aldous Huxley, Lilian<br />
Harvey und Jean Cocteau kamen<br />
in die Buchhandlung am Kurfürstendamm<br />
30, unweit der Uhlandstraße.<br />
Sie wurde seit ihrer Eröffnung 1929<br />
von der jungen Marga Schoeller geleitet,<br />
die das Geschäft 1933 übernahm.<br />
Der Laden in einer ehemaligen<br />
Portiersloge war über Jahrzehnte<br />
ein Treffpunkt von Schriftstellern,<br />
Schauspielern, Malern, Musikern<br />
und Intellektuellen. 1974 zog„Marga<br />
Schoellers Bücherstube“ wegen einer<br />
Eigenbedarfskündigung in die<br />
Knesebeckstraße 33, wo sie noch<br />
heute existiert.<br />
Seit 47 Jahren verkauft Ruth Klinkenbergindem<br />
Geschäft Bücher.Sie<br />
war Mitarbeiterin und Mitinhaberin,<br />
inzwischen ist die 72-Jährige alleinige<br />
Geschäftsführerin. In dem gemütlichen<br />
Laden mit raumhohen,<br />
grünen Regalen sind die Jahre spürbar.<br />
Die Regale haben Abnutzungsspuren,<br />
die Markierungen an den<br />
Bretternbestehen aus Zetteln in Metallschienen,<br />
wie es vor langer Zeit<br />
üblich war. „In diesem Jahr haben<br />
wir 90-Jähriges gefeiert“, sagt Klinkenberg<br />
stolz. Kulturstaatsministerin<br />
Monika Grütters verlieh der<br />
Buchhandlung vor Kurzem einen<br />
Preis in der Kategorie „Hervorragende<br />
Buchhandlung“.<br />
Klinkenberg stützt sich vor allem<br />
auf Stammkunden, die oft schon die<br />
Kinder oder Enkel der ersten<br />
Stammkunden sind. „Wir müssen<br />
die Nähe zu den Kunden pflegen,<br />
denn das können Onlineshops nicht<br />
leisten“, sagt sie. Seit immer mehr<br />
Bücher im Internet verkauft werden,<br />
steht ihr Geschäft –wie jede Buchhandlung<br />
–unter Druck. Jedes fünfte<br />
Buch wird mittlerweile im Internet<br />
bestellt.<br />
„Ein Buch ist ein Luxusgut und<br />
kein Brot, das man jeden Tag<br />
braucht“, sagt auch Anna Morlinghaus,<br />
Inhaberin des Kinderbuchladens<br />
Krumulus am Südstern. Sie<br />
QUELLE: BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS,<br />
LANDESVERBAND BERLIN-BRANDENBURG;<br />
BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS<br />
6<br />
Spandau<br />
Buchhandlungen<br />
in Berlin<br />
Anzahl nach Bezirken,<br />
2018<br />
Reinickendorf<br />
64<br />
56 46<br />
Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf<br />
31<br />
Steglitz-Zehlendorf<br />
Mitte<br />
Da ist<br />
der Wurm drin<br />
Die Vielfalt der Buchhandlungen in Berlin ist<br />
einzigartig. Besonders inhabergeführte Läden<br />
geraten aber immer stärker unter Druck<br />
VonMechthild Henneke(Text) und Sabine Hecher (Infografik)<br />
Buchhandlungen in Berlin<br />
Einzelunternehmen Buchhandelsketten*<br />
290<br />
2009<br />
299<br />
2011<br />
369<br />
2013<br />
364<br />
2015<br />
351<br />
2017<br />
348<br />
24<br />
324<br />
2019<br />
*z.B. Thalia und Hugendubel mit mehreren Geschäften<br />
30<br />
Tempelhof-<br />
Schöneberg<br />
Pankow<br />
Friedrichshain-<br />
Kreuzberg<br />
18<br />
Neukölln<br />
17<br />
Lichtenberg<br />
müsse sich mit ihren drei Kollegen<br />
ins Zeug legen und kämpfen. Siebietet<br />
deshalb auch viel an: Kinder können<br />
im Krumulus nicht nur Bücher<br />
kaufen, sondern auch lesen, Kunst<br />
kennenlernen und kreative Kurse<br />
belegen – vom Basteln bis zum<br />
Buchbinden. DerLaden ist 2018 von<br />
Grütters zu einer der drei besten<br />
Buchhandlungen Deutschlands gekürtworden.<br />
Dennoch sei es hartim<br />
täglichen Geschäft zu bestehen, sagt<br />
Morlinghaus.<br />
Der Börsenverein des Deutschen<br />
Buchhandels kennt die Probleme der<br />
Buchhändler. Insgesamt bewertet er<br />
die Situation in Berlin aber positiv.<br />
„Die Anzahl der Buchhandlungen in<br />
Berlin ist imVergleich zu den anderen<br />
Bundesländern kaum rückläufig“,<br />
sagt Detlef Bluhm, Geschäftsführer<br />
des Landesverbands Berlin-Brandenburg.<br />
Das Besondere am <strong>Berliner</strong><br />
Buchhandel sei, wie ausdifferenziert<br />
er ist. Jeder könne hier eine Buchhandlung<br />
für seine speziellen Interessen<br />
finden. Neben den klassischen<br />
Buchhandlungen gibt es zum Beispiel<br />
Krimibuchhandlungen, Buchhandlungen<br />
für polnische, portugiesische<br />
oder afrikanische Literatur,<br />
für Literatur zu Homosexualität<br />
oder Buchhandlungen für Landkarten.<br />
Ob eine neue Buchhandlung erfolgreich<br />
sei, hänge wesentlich vom<br />
Standortund vonder Professionalität<br />
der Gründer ab. Jeden Monat kämen<br />
Interessenten zu Bluhm, um über<br />
ihre Buchladenidee zu sprechen.<br />
Manchmal rät Bluhm ab, wenn die<br />
Idee nicht ausgereift ist oder die<br />
Gründer in spe zu unerfahren sind.<br />
Neben dem Online-Handel machen<br />
auch die großen Ketten wieThalia<br />
und Hugendubel den kleinen Läden<br />
zu schaffen. Sie können es sich<br />
erlauben, in Einkaufscentern große<br />
Flächen zu mieten und längere Öffnungszeiten<br />
anzubieten. Dank großer<br />
Bestellmengen erhalten sie größereRabatte<br />
als die Einzelbuchhandlungen.<br />
Stapel von Bestsellern liegen<br />
dortimEingangsbereich und verkaufen<br />
sich quasi vonallein.<br />
In JörgBraunsdorfs „Tucholsky-<br />
Buchhandlung“ in der gleichnamigen<br />
Straße in Mitte sind nur wenige<br />
Bestseller zu finden. Der<br />
60-Jährige bietet lieber<br />
15<br />
Treptow-<br />
Köpenick<br />
7<br />
Marzahn-<br />
Hellersdorf<br />
Bücher aus kleinen, häufig aus <strong>Berliner</strong><br />
Verlagen, an. „Ich produziere<br />
meine eigenen Bestseller“, sagt er.<br />
Einer ist das Essay „Langsamer!“ der<br />
Schweizer Schriftstellerin Ilma Rakusa,<br />
das schon 2006 erschien, seitdem<br />
in Kassennähe liegt und regelmäßig<br />
verkauft wird.<br />
Ob Braunsdorfseine Strategie beibehalten<br />
kann, ist nicht sicher. Einer<br />
der drei Grossisten, die Buchhandlungen<br />
in Deutschland beliefern, hat<br />
zuletzt Kleinverlage aussortiert, weil<br />
sie zu wenig Absatz machen. Buchhandlungen<br />
müssten dann direkt bei<br />
Verlagen bestellen, was die Gewinnspanne<br />
drückt. Fällt diese unter<br />
30 Prozent, ist ein Buchverkauf nicht<br />
mehr rentabel, sagt Braunsdorf.<br />
Er organisiert in seiner Buchhandlung<br />
Lesungen, aber auch politische<br />
Veranstaltungen und Nachbarschaftstreffen.<br />
DieKiez-Gruppen<br />
„Zivilcourage gegen Rechts“ und<br />
„Urban Gardening“ nahmen auf<br />
diese Weise ihren Anfang. Seine<br />
Buchhandlung ist in der Gegend verankert,<br />
doch auch er muss sich ständig<br />
um die Kundschaft bemühen.<br />
„Kleine Buchhandlungen erfreuen<br />
den Kunden“, sagt er. Doch wer hier<br />
arbeitet, könne das nur mit Idealismus<br />
tun. Das reguläre Nettogehalt<br />
eines Mitarbeiters liege knapp unter<br />
1400 Euro.<br />
Wie die Buchhandlungen sich<br />
entwickeln werden, ist schwer zu<br />
prognostizieren, sagt Detlef Bluhm.<br />
„Das hängt vor allem vom Online-<br />
Handel ab.“<br />
Umsatz mit Büchern in Deutschland<br />
nach Vertriebsweg in Millionen Euro, 2018;<br />
in Klammern: Anteil am Gesamtumsatz in Prozent;<br />
Gesamtumsatz 2018: 9134 Millionen Euro<br />
Sortimentsbuchhandel<br />
(ohne<br />
E-Commerce)<br />
4274 (46,8)<br />
Warenhäuser<br />
120 (1,3)<br />
Versandbuchhandel<br />
114 (1,2)<br />
Buchgemeinschaften<br />
36 (0,4)<br />
Verlage direkt<br />
1919 (21,0)<br />
Internetbuchhandel<br />
1780 (19,5)<br />
Sonstige<br />
Verkaufsstellen<br />
892 (9,8)<br />
Der fahrerlose<br />
Blitz aus<br />
Tempelhof<br />
VonJochen Knoblach<br />
InSachen autonomes Fahren kamen<br />
die jüngsten Neuigkeiten unter<br />
anderem aus dem kalifornischen<br />
San José. Dort lassen Bosch und<br />
Daimler seit der vorigen Woche Passagiere<br />
auf vorgegebenen Strecken<br />
in fahrerlosen S-Klassen chauffieren.<br />
Ziel des Roboter-Taxi-Tests sei ein<br />
serientaugliches System, das in verschiedenen<br />
Fahrzeugen eingesetzt<br />
werden kann, heißt es in Stuttgart.<br />
Im Ullsteinhaus am Mariendorfer<br />
Damm in Tempelhof wird das gleiche<br />
Ziel verfolgt. Dorthandelt es sich<br />
jedoch nicht um Milliarden-Konzerne,<br />
sondern das 25-köpfige Startup<br />
Enway, das für sich beansprucht,<br />
als erstes europäisches Unternehmen<br />
ein autonomes Fahrzeug auf<br />
den Markt gebracht zu haben –den<br />
Blitz One.<br />
Das Gefährt ist allerdings nicht<br />
für den Personentransport gedacht<br />
und auch nicht so schnell, wie sein<br />
Name vermuten lässt. Gerade mal<br />
drei Kilometer schafft der Blitz in einer<br />
Stunde.Maximal. DasRobo-Mobil<br />
ist eine Kehrmaschine,die fahrerlos<br />
Lager- und Produktionshallen<br />
sauber halten kann.<br />
MitStarthilfe vonder BSR<br />
An der Entwicklung des Fahrzeugs<br />
arbeitet das Unternehmen Enway<br />
seit 2017. Seinerzeit wurde es vonJulian<br />
Nordt, Bo Chen und Thanuja<br />
Ambegoda gegründet. Alle drei kennen<br />
sich vom Studium in Zürich.<br />
Dorthatten sie auch die Idee für das<br />
autonome Arbeitsfahrzeug, entschieden<br />
sich dann aber schnell für<br />
eine Gründung in Berlin. „Die Stadt<br />
ist günstiger als Zürich und vorallem<br />
der beste Ort, etwas Neues auszuprobieren“,<br />
sagt Enway-Chef Julian<br />
Nordt.<br />
Angefangen haben sie mit Unterstützung<br />
der BSR in einem Container<br />
auf dem Euref-Campus in Schöneberg.<br />
Danach arbeiteten die Gründer<br />
auch mit dem <strong>Berliner</strong> Bluehouse<br />
Lab zusammen, dem<br />
Digitallabor des Recyclingunternehmens<br />
Alba. Im vergangenen Jahr zogen<br />
sie dann in die Drivery imUllsteinhaus,<br />
wosich mittlerweile etwa<br />
60 Jungunternehmen mit neuen<br />
Möglichkeiten der Mobilität beschäftigen.<br />
Inzwischen ist Blitz One tatsächlich<br />
serienreif. Im September startete<br />
die Produktion. Partner dafür ist<br />
das mittelständische Unternehmen<br />
Stolzenberg aus Osnabrück. Von<br />
dort kommt das Fahrzeug, das von<br />
Enway mit Kameras, Sensoren und<br />
der nötigen Software soaufgerüstet<br />
wird, dass es auch ohne Fahrer unfallfrei<br />
kehren kann. Ausgeliefert<br />
werden die Fahrzeuge dennoch mit<br />
Fahrersitz und Lenkrad, sodass sie<br />
bei Bedarf auch von einem Fahrer<br />
bedient werden können.<br />
Fünf Fahrzeuge sind bereits an<br />
Unternehmen verkauft und ausgeliefert.<br />
Im kommenden Jahr soll die<br />
Produktion hochgefahren werden,<br />
wofür Enway vor wenigen Wochen<br />
bei Investoren sechs Millionen Euro<br />
eingesammelt hat. „50 Fahrzeuge<br />
sollen es 2020 mindestens werden“,<br />
sagt der 34-jährige Nordt.<br />
Parallel wird bereits an einem<br />
nächsten Fahrzeug gearbeitet. Es ist<br />
eine große Straßenkehrmaschine,<br />
mit der sich Enway dann auch in den<br />
öffentlichen Raum wagen will. Anfang<br />
nächsten Jahres soll in Singapur<br />
ein Test beginnen. Das Fahrzeug ist<br />
bereits dorthin verschifft.<br />
ENWAY
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 7<br />
·························································································································································································································································································<br />
Wirtschaft<br />
DAX-30 in Punkten<br />
20.9.19<br />
20.9.19<br />
MÄRKTE<br />
▼ 13182,80 (–0,30 %)<br />
Rohöl je Barrel Brent in US-Dollar<br />
Euro in US-Dollar<br />
20.9.19<br />
Stand der Daten: 19.12.2019 (16:45 Uhr)<br />
Alle Angaben ohne Gewähr<br />
Gewinner<br />
19.12.19<br />
▲ 66,49 (+0,51 %)<br />
19.12.19<br />
▲ 1,1117 (+0,02 %)<br />
Quelle<br />
19.12.19<br />
aus DAX und MDAX vom 19.12. zum Vortag<br />
Siltronic NA 92,82 +4,32 WWWWWWWWWWW<br />
CompuGroup Med. 63,15<br />
+2,68 WWWWWWW<br />
Cancom 52,10 +2,06 WWWWWW<br />
RWESt. 26,66 +1,87 WWWWW<br />
Knorr-Bremse 90,61 +1,69 WWWWW<br />
Evotec 22,75 +1,61 WWWWW<br />
Verlierer<br />
ausDAX und MDAXvom 19.12. zumVortag<br />
Software 31,13 WWWWWWW –2,72<br />
Wirecard 104,05 WWWWWW –2,07<br />
HeidelbergCement 65,56 WWWWWW –2,06<br />
Fraport 74,68 WWWWW –1,89<br />
Lanxess 59,68 WWWWW –1,84<br />
BMWSt 73,80 WWWWW –1,81<br />
Leitbörsen im Überblick<br />
52-Wochen Hoch/Tief 19.12. ±% z. 18.12.<br />
Euro Stoxx 50(EU) –0,20<br />
3778/2909 3731,48<br />
CAC 40 (FR) – 0,05<br />
6003/4556 5956,64<br />
S&P UK (UK) + 0,26<br />
1562/1323 1525,27<br />
RTS (RU) – 0,32<br />
1526/1033 1517,64<br />
IBEX (ES) –0,24<br />
9692/8286 9598,80<br />
Dow Jones (US) +0,33<br />
28337/21713 28333,32<br />
Bovespa (BR) +0,67<br />
114323/83892113804,80<br />
Nikkei (JP) – 0,29<br />
24091/18949 23864,85<br />
Hang Seng (HK) –0,22<br />
30280/24897 27782,80<br />
Stx Singap. 20 (SG) –0,19<br />
1657/1395 1614,60<br />
Edel- und NE-Metalle<br />
Barren &Münzen in € Ankauf Verkauf<br />
(Endkundenpreise) 19.12. 19.12.<br />
Gold (10 g) 422,0 452,0<br />
Gold (1 oz) 1320,0 1379,7<br />
Gold (100 g) 4231,0 4409,5<br />
Gold (250 g) 10578,0 10992,0<br />
Silber (1 kg) 480,5 641,1<br />
Platin (100 g) 2625,0 3403,4<br />
Austr.Nugget (1 oz) 1318,2 1391,0<br />
Britannia (1 oz) 1318,0 1395,0<br />
Krügerrand (1/4 oz) 329,5 373,2<br />
Krügerrand (1/2 oz) 659,0 722,7<br />
Krügerrand (1 oz) 1318,5 1408,0<br />
Maple Leaf (1/4 oz) 329,5 370,1<br />
Maple Leaf (1/2 oz) 659,0 724,4<br />
Maple Leaf (1 oz) 1318,0 1397,0<br />
Philharmoniker (1 oz) 1318,0 1400,0<br />
Quelle Edelmetalle: Degussa Goldhandel GmbH.<br />
Die An- und Verkaufspreise gelten für sehr gut erhaltene Stücke.<br />
NE-Metalle in €/100 kg 19.12. 18.12.<br />
Blei in Kabeln 198,83 196,54<br />
Kupfer (DEL-Notiz) 562,88 559,47<br />
Messing MS 63/37 548,00 545,00<br />
ERLÄUTERUNGEN Wechselnde Darstellung: Tagesgeld (Dienstag), Ratenkredit<br />
(Mittwoch), Sparbriefe (Donnerstag), Edel- &NE-Metalle (Freitag),<br />
Baudarlehen (Samstag).<br />
Quelle: FMH-Finanzberatung<br />
Flugscham erreicht Deutschland<br />
Von Frank-Thomas Wenzel<br />
Rechnung mit<br />
zu viel<br />
Unbekanntem<br />
Warum die Kassenbeiträge<br />
doch nicht sinken<br />
Von Tim Szent-Ivanyi<br />
Jens Spahn hat sich die Sache<br />
eigentlich so vorgestellt: Auf breiter<br />
Front kündigen die gesetzlichen<br />
Krankenkassen kurz vor Weihnachtenan,dasssiezum1.Januardie<br />
Beitragssätze senken. Doch der Gesundheitsminister<br />
muss nun erleben,dassnichtsdergleichenpassiert.<br />
Obwohl der CDU-Politiker die<br />
Kassen per Gesetzesänderung zum<br />
Abbau vonRücklagen zwingt und die<br />
Konjunktur passabel läuft, verharren<br />
die Beitragssätze auch im kommenden<br />
Jahr auf dem aktuellen Stand. Einige<br />
Kassen müssen sogar die Beiträge<br />
erhöhen. Seit vier Jahren warnen<br />
die Kassen davor,dass die guten Zeiten<br />
bald vorbei sein werden. DieVorhersagen<br />
traten bisher allerdings<br />
nicht ein. Ende 2018 erreichten die<br />
Reservender Krankenkassenund des<br />
Gesundheitsfonds einen Rekordwert<br />
von 30Milliarden Euro. Indiesem<br />
Herbst zeigte sich aber, dass die<br />
Trendwende eingetreten ist: DieAusgaben<br />
sind höher als die Einnahmen.<br />
Der Grund sind diverse kostenträchtige<br />
Reformen aus dieser und<br />
der vorangegangenen Wahlperiode,<br />
die vor allem den Ärzten und Kliniken<br />
mehr Geld bringen. Beiden Einnahmen<br />
sind die Zeiten des starken<br />
Zuwachses hingegen vorbei, auch<br />
weil die Konjunktur abflaut.<br />
Jetzt kommen allerdings noch die<br />
hohen Rücklagen ins Spiel. Spahn<br />
hatte 2018 ein Gesetz durchgesetzt,<br />
das die Kassen zum Abbau der hohen<br />
Finanzpolster zwingt. Dass jedoch<br />
gleichzeitig die Ausgaben so starkdavonlaufen,<br />
war damals nicht eingeplant.<br />
Die Kassen bauen nun zwar<br />
wie gesetzlich vorgeschrieben Rücklagen<br />
ab,aber das Geld reicht in vielen<br />
Fällen oftmals nur dafür aus, die<br />
Beiträge stabil zu halten. Von den<br />
knapp über 100 Krankenkassen haben<br />
rund 60 angekündigt, den Satz<br />
unverändertzulassen. 16 wollen den<br />
Beitrag anheben.<br />
VonMonat zu Monat sinkt die Zahl der Passagiere auf nationalen Strecken<br />
Wasist derGrund? Im November wollten13ProzentPassagiere weniger fliegenals<br />
voreinem Jahr.<br />
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA<br />
Ist das die Trendwende? „Der innerdeutsche<br />
Verkehr bricht an<br />
allen Standorten ein“, berichtet<br />
der Flughafenverband ADV in<br />
seinem aktuellen Bericht für den Monat<br />
November. Das Minus bei den<br />
Passagieren beträgt fast 13 Prozent<br />
im Vergleich zum Vorjahr. Esist der<br />
vierte Monat in Folge mit Minuszahlen.<br />
Vieles spricht dafür, dass sich<br />
Flugscham breit macht – zumindest<br />
auf kürzeren Strecken, auf denen es<br />
Alternativen gibt.<br />
Die Luftfahrtbranche bestreitet<br />
steif und fest einen Greta-Effekt. Als<br />
Hauptgrund für das Minus nennt der<br />
ADV „Angebotsausdünnungen“ –<br />
insbesonderebei Eurowings.ImNovember<br />
2018 bediente die Lufthansa-<br />
Tochter noch drei Strecken mehr.<br />
Verstärkt werde der Negativtrend<br />
durch die Folgen eines Streiks bei der<br />
Lufthansa, sagt der ADV.<br />
Doch auch mit den Flügen in benachbarte<br />
europäische Länder geht<br />
es abwärts. Die Zahl der Passagiere<br />
sank im November um knapp 2Prozent;<br />
die Starts und Landungen gingen<br />
sogar um 7,7 Prozent zurück –<br />
„ein neuer Tiefstwert seit über fünf<br />
Jahren“, teilte die Flughafenlobby<br />
mit. Auch dort seien die Spuren von<br />
Angebotsanpassungen zu bemerken.<br />
Ryanair, Marktführer im Europa-Verkehr,hat<br />
seine Präsenz an verschiedenen<br />
Airports zurückgefahren.<br />
So gehörtder Hunsrück-Flughafen<br />
Hahn zu den hiesigen Standorten<br />
mit den stärksten Einbußen. Auch<br />
der britische Rivale Easyjet baut ab.<br />
Aus Sicht der Flughafenbetreiber<br />
verstärken sich mittlerweile „negative<br />
Einflussfaktoren“. Dazu zählten<br />
steigende Spritpreise, fehlendes<br />
Fluggerät, weil die 737 Maxvon BoeingamBodenbleibenmuss,undeine<br />
schwächelnde Konjunktur. Die innerdeutsche<br />
Fliegerei ist ohnehin ein<br />
wenig lukratives Geschäft für die<br />
Fluggesellschaften, weil es schwer<br />
ist, hohe Auslastungen zu erreichen.<br />
Auch der schwedische Luftfahrtexperte<br />
Stefan Goessling räumt ein,<br />
dass all diese Faktoren zum Tragen<br />
kamen. Aber die Rückgänge ließen<br />
sich allein damit nicht erklären, sagte<br />
er dem Finanznachrichtendienst<br />
Bloomberg. Aus seiner Sicht ist es<br />
eindeutig, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit<br />
beim Thema Klimawandel<br />
sich nun im Konsumentenverhalten<br />
niederschlägt –das ist die<br />
sogenannte Flugscham.<br />
SoistauchderHinweisaufdielahme<br />
Konjunktur insofern nicht ganz<br />
stichhaltig, als dass bei den Verbrauchern<br />
gerade in diesem Herbst das<br />
Geld so locker wie schon lange nicht<br />
mehr sitzt – der Handelsverband<br />
HDE rechnet mit neuen Rekorden im<br />
Weihnachtsgeschäft 2019.<br />
Und dass die Fluggesellschaften<br />
ihreKapazitäten für das Winterhalbjahr<br />
auf der Kurz-und der Mittelstrecke<br />
systematisch ausgedünnt haben,<br />
ist eine Reaktion auf die maue Nachfrage,<br />
die schon im Frühjahr zu erkennen<br />
war. Das könnten schon die<br />
ersten Boten eines Greta-Effekts gewesen<br />
sein. Seinerzeit tauchte der<br />
Begriff Flugscham gehäuft in der Diskussion<br />
über den Klimawandel auf.<br />
Nebst der Beschreibung der Effekte<br />
des Luftverkehrs: So rechnen Non-<br />
Profit-Organisationen wie Atmosfair<br />
vor, dass ein Flug vonHamburgnach<br />
München unter günstigsten Bedingungen<br />
–modernes, voll besetztes<br />
Flugzeug –pro Passagier einen CO 2 -<br />
Ausstoß vongut 120 Kilogramm verursacht.<br />
Nuretwa ein Sechstel davon<br />
fällt bei einer Fahrt ineinem durchschnittlich<br />
besetzten ICE bei der gleichen<br />
Verbindung an.<br />
Viele Unternehmen achten inzwischen<br />
darauf, dass auf innerdeutschen<br />
Dienstreisen die Eisenbahn<br />
bevorzugt wird. Hinzu kommt, dass<br />
mit der neuen Schienenrennstrecke<br />
Berlin–München eine zügige Alternativefür<br />
die Fliegerei geboten wird.<br />
Die Deutsche Bahn erwartet –trotz<br />
Verspätungen, Zugausfällen und<br />
mangelndem Service –spürbar steigende<br />
Fahrgastzahlen. Das könnte<br />
sich verstärken, wenn die niedrigere<br />
Mehrwertsteuer für Tickets auf Fernstrecken<br />
im neuen Jahr greift.<br />
Uber verliert<br />
vor Gericht<br />
Du entscheidest,<br />
wasman dir anbietet.<br />
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NACHRICHTEN<br />
SchlappefürUber:DasLandgericht<br />
FrankfurthatdemApp-Dienstuntersagt,<br />
inDeutschlandBeförderungsaufträgean<br />
MietwagenunternehmernachdembisherigenVerfahrenzuvermitteln.DasGerichtgabdamitderUnterlassungsklage<br />
vonTaxiDeutschland,einemZusammenschlussverschiedenerTaxizentralen,statt.EineUmstellungsfristseinicht<br />
vorgesehen,erklärteeineJustizsprecherin.UberhabewegeneinervorangegangenenAbmahnungundanderergerichtlicherVerfahrenmiteinerUntersagungrechnenmüssen.DasUS-UnternehmenkannbeimOberlandesgericht<br />
FrankfurtinBerufunggehen.(dpa)<br />
Airbnb benötigt keine<br />
Maklerlizenz<br />
DieFirma Airbnbals Betreibereiner<br />
Plattform zur Vermittlungvon Unterkünften<br />
braucht laut einem Urteil des<br />
Europäischen Gerichtshofs keine Maklerlizenz.<br />
Airbnb sei als Dienst der Informationsgesellschaft<br />
einzustufen<br />
und falle damit unter die Richtlinie<br />
über den elektronischen Geschäftsverkehr.<br />
VonAirbnb war in Frankreich verlangtworden,<br />
eine Immobilienmaklerlizenzzuerwerben.<br />
DieRichter betonten,Airbnbsei<br />
im Wesentlichenein<br />
Instrument fürdie Präsentation von<br />
Unterkünften. DerServicekönnedaher<br />
nichtals diebloße Ergänzung einer Gesamtdienstleistungder<br />
Beherbergung<br />
angesehen werden. (dpa)
8 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Meinung<br />
Naturschutz<br />
ZITAT<br />
Die Koalition<br />
und der böse Wolf<br />
Daniela Vates<br />
findet es richtig,dass dieAbschussregelungen<br />
gelockertwerden.<br />
Exakt 105 Wolfsrudel, 25 Wolfspaare<br />
und 13 sogenannte sesshafte Einzelwölfe<br />
zählt das Bundesamt für Naturschutz<br />
in Deutschland. 1300 Tiereschätzt<br />
der Jagdverband. Es ist eine streng geschützte<br />
Tierart, die es in Deutschland<br />
lange nicht mehr zu geben schien.<br />
Nunsind sie wieder da, und mit ihnen<br />
ist etwas anderes gekommen: die Angst.<br />
Die hat ihre Ursache auch im Fantastischen.<br />
In Märchen wie in der Bibel ist der<br />
Wolf regelmäßig der Böse, der Aggressive,<br />
der Feind des Menschen. Er symbolisiert<br />
Hinterhalt und Gefahr, auch sprichwörtlich.<br />
Da ist es schwer,sich einen guten Ruf<br />
zu erarbeiten. Aber es gibt eben auch<br />
handfeste Probleme. Für Schäfer kann es<br />
existenziell werden, wennWölfe ihreTiere<br />
anfallen. Dass sie keine Lust darauf haben,<br />
den Übeltäter weiter in der Nähe zu<br />
wissen, ist verständlich. Es ist wie so oft:<br />
Wenn Natur und Mensch aufeinandertreffen,<br />
ist es nicht immer zum beiderseitigen<br />
Wohl.<br />
Durch die Kombination aus Symbolik,<br />
toten Schafen und wirtschaftlichen Interessen<br />
hat der Wolf die Politik erreicht –mit<br />
großer Wucht. Umwelt- und Agrarpolitiker<br />
der Koalition haben sich so zerstritten,<br />
dass das Kanzleramt vermitteln musste.<br />
Nunist nach vielen Monaten ein Kompromiss<br />
erreicht. DieAbschussregelungen für<br />
Wölfe werden gelockert. Wenn Schafe gerissen<br />
werden, muss der verdächtige Wolf<br />
nicht mehr identifiziert werden –esgilt<br />
eine Art Sippenhaft. Die Schadengrenze,<br />
ab der ein Jäger einschreiten darf, wirdherabgesetzt.<br />
Allerdings muss auch jeder einzelne<br />
Abschuss genehmigt werden. Es ist<br />
ein sinnvoller Kompromiss, sofern die<br />
Genehmigung nicht zum Automatismus<br />
wird. Panik und Angst sind schlechte Ratgeber<br />
–auch im Umgang mit Wölfen.<br />
Impeachment<br />
Trump –Opfer und<br />
Anführer zugleich<br />
Tobias Miller<br />
erwartet den schmutzigsten<br />
US-Wahlkampf aller Zeiten.<br />
Die Welt wird sich darauf einrichten<br />
müssen, weitere Jahre mit Donald<br />
Trump als Präsident der USA auskommen<br />
zu müssen. Er hat gute Chancen, die Wahl<br />
im Herbst zu gewinnen –auch wegen des<br />
Impeachment-Verfahrens.<br />
Die Demokraten haben zwar mit ihrer<br />
Mehrheit das Verfahren eröffnet, aber alle<br />
damit verbundenen Hoffnungen, Trump<br />
so zu schaden, haben sich nicht erfüllt.<br />
Die Republikaner stehen fester an der<br />
Seite ihres Präsidenten als je zuvor, und<br />
der erhoffte Stimmungsumschwung in<br />
der Bevölkerung hat sich auch nicht eingestellt.<br />
Umfragen zufolge ist jeder Zweite<br />
gegen das Impeachment-Verfahren.<br />
Mehr noch, der Versuch der Amtsenthebung<br />
und das sich abzeichnende<br />
Scheitern imSenat liefern Trump allerfeinste<br />
Wahlkampfmunition. Dass er sie<br />
rücksichtlos nutzen wird, zeigte sich eben<br />
auch in der vorvergangenen Nacht mit<br />
dem jüngsten Tweet vonTrump.Inder bekannten<br />
Uncle-Sam-Geste zeigt Trump<br />
auf einem Foto mit dem Finger auf den<br />
Betrachter des Bildes, darüber die Botschaft:<br />
Sie sind nicht hinter mir her, sondern<br />
hinter euch. Die Reihen schließen.<br />
Wirgegen sie.Wir müssen uns wehren. Er<br />
gibt sich als Opfer und Anführer zugleich.<br />
Daswirddie Strategie sein.<br />
Trump ging es nie darum, Präsident aller<br />
Amerikaner zu sein. Das wird nun<br />
überdeutlich. Ihm reichen die 63 Millionen<br />
Wähler, die ihn vor drei Jahren ins<br />
Amt gebracht haben. Die gilt es zu halten<br />
und zu mobilisieren –und das um jeden<br />
Preis.Wenn es sein muss,auch auf Kosten<br />
des inneren Friedens. Die USA stehen<br />
wohl vor dem schmutzigsten Wahlkampf<br />
aller Zeiten. An dessen Ende wirdeseinen<br />
Sieger geben und viele Verletzte.<br />
Festlyrik, adaptiert<br />
Christine Lambrecht gab sich eher<br />
defensiv. Eswerde nur eine ganz<br />
geringe Zahl von Fällen geben, in<br />
denen das neue Gesetz tatsächlich<br />
Anwendung finde,sagte die Bundesjustizministerin<br />
im Deutschlandfunk. „Imnormalen<br />
Leben wirdesnicht dazu kommen.“<br />
DieSozialdemokratin sprach vonder Novelle<br />
des Telemediengesetzes,deren Entwurf<br />
einen Satz enthält, der Telekommunikationsunternehmen<br />
zur Herausgabe von Passwörtern<br />
zwingen würde. Doch Experten<br />
zweifeln daran, dass es tatsächlich so wenige<br />
Fälle wären. Im Übrigen könnte man fragen,<br />
wozu man ein Gesetz, das gar keine Anwendung<br />
findet, überhaupt braucht. Der Plan<br />
der Ministerin jedenfalls wirft eine Menge<br />
Fragen auf.<br />
Das gilt zunächst für das Verfahren.<br />
Lambrecht hatte am Freitag voriger Woche<br />
zu einem Pressegespräch geladen. Darin informierte<br />
sie über die Absicht ihres Hauses<br />
wie der gesamten Bundesregierung, im Rahmen<br />
einer Korrektur des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes<br />
verstärkt gegen Hasskriminalität<br />
vorzugehen. Digitale Netzwerke sollen<br />
Bedrohungen oder Volksverhetzung demnach<br />
nicht mehr allein löschen, sondern an<br />
das Bundeskriminalamt melden müssen –<br />
samt IP-Adressen. Das BKA wiederum soll<br />
gemeinsam mit spezialisierten Staatsanwaltschaften<br />
ermitteln, sodass Gerichte am<br />
Ende Urteile fällen können. Auf die Androhung<br />
vonStraftaten bei Facebook oder Twitter<br />
könnten dann Haftstrafen vonbis zu drei<br />
Jahren folgen. Hasskriminalität soll nicht<br />
mehr als Bagatelle gelten.<br />
All das ist gut und richtig so.Ja, es ist überfällig.<br />
Denn das Netz quillt vorHass geradezu<br />
über. Und alle wissen oder sollten wissen:<br />
Nicht selten folgt der verbalen die physische<br />
Alle reden vomdigitalen Wandel, aber nur<br />
wenige erkennen die kulturellen Konsequenzen,<br />
die aus ihm hervorgehen. DieDigitalisierung<br />
führtinder Geschichte menschlichen<br />
Denkens und Urteilens vermutlich den<br />
größten Sprung herbei, den es seit der Antike<br />
je gab. Die mit ihr verbundene Umwälzung<br />
betrifft nicht nur die Techniken der Informationsübermittlung,<br />
sondern auch jene des<br />
Lernens und der intellektuellen Wahrnehmung.<br />
Vieles an dieser Umwälzung ist positiv,<br />
anderes bleibt auf der Strecke. Amwichtigsten<br />
sind zweifellos die neuen Formen der<br />
Zeitorganisation, die auch unsereLesekultur<br />
beeinflussen.<br />
Noch vor200 Jahren besaßen bürgerliche<br />
Haushalte eine sehr kleine Zahl an Büchern,<br />
die man immer wieder vornahm – allen<br />
vorandie Bibel, Erbauungsschriften und Liedersammlungen.<br />
Wir lesen heute weitaus<br />
mehr Texte, als es die Menschen in früheren<br />
Kulturepochen taten. Aber wir lesen auch<br />
immer oberflächlicher. Wir scannen die<br />
Sätze, überfliegen sie,kehren selten zu ihnen<br />
zurück. Gründliches Lesen nennen die Engländer<br />
„tiefes Lesen“. Wir betreiben zumeist<br />
das Gegenteil –das schnelle Konsumieren<br />
ohne nachhaltige Wirkung.<br />
Für die Generation der digital natives, die<br />
mit der virtuellenWelt der Datenströme großgeworden<br />
sind, gilt das in verstärktem Maße.<br />
Zu ihren besonderen Fähigkeiten gehört die<br />
Gewöhnung an schnellen virtuellen Austausch,<br />
die zügige Anpassung an kommunikative<br />
und soziale Veränderungen, die visu-<br />
Gesetz gegen Hass im Netz<br />
Die falsche<br />
Waffe<br />
Markus Decker<br />
zweifelt daran, dass es richtig ist, Sicherheitsbehörden<br />
Zugang zu Passwörternzuermöglichen.<br />
Gewalt. Doch worüber die Bundesjustizministerin<br />
bei dem Pressegespräch kein Wort<br />
verlor, obwohl es in jenem 37-seitigen Referentenentwurf<br />
stand, den sie verteilen ließ:<br />
Neben den IP-Adressen sollen die Netzwerke<br />
die besagten Passwörter herausgeben dürfen.<br />
Das aber ist keineswegs gut und richtig<br />
so.Vielmehr ist der Plan zweifelhaft, weil er<br />
tief in Grundrechte eingreift. Überdies ist er<br />
praktisch unausgegoren.<br />
Gewiss, Lambrecht verwies im Interview<br />
auf den sogenannten Richtervorbehalt –also<br />
den Zwang zur Genehmigung durch einen<br />
Richter. Und sie erweckte ferner den Eindruck,<br />
als greife die geplante Regelung lediglich<br />
bei Terrorismusverdacht. In dem Entwurf<br />
derNovelle desTelemediengesetzes ist jedoch<br />
KOLUMNE<br />
Lesen und Lernen<br />
in digitalisierten<br />
Zeiten<br />
Peter-André Alt<br />
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz<br />
elle Vorstellungskraft, die Fähigkeit, mehrere<br />
Dinge gleichzeitig zu tun, und das Vermögen,<br />
Querverbindungen zwischen Informationen<br />
herzustellen. Parallel gehen andereQualifikationen<br />
verloren –das Vermögen, sich gründlich<br />
mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen,<br />
und die Fertigkeit, sich geduldig auf einen<br />
Text oder eine These einzulassen.<br />
Zu den alten Formen des Lernens führt<br />
kein Wegzurück. Heute geht es nicht mehr<br />
BERLINER ZEITUNG/THOMAS PLASSMANN<br />
sehr allgemein vonStraftaten oder Ordnungswidrigkeiten<br />
die Rede sowie von der Abwehr<br />
von Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />
und Ordnung. Polizeibehörden könnten die<br />
Passwörter dem Entwurf zufolge ebenso verlangen<br />
wie die Verfassungsschutzbehörden<br />
von Bund und Ländern, der Militärische Abschirmdienst,<br />
der Bundesnachrichtendienst<br />
und der Zoll. Das ist trotz Richtervorbehalts<br />
sehr weitreichend und in dieser Kombination<br />
so nicht hinnehmbar. Tatsächlich sind Passwörter<br />
längst das,was Haustürschlüssel sind;<br />
sie erlauben den Zugang zu großen Teilen des<br />
Lebens.<br />
DerPlan reicht auch weiter als die mittlerweile<br />
seit Jahrzehnten umstrittene Vorratsdatenspeicherung,<br />
bei der es „nur“ um die<br />
Speicherungvon Meta-Daten geht –alsower<br />
wann mit wem kommuniziert hat –, nicht<br />
um die Inhalte der Kommunikation selbst.<br />
Understeht in einem gewissen Widerspruch<br />
zur bisherigen Weigerung des Justizministeriums,<br />
der Reform des Verfassungsschutzgesetzes<br />
zuzustimmen, die es dem Bundesamt<br />
für Verfassungsschutz erlauben würde,<br />
Festplatten zu durchsuchen oder Messenger-Dienste<br />
zu überwachen. Zwar würde<br />
Lambrechts Plan wohl ohnehin an der Realität<br />
scheitern, weil Netzanbieter über die<br />
Passwörter,die sie da herausgeben sollen, lediglich<br />
in einer verschlüsselten Variante verfügen<br />
dürfen. Aber das macht die Sache<br />
kaum besser. Womöglich würde dieser<br />
Grundsatz später auch aufgeweicht.<br />
Christine Lambrecht hat in dem erwähnten<br />
Interview übrigens zu erkennen gegeben,<br />
dass sie für Korrekturen an demGesetzentwurf,<br />
der am 19. Februar das Kabinett<br />
passieren soll und dann vomBundestag verabschiedet<br />
werden müsste, offen sei. An dieser<br />
Stelle muss mansagen: Hoffentlich!<br />
um das Aufspüren von Quellen und die Ermittlung<br />
entlegener Informationen. Dasglobale<br />
Wissen ist leichter denn je verfügbar,<br />
unabhängig von Vorkenntnissen und Kompetenzen.<br />
Lernprozesse werden in Zukunft<br />
verstärkt auf Vorgänge der Auswahl und Verknüpfung,<br />
der Urteilsbildung und Bewertung<br />
abstellen müssen. In Zeiten umfassender<br />
Wissenszugänglichkeit spielen kognitive<br />
Fertigkeiten, die der Informationsselektion<br />
dienen, eine immer wichtigere Rolle. Die<br />
Welt ist zu einem globalen Lexikon geworden,<br />
in dem jeder alles finden kann. Kompetenz<br />
und Expertise werden sich im digitalen<br />
Zeitalter weniger über das Vermögen definieren,<br />
Fakten zu kennen und gegebenenfalls<br />
zu recherchieren. Sie stützen sich stattdessen<br />
auf die Fähigkeit zur begründeten<br />
Auswahl, auf Urteilsbildung undVernetzung.<br />
Entscheidend für künftigen Bildungserfolg<br />
werden nicht dieselben Kompetenzen wie in<br />
früheren Epochen sein. In der digitalen Welt<br />
von morgen hat das Denken in Räumen und<br />
Beziehungen zunehmende Bedeutung. Gleiches<br />
gilt für visuelle Vorstellungskraft und Assoziationsvermögen,<br />
für Antizipationsfähigkeit<br />
und Verknüpfungsgabe. Die Ingenieure<br />
und Mediziner der neuen Generation benötigen<br />
diese Fertigkeiten ebenso wie Architekten<br />
und Physiker. Für kulturkritischen Konservatismus<br />
istkeine Zeit. Wirmüssen die eigentliche<br />
Herausforderung der digitalen Epoche<br />
annehmen. Siebesteht darin, den kognitiven<br />
Transformationsprozess aktiv zu bewältigen,<br />
in den wir voreinigen Jahren eingetreten sind.<br />
„Wir stellen Fragen und es<br />
kommt raus, dass wir gar<br />
nicht alle gleich denken,<br />
auch nicht alle in dunklen<br />
Anzügen.“<br />
Margrethe Vestager, dänische EU-Kommissarin,<br />
lobt in der Süddeutschen <strong>Zeitung</strong> die bessere<br />
Atmosphäre, die unter Ursula von der Leyen<br />
in der EU-Kommission herrscht.<br />
AUSLESE<br />
Wasbringt die Fusion<br />
der Autohersteller?<br />
Nach wochenlangen Verhandlungen<br />
haben die Opel-Mutter PSA und Fiat<br />
Chrysler eine Mega-Fusion beschlossen.<br />
Sie wollen den viertgrößten Autohersteller<br />
der Welt schmieden. Eine gute Idee?<br />
Die Hannoversche Allgemeine <strong>Zeitung</strong><br />
kommentiert die Fusion so: „Das neue<br />
Marken-Sammelsurium aus Peugeot,<br />
Citroën, Opel, Vauxhall, DS, Fiat, Alfa Romeo,<br />
Maserati, Lancia, Chrysler, Dodge<br />
und Jeep versprüht kaum Charme. (...)<br />
Außer höheren Stückzahlen hat das Gebilde<br />
nichts zu bieten, was die größeren<br />
Konkurrenten nervös machen müsste:<br />
Bei Zukunftsthemen wie dem Elektroantrieb<br />
oder dem autonomen Fahren geben<br />
andereinder Branche den Takt vor.“<br />
Das Handelsblatt schreibt:„Die schiere<br />
Masse des zusammen 16 Marken umfassenden<br />
Kolosses ist noch längst kein Erfolgsgarant.<br />
Auch unter dem neuen, gemeinsamen<br />
Dach bleiben die Probleme<br />
dieselben wie zuvor: Man kämpft mit<br />
schrumpfenden Pkw-Verkäufen und unterausgelasteten<br />
Werken. (...) Und in<br />
China, dem größten Absatzmarkt der<br />
Welt, ist der neue Gigant ein Zwerg.“<br />
Die Frankfurter Allgemeine <strong>Zeitung</strong><br />
sieht das anders: „Die Autoindustrie ist<br />
längst von einer gewaltigen Konsolidierungswelle<br />
erfasst worden. Undsomanch<br />
etablierter Name droht hinweggespült zu<br />
werden. Deshalb ist die Bündelung der<br />
Kräfte vonPSA und Fiat sinnvoll, bietet sie<br />
doch neues Potenzial in China und Amerika.“<br />
Bettina Cosack<br />
PFLICHTBLATTDER BÖRSE BERLIN<br />
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und erreicht laut Mediaanalyse 2019 in Berlin und<br />
Brandenburg täglich 267 000 Leser.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 9 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Berlin<br />
Greifen Sie zu:<br />
Saisonale Süßigkeiten<br />
sind besser als ihr Ruf<br />
Seite 17<br />
Unterm Zeltdach: Der Circus Roncalli macht in Berlin Station Seite 13<br />
Unterm Himmelszelt: Menschen, die auf Weihnachtsmärkten arbeiten Seiten 14 und 15<br />
Stadtbild<br />
Lachsschinken,<br />
unfreundlich<br />
Marcus Weingärtner<br />
hat sich an Berlin gewöhnt.<br />
Wer länger in Berlin lebt, der wird<br />
mit Freundlichkeiten sicherlich<br />
nicht verwöhnt. Als ich nach Berlin<br />
zog, musste ich immer sehr über einen<br />
bestimmten Spruch lachen, den<br />
man damals exemplarisch für <strong>Berliner</strong><br />
Schnoddrigkeit auf jeder noch so<br />
drögen Küchen-Kartoffelsalat-WG-<br />
Party anbrachte und von dem man<br />
glaubte, erwürde alles charakterisieren,<br />
was Berlin ausmacht:<br />
Kommt eine Frau aus München<br />
(wahlweise jede anderewestdeutsche<br />
Stadt) in eine Bäckerei und frage:<br />
„Entschuldigung, kann ich hier Brötchen<br />
kaufen?“<br />
Bäckereifachverkäuferin (empathielos):<br />
„Wenn ’sedie Tür zumachen<br />
und hier Wasser reinlassen, dann<br />
können ’sehier drin auch ein paar<br />
Runden schwimmen.“<br />
Hahahaha! Damals, also vor rund<br />
20 Jahren, fand ich das charmant.<br />
Viele Menschen, die ich damals kennenlernte,<br />
schworen Stein und Bein,<br />
diese Geschichte genauso erlebt zu<br />
haben. Oder jemanden zu kennen,<br />
der jemanden kennt, dessen Bruder<br />
und so weiter.<br />
Mittlerweile hat die Schnoddrigkeit<br />
in dieser Stadt und natürlich auch<br />
in den sozialen Medien, die ja ebenfalls<br />
so eine Art virtuelle Stadt sind,<br />
derart drastisch zugenommen, dass<br />
sich die Bäckereifachverkäuferinnen-<br />
Ankedote ausnimmt, wie die Weihnachtsgeschichte<br />
zu einer Schmähschrift.<br />
Unlängst war ich im Biosupermarkt<br />
meines Vertrauens, der sich<br />
gerne den Anschein der warmherzigen<br />
Kundenbindung und des entschleunigten<br />
Einkaufens gibt. An der<br />
Fleischerei-Theke fragte ich (höflich!!),<br />
ob man Lachsschinken habe.<br />
Der Fleischereifachverkäufer blickte<br />
mich gelangweilt an und wies in Richtung<br />
mehrerer Kühlregale und murmelte<br />
etwas.Ich verstand das so,dass<br />
ich mir eines aussuchen könne und in<br />
jedem Lachsschinken liege.<br />
Unsinn, natürlich tat ich das nicht,<br />
sondern ich steuerte treudoof auf<br />
eine Kühltruhe mit Fleisch zu und<br />
fand keinen Lachsschinken.„Daist er<br />
nicht“, rief ich. „In der KÜHLUNG,<br />
Mann“, maulte der Verkäufer.„In der<br />
KÜHLUNG, nicht in der Truhe. Was<br />
ist denn daran so schwer?“ Ichwar so<br />
perplex ob dieses Ausbruchs,dass ich<br />
überlegte, ob ich dem Mann den<br />
Lachsschinken aus der KÜHLUNG<br />
vielleicht an den Kopf werfen sollte.<br />
Tatich nicht, ich ignorierte ihn einfach<br />
und fand das Fleisch schließlich<br />
alleine. Immerhin hat er mir keine<br />
Schwimmstunden angedroht, dachte<br />
ich beim Hinausgehen.<br />
Auch ohne freundliche Hilfe findet man<br />
seine Lebensmittel.<br />
IMAGO<br />
Blumen und Kerzen auf den Stufen zur Gedächtniskirche erinnernandie Opfer des Anschlags.<br />
Glockenschläge und Violinenklänge<br />
Zum dritten Jahrestag des Anschlags auf dem Breitscheidplatz hat die Trauer eine festeFormgefunden<br />
VonJulia Haak<br />
Für die Stadt reicht ein Knopfdruck.<br />
Um Viertel vorsieben<br />
schaltet ein Techniker die<br />
Musik auf dem Markt am<br />
Breitscheidplatz ab undWeihnachten<br />
endet erst mal für ein paar Stunden.<br />
Die Zeit füllt sich mit Trauer. Inder<br />
Gedächtniskirche hält Bischof Christian<br />
Stäblein eine Andacht, Jocelyn B.<br />
Smith singt „Shine alight“ wie schon<br />
am ersten Jahrestag. Menschen versammeln<br />
sich an den Stufen mit den<br />
Namen der zwölf Verstorbenen, die<br />
zur Kirche hinaufführen.<br />
Im dritten Jahr nach dem terroristischen<br />
Anschlag auf den Weihnachtsmarkt<br />
auf dem Breitscheidplatz<br />
hat die Stadt zu einer Form des<br />
Gedenkens gefunden, bei der es<br />
wohl vorerst bleiben wird. Stille und<br />
Kerzen anstelle von elektrischem<br />
Licht, Gesänge und Gebete, Blumen<br />
und Glockenschläge. All das ist<br />
durchaus anrührend –und doch bildet<br />
die durchkomponierte Form einen<br />
scharfen Gegensatz zum echten<br />
Verlust, den dieser Anschlag bewirkt<br />
hat. Das ist kein Vorwurf, es ist nur<br />
eine Feststellung. Es kann vielleicht<br />
auch gar nicht anders sein.<br />
Persönlicher Verlust<br />
In den zurückliegenden drei Jahren<br />
haben wir über Menschen geschrieben,<br />
die uns im Zusammenhang mit<br />
diesem Anschlag begegnet sind, die<br />
am 19. Dezember 2016 einen persönlichen<br />
Verlust erlitten haben. Wir<br />
haben sie angerufen, sie besucht,<br />
weil wir ihre Geschichten erzählen<br />
wollten. Es war der Wunsch, dass sie<br />
im Mittelpunkt einer Berichterstattung<br />
stehen sollten –und nicht der<br />
Täter, mit dem man sich ja auch befassen<br />
musste,wollte man seine Motiveverstehen<br />
und die Artund Weise<br />
wie er und seine Helfer vorgegangen<br />
sind. Auch, um zu verhindern, dass<br />
sich Ähnliches wiederholt.<br />
Die Menschen aus unseren Geschichten<br />
waren zum Zeitpunkt des<br />
Anschlags auf dem Markt und wurden<br />
schwer verletzt. Sie haben jemanden<br />
verloren, der ihnen nahe<br />
stand. Sie haben körperliche Einschränkungen.<br />
Sie sind Pflegefälle.<br />
Sie kämpfen noch heute mit Gefühlen,<br />
die sie nicht unter Kontrolle bekommen<br />
können. Manche hatten<br />
nur entfernt mit der eigentlichen Tat<br />
zu tun. Unddoch leiden sie.<br />
Überwältigung. Auch beim<br />
Schreiben dieses Textes ist dieses Gefühl<br />
zu spüren. Einmal angefangen,<br />
scheint ein Schicksal nach dem anderenauf.<br />
Manhat alles wieder vorAugen.<br />
Erst verkrampft sich der Magen.<br />
Dann steigt das Gefühl höher,<br />
schnürt den Hals zusammen. Man<br />
muss aufpassen, dass man sich nicht<br />
selbst hineinmanövriertineine Traurigkeit,<br />
ins Mitleiden. Es gibt eine Co-<br />
Traumatisierung, auch das haben wir<br />
gelernt in den vergangenen drei Jahren.<br />
Besonders betroffen davon sind<br />
Angehörige von psychisch oder körperlich<br />
geschädigten Menschen.<br />
Petr Cizmar und sein kleiner Sohn<br />
David haben Nada verloren, Davids<br />
Mutter, Petrs Frau. Wir haben die<br />
beiden besucht im vergangenen Jahr<br />
in Dresden, wo sie wohnen. Wir haben<br />
mit ihnen zwei tolle Menschen<br />
kennengelernt. Zurückgeblieben ist<br />
ein Eindruck von großer Tapferkeit,<br />
mit dem der Mann und der Junge<br />
dem Verlust von Nada begegnen.<br />
Aber auch ihreHilflosigkeit. DieUmzugskisten,<br />
die sich zum Zeitpunkt<br />
unseres Besuchs in der Wohnung<br />
stapelten. Petr Cizmar hatte sie kurz<br />
vor dem Anschlag dort abgestellt<br />
und dann nicht ausgepackt, jahrelang.<br />
Für ihn befand sich seine heile<br />
unverletzte Familie in diesen Kisten.<br />
Er hatte Angst, sie auspacken.<br />
Frank Hoedt ist Einsatzleiter bei<br />
der <strong>Berliner</strong> Feuerwehr. Am19. Dezember<br />
2016 organisierte er den Rettungsdienst<br />
auf dem Breitscheidplatz.<br />
Wir haben ihn getroffen im<br />
vergangenen Jahr und er erzählte<br />
von dieser Nacht, die auch für ihn,<br />
den Profi, sehr vieles verändert hat.<br />
Er war vorallen anderen Feuerwehrleuten<br />
direkt nach dem Anschlag der<br />
erste auf dem Platz, in den gerade<br />
der Terrorist Anis Amrimit einem 40<br />
Tonnen schweren Lastwagen hineingerast<br />
war.Ersprach davon, wie<br />
er minutenlang versucht hatte, zu<br />
begreifen, was überhaupt passiert<br />
war. Wie viele tote und schwer verletzte<br />
Menschen zu versorgen waren.<br />
Wie erversuchte, zuentscheiden,<br />
was zuerst zu tun war.<br />
Die Feuerwehr hat ein System für<br />
solche Einsätze. Die Einsatzkräfte<br />
verteilen verschiedenfarbige Bändchen,<br />
um die Hilfe nach Dringlichkeit<br />
„Dieser Ort des Gedenkens ist ein Anker für<br />
alle, die Angehörige verloren haben.<br />
Erinnern trägt Hoffnung.“<br />
Chen Elyakim, deren Mutter Dalia bei dem Anschlag getötet wurde, in ihrer Rede<br />
zu organisieren, sie alarmieren weitere<br />
Kräfte zum Ort der Katastrophe.<br />
Siefunktionieren, und am Anfang gab<br />
all das Frank Hoedt Halt. Im Verlauf<br />
der Nacht kam er dann an seine Grenzen<br />
und rutschte darüber hinaus. Er<br />
fühlte sich hilflos, überfordert, hatte<br />
auch in denTagen danach das Gefühl,<br />
nicht genug getan zu haben, wurde<br />
die Bilder nicht mehr los. Erkonnte<br />
nicht mehr richtig arbeiten. Frank<br />
Hoedt brauchte selbst medizinische<br />
Hilfe. Das erste Mal ging er erst nach<br />
Monaten wieder zum Breitscheidplatz.<br />
Er ließ sich dabei von seinem<br />
Arzt begleiten. Später hielt erVorträge<br />
über diesen Einsatz. Das darüber<br />
Sprechen half ihm. So war es auch mit<br />
dem Interview,das er unsgab.<br />
Wir haben den Pfarrer Martin<br />
Germer getroffen, der in jedem Jahr,<br />
auch in diesem wieder,den Gedenkgottesdienst<br />
in der Gedächtniskirche<br />
leitet. Germer ist geradezu unermüdlich<br />
darum bemüht, einen Ort<br />
und sich selbst als Gesprächspartner<br />
für die Trauer zu bieten. Er war direkt<br />
BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />
nach dem Anschlag auf dem Platz<br />
und hörte jedem zu, der mit jemandem<br />
reden musste. Erorganisierte<br />
für den Tag danach einen ersten<br />
Trauergottesdienst und dann viele<br />
weitere. Er weint, wenn er gerührtist<br />
und das tut er auch wenn er am Altar<br />
vorvielen Menschen steht.<br />
So könnteman fortfahren an dieser<br />
Stelle. Daist die Geschichte des<br />
Mitarbeiters der Firma Scania, die<br />
den Lkw hergestellt hatte, der zur<br />
Mordwaffe wurde und der am Telefon<br />
anfing zu weinen, obwohl er nur<br />
im Fernsehen gesehen hatte,was mit<br />
dem Wagen geschah. Verlust ist ein<br />
Gefühl, dass sich in vielen verschiedenen<br />
Formen ausdrücken kann.<br />
Die Form, die die Stadt gewählt hat,<br />
um ihren Verlust zu betrauern, ist<br />
eine durchaus besinnliche.<br />
Stille auf den Stufen<br />
Nach der Andacht in der Gedächtniskirche<br />
kommen Vertreter des<br />
Landes und des Bundes mit den Angehörigen<br />
der Opfer an die Stufen.<br />
Petr Cizmar und David sind gekommen.<br />
Es ist jetzt ganz still. An den<br />
Ständen in der Nähe wird nichts<br />
mehr verkauft. Die Menschen<br />
schweigen. Pfarrer Martin Germer<br />
spricht voneinemTagschmerzender<br />
Erinnerungen. Dann ist Chen Elyakim<br />
aus Israel dran.Sie spricht über<br />
den Verlust ihrer Mutter Dalia, die<br />
bei dem Anschlag ums Leben gekommen<br />
ist. „Der 19. Dezember<br />
2016 hatunser Leben für immer verändert.<br />
Andiesem Tagwurde meine<br />
Mutter vermisst gemeldet und es<br />
vergingen zwei Tage zwischen Hoffnung<br />
und Verzweiflung, bis wir die<br />
Nachricht erhielten, dass sie gestorben<br />
ist“, sagt sie.Inden vergangenen<br />
drei Jahren habe sie jedoch auch<br />
wunderbare Menschen kennen gelernt.<br />
„Dieser Ort des Gedenkens ist<br />
ein Anker für alle, die Angehörige<br />
verloren haben. Erinnern trägt Hoffnung“,<br />
sagt sie. Anschließend werden<br />
die Lichter auf dem Markt ausgeschaltet.<br />
Um 20.02 Uhr, dem Zeitpunkt<br />
des Anschlages beginnen die<br />
Glocken aus dem Ruinenturm der<br />
Gedächtniskirche zu schlagen. Zwölf<br />
Schläge für zwölf verlorene Leben.<br />
Violinenklänge durchbrechen die<br />
anschließende Stille.<br />
NACHRICHTEN<br />
Sechs Schüsse auf<br />
Lagerhalle abgefeuert<br />
Sechs Schüsse aus einer scharfen<br />
Schusswaffe sind im Ortsteil Mariendorfauf<br />
die Fenster der Lagerhalle<br />
einer Gärtnerei abgegeben worden.<br />
DieInhaber bemerkten die Einschusslöcher<br />
in ihrem Geschäft in<br />
der Ullsteinstraße am Donnerstagmorgen,<br />
wie die Polizei später mitteilte.Demnach<br />
wurden die Schüsse<br />
außerhalb der Öffnungszeiten abgefeuert.<br />
Niemand wurde verletzt. Die<br />
Ermittlungen der Polizei laufen.<br />
(dpa)<br />
Schlüsselübergabe für<br />
Axel-Springer-Neubau<br />
Miteiner traditionellen Schlüsselübergabe<br />
feierte der Axel-Springer-<br />
Verlag am Donnerstag die Fertigstellung<br />
seines Neubaus an der Axel-<br />
Springer-Straße.Inden kommenden<br />
Monaten soll das Gebäude möbliert<br />
und im Frühjahr 2020 dann bezogen<br />
werden. Entworfen hat das Haus mit<br />
rund 52 000 Quadratmeternder niederländische<br />
Star-Architekt Rem<br />
Koolhaas,der auch für den Umbau<br />
des KaDeWe verantwortlich zeichnet.<br />
(BLZ.)<br />
Dino-Skelett Tristan Otto<br />
verlässt Berlin<br />
Star mit hohem Beliebtheitsfaktor:Tristan<br />
Otto.<br />
BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />
<strong>Berliner</strong> Dino-Fans haben nur noch<br />
ein paar Wochen Zeit: Dasbeliebte<br />
Originalskelett eines Tyrannosaurus<br />
rexverlässt Ende Januar 2020 für eine<br />
Weile das Land. Nach einem Abschiedswochenende<br />
werdedas Exponat<br />
namens Tristan Otto ab dem<br />
27. Januar für circa zwei Wochen abgebaut,<br />
teilte eine Sprecherin des<br />
Naturkundemuseums am Donnerstag<br />
mit. Ab Ende Märzsolle das Skelett<br />
ein Jahr lang in Kopenhagen zu<br />
sehen sein. Daszwölf Meter lange<br />
und vier Meter hohe Skelett war 2010<br />
in den USA gefunden worden. Es ist<br />
mehr als 65 Millionen Jahrealt. (dpa)<br />
Berlin hat Babylotsen auf<br />
allen Geburtsstationen<br />
In Berlin gibt es auf allen Geburtsstationen<br />
Frühe Hilfen für Familien.<br />
Um die Unterstützung kümmern<br />
sich insgesamt 38 Babylotsen, die<br />
Elternvon der Schwangerschaft<br />
über die Geburtbis in die ersten Lebensjahredes<br />
Kindes begleiten,<br />
teilte die Senatsverwaltung für<br />
Gesundheit mit. DerService ist für<br />
Familien gedacht, die durch unterschiedlichste<br />
Umstände überfordertsind<br />
und individuelle Unterstützung<br />
brauchen. DieSenatsgesundheitsverwaltung<br />
stellt für<br />
Frühe Hilfen rund 1,5 Millionen<br />
Euro im Jahr zur Verfügung. (dpa)
10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Berlin<br />
Im Tiergartentunnel ist nur Tempo 50 erlaubt. Doch viele Kraftfahrer halten sich nicht an das Limit. Darum nimmt die Polizei dortAnfang des neuen Jahres eine Überwachungsanlage in Betrieb –wie angekündigt.<br />
IMAGO IMAGES<br />
Im Tunnel warten die schwarzen Blitzer<br />
Polizei kontrolliert demnächst auf zwei weiteren Strecken die Geschwindigkeit. Anderswo in Berlin sind fast zehn Überwachungsanlagen außer Betrieb<br />
VonPeter Neumann<br />
ImBritzer Autobahntunnel gibt<br />
es sie schon seit rund neun Jahren–sie<br />
blitzen eifrig Autos,die<br />
deutlich schneller als Tempo<br />
80 fahren. Nicht mehr lange, dann<br />
möchte die <strong>Berliner</strong> Polizei auch im<br />
Autobahntunnel unter dem Flughafen<br />
Tegel und im Tiergartentunnel<br />
schwarze Blitzer scharfschalten. Sie<br />
heißen so, weil sie Temposünder<br />
mithilfe von Infrarotstrahlen feststellen,<br />
die für das menschliche Auge<br />
unsichtbar sind. Erst wenn der Brief<br />
der Bußgeldstelle eintrifft, merken<br />
die Fahrer,dass sie geblitzt wurden.<br />
„Wir gehen davon aus, dass wir<br />
die neuen Geräte im Februar oder<br />
März2020 in Betrieb nehmen“, sagte<br />
Frank Schattling, Leiter des Fachstabs<br />
Verkehr im Polizeipräsidium,<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> auf Anfrage.<br />
In dem Tunnel, der die A111 unter<br />
dem Flughafen Tegel hindurchführt,<br />
hat der Probebetrieb bereits begonnen.„Mit<br />
positiverWirkung“, berichtete<br />
Schattling. Fahrer sehen die<br />
schwarzen Kästen –und bremsen,<br />
wenn sie zu schnell sind. In der fast<br />
einen Kilometer langen Tunnelröhre<br />
stadtauswärts wird eine enge Kurve<br />
überwacht, in der nur 40 Kilometer<br />
in der Stunde erlaubt sind.<br />
Auch in dem Tunnel, der unter<br />
dem Tiergarten und dem Spreebogen<br />
verläuft, wird immer wieder zu<br />
schnell gefahren, berichtet die Polizei.<br />
Nicht selten erleben die Mitarbeiter<br />
der <strong>Berliner</strong> Tunnelleitzentrale<br />
auf ihren Bildschirmen mit, wie<br />
sich Fahrer illegale Rennen liefern –<br />
obwohl im Tunnel Tempo 50 gilt.<br />
Die neue Blitzertechnik befindet<br />
sich in der Tunnelröhre inRichtung<br />
Süden, hieß es. Die Polizisten legen<br />
Wert auf die Feststellung, dass die<br />
Anlage sowohl die Front- als auch die<br />
Heckpartie ins Visier nimmt. Damit<br />
erfasst sie auch Motorräder, die<br />
meist nur hinten ein Kennzeichen<br />
haben. Auch diese Fahrzeuge sind in<br />
dem mehr als zwei Kilometer langen<br />
Tunnel oft zu schnell unterwegs. So<br />
starb im März2018 ein 27 Jahrealter<br />
Motorradfahrer, nachdem er gegen<br />
eine Tür in der Wand geprallt war.<br />
Gerichte verfügen Abschaltung<br />
Durch die beiden Anlagen im Flughafen-<br />
und im Tiergartentunnel wird<br />
die Zahl der stationären Blitzer in<br />
Berlin auf 33 wachsen. Die neuen<br />
Blitzer gehören zu den Geräten, die<br />
nur Fahrzeuge erfassen, die zu<br />
schnell unterwegs sind. Andere Blitzer<br />
halten Autos im Bild fest, deren<br />
Fahrer rotes Ampellicht ignorieren.<br />
50 Prozent Zuwachs: Der<br />
Senat hat in den vergangenen<br />
zwölf Monaten die Zahl<br />
der stationären Tempo-Überwachungsanlagen<br />
um die<br />
Hälfte erhöht. Nun sind vorerst<br />
keine neuen Blitzersäulen<br />
mehr mehr vorgesehen.<br />
VANDALISMUS IN KÖPENICK<br />
Auch im Osten: Noch immer<br />
gibt es im Westen Berlins<br />
mehr Blitzersäulen als im<br />
Osten. So wurde amAdlergestell/<br />
Otto-Franke-Straße<br />
eine Anlageinstalliert. Ein<br />
weiterer Standortist Mollstraße/<br />
Otto-Braun-Straße.<br />
Häufig beschädigt: Die Blitzersäule<br />
An der Wuhlheide/<br />
Rudolf-Rühl-Allee nahe der<br />
Alten Försterei in Köpenick<br />
wird immer wieder beschädigt.<br />
Nun plant die Polizei,<br />
diesen Blitzerstandort<br />
aufzugeben.<br />
Mehr als die Hälfte der Blitzer in Berlin<br />
kann beides. Allerdings sind von<br />
den jetzigen stationären Überwachungsanlagen<br />
nicht alle in Betrieb.<br />
Dem Vernehmen nach erfüllten vor<br />
kurzemnur 22 Blitzer ihreAufgaben,<br />
neun standen nicht zur Verfügung.<br />
Außer Betrieb ist weiterhin die<br />
Blitzersäule An der Wuhlheide/ Rudolf-Rühl-Allee<br />
im Bezirk Treptow-<br />
Köpenick, die es seit 2018 gibt. Die<br />
dort installierten stationären Anlagen<br />
fallen immer wieder Beschädigungen<br />
zum Opfer.„Vandalismus ist<br />
ein großes Problem“, hieß es bei der<br />
Polizei. Schon mehrmals wurden die<br />
schwarzen Glasscheiben zerschlagen,<br />
hinter denen sich die Blitzertechnik<br />
verbirgt. Einmal wurden<br />
Union-Aufkleber hinterlassen –das<br />
Fußballstadion Alte Försterei ist in<br />
der Nähe.Nun will die Polizei Konsequenzen<br />
ziehen und den Blitzerstandort<br />
aufgeben. „Die Säule wird<br />
umgesetzt“, kündigte Schattling an.<br />
Auch der Blitzer, der am Halleschen<br />
Ufer in Höhe der Einmündung<br />
der Schöneberger Straße für Ordnung<br />
sorgen soll, wird dem Vernehmen<br />
nach immer wieder zur Zielscheibe<br />
von Vandalen. Es gibt noch<br />
weitere Gründe, warum stationäre<br />
Blitzer abgeschaltet werden. So sind<br />
einige Geräte außer Betrieb,weil nebenan<br />
Tiefbauarbeiten stattfinden.<br />
Andere Anlagen dürfen nicht mehr<br />
genutzt werden, weil Gerichte dies<br />
verbieten. Für einige Rotlichtblitzer,<br />
die zum Teil schon rechtbetagt sind,<br />
hat das Landesamt für Mess- und<br />
Eichwesen die Abschaltung verfügt.<br />
In der Vergangenheit trugen auch<br />
Fahrbahnschäden dazu bei, dass Anlagen<br />
ausgestellt werden mussten.<br />
Weniger Tempo-Unfälle in Berlin<br />
Die rot-rot-grüne Koalition hat sich<br />
die Zivilisierung des Straßenverkehrs<br />
auf die Fahnen geschrieben.<br />
Verbände und Bürgerinitiativen fordern<br />
mehr Überwachung und Kontrollen,<br />
um das Rasenzuverhindern.<br />
„Nicht angepasste Geschwindigkeit“<br />
gilt als dritthäufigste Hauptunfallursache<br />
in Berlin –wenngleich die Zahl<br />
der Zusammenstöße, die in diesem<br />
Zusammenhang registriert wurden,<br />
von 2798 im Jahr 2016 auf 2330 im<br />
vergangenen Jahr gesunken ist.<br />
In den vergangenen zwölf Monaten<br />
kamen in Berlin zehn stationäre<br />
Blitzer dazu. Allerdings dauerte es<br />
nicht selten Monate,bis die Geräte in<br />
Betrieb gehen konnten. „Bis sie ans<br />
Stromnetz angeschlossen werden<br />
konnten, verging meist einige Zeit“,<br />
sagte Frank Schattling. Inzwischen<br />
sind aber fast alle Anlagen am Netz.<br />
Außer den stationären Anlagen<br />
zur Geschwindigkeitsüberwachung<br />
verfügt die <strong>Berliner</strong> Polizei noch<br />
über insgesamt fast 90 mobile und<br />
halbstationäre Geräte. Frank Schattling<br />
und seine Kollegen wissen, dass<br />
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MobileWelten<br />
Vorne, hinten, Allrad:<br />
Welcher Antrieb ist der beste?<br />
Die neue Lust an der Limousine:<br />
Der VW Arteon im Test<br />
sie sich mit Tempokontrollen nicht<br />
beliebt machen. Doch die Gemeinschaft<br />
habe sich nun mal auf Regeln<br />
verständigt, wie der Verkehr auf den<br />
Straßen ablaufen soll. „Diese Regeln<br />
müssen durchgesetzt werden“, so<br />
der Chef des Verkehrs-Stabs im Polizeipräsidium.„Jeden<br />
Tagaufs Neue.“<br />
Peter Neumann<br />
hält es für notwendig,<br />
gegenRaser vorzugehen.<br />
Verbrannt und versenkt<br />
Zwei Männer zünden ihre Gewerbeabfälle auf offener Straße an und werden von der Polizei angezeigt. Dass Müll-Sünder erwischt werden, ist aber die Ausnahme<br />
VonPhilippe Debionne<br />
Müll-Sünder, die alte Schränke,<br />
Matratzen, Fahrräder oder<br />
Farbeimer auf die Straße stellen, gehören<br />
in Berlin mittlerweile zum Alltag.<br />
Auch die illegale Müllentsorgung<br />
in der Spree und anderen<br />
Hauptstadt-Gewässern kommt nahezu<br />
täglich vor. Jetzt hat die <strong>Berliner</strong><br />
Polizei besonders dreiste Müll-Sünder<br />
auf frischer Tatertappt: DieMänner<br />
hatten ihre Hinterlassenschaften,<br />
darunter auch einen kompletten<br />
Herd, einfach in Brand gesteckt.<br />
PassiertinHohenschönhausen.<br />
Geldbuße bis zu 100 000 Euro<br />
Gegen 23.15 Uhr alarmierte ein bislang<br />
unbekannter Anrufer in der<br />
Nacht zu Donnerstag die Polizei und<br />
meldete,dass es an derWollenberger<br />
Straße brennen würde. Die Einsatzleitung<br />
schickte einen Streifenwagen<br />
los,auch die Rettungskräfte der Feuerwehr<br />
wurde alarmiert. Auf einem<br />
brachliegenden Privatgelände in einem<br />
verwinkelten Gewerbegebiet<br />
Der angebrannte Gewerbemüll wurde noch nicht entsorgt.<br />
anzeige klingen mag, so deutlich ist<br />
auch die Höhe der möglichen Strafe:<br />
Nach Paragraf 69 kann bei vorsätzlichem<br />
oder fahrlässigen Verstoßen<br />
gegen die strengen Müllgesetze eine<br />
Geldbuße von bis zu 100 000 Euro<br />
verhängt werden. Erst Ende Oktober<br />
hatte der Senat einen neuen Bußgeldkatalog<br />
verabschiedet. Dem-<br />
OBERST<br />
standen zwei Männer neben einer<br />
lichterloh brennenden Badewanne,<br />
die laut Polizei „mit Gewerbeabfällen<br />
gefüllt war“. Daneben stand nach<br />
Angaben eines Augenzeugen zudem<br />
einen Elektroherd, der ebenfalls in<br />
Flammen stand.<br />
Als die Einsatzkräfte zwei daneben<br />
stehende Männer ansprachen<br />
was hier los sei, versuchten sie, die<br />
Feuerstelle als Lagerfeuer zu verkaufen,<br />
an dem sie sich wärmen würden.<br />
Doch die Polizisten rochen im<br />
wahrsten Sinne des Wortes Lunte.<br />
Denn offenbar hatten die Männer<br />
mehrere Dinge in Brand gesetzt, die<br />
man nicht unentgeltlich bei der BSR<br />
oder anderen Entsorgern abgeben<br />
darf.<br />
Nachdem die Feuerwehrmänner<br />
das Feuer gelöscht hatten, wurde der<br />
für den Brand verantwortliche Mann<br />
angezeigt. Eine Polizeisprecherin<br />
sagte,dass nun wegen„Verstoßes gegen<br />
das Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />
wegen des Verbrennens von Gewerbeabfällen“<br />
ermittelt werden. So<br />
sperrig diese Ordnungswidrigkeitsnach<br />
werden für einen weggeworfenen<br />
Einwegbecher 55 Euro Strafe fällig,<br />
für Sperrmüll wie Matratzen,<br />
Kinderwagen oder Stühle zwischen<br />
150 und 500 Euro. Eine achtlos weggeschnippte<br />
Zigarettenkippe schlägt<br />
mit 120 Euro zu Buche.<br />
Dass zahllose Menschen ihren<br />
Schrott und ihre Abfälle trotz der<br />
drohenden Bußgelder rücksichtslos<br />
und illegal entsorgen, passiert in<br />
Berlin immer wieder. Daher warnt<br />
die BSR: „Illegale Müllplätze am<br />
Wegrand verschandeln nicht nur<br />
den Kiez.Sie können auch gefährlich<br />
für Mensch und Umwelt werden,<br />
wenn zum Beispiel Schadstoffe aus<br />
alten Elektrogeräten austreten.“<br />
Das ist vor allem bei der Entsorgung<br />
von illegalem Abfall nahe bei<br />
oder direkt in Gewässern ein großes<br />
Problem. Denn zum einen werden<br />
diese Müllkippen oftmals lange<br />
nicht entdeckt, zum anderen rosten<br />
Elektrogeräte im Wasser – Schadstoffe<br />
werden somit schneller freigesetzt.<br />
Rund 6,7 Prozent des <strong>Berliner</strong><br />
Stadtgebiets bestehen aus Flüssen,<br />
Seen und Kanälen, eine Fläche, die<br />
so groß ist wie die BezirkeMitte und<br />
Friedrichshain-Kreuzberg zusammen.<br />
DieMüllschiffe der Senatsverwaltung<br />
haben „zwischen März 2018<br />
und Februar 2019 über 730 Kubikmeter<br />
Müll nur von der Oberfläche<br />
der <strong>Berliner</strong> Gewässer gefischt“,<br />
heißt es bei dem unter anderem<br />
durch die Stiftung Naturschutz Berlin<br />
sowie die BSR geförderten Projekt<br />
„Alles im Fluss“. 730 Kubikmeter<br />
Müll entsprechen in etwa dem Inhalt<br />
von 14 Güterwaggons. Und als<br />
„Müllsäule mit einem Quadratmeter<br />
Grundfläche ergäbe diese Menge das<br />
1,9-fache des Fernsehturms“, so die<br />
Macher von„Alles im Fluss“.<br />
Illegale Müllkippen melden<br />
Sollte man „illegale Ablagerungen<br />
und Verschmutzungen im öffentlichen<br />
Raum“ entdecken, rät die BSR,<br />
sich beim Ordnungsamt zu melden.<br />
Wenn sich kein Verursacher finden<br />
lässt, beseitigt die BSR illegal abgelagerten<br />
Sperrmüll und Elektroschrott<br />
auf Anforderung des Amtes.<br />
Und das nach BSR-Angaben „leider<br />
viel zu oft: Jedes Jahr entfernen<br />
wir im Schnitt 30 000 Kubikmeter<br />
dieser Abfälle“.Wersich im aktuellen<br />
Fall nun darum kümmert, dass der<br />
angebrannte Gewerbeschrott aus<br />
der Wollenberger Straße entsorgt<br />
wird, ist noch unklar.
12 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Berlin<br />
Milieuschutz<br />
hilft Bewohnern<br />
nur bedingt<br />
5200 Mietwohnungen in<br />
Eigentum umgewandelt<br />
VonUlrich Paul<br />
InBerlin sind im vergangenen Jahr<br />
etwa 12 800 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen<br />
umgewandelt<br />
worden –5200 davon lagen in einem<br />
Milieuschutzgebiet. Das geht aus<br />
dem am Donnerstag veröffentlichten<br />
Jahresbericht über die Folgen der<br />
sogenannten Umwandlungsverordnung<br />
hervor, den die Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung vorgelegt<br />
hat.<br />
Mitder Verordnung, die seit März<br />
2015 gilt, wurde die Umwandlung<br />
von Miet- in Eigentumswohnungen<br />
in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig.<br />
Ziel ist, Mieter nach<br />
einem Verkauf der Wohnung besser<br />
vor Eigenbedarfskündigungen zu<br />
schützen. Verhindert wird die Umwandlung<br />
von Miet- in Eigentumswohnungen<br />
dadurch aber nicht. So<br />
müssen die Ämter eine Umwandlung<br />
gestatten, wenn die Eigentümer<br />
erklären, dass sie die Wohnungen<br />
sieben Jahre lang nur den Mietern<br />
zum Kauf anbieten. DerAnteil dieser<br />
Begründung lag laut dem Bericht im<br />
Jahr 2018 bei 98 Prozent –mit steigender<br />
Tendenz.<br />
Im Vergleich zum Jahr 2017 hat<br />
sich die Zahl aller umgewandelten<br />
Wohnungen inBerlin laut dem Bericht<br />
um 21 Prozent verringert. In<br />
den Milieuschutzgebieten ging die<br />
Zahl der Umwandlungen um 33 Prozent<br />
zurück. Insgesamt gibt es in<br />
Berlin derzeit 58 Milieuschutzgebiete.<br />
Dort leben mehr als 887 000<br />
<strong>Berliner</strong> in 464 000 Wohnungen.<br />
Stadtentwicklungssenatorin Katrin<br />
Lompscher (Linke) bewertet die<br />
Entwicklung positiv.Die Verordnung<br />
sei eines der wichtigsten Instrumente,<br />
umdie Bewohner vor Verdrängung<br />
zu schützen. Siesolle deshalb<br />
um weitere fünf Jahre bis März<br />
2025 verlängertwerden.<br />
DerMieterverein kritisiertdie bestehende<br />
Ausnahmeregelung, die<br />
Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen<br />
in Milieuschutzgebieten<br />
ermöglicht. In sehr vielen dieser<br />
Fälle kauften Eigentümer die<br />
Mieter aus der Wohnung und vermieteten<br />
diese an einen kaufwilligen<br />
Haushalt mit hohem Einkommen.<br />
So werde der Milieuschutz am Ende<br />
konterkariert. Die Bundesregierung<br />
müsse die Ausnahme aus dem Baugesetzbuch<br />
streichen.<br />
In Zukunft soll die <strong>Berliner</strong> Polizei Verdächtige abhören und orten dürfen.<br />
Keine Fußfesseln, aber Überwachung<br />
Nach anderthalb Jahren Streit nähert sich Rot-Rot-Grün beim Sicherheitsgesetz einer Einigung.<br />
VonAnnika Leister<br />
Der Knoten ist endlich geplatzt,<br />
eine Einigung ist<br />
in Sicht. Anderthalb<br />
Jahrelang hat die rot-rotgrüne<br />
Koalition um die Novelle zum<br />
Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz<br />
(ASOG) gerungen. Dabei<br />
haben sich SPD,Linke und Grüne<br />
heftig zerstritten und die Verhandlungen<br />
mit taktischen Spielchen<br />
zwischenzeitlich fast ganz zum Erliegen<br />
gebracht.<br />
Es geht um Polizeirechte und Sicherheit<br />
auf der einen, um Bürgerund<br />
Freiheitsrechte auf der anderen<br />
Seite. Gerade in einer linken Koalition<br />
ist das keine einfache Aufgabe,<br />
besonders hart prallten in den Verhandlungen<br />
die Vorstellungen der<br />
Linken und der SPD aufeinander.<br />
Die SPD wollte nach dem Terroranschlag<br />
auf dem Breitscheidplatz<br />
2016 den Ermittlungsbehörden weitreichende<br />
Befugnisse erteilen und<br />
forderte unter anderem Telefonüberwachung,<br />
den finalen Rettungsschuss<br />
und elektronische Fußfesseln<br />
für Gefährder. Die Linken lehnen<br />
mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden<br />
traditionell ab.<br />
Jetzt haben zumindest die innenpolitischen<br />
Sprecher der drei Fraktionen<br />
im Abgeordnetenhaus mit Innensenator<br />
Andreas Geisel (SPD) in<br />
vielen Punkten Kompromisse gefunden.<br />
Bevor das Gesetz geschrieben<br />
werden kann, müssen die Fraktionen<br />
dem vonihnen erarbeiteten Beschlussvorschlag<br />
allerdings noch zustimmen<br />
– und ob diese Zustimmung<br />
in allen Punkten erfolgen<br />
wird, ist nicht sicher.Denn das Paket<br />
ist, das bestätigen dieVerhandler aus<br />
allen Parteien, ein echter Kompromiss,<br />
bei dem jede Partei ein paar<br />
Kröten schlucken muss.<br />
Die wichtigsten, bisher bekannten<br />
Punkte: Finaler Rettungsschuss<br />
und elektronische Fußfesseln sind<br />
gestrichen, ebenso die Videoüberwachung<br />
an kriminalitätsbelasteten<br />
Orten –alles drei Wünsche der SPD.<br />
Die Telekommunikationsüberwachung<br />
(TKÜ) zur Gefahrenabwehr<br />
soll hingegen kommen. Berlin<br />
ist zurzeit das einzige Bundesland,<br />
das die TKÜ noch nicht anwendet.<br />
Ein kritischer Punkt für Linke wie<br />
Grüne, sie rangen vor allem um die<br />
genaue Umsetzung. Stille SMS, mit<br />
denen die Polizei Verdächtige orten<br />
und Bewegungsprofile erstellen<br />
kann, lehnte die Verhandlungsrunde<br />
am Ende ab –wie vonden Linken gefordert.<br />
Eingesetzt werden können sollen<br />
aber sogenannte IMSI-Catcher, mit<br />
denen ebenfalls Standorte von Verdächtigen<br />
bestimmt und ihre Telefongespräche<br />
zugleich abgehört<br />
werden können. Vor allem in der<br />
Grünen-Fraktion könnte das auf Ablehnung<br />
stoßen. Denn im Gegensatz<br />
zur Stillen SMS erfassten die Catcher,<br />
die an einer Funkzelle angebracht<br />
werden, auch alle Handynummern<br />
in der direkten Umgebung, erklärt<br />
der innenpolitische Sprecher der<br />
Ökopartei, Benedikt Lux. „Es werden<br />
immer auch Nummernvon unbeteiligten<br />
Dritten erfasst. Aus meiner<br />
Sicht ist das grundrechtsintensiver<br />
als die Stille SMS.“ Er sei nicht sicher,<br />
wie die Fraktion sich dazu verhalte.<br />
Ebenfalls mit im Kompromiss-<br />
Paket: <strong>Berliner</strong> Polizisten sollen in<br />
Zukunft Bodycam tragen. Dieaufgenommenen<br />
Bilder sollen aber nicht –<br />
wie in anderen Bundesländern –lediglich<br />
der Polizei zur Verfügung stehen,<br />
sondern auch Betroffenen und<br />
dem unabhängigen Polizeibeauftragten,<br />
der schon im Januar eingeführtwerden<br />
soll.<br />
Klare Siegpunkte von Linken und<br />
Grünen: Die umstrittene Präventivhaft,<br />
mit der die Polizei Verdächtige<br />
festsetzen kann, auch wenn sie noch<br />
gar keine Straftaten begangen haben,<br />
soll zukünftig vonvier Tagen auf<br />
zwei Tage verkürzt werden. An sogenannten<br />
kriminalitätsbelasteten Orten<br />
–inBerlin zählen dazu zum Beispiel<br />
Alexanderplatz und Görlitzer<br />
Park –hat die Polizei weiterhin mehr<br />
Rechte als an anderen Orten, soll<br />
IMAGO/KAI HORSTMANN<br />
aber in Zukunft Menschen nicht<br />
mehr wegen des Verdachts auf „Verstoß<br />
gegen aufenthaltsrechtliche<br />
Strafvorschriften“ kontrollieren dürfen.<br />
Das befördere rassistisch motivierte<br />
Kontrollen, kritisieren Linke<br />
und Grüne seit Langem. Außerdem<br />
soll der Einsatz von V-Männern des<br />
Verfassungsschutzes in Zukunft von<br />
einem Richter abgesegnet werden.<br />
Nach Wunsch der Grünen sollen<br />
die Fraktionen rasch über das Paket<br />
entscheiden, das Gesetz soll dann im<br />
Januar geschrieben, noch im Februar<br />
eingebracht und im Juni beschlossen<br />
werden. „Wir stehen Millimeter<br />
vor einer Einigung“, sagt Benedikt<br />
Lux. Zurückhaltender äußern<br />
sich da noch die Gegenpole Linke<br />
und SPD: Man sei „vorsichtig, vorsichtig<br />
optimistisch“, sagt Niklas<br />
Schrader.Esfolge jetzt die Textarbeit,<br />
er wage keine Prognose,wie lange sie<br />
dauere. Frank Zimmermann, Innenexperte<br />
der SPD –die vonihrem ausladenden<br />
Wunschzettel vieles streichen<br />
musste –sagte lediglich: „Nach<br />
intensiven Beratungen haben wir einen<br />
Kompromiss gefunden. Alles<br />
anderemüssen wir abwarten.“<br />
Annika Leister<br />
findet die Kompromisse<br />
recht gelungen.<br />
Razzia in Bars<br />
und bei<br />
einem Friseur<br />
Polizisten und Bezirksamt<br />
machten Geschäfte dicht<br />
Erneut haben Polizei und andere<br />
Behörden einen Einsatz gegen<br />
Clans und Geldwäsche gefahren. Polizisten<br />
und Mitarbeiter verschiedener<br />
Behörden kontrollierten am<br />
Mittwochabend in Neukölln mehrere<br />
Bars und Cafés. Insgesamt sieben<br />
Lokalitäten bekamen Besuch<br />
von Beamten des Polizeiabschnitts<br />
55, Mitarbeitern des Zolls und des<br />
Bezirksamtes.<br />
Laut Polizei stellten die Kontrolleureinjeeinem<br />
Café in der Flughafen-<br />
und der Karl-Marx-Straße Drogenhandel<br />
fest. Sie beschlagnahmten<br />
35 Verkaufseinheiten Cannabis<br />
und eineVerkaufseinheit Kokain. Die<br />
Polizei machte beide Lokale dicht.<br />
In sechsvon sieben kontrollierten<br />
Lokalen stellten die Beamten Ordnungswidrigkeiten<br />
fest: Verstöße gegen<br />
das Jugendschutzgesetz, die<br />
Spielverordnung, das Sozialgesetzbuch<br />
und die Preisverordnung. Neben<br />
Drogen wurden unversteuerte<br />
Zigaretten, eine vierstellige Summe<br />
Geld und gefälschte Markenbekleidung<br />
beschlagnahmt.<br />
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InsVisier der Polizei sind auch die<br />
sogenannten Barbershops geraten –<br />
Friseurläden, die wie Pilze aus dem<br />
Boden schießen, und in denen die<br />
meisten Inhaber keinen Meisterbrief<br />
haben. Die Läden dienen oft der<br />
Geldwäsche. Einen solchen Laden<br />
suchten Polizisten am Mittwoch in<br />
der Schöneberger Dominicusstraße<br />
Laden auf. Nach Angaben der Polizei<br />
hat der Betreiber weder eine Konzession<br />
noch den Meisterbrief. Als die<br />
Beamten den Laden betraten, versuchte<br />
einer der Mitarbeiter, ein 25-<br />
jähriger Mann, zu flüchten.<br />
Dies verhinderten die Polizisten.<br />
Es stellte sich heraus, dass er illegal<br />
nach Berlin eingereist war und keine<br />
Arbeitserlaubnis hat. Die Polizisten<br />
schlossen den Laden und leiteten Ermittlungsverfahren<br />
ein. (kop.)<br />
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 13 *<br />
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Berlin<br />
Ohne Plastik, Tiere und Clown Zippo<br />
BERNHARD PAUL<br />
steht in der am Donnerstagabend im<br />
Tempodrom mit der Premiere eröffneten<br />
aktuellen Saison von seinem<br />
Roncalli-Weihnachtscircus selbst<br />
nicht in der Manege,obwohl sich das<br />
<strong>Berliner</strong> Publikum sicher über Auftritte<br />
von Clown Zippo („Bienchen,<br />
Bienchen –gib mir Honig!“) gefreut<br />
hätte.Die Familie des Chefs ist allerdings<br />
wieder gut im Programm vertreten.<br />
Seine drei Kinder Vivi, Lilli<br />
und Adrian treten mit eigenen Nummern<br />
auf und zeigen auch eine gemeinsame.<br />
Diese waghalsige Rollschuh-Nummer,<br />
die sie vor Jahren<br />
heimlich gemeinsam mit Jemile<br />
Martinez einstudierten, um ihren<br />
Vater damit zu überraschen, sorgt<br />
mit rasanten Nackenwirblern für<br />
Spannung im Zelt. Der 16. Roncalli-<br />
Weihnachtscircus in Berlin soll also<br />
ganz im Zeichen der kommenden<br />
Generationen stehen. Wassich auch<br />
an einigen Entscheidungen des<br />
Chefs ablesen lässt. So ist Bernhard<br />
Paul inzwischen stolz darauf, dass<br />
sein Zirkus plastikfrei ist und ohne<br />
Tiere anreist. Sein Zirkus trotzt der<br />
Sterbewelle der Branche, der Chef<br />
hat auch eine Ahnung, warum es so<br />
ist. Roncalli bietet eine Show für alle:<br />
„Kleine Kinder und Intellektuelle lachen<br />
bei uns an denselben Stellen.“<br />
DOLLYBUSTER<br />
liebt Zirkusbesuche: „Das ist doch<br />
immer sehr lustig hier!“ Über die Bewirtung<br />
ihrer Gäste zu Weihnachten<br />
muss der ehemalige Pornostar sich<br />
dieser Tage keine Gedanken mehr<br />
machen: „Das habe ich schon alles<br />
bei Bofrost bestellt.“ Allerdings gibt<br />
Dana Golombek ließ sich in der Pause<br />
überraschen.<br />
CHRISTIAN SCHULZ<br />
es ein Problem mit den Gänsekeulen:<br />
„Die werden nicht reichen, denn<br />
es wurde nur eine Packung geliefert.<br />
Da werde ich wohl mit Entenkeulen<br />
mischen müssen.“<br />
von Andreas Kurtz<br />
ak@andreaskurtz.net<br />
Der Roncalli-Weihnachtscircus feiert<br />
mit viel Prominenz seine Premiere.<br />
Die Kinder von Gründer Bernhard Paul<br />
stehen diesmal gemeinsam<br />
in der Manege<br />
MURIEL BAUMEISTER<br />
gehört schon lange zu den Roncalli-<br />
Stammgästen. Weil ihre Eltern mit<br />
Richard Hirzel, besser bekannt als<br />
Clown Pic, befreundet waren, durfte Roncalli-Gründer Bernard Paul mit seinen KindernVivi, Lili und Adrian CHRISTIAN SCHULZ<br />
Kam ebenfalls zu Roncalli: Martina Gedeck.<br />
IMAGO<br />
sie als Kind hinter die Kulissen<br />
schauen. Undwurde bei dieser Gelegenheit<br />
vom Zirkusvirus infiziert.<br />
Eine Begeisterung, die die Schauspielerin<br />
an ihre Kinder weitergegeben<br />
hat. „Für uns gehört Roncalli<br />
einfach zuWeihnachten.Voriges Jahr<br />
war die Premieresospät und wir waren<br />
schon nicht mehr in der Stadt –<br />
da hat uns wirklich was gefehlt.“ Die<br />
Schauspielerin kam in bester Laune<br />
ins Tempodrom: „Ich bin richtig gut<br />
drauf, denn ich bin dieses Jahr zur<br />
Bestsellerautorin geworden.“ Ihr<br />
Buch „Hinfallen ist keine Schande,<br />
nur Liegenbleiben“ verkauft sich mit<br />
Schwung. Ob deshalb dieses Weihnachten<br />
die Geschenke größer werden?<br />
Sielacht:„Nein, derVerlag rechnet<br />
erst im Maiab.“<br />
MICHAEL PREETZ<br />
kann dieser Tage besonders gut ausgehen,<br />
denn der Hertha-Manager<br />
muss nach dem Trainercoup,der die<br />
Verpflichtung vonJürgen Klinsmann<br />
war und nach zwei gewonnenen<br />
Spielen nicht mit blöden Bemerkungen<br />
rechnen. Die Roncalli-Show gefiel<br />
ihm und seinem Sohn. Komplett<br />
entspannen konnte der Papa allerdings<br />
nicht: „Samstag ist noch ein<br />
Spiel ...“ Nach dem Sieg ist vor dem<br />
Ungewissen.<br />
MARTINA GEDECK<br />
beweist sich alle Jahre wieder am<br />
Premierenabend als beste Tante der<br />
Welt, die ihren Neffen erstklassige<br />
Plätze verschafft. Der sechsjährige<br />
Theo und Anton, der schon zwölf ist,<br />
hatten Spaß. Tantchen aber auch:<br />
„Ich habe es als Kind geliebt, in den<br />
Zirkus zu gehen.“ Sie als Schauspielerin<br />
interessiertauch, was die Kollegen<br />
in der Manege machen: „Das ist<br />
immer auf sehr, sehr hohem Niveau.“<br />
Schauspielerin Dana Golombek<br />
freute sich in der Pauseübereine gelungene<br />
Überraschung im Programm:<br />
„Ich bin voll darauf reingefallen.<br />
Das war aber auch gut gemacht!“<br />
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14 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Berlin<br />
Schloss Charlottenburg<br />
Noch glänzen die Äpfel grün im Karton,<br />
doch bald schon sind sie von einer roten<br />
Glasur überzogen oder in dunkle Schokolade<br />
getaucht. Udo Wilms, 73, stellt die<br />
kleine Ladung Granny Smith auf der Ablage<br />
am Stand ab. Es ist Mittag und Vorbereitungszeit.<br />
In zwei Stunden ist der Osnabrücker<br />
wieder für die weihnachtlichen Düfte<br />
zuständig: Gebrannte Mandeln, Cashewnüsse,<br />
Macadema sowie Schokoladenfrüchte<br />
sind sein Geschäft.<br />
Wilms ist ein freundlicher Mann, mit<br />
nach hinten gekämmtem, dichtem, weißem<br />
Haar und dunkler Brille. Inseiner Outdoor-<br />
Jacke und dem Karohemd sieht er sportlich<br />
aus.Man könnte meinen, er ist zum Spaziergang<br />
ans Schloss Charlottenburg gekommen.<br />
Doch die kleinen Alleen mit den Buden<br />
am Barockschloss sind sein Arbeitsplatz –für<br />
die knapp fünf Wochen Weihnachtsmarkt.<br />
Seit mehr als 50 Jahren ist Wilms auf Jahrmärkten<br />
und Kirmessen unterwegs. Mit 19<br />
fragte er auf einem Rummel in Osnabrück,<br />
ob am Bierstand eine Aushilfe gebraucht<br />
werde. Der Chef, der noch ein halbes Jahr<br />
Udo Wilms ist seit 50 Jahren auf Jahrmärkten unterwegs.<br />
Die Mandeln brennt er selbst<br />
jünger war als er, stellte ihn ein und so begann<br />
ein Leben im Tross vonFahrgeschäften<br />
und Losbuden, zumeist in Niedersachsen<br />
und Nordrhein-Westfalen. In Berlin arbeitet<br />
Wilms seit 2008. Und wie ist die <strong>Berliner</strong><br />
Kundschaft? „Freundlich, außer denen, die<br />
aus Spandau kommen“, sagt er mit einem<br />
Lachen. „Was –vier Euro für die Mandeln?<br />
Diesind in Spandau billiger“, hieße es dann.<br />
DiePreise findet Wilms ganz und gar nicht<br />
zu hoch. Der Einkauf sei schon teuer und<br />
dann würden die Früchte ja auch verarbeitet.<br />
Er brennt die Mandeln und überzieht die<br />
Früchte mit heißer Schokolade,indem Stand<br />
wirdalles vorOrt frisch hergestellt. DieNussbrennmaschine<br />
steht direkt neben der Eingangstür<br />
zur Bude. Kupferfarben glänzt die<br />
innere Beschichtung. Die Arbeit ist schwer,<br />
denn bei der Röstung wird den Nüssen Wasser<br />
entzogen, das aufsteigt und die Haut an<br />
den Händen zum Platzen bringt. Wilms zeigt<br />
die kleinen Wunden an seinen Fingern. Sie<br />
werden erst nach Weihnachten heilen.<br />
Aber so ist das eben. Dennoch findet er<br />
seine Arbeit normal. „Es ist immer der gleiche<br />
Trott“, sagt er. Ein Job, doch einer, von<br />
dem er auch als Rentner nicht leicht wegkommt.<br />
Wenn der Chef ihn braucht, ist er<br />
da. „Aber nur noch im Winter“, betont er.<br />
Zu Hause wartet seine Frau. Anders als<br />
viele andere Menschen, die auf Jahrmärkten<br />
arbeiten, hat Wilms Familie. Als er mal<br />
wieder in Osnabrück Station machte, ging<br />
er nach der Arbeit in die Disco und fand<br />
sein Glück.<br />
Eine Seltenheit –vor allem, dass die Ehe<br />
gehalten hat. An Weihnachten kommt seine<br />
Frau nach Berlin und die beiden feiern zusammen.<br />
Kochen wollen sie nicht, aber das<br />
ist ein Problem, denn am 24. Dezember hat<br />
kaum ein Restaurant geöffnet. „Letztes Jahr<br />
waren wir in der Himmelspagode –das war<br />
sehr schön“, sagt er.Bis nach Hohen Neuendorfmussten<br />
die beiden fahren.<br />
Seit elf Jahren dasselbe Spiel. Fast ist<br />
Wilms zum Heiligabend-Restaurant-Experten<br />
geworden. Es ist der einzige Tag, an dem<br />
er mal was vonBerlin sieht. „Ich war auf dem<br />
Fernsehturm, sonst nirgends“, sagt er. Und<br />
jetzt muss er dringend weiter vorbereiten.<br />
Im<br />
Kalten<br />
für<br />
wohlige<br />
Stunden<br />
Breitscheidplatz<br />
Gendarmenmarkt<br />
Fernweh an den<br />
Kashmirschals<br />
Anna-Maria Buchmann jobbt am Breitscheidplatz.<br />
Wichtelmänner zur Studienfinanzierung<br />
Die beiden Frauen aus Marseille haben<br />
keinen Platz im Koffer für einen Kerzenhalter<br />
mit aufgesetztem Mobile.„Wirwürden<br />
es gern nehmen, können es aber nicht transportieren“,<br />
sagen sie bedauernd. Gut, dass<br />
Anna-Maria Buchmann, 21, fließend Französisch<br />
spricht. Sie zeigt den Frauen die<br />
schmale Verpackung der Tischdekoration<br />
und die beiden greifen zu. Neben ihnen steht<br />
eine junge Familie aus Italien, die ein buntes<br />
Gläschen für ein Teelicht ersteht. Rechts am<br />
Stand prüft ein älteres Ehepaar die Gewürzduftkerzen.<br />
Buchmanns Stand hat eine Toplage auf<br />
dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz:<br />
Er befindet sich kurz hinterm Zugang vom<br />
Europacenter auf der Seite des Tauentzien.<br />
Hier kommt fast jeder vorbei und das bunte<br />
Meer aus farbigen Lichternvor dunklem Hintergrund<br />
zieht viele an. Das ist gut für die<br />
junge Studentin mit grünen Augen und hochgesteckten<br />
Haaren, die hier arbeitet. Wenn<br />
das Geschäft gut läuft, kann sie nach Abschluss<br />
des Markts auf eine Provision hoffen.<br />
Doch bis dahin ist es noch lange hin, denn<br />
der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz<br />
hat bis zum 6. Januar geöffnet. Buchmann ist<br />
nur am Wochenende und einen Taginder<br />
Woche am Stand. Sie studiert Ökolandbau<br />
und Vermarktung in Eberswalde. „Mein<br />
Wunsch ist es, einen Bauernhof zu haben“,<br />
sagt sie. Ihr erstes Studium brach sie ab und<br />
ging für ein freiwilliges Jahr nach Frankreich,<br />
wo sie auf einem Ökobauernhof arbeitete.<br />
„Früher habe ich mir gesagt: Wenn ich älter<br />
bin, ziehe ich aufs Land“, sagt sie. Nach der<br />
Zeit in Frankreich wusste sie: Diesen Wunsch<br />
will sie sich soforterfüllen.<br />
Das Jobben zwischen Leuchtgläsern und<br />
Mützenwichtelkerzen ist wichtig, damit das<br />
klappt. Buchmann bekommt nur das Kindergeld<br />
zum Studium dazu. Undsosteht sie hinter<br />
dem Stand und achtet darauf, ob ein<br />
Kunde Hilfe braucht oder nur gucken will.<br />
„Ich bin niemand, der die Leute zuquatscht“,<br />
sagt sie. Erst wenn sie das Gefühl habe, dass<br />
jemand ihre Beratung möchte, klinkt sie sich<br />
ein.<br />
Zwei Engländerinnen sind an den Gewürzkerzen<br />
interessiert. Buchmann nimmt<br />
eine aus dem Regal hinter ihr und hält sie den<br />
Frauen zum Schnuppern hin. „Very Christmassy!“,<br />
freuen die sich und nehmen eine.Als<br />
sie weiterziehen, bleibt Buchmann fröstelnd<br />
zurück. Sie hustet und schnupft –eine Erkältung<br />
aus der erstenWoche des Markts.„An die<br />
Kälte werdeich mich nie gewöhnen“, sagt sie.<br />
Auch wenn es im Boden Heizplatten gibt.<br />
Wenn sie dicke Schuhe trägt, merkt sie davon<br />
nichts.<br />
Immer wieder treten Kunden an den<br />
Stand. Das lenkt ab. Einige fragen nach dem<br />
Anschlag vor drei Jahren. „Das ist häufig ein<br />
Thema.“ Auch die Polizeipräsenz fällt den Besuchernauf.<br />
Es ist kein Weihnachtsmarkt wie<br />
die anderen. Dafür sprechen auch die großen<br />
Barrieren, die überall aufgebaut worden sind.<br />
Kein einfacher Ort zum Arbeiten, aber<br />
Anna-Maria Buchmann macht das Beste<br />
draus. Sie erinnert sich an schöne Momente<br />
im vergangenen Jahr, ihrem ersten Jahr am<br />
Kerzenstand.„An Silvester gab es auf dem Europacenter<br />
ein Riesenfeuerwerk“, erzählt<br />
Buchmann. Dicht an dicht hätten die Menschen<br />
gestanden und in die Höhe geblickt.<br />
Ihre Freunde waren gekommen, um mit ihr<br />
das neue Jahr zu begrüßen. Das ist ein Moment,<br />
der ihr in Erinnerung bleiben wird.<br />
Majid Sultani verkauft Feines aus Wolle und Seide.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 15<br />
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Berlin<br />
Kulturbrauerei<br />
Der Glühwein wärmt, die<br />
Pilzpfanne brutzelt und der Duft<br />
der Lebkuchen weht einem um die<br />
Nase. Doch wer sind eigentlich die<br />
Menschen, die uns auf den<br />
Weihnachtsmärkten der Stadt bis<br />
zum Fest und mancherorts auch<br />
darüber hinaus diese schönen<br />
Stunden bereiten? Die den ganzen<br />
Taginder Kälte stehen und immer<br />
ein freundliches Wort haben.<br />
Wirstellen auf dieser Doppelseite<br />
fünf von ihnen vor<br />
VonMechthild Henneke(Text)<br />
und Thomas Uhlemann (Foto)<br />
Petra Sauerzapf ist eigentlich Übersetzerin.<br />
Finnischer Glögi mit spanischem Rotwein<br />
Es muss nicht immer Schreibtischarbeit<br />
sein, dachte sich Petra Sauerzapf vor gut<br />
15 Jahren und begann, in Finnland nach einem<br />
Rezept für ein Weihnachtsmarktgetränk<br />
zu suchen. „Dort gibt es in jedem Dorf, bald<br />
jeder Familie eigene Rezepte für den Glögi,<br />
den finnischen Glühwein“, sagt sie. Häufig<br />
sind das Beerensäfte, die mit Hochprozentigem<br />
vermischt werden. Die 61-Jährige kennt<br />
sich in dem Land bestens aus, denn sie ist<br />
Dolmetscherin und Übersetzerin für die<br />
Sprache. Eine finnische Freundin verriet ihr<br />
schließlich das Rezept ihrer Oma und damit<br />
kehrte Sauerzapf zufrieden nach Berlin zurück.<br />
Ausder Idee,mal was anderes zu machen,<br />
wurde ein Plan. Die große, blonde Frau holte<br />
ein paar Freunde an den Küchentisch. Sietesteten<br />
das feine Gesöff aus dem Norden und<br />
befanden es für gut. Bald war eine feste<br />
Gruppe gegründet, die gemeinsam auf dem<br />
Lucia-Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei<br />
inPrenzlauer Berg einen Glögi-Stand eröffnete.<br />
„Inzwischen sind wir zwölf Leute“,<br />
sagt Sauerzapf. DieSchichten werden geteilt,<br />
genauso wie der Gewinn.<br />
Der Glögi schmeckt würzig, ist aber nicht<br />
zu kräftig. Manhat den Eindruck, sein Aroma<br />
ist differenzierter,natürlicher als beim klassischen<br />
Glühwein. Drei Euro kostet ein Glas,<br />
mit Schuss sind es vier.Die Basis für den Glögi<br />
bildet spanischer Rotwein. Die Gewürzzutaten<br />
sind nicht viel anders als beim Glühwein:<br />
Ingwer,Vanille, Zitronen- und Orangenschalen,<br />
Zimt, Nelken, Kardamom und Sternanis.<br />
DieMischung macht’s und die wirdnatürlich<br />
nicht verraten, sagt Sauerzapf. Die Spirituosen<br />
für den Schuss sind ungewöhnlich: finnischer<br />
Likör aus Multebeere, Moosbeere oder<br />
Blaubeere, finnischer Wodka, Salkmiak- oder<br />
Minz-Likör.<br />
Da kann man sich schon durch einige Gläser<br />
durchprobieren. Am Stand herrscht Betrieb.„Wirdachten,<br />
wir machen das ein, zwei<br />
Jahre und dann ist es das“, sagt Sauerzapf.<br />
Weit gefehlt –seit 2004 ist der Glögi-Stand fester<br />
Teil des Lucia-Weihnachtsmarkts. „Der<br />
Glögi hat eine super Qualität. Er schmeckt<br />
sehr rein“, sagt ein Kunde. Dieses Kompliment<br />
freut Sauerzapf besonders. Schließlich<br />
geben sich die Freunde größte Mühe, den<br />
besten Glögi hinzubekommen. „Wir setzen<br />
uns in die Küche und probieren, bis wir lustig<br />
sind“, sagt Sauerzapf. Tetrapaks verwenden<br />
die Freunde keine. Der Glögi wird jedes Jahr<br />
neu angesetzt und schmeckt deshalb auch<br />
immer ein bisschen anders.Hinter Sauerzapf<br />
stehen drei große, weiße Kanister am Boden,<br />
die mit roter Flüssigkeit gefüllt sind. „An einem<br />
Samstag können schon mal 14 20-Liter-<br />
Kanister leer werden“, verrät sie.Das sind 280<br />
Liter oder 1400 Gläser. Kein schlechtes Geschäft.<br />
Kommt der Januar,werden aus den Glögi-<br />
Verkäufernwieder Rentner,Reisebüro-Mitarbeiter,<br />
Studenten oder eben Übersetzer für<br />
finnische Sprache.Der Elchkopf an der Rückwand<br />
des Stands und die Weihnachtsdeko<br />
aus dem fernen Norden wandern ineinen<br />
Karton. Bis Ende November ist wieder Bürojob<br />
angesagt, aber es kommt die Zeit, da wird<br />
in der Küche der Glögi gekocht.<br />
Ist es wegen der Schals oder ist<br />
es wegen Majid Sultani, dass<br />
die Menschen stehenbleiben?<br />
Aufjeden Fall fragt eine Besucherin<br />
des Weihnachtsmarkts am<br />
Gendarmenmarkt, ob sie ein<br />
Foto von dem 59-Jährigen machen<br />
dürfe. Der Mann aus Kashmir<br />
in Nord-Indien ist ein Hingucker<br />
–mit seinem langen, grauschwarz<br />
gelockten Bart und den<br />
blitzenden, dunklen Augen unterm<br />
Lederhut. Sultani weiß das<br />
und lässt die Frau das Foto schießen,<br />
„weil sie so freundlich gefragt<br />
hat“. Er ist schließlich auf<br />
dem Markt, um Geschäfte zu machen<br />
und nicht um die Passanten<br />
optisch zu beglücken.<br />
Vermutlich ist es das Gesamtpaket,<br />
das die Frau begeistert.<br />
Vor Sultani liegen Hunderte<br />
Schals aus feiner Wolle und Seide<br />
ausgebreitet, in allen Farben, die<br />
die Palette hergibt: von Purpur<br />
über Südsee-Blau bis zu Cremeweiß.<br />
Es ist schwer sich loszureißen,<br />
die Hände greifen nach den<br />
Schals, obwohl kleine Schilder<br />
warnen: Nicht berühren! Do not<br />
touch! Der Besuch an seinem<br />
Stand hat etwas Sinnliches. Sind<br />
wir noch in Berlin? Reiselust wird<br />
geweckt nach fernen Ländern<br />
mit Märkten und Bazaren.<br />
Und dann noch die Kälte! Sie<br />
fordert einen geradezu dazu auf,<br />
den altbekannten Schal, der<br />
vorm Rausgehen achtlos um den<br />
Hals geschlungen wurde, durch<br />
feines Webgut vonSultanis Tisch<br />
zu ersetzen. „Alles kommt original<br />
aus Kashmir“, sagt er und<br />
verweist auf das Paisley-Muster<br />
im Schal, den er vor sich ausgebreitet<br />
hat. „So, wie in Europa<br />
Blumen zur Verlobung geschenkt<br />
werden, schenkt der<br />
Mann der Frau in Indien zur Verlobung<br />
einen Schal mit Paisley-<br />
Muster“, erzählt der Händler.<br />
Die Paisley-Form ähnele einer<br />
Mandel und diese sei ein typisches<br />
Hochzeitsgeschenk.<br />
Eine Amerikanerin tritt an<br />
den Tisch und wählt einen<br />
Schal, der sie durch die kalten<br />
Winter in der Hauptstadt Washington<br />
bringen soll. „Das ist<br />
sehr gut“, bestärkt Sultani sie.<br />
Die Wolle atme und dadurch sei<br />
sie angenehm zu tragen. Um<br />
den Vergleich zu Polyester deutlich<br />
zu machen, hat er einen<br />
Schal aus diesem Material hinter<br />
sich liegen, den die Kunden<br />
in die Hand nehmen dürfen, um<br />
sich zu überzeugen.<br />
Er ist ein guter Verkäufer,<br />
weiß genau, wann er Argumente<br />
bringen, wann er schweigen<br />
muss. Die Preise sind ordentlich:<br />
zwischen 25 und 150 Euro<br />
liegen sie. Ein handgestickter<br />
Schal mit Blumenmuster bringt<br />
den höchsten Preis. Wer über<br />
100 Euro anlegt, bekommt<br />
schon ein kleines Kunstwerk,<br />
das sicher an jedem Hals bewundert<br />
wird. Ein Beamter aus<br />
einer nahen Behörde gesteht,<br />
dass er jedes Jahr bei Sultani<br />
zwei, drei Schals für seine Frau,<br />
den Sohn oder sich selbst kauft.<br />
Sultani hat seine Berufung<br />
gefunden. Vor einem Vierteljahrhundert<br />
kam er, verliebt in<br />
eine Deutsche, nach Berlin. Er<br />
probierte sich im Einzelhandel,<br />
auf Baustellen, in einer Tischlereiund<br />
sogar in einem Kraftwerk<br />
aus. Nirgends war er so zufrieden<br />
und erfolgreich wie hinter<br />
dem Marktstand, den er seit<br />
mittlerweile 17 Jahren betreibt.<br />
Gibt es Schals, die er ungern<br />
hergäbe? „Ja, drei“, sagt Sultani<br />
und lacht. Die hat er zu Hause.<br />
Sie hängen als Dekoration an<br />
seiner Wand –so, wie das in Indien<br />
mit besonders wertvollen<br />
Stücken üblich ist.<br />
Vladimir Krivickij bietet das russische Kinderspielzeug an.<br />
Matrjoschkas, die Geschichten erzählen<br />
Die Armee aus Lindenholz ist bunt und<br />
sieht die Passanten magnetisch an.<br />
Kleine und große Püppchen, in Rot, Türkis,<br />
Dunkelblau, Grün und Gelb stehen aufgereiht<br />
auf der Etalage.ZweiTage brauchtVladimir<br />
Krivickij, 57, um die Truppen in Stellung<br />
zu bringen. Es sind aber keine Soldaten, die<br />
auf dem Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz<br />
neben U-Bahn-Eingang und Straßenbahnschienen<br />
in Reih und Glied stehen. Es<br />
sind kleine Matrjonas, Mütterchen, auf Russisch:<br />
Matrjoschkas.<br />
Siewecken Glücksgefühle und Erinnerungen<br />
und das ist Krivickij durchaus bewusst.<br />
Seine Auslage trifft die Nostalgischen, die<br />
Mütter und Großmütter, die Liebhaberinnen<br />
und Liebhaber russischer Märchen an ihrer<br />
empfindlichsten Stelle: der Sehnsucht nach<br />
dem Einfachen und Schönen.<br />
Vor mehr als 100 Jahren tauchten die<br />
Matrjoschkas zum ersten Mal auf. Ende des<br />
19. Jahrhunderts entwarfen zwei russische<br />
Künstler sie, inspiriert von japanischem<br />
Spielzeug. Die Idee mit der Puppe, inder<br />
Puppe, inder Puppe war allerdings original<br />
russisch. Auf Krivickijs Tisch gibt es Varianten<br />
von vier bis 13 Püppchen, die ineinander<br />
stecken. Sie kosten zwischen sieben<br />
und 390 Euro.<br />
Die teuersten sind sehr groß und haben<br />
wunderschöne Blumen auf ihrem Kleid.<br />
„Daran kann man erkennen, woher die<br />
Puppen stammen. Dieses Muster ist typisch<br />
für die Stadt Kirow“, sagt er und zeigt auf die<br />
aufgeblühten Rosen. Eine andere Puppe<br />
trägt ebenfalls eine Rosendekoration –doch<br />
die Blätter sind anders gestaltet. „Das ist typisch<br />
für Semjonow bei Nischni Nowgorod.“<br />
Fragt man ihn, ob mehr Kinder oder Erwachsene<br />
mit den Matrjoschkas spielen,<br />
sagt er vage: „Fünfzig –fünfzig.“ Krivickij<br />
legt sich ungern fest. Der Russe kam vor 15<br />
Jahren nach Deutschland, versuchte sich in<br />
russischen Lebensmitteln, hat Bonbons auf<br />
Märkten verkauft, Geschenkartikel, Socken<br />
oder Taschen. „Dann habe ich gemerkt: Die<br />
Matrjoschkas sind besser“, erzählt er.<br />
Er spezialisierte sich auf das Kinderspielzeug<br />
und importiertesaus Kirow, einer Stadt,<br />
die 900 Kilometer östlich von Moskau, aber<br />
noch westlich vom Ural liegt. Dort werden<br />
Alexanderplatz<br />
handbemalte Matrjoschkas traditionell gefertigt.<br />
Undwer an dem Stand genau hinschaut,<br />
sieht, dass jedes Püppchen anders guckt und<br />
die Bäckchen mal richtig rot und mal nur<br />
leicht rosa sind.<br />
Werden Tisch genauer studiert, entdeckt<br />
auch, dass die Püppchen ganze Märchen erzählen.<br />
In einer Reihe stehen die Figuren aus<br />
dem Märchen „Die Rübe“, in dem es darum<br />
geht, dass ein Rübchen gezogen werden soll.<br />
Doch weder der Großvater, noch die Großmutter,<br />
noch ein Mädchen, noch ein Hündchen,<br />
noch ein Kätzchen schaffen es.Erst ein<br />
Mäuslein kommt auf die rettende Idee: Es<br />
müssen sich alle bei den Händen fassen und<br />
gemeinsam ziehen. So kommt die Rübe aus<br />
der Erde raus.<br />
Eine ältere Dame aus Friedrichshain beginnt<br />
zu schwelgen, als sie die Märchen-<br />
Matrjoschkas entdeckt. Die Geschichten aus<br />
alten Zeiten tauchen vorihrem inneren Auge<br />
auf. Jetzt nimmt sie erst mal eine Drei-Puppen-Variante<br />
für ihreEnkeltochter Ronja mit.<br />
„Sie ist erst zwei Jahre“, sagt sie ein bisschen<br />
entschuldigend, und fügt hinzu: „Ich kaufe<br />
das auch für mich.“
16 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Brandenburg<br />
Fischadler mit Beute: Vondiesen Tieren hat Brandenburg seit 2004 auch einige Jungvögel nach Spanien exportiert.<br />
IMAGO IMAGES<br />
„Jeder Mensch braucht einen Vogel“<br />
Serie zur Vogelwelt in Brandenburg, Teil 5: Günter Lohmann gehört zu den vielen Ehrenamtlichen, die sich um gefährdete Arten kümmern –bei ihm sind es Adler<br />
VonJens Blankennagel, Tremmen<br />
Etwas sehr Nützliches für<br />
Menschen kann auch negative<br />
Seiten für die Natur<br />
haben. Aber selbst dann<br />
lässt sich daraus etwas Gutes machen.<br />
Oder besser gesagt: Wenn eine<br />
technische Errungenschaft für Vögel<br />
eine Gefahr darstellt, muss man so<br />
lange daran arbeiten und die Verantwortlichen<br />
überzeugen, bis die Sache<br />
für die Vögel kein Problem mehr<br />
darstellt. Das jedenfalls ist die Meinung<br />
vonGünter Lohmann.<br />
Die Stromkonzerne überzeugt<br />
Der 73-Jährige steht zwischen drei<br />
Windrädern im Kreis Havelland –<br />
westlich von Berlin –und zeigt auf<br />
eine Überlandleitung am Horizont.<br />
„Die wurde bereits zu DDR-Zeiten<br />
gebaut“, sagt der Mann aus Ketzin.<br />
„Diese 380-KV-Leitung kommt aus<br />
Magdeburg, geht hier in der Nähe an<br />
Tremmen vorbei und dann weiter in<br />
Richtung Spandau. Die Leitung<br />
diente von Anfang an dazu, West-<br />
Berlin mit Strom zuversorgen.“ Das<br />
Negative ist, dass sich vor allem<br />
große Vögel wie Adler gern auf solchen<br />
Masten ihre Horste bauen. Vor<br />
100 Jahren wohnten sie meist noch<br />
in Baumwipfeln. Doch 1938 wurde<br />
erstmals in der Nähe vonTemplin in<br />
Nordbrandenburg gesehen, dass<br />
Fischadler ihr Nest auf einem Strommast<br />
angelegt hatten. Inzwischen<br />
befinden sich zwei Drittel aller<br />
Horste auf solchen Masten.<br />
Der erste Nachteil daran ist, dass<br />
die Tiere einen Stromschlag bekommen<br />
und sterben können. Der<br />
zweite Nachteil ist, dass die Horste<br />
auf den Masten oft nicht stabil genug<br />
sind und vondenWinterstürmen heruntergeweht<br />
werden. „Wir haben<br />
uns gefragt: Können wir solche Masten<br />
auch nutzen, um Vögel zu schützen,<br />
die vom Aussterben bedroht<br />
sind“, sagt Lohmann.<br />
Die Ehrenamtlichen sorgen dafür,<br />
dass stabile Nisthilfen auf den<br />
Masten gebaut werden. Es sind angeschweißte<br />
Stahlkonstruktionen<br />
mit einer Fläche von90mal 90 Zentimetern.<br />
Als Lohmann 1986 anfing,<br />
sich um die Fischadler zu kümmern,<br />
gab es gerade einmal zwei Brutpaare<br />
in seinem Revier.Die reicht vonBerlins<br />
Grenze in Spandau bis nach<br />
Sachsen-Anhalt. „Inzwischen haben<br />
wir hier im Havelland 60 Nisthilfen<br />
gebaut“, sagt er nicht ohne Stolz:<br />
„Die Zahl der Brutpaare steigerte<br />
sich über die Jahrzehnte auf derzeit<br />
Brandenburg: Drei Arten<br />
sind in dem Bundesland heimisch:<br />
Seeadler,Fischadler<br />
und Schreiadler.2013<br />
wurde auch ein Steinadler<br />
gesehen, aber nur einmal.<br />
Adler wollen bei der Aufzucht<br />
ihrer Jungen möglichst ungestörtsein.<br />
Aber ruhigeAreale<br />
gibt es immer weniger.<br />
etwa 50. Im Jahr 2019 haben wir 122<br />
Jungtieregezählt.“<br />
Lohmann sagt aber auch, dass<br />
diese Erfolge nicht nur auf das Konto<br />
der professionellen Vogelschützer<br />
vom Landesumweltamt gehen und<br />
auf das der ehrenamtlichen Vogelschützer,<br />
sondern dass die Erfolge<br />
letztlich auch den regionalen Energieversorgern<br />
zu verdanken sind.<br />
Die haben sich überzeugen lassen,<br />
dass sie einen wichtigen Beitrag<br />
beim Vogelschutz leisten können.<br />
„Unser Energieversorger, die Edis<br />
ADLER<br />
Gefährdet: Etliche Adler<br />
sterben auch auf ihrem Flug<br />
in die Überwinterungsgebiete<br />
in Afrika. Der Grund dafür:InRegionen<br />
wie der Südtürkei,<br />
in Syrien, Libanon<br />
und Ägypten gilt es für nicht<br />
wenigeJäger als Statussymbol,<br />
Greifvögel zu schießen.<br />
Auch wenn es illegal ist.<br />
Serie: In unserer Serie zeigenwir,wie<br />
gut das Land<br />
rings um Berlin für Vögel<br />
geeignet ist. Wirstellen<br />
staatliche und ehrenamtliche<br />
Vogelschützer vor.<br />
Alle Teile der Serie finden<br />
Sie im Internet unter:<br />
www.berliner-zeitung.de<br />
AG,bezahlt bei uns die Kosten für die<br />
Nisthilfen und zahlt auch für zwei<br />
Leute, die zwei Wochen im Jahr mit<br />
mir unterwegs sind und auf die Masten<br />
steigen, um die Jungtiere zuberingen“,<br />
sagt er. Der 73-Jährige darf,<br />
seit er 65 Jahreist, nicht mehr hoch.<br />
Auf die Frage, wie er zum Vogelschutz<br />
gekommen ist, erzählt Lohmann,<br />
dass er früher mal Lehrer für<br />
Biologie und Sportwar.„Ichsage immer:<br />
Jeder Mensch braucht einen<br />
Vogel, besonders wir Biologen.“ Dabei<br />
hatte er nie einenVogel zu Hause.<br />
Fischadler gehören schon immer<br />
zu seinen Lieblingsvögeln, um die er<br />
sich nun vor allem kümmert. Für<br />
diese Tiereist er in den Weiten Brandenburgs<br />
ständig unterwegs.Und er<br />
nimmt die Sache sehr ernst, obwohl<br />
er als Ehrenamtlicher dafür kein<br />
Geld bekommt. „Früher,als ich noch<br />
gearbeitet habe, konnten wir immer<br />
erst im August in den Urlaub fahren,<br />
weil dann die Brutzeit der Vögel abgeschlossen<br />
war.“<br />
Immer wenn der Winter vorbei<br />
ist, fährt erzuden Bruthilfen, kontrolliert,<br />
ob sie vom Sturm beschädigt<br />
wurden und sorgt dafür,dass die<br />
Edis-Mitarbeiter sie wieder reparieren.<br />
Ab Mitte Märzkommen die ersten<br />
Adler aus ihren Überwinterungsgebieten<br />
zurück und brüten. Lohmann<br />
schaut dann regelmäßig mit<br />
seinem Fernglas auf den Ringen<br />
nach, woher sie kommen. Er kontrolliert,<br />
ob die Jungen genügend<br />
Futter bekommen. Ob sich Jungtiere<br />
im Bindegarn von den Feldern verfangen<br />
haben und die Krallen beider<br />
Beine so verknotet sind, dass sie<br />
nicht überleben würden. Dann müssen<br />
die Knoten von Lohmanns Helfernaufgeschnitten<br />
werden.<br />
Und die Belohnung für all den<br />
Einsatz, für die Stunden im Auto und<br />
an den Nisthilfen? Lohmann lächelt<br />
und erzählt vom Beringen der Jungtiere.<br />
Siebekommen einen „Hiddensee-<br />
Ring“ vonder für Fischadler zuständigen<br />
Station auf der Ostseeinsel.<br />
Aber Lohmann bringt immer<br />
noch einen zusätzlichen Plastikring<br />
mit einer speziellen Kombination<br />
aus Buchstaben und Zahlen an.Viele<br />
Vogelfreunde haben ein Spektiv dabei,<br />
also ein starkes Fernrohr. Damit<br />
können sie auf den Ringen die Codes<br />
lesen und herausbekommen, in welchem<br />
Revier das Tier brütet.<br />
Fotos aus Westafrika<br />
„Ich bekomme immer mal Fotos zugeschickt<br />
von einem meiner Fischadler<br />
–eines wurde in Dakar aufgenommen,<br />
in Zentralafrika. Andere<br />
Adler vonmir wurden in Holland gesehen,<br />
in Belgien, in Frankreich oder<br />
im Senegal“, sagt er stolz.<br />
Die Erlaubnis, Adler zu beringen,<br />
hat er 1974 bekommen. Inzwischen<br />
hat er so 2000 Adler gekennzeichnet.<br />
Wie schätzt Günter Lohmann die<br />
eigene Arbeit und die der ungezählten<br />
freiwilligen Vogelfreunde ein.<br />
„Ganz einfach: Ohne Leute wie uns<br />
hätten sich zum Beispiel hier in dieser<br />
Region nicht so viele Fischadler<br />
angesiedelt.“<br />
Wichtige Information für unsere Anzeigenkunden:<br />
Vorgezogener<br />
Anzeigenschluss<br />
nach Weihnachten2019<br />
Erscheinungstag Anzeigenschluss Rubrik<br />
Freitag, 27.12.2019<br />
Montag, 23.12.2019, 10 Uhr<br />
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Telefon: 030 2327-50, Fax: 030 2327-6697<br />
E-Mail: anzeigen@berlinerverlag.com<br />
Am 25.12 und26.12.2019<br />
erscheintdie<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> nicht.<br />
alle Rubriken<br />
Drei Polizisten waren bei Uniter<br />
Dem Verein wird vorgeworfen, Verbindungen zu Rechtsextremen zu haben<br />
VonJens Blankennagel, Potsdam<br />
InBrandenburg sind bislang drei<br />
Fälle von Polizisten bekannt, denen<br />
Verbindungen zum Verein Uniter<br />
vorgeworfen werden. Der Verein<br />
soll Verbindungen in die rechtsextreme<br />
Szene haben. Am Mittwoch<br />
hatte die Polizei-Hochschule mitgeteilt,<br />
dass ein Dozent seine Mitgliedschaft<br />
bei Uniter aufgegeben hat. Am<br />
Donnerstag gab das Polizeipräsidium<br />
bekannt, dass die Polizeiführung<br />
aktuell von keinen weiteren<br />
Mitgliedschaften weiß. Aber es habe<br />
davor zwei Fälle von Beamten mit<br />
Uniter-Verbindung gegeben.<br />
So habe eine staatliche Behörde<br />
der Polizeiführung im Sommer 2019<br />
die Mitgliedschaft eines Beamten<br />
mitgeteilt. „Nach einem Gespräch<br />
durch die Interne Revision des Polizeipräsidiums<br />
mit dem Beamten,<br />
das sofort nach Bekanntwerden seiner<br />
Mitgliedschaft mit ihm geführt<br />
worden ist, hat dieser bereits im<br />
Sommer dieses Jahres seine Mitgliedschaft<br />
gekündigt und ist damit<br />
aus dem Verein ausgetreten“, sagte<br />
Polizeisprecher Torsten Herbst.<br />
Ein zweiter Polizist gab nach einem<br />
Gespräch im Sommer die Mitgliedschaft<br />
auf. Er war damals Student<br />
an der Hochschule. Heute arbeitet<br />
er im Polizeipräsidium.<br />
Bei Uniter handelt es sich um einen<br />
Verein, der für eine Regierungskrise<br />
in Sachsen-Anhalt gesorgt hat,<br />
weil der CDU-Politiker Robert Möritz<br />
vergangene Woche einräumen<br />
musste, dass er in den Verein Mitglied<br />
war und auch 2011 als Ordner<br />
bei einer Neonazi-Demo.<br />
Der Brandenburger Dozent ist<br />
nach Angaben der Hochschule weiter<br />
im Dienst. Er ist seit 28 Jahren bei<br />
der Polizei. Er sei zu DDR-Zeiten „als<br />
Angehöriger des damaligen Ministeriums<br />
für Staatssicherheit der DDR“<br />
zum Kriminalistik-Studium an der<br />
Humboldt-Uni entsandt worden. Er<br />
lehre seit 2006 an der Polizeihochschule.Nach<br />
Angaben der Schule gilt<br />
er als allgemein anerkannt. Im Rahmen<br />
von EU-Missionen war er 2012<br />
und 2013 im Kosovo und in Georgien<br />
eingesetzt. Hochschulpräsident Rainer<br />
Grieger sagte: „Ich habe nach in-<br />
Anzeige<br />
Lesen Sie am Wochenende<br />
Reise<br />
OstseeinselGotland:<br />
Schatzkästlein im blauen Meer<br />
Auf der ManufakTour:<br />
Handwerkliche Erlebnisroute<br />
tensiven Prüfungen und persönlichen<br />
Gesprächen mit dem Dozenten<br />
bisher keine Veranlassung gesehen,<br />
ihn von seiner Aufgabe zu entbinden.“<br />
Der Mann habe erkannt, dass<br />
er seine Mitgliedschaft in demVerein<br />
aufgeben sollte.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 17<br />
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Gesundheit<br />
Gesünder naschen<br />
Überraschende medizinische Erkenntnisse über die süßen Verlockungen unter dem Weihnachtsbaum<br />
VonMichael Timm<br />
Die bunten Teller sind gefüllt.<br />
Lebkuchen, Zimtsterne,<br />
Plätzchen und<br />
Dominosteine haben<br />
Hochsaison. Weihnachten ohne<br />
Schokolade? Undenkbar! Doch<br />
schon meldet sich das schlechte Gewissen:<br />
Nasch nicht so viel! Aber gilt<br />
das auch an den Feiertagen? Ist<br />
Naschen wirklich ungesund? Oder<br />
hat Schokolade vielleicht auch ein<br />
paar gute Seiten?<br />
Ernährungswissenschaftlerin<br />
Birgit Alteheld von der Universität<br />
Bonn beruhigt alle Leckermäuler:<br />
„Zu Weihnachten dürfen Sie ruhig<br />
mal sündigen. Genießen Sie die<br />
Schokolade. Das Naschen wirkt positiv<br />
auf die Psyche, man fühlt sich<br />
wohl. Außerdem enthält Schokolade<br />
in derTateine ganzeReihe wertvoller<br />
Substanzen, die gut für unseren Körper<br />
sind. Undwenn Siesich den Rest<br />
des Jahres vernünftig ernähren, können<br />
auch ein paar Schoko-Nikoläuse<br />
und andere Leckereien vom bunten<br />
Teller über die Feiertage nicht schaden.“<br />
Wassagt die Figur dazu?<br />
Kein schlechtes Gewissen muss man haben, wenn man bei Zimtsternund Co. in Maßen zugreift.<br />
Auch Ärzte wissen: Wenn man mal<br />
ausnahmsweise vom hohen Zuckergehalt<br />
der leckeren Knabbereien absieht<br />
und solange Diabetiker ihre<br />
Werte imGriff haben, spricht nichts<br />
gegen Schoko-Nikoläuse und andere<br />
süßeVersuchungen. In der medizinischen<br />
Fachliteratur finden sich sogar<br />
zahlreiche interessante Studien über<br />
die gesundheitlichen Vorteile von<br />
Schokolade, Mandeln und anderen<br />
Leckereien. Wenn der Zucker nicht<br />
wäre, könnte Schokolade sogar als<br />
Naturheilmittel durchgehen.<br />
Wassagt die Figur dazu? Tatsache<br />
ist: Zu viel Schokolade macht dick,<br />
denn sie besteht hauptsächlich aus<br />
Zucker und Fett. Eine 100-Gramm-<br />
Tafel hat etwa 550 Kilokalorien.<br />
Schon vier Tafeln würden den Energiebedarf<br />
eines erwachsenen Menschen<br />
decken. „Für den Körper ist es<br />
jedoch viel wichtiger, dass Sie sich<br />
zwischen Neujahr und Weihnachten<br />
gesund ernähren“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin.<br />
„Da spielt<br />
die Woche zwischen Weihnachten<br />
und Neujahr kaum eine Rolle. Außerdem<br />
gibt es Alternativen. Bitterschokolade<br />
hat zum Beispiel weniger<br />
Kalorien als weiße Schokolade,<br />
weil der Zuckeranteil geringer ist.“<br />
Dafür ist Schokolade mit einem<br />
hohen Milchanteil weniger schädlich<br />
für die Zähne. Denn Milch enthält<br />
kariesvorbeugende Substanzen<br />
wie Kasein, Kalzium und Phosphate.<br />
Allgemein gilt aber:Wegen ihres hohen<br />
Zuckergehaltes und der langen<br />
Verweildauer im Mund greift Schokolade<br />
die Zähne an.<br />
Dennoch: der Zucker liefert auch<br />
schnell verwertbare Energie. In<br />
Stresssituationen greifen viele Menschen<br />
automatisch zu einem Stück<br />
Schokolade. Heißhunger auf Schokolade<br />
–wer kennt das nicht? Und<br />
die Zähne lassen sich ganz einfach<br />
schützen: Wer sie regelmäßig und<br />
gründlich putzt, hat in der Regel<br />
nichts zu befürchten. Japanische<br />
Forscher der Universität in Osaka<br />
fanden zudem heraus: Die Schale<br />
der Kakaobohne, dem Hauptbestandteil<br />
vonSchokolade,wirkt antibakterizid<br />
und schützt vor Zahnbelägen<br />
und Zahnausfall.<br />
Medizinisch gesehen hat der Kakao<br />
noch zahlreiche weiteregünstige<br />
Eigenschaften: Schokolade enthält<br />
mehr Flavonoide als Rotwein,<br />
schützt dadurch Herz und Gefäße,<br />
kann sogar Infarkte und Schlaganfälle<br />
verhindern. Einer der Gründe<br />
dafür: Flavanol erweitert die Blutgefäße.<br />
Dr. Roberta Hold von der University<br />
of California in Davis: „Nach<br />
dem Verzehr von25Gramm Schokoladen-Chips,stieg<br />
die Flavanol-Konzentration<br />
im Blut deutlich an und<br />
verhinderte messbar das Zusammenkleben<br />
von Blutplättchen“. Da<br />
macht der Schoko-Nikolaus fast<br />
schon dem guten alten Aspirin Konkurrenz.<br />
Die gefäßerweiternden Eigenschaften<br />
von Flavanol könnten<br />
auch dafür verantwortlich sein, dass<br />
Kakao und Schokolade bei manchen<br />
älteren Bluthochdruck-Patienten<br />
zu einem Rückgang sowohl<br />
des systolischen als auch des diastolischen<br />
Blutdrucks führen. In einer<br />
Untersuchung bei älteren Männern<br />
bestand ein umgekehrter Zusammenhang<br />
zwischen Kakaoaufnahme<br />
und Blutdruckentwicklung.<br />
IMAGO<br />
Also je mehr Schokolade sie aßen,<br />
desto geringer war ihr Blutdruck.<br />
Eine deutliche Senkung des Blutdrucks<br />
durch Schokoladenkonsum<br />
zeigt sich auch bei Personen mit<br />
hochnormalen oder leicht erhöhten<br />
Blutdruckwerten.<br />
Die Kakaomenge und die Menge<br />
an konzentrierten Flavanolen, die<br />
in diesen Untersuchungen eingesetzt<br />
wurden, waren jedoch viel höher<br />
dosiert, als dies bei Schokolade<br />
der Fall ist. In einer Hypertonie-Studie<br />
erhielten die Teilnehmer beispielsweise<br />
täglich im Durchschnitt<br />
670 Milligramm Flavanole.Das wiederum<br />
entspricht dem Gehalt von<br />
zwölf Tafeln dunkler oder 50 Tafeln<br />
Vollmilch-Schokolade.<br />
Eine schwedische Studie zeigte<br />
eine Reduktion des Schlaganfallrisikos<br />
durch Schokoladenkonsum bei<br />
Frauen. Ein um50Gramm pro Woche<br />
erhöhter Schokoladenkonsum<br />
verringerte das Risiko von Hirninfarkt<br />
und vonakuten Hirnblutungen<br />
um 27 Prozent, und das allgemeine<br />
Schlaganfallrisiko um 14 Prozent.<br />
Eine andere neurologische Studie<br />
kam zu dem Ergebnis, dass auch<br />
Männer von Schokolade profitieren.<br />
Ihr Schlaganfallrisiko wurde durch<br />
erhöhten Schokoladenkonsum<br />
(mindestens 50 Gramm pro Woche)<br />
um 17 Prozent reduziert.<br />
Anregend fürs Nervensystem<br />
Unbestritten ist, dass zu viel Schokolade<br />
zu Übergewicht führen kann.<br />
Trotzdem scheint zumindest dunkle<br />
Schokolade mit einem Kakao-Anteil<br />
von 60bis 70 Prozent den Cholesterinspiegel<br />
positiv beeinflussen zu<br />
können, indem sie die schädlichen<br />
LDL-Werte senkt und die positiven<br />
HDL-Werte erhöht.<br />
Weiterer Effekt: Schokolade wirkt<br />
anregend auf das Zentralnervensystem,<br />
nicht zuletzt auch wegen des in<br />
ihr enthaltenen Koffeinanteils. Es<br />
kommt daher nicht von ungefähr,<br />
wenn man Schokolade als „Nervennahrung“<br />
bezeichnet. „Das Koffein<br />
wiederum wirkt auch harntreibend,<br />
ist also auch gut für die Nieren“, sagt<br />
Birgit Alteheld.<br />
Am wichtigsten jedoch zu Weihnachten:<br />
Schokolade macht glücklich!<br />
Auch das ist inzwischen wissenschaftlich<br />
bewiesen. Denn Schokolade<br />
enthält Tryptophan. Ein Stoff,<br />
der den Serotoninspiegel im Gehirn<br />
anhebt.<br />
Dadurch wirkt Schokolade wie<br />
ein mildes Antidepressivum in der<br />
düsteren Winterzeit. Dabei hilft wieder<br />
der Zuckergehalt. Denn Zucker<br />
ist der Treibstoff unseres Gehirns –<br />
und stimuliert damit auch die Umwandlung<br />
von Tryptophan in das<br />
Glückshormon Serotonin. Außerdem<br />
werden beim Genuss vonSchokolade<br />
Endorphine freigesetzt, die<br />
berühmten Wohlfühl-Hormone. Sie<br />
heben nicht nur die Stimmung und<br />
sorgen für mehr Energie, sondern<br />
vermindern sogar die Schmerzempfindlichkeit.<br />
Also: Beruhigen SieIhr schlechtes<br />
Gewissen, greifen Sie zu. Der<br />
Schoko-Nikolaus hält Siegesund!<br />
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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Lokalsport<br />
Tritt an diesem Wochenende zur nationalen Olympiaqualifikation in Kienbaum an: Abdulrahman Abu-Lubdeh. OSTKREUZ/SEBASTIAN WELLS (2)<br />
Abuds Welt<br />
Nach einem Schicksalsschlag hat der Boxer Abdulrahman Abu-Lubdeh seine Gedanken geordnet. Sein Ziel ist die Qualifikation für Olympia 2020 in Tokio<br />
VonKarin Bühler<br />
Klar, Dehnen gehört dazu.<br />
Auch das kann wehtun. Abdulrahman<br />
Abu-Lubdeh<br />
sitzt im Boxring seinem<br />
Kumpel Murat Yildirim gegenüber,<br />
die Beine zu einem breitenVgeöffnet.<br />
Er kneift die Augen zusammen, verzieht<br />
das Gesicht, weil die Sehnen in<br />
den durchgedrückten Beinen<br />
schmerzen, während Murat seinen<br />
Oberkörper an den Armen nach<br />
vornezieht. Als Boxer muss er beweglich<br />
sein, schnell auf den Beinen, tänzeln<br />
können, wenn es sein muss.<br />
UndandiesemWochenende muss<br />
es sein. Denn von Donnerstag bis<br />
Sonnabend hat der Deutsche Boxsport-Verband<br />
(DBV) die nationale<br />
Olympia-Qualifikation im Trainingszentrum<br />
Kienbaum terminiert. Im Irgendwo<br />
einer Turnhalle ganz hinten<br />
auf dem Sportgelände der Gemeinde<br />
Grünheide in Brandenburg. Unter<br />
Ausschluss der Öffentlichkeit. Round<br />
Robin heißt das Format: In jeder Gewichtsklasse<br />
kämpfen vier Boxer; jeder<br />
gegen jeden. Der Gewinner darf<br />
im März beim europäischen Olympia-Qualifikationsturnier<br />
in London<br />
um seinen Platz bei den Sommerspielen<br />
im August 2020 in Tokio boxen.<br />
Dort brauchen die Boxer zwei,<br />
drei Siege,inmanchen Gewichtsklassen<br />
reicht Rang eins bis acht, in manchen<br />
eins bis vier. Für den, der es<br />
nach London schafft, sind die Olympiachancen<br />
groß.<br />
Zuerst wird national ausgesiebt.<br />
„Warum das in Kienbaum ohne Zuschauer<br />
ist, weiß man nicht“, sagt<br />
Abu-Lubdeh, den Trainer und Boxer<br />
Abud nennen. Abud weiß, dass sein<br />
palästinensicher Name lang und<br />
schwierig zu merken ist. Er sagt: „Ich<br />
bin aber nicht der Typ, der seinen<br />
Namen ändertinArnold oder Adolf.“<br />
Das olympische Boxen sperrtsich<br />
an diesem Wochenende selber aus.<br />
Keine Zuschauer bedeutet: keine Aufmerksamkeit<br />
–keine Sponsoren für<br />
den DBV und seine Boxer. Dafür<br />
Raum für Spekulationen, für Fragen,<br />
ob denn bei den Urteilen der Punktrichter<br />
alles mit rechten Dingen zugeht.<br />
„Vielleicht wollen sie es neutral<br />
halten“, überlegt Abud. „Ich mach’<br />
mir keine Gedanken darüber.Ich geb’<br />
im Ring einfach meine Leistung ab.“<br />
Abud, 25, kämpft im Halbschwergewicht.<br />
Er ist Rechtsausleger, seine<br />
Schlaghand ist die linke, das ist für<br />
seine Gegner oft unbequem. Er ist einer<br />
vonsechs Boxernaus dem <strong>Berliner</strong><br />
Bundesstützpunkt in Prenzlauer<br />
Berg, die dieses Wochenende die<br />
Weichen Richtung Olympia stellen<br />
wollen. „Alle können es schaffen“,<br />
sagt der <strong>Berliner</strong> Bundestrainer Ralf<br />
Dickert, während er in seinem Büro<br />
nebenan einen dicken Ordner aufschlägt.„Wir<br />
haben hier ja ein ganzes<br />
Brimborium an Nominierungskriterien.“<br />
Beim Boxen geht es immer um<br />
Vorleistungen. Weil die Trainer daraus<br />
Perspektiven ableiten.<br />
Abud, dieser 1,92 Meter lange<br />
Zwölf Fäuste aus Berlin: Hamsat Schadalow,Murat Yildirim, Paul Wall, Silvio Schierle,<br />
Abdulrahman Abu-Lubdeh und Alexander Müller vom Berge (v.l.).<br />
Sextett: Für die nationale<br />
Olympiaqualifikation schickt<br />
der <strong>Berliner</strong> Bundestrainer<br />
Ralf Dickertfünf Boxer aus<br />
Berlin und dazu den Brandenburger<br />
Silvio Schierle in<br />
den Ring,der seit einigen<br />
Wochen in der Paul-Heyse-<br />
Straße in Berlin mittrainiert.<br />
FÜNF PLUS EINS<br />
Duell: Wersich beim Round-<br />
Robin-Turnier in Kienbaum<br />
durchsetzt, hat gute Chancen<br />
für die europäische<br />
Olympiaqualifikation nominiertzuwerden.<br />
In der Klasse<br />
bis 57 Kilo duellieren sich in<br />
Hamsat Schadalowund Murat<br />
Yildirim zwei <strong>Berliner</strong>.<br />
Solo: Dickertist als Disziplintrainer<br />
Männerboxen im<br />
Deutschen Boxsport-Verband<br />
Mitglied der sogenannten<br />
ExpertRating Kommission,<br />
die am Sonntag jene<br />
Boxer nominiert, die sich für<br />
die Europa-Qualifikation bereitmachen<br />
können.<br />
Kerl, aufgewachsen mit vier Brüdern<br />
im Rollbergkiez, später dann im eher<br />
bürgerlichen Rudow, hatte Vorleistungen<br />
gebracht, 2016 wurde er<br />
deutscher Meister, erglänzte beim<br />
Chemiepokal, kam in die Sportfördergruppe<br />
der Bundeswehr, aber<br />
dann geriet plötzlich alles durcheinander.<br />
Abud erinnert sich gut, wie ihn<br />
die Panikattacke zum ersten Mal<br />
überkam. Er trainierte damals, vor<br />
zwei Jahren, in diesem Raum. Er<br />
zeigt mit der Hand hinüber auf den<br />
größeren Ring. Dort stand er,<br />
schaute aus dem Fenster, sah aber<br />
nicht die rotbraune Laufbahn, die<br />
eckigen Wohnblocks, die S-Bahn-<br />
Schienen, sondern wirres Zeug. „Ich<br />
habe noch nie Drogen genommen,<br />
aber ich kann mir vorstellen, dass es<br />
so ist, wie es damals bei mir war“,<br />
sagt Abud.<br />
Er spürte ein Ziehen im Nacken.<br />
Er sagte niemandem was. Erbekam<br />
Fieber, aber er wollte unbedingt<br />
beim Bundesliga-Kampf für Hertha<br />
BSC in den Ring steigen. Er kämpfte.<br />
Er verlor. Erst tags darauf ging er in<br />
die Praxis seines Vaters, eines Hals-<br />
Nasen-Ohren-Arztes in Neukölln.<br />
Der Vater, der als Student als Palästina<br />
nach Berlin gekommen war,<br />
sagte, wenn Kopfschmerztabletten<br />
nicht gegen Kopfschmerzen helfen,<br />
muss es was Ernstes sein. Er schickte<br />
Abud zur Magnetresonanztomographie.<br />
Die Diagonse: Abszess in der<br />
linken Gehirnhälfte. Notaufnahme.<br />
Operation. „ZweiWochen Blackout“,<br />
sagt Abud. Und nein, nicht das Boxen<br />
sei die Ursache gewesen, sonderneine<br />
Infektion, die sich vonseinem<br />
Zahn oder der Nase ausgebreitet<br />
habe.<br />
Ein halbes Jahr fiel Abud aus. Ein<br />
ganzes Jahr boxte er nicht. Mike<br />
Hanke, sein Trainer am Bundestützpunkt,<br />
sagt: „Es war lange nicht klar,<br />
ob es weitergeht.“ Aber er glaubte<br />
weiter an Abuds Potenzial. Andere<br />
zweifelten. Der Boxer sagt: „Es war<br />
ein Schub nach vorne. Nach dem<br />
Krankenhaus habe ich viel Kraft entwickeln<br />
können, weil ich einfach<br />
mehr wollte. Weil ich nur boxen<br />
wollte.Nichts anderes machen.“<br />
In diesem Jahr holte er als einziger<br />
DBV-Athlet beim Cologne Cup,<br />
dem Nachfolgewettbewerb des<br />
Chempiepokals, eine Goldmedaille.<br />
Dabei schlug er Russlands Meister,<br />
Russlands Zweitbesten und vor allem:<br />
den dreimaligen Europameister<br />
und zweimaligen WM-Zweiten Joe<br />
Ward aus Irland.„Das war schon sehr<br />
sensationell“, sagt Trainer Hanke.<br />
Abud will sich an diesem Wochenende<br />
wieder durchsetzen, seine<br />
Reichweitenvorteile nutzen, tänzeln.<br />
Er sagt, er habe seine Gedanken geordnet.<br />
Er wolle vorankommen, sein<br />
kleiner Bruder sei schließlich schon<br />
verheiratet und verdiene im Fleischhandel<br />
sein eigenes Geld. „Ich habe<br />
meinen Sport, meine Familie, meinen<br />
Glauben. Und ich möchte zu<br />
Olympia.“ Dasist AbudsWelt.<br />
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 19 *<br />
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Das<br />
Tempo<br />
macht’s<br />
Füchse setzen gegen Wetzlar<br />
ihre Heimsiegserie fort<br />
Die Füchse Berlin bleiben weiter<br />
in der Spitzengruppe der Handball-Bundesliga.<br />
Am Donnerstag<br />
siegten die <strong>Berliner</strong> vor 8 235 Zuschauern<br />
in der Max-Schmeling-<br />
Halle gegen die HSG Wetzlar mit<br />
32:27 (16:14). Es war der achte Heimsieg<br />
der Füchse in Serie. Beste <strong>Berliner</strong><br />
Werfer waren Hans Lindbergmit<br />
zehn und Jacob Holm mit fünf Toren.<br />
Bei den Füchsen fehlte weiterhin<br />
das Torhüterduo Silvio Heinevetter<br />
und Dejan Milosavljev. Auch Abwehrchef<br />
Jakov Gojun wurde nicht<br />
rechtzeitig fit.<br />
Nach einer mühsamen Auftaktphase<br />
waren die <strong>Berliner</strong> dann doch<br />
etwas griffiger in Abwehr, kamen zu<br />
einigen schnellen Tempogegenstößen<br />
und konnten sich nach 23 Minuten<br />
auf 13:9 etwas absetzen. Anschließend<br />
leistete man sich aber einige<br />
Fehler undWetzlar kam wieder ran.<br />
DieFüchse kamen gut aus der Kabine,agierten<br />
vorallem offensiv sehr<br />
variabel. In dieser Phase konnten die<br />
Gäste die <strong>Berliner</strong> nicht stoppen. So<br />
zogen die Gastgeber auf 24:18 davon<br />
(39.). In der 45 Minute sah dann aber<br />
Kreisläufer Mijajlo Marsenic nach einer<br />
Rangelei am Kreis erneut die<br />
Rote Karte. Danach lief das <strong>Berliner</strong><br />
Spiel nicht mehr so rund, der Sieg<br />
wurde trotzdem souverän über die<br />
Zeit gebracht. (dpa)<br />
Einmal mehr der beste Schütze bei den<br />
Füchsen: Hans Lindberg. IMAGO IMAGES/KÖNIG<br />
Der<br />
unsichtbare<br />
Dritte<br />
Die Eisbären wirken<br />
defensiv derzeit instabil<br />
U<br />
nabhängig voneinander haben<br />
Trainer SergeAubin und Verteidiger<br />
Wissmann eine wesentliche<br />
Ursache für die aktuellen Abwehrprobleme<br />
erkannt: den dritten<br />
Mann. Damit ist der Stürmer gemeint,<br />
der den Verteidigern beim<br />
Gegengriff als Erstes zur Seite springen<br />
soll. „Dieser war nicht sehr diszipliniert“,<br />
sagt Aubin, weshalb die<br />
Eisbären nicht nur am Dienstag in<br />
heimischer Halle mit 1:5 verloren haben,<br />
sondern in den vergangenen<br />
fünf Partien 21 Tore kassierten. Wissmann<br />
weiß: „In der Zone waren wir<br />
gar nicht schlecht, aber wir hatten<br />
viele Zwei-gegen-Drei-Situationen.“<br />
Die <strong>Berliner</strong> müssen das in den<br />
Griff bekommen, denn mit den Adlern<br />
aus Mannheim kommt nicht<br />
nur der amtierende Meister in die<br />
Arena (19.30 Uhr). DieKurpfälzer gewannen<br />
auch souverän beide bisherigen<br />
Duelle mit den Eisbären (4:1,<br />
7:3). Nach einigen zwischenzeitlichen<br />
Abstimmungsproblemen gewannen<br />
sie zudem zehn Spiele in Serie.<br />
Neben einem taktisch versierten<br />
Auftritt braucht es deshalb die richtige<br />
Einstellung der Gastgeber.Aubin<br />
sagt: „In den ersten beiden Spielen<br />
haben wir zu sehr auf sie geachtet.<br />
Respekt gehörtdazu, aber nur bis zu<br />
einem bestimmten Punkt. Jetzt wollen<br />
wir aufbieten, was wir zur Verfügung<br />
haben.“ Dazu gehört auch ein<br />
sichtbarer dritter Mann. (pae.)<br />
Maodo Lo wirft BayernMünchen mit seinem Drei-Punkte-Wurf in die Verlängerung und damit zum Sieg. IMAGO IMAGES/CAMERA 4<br />
Foulen oder verteidigen<br />
Nach der Niederlage im Euroleague-Duell gegen die Bayern stellt sich bei Alba die Gretchenfrage<br />
VonChristian Kattner<br />
Beleidigt: Der frühere NBA-Profi Greg Monroe<br />
vomdeutschen Meister Bayern München<br />
ist während des Euroleague-Spiels bei Alba<br />
Berlin voneinem Zuschauer rassistisch beleidigt<br />
worden. Wiedie <strong>Berliner</strong> am Donnerstag<br />
mitteilten, erhielt der Fannoch vorOrt von<br />
der Polizei eine Strafanzeigesowie<br />
Hausverbot.<br />
Es war die meist gestellte<br />
Frage an diesem Abend.<br />
Warum nur hatte Alba Berlin<br />
bei drei Punkten Vorsprung<br />
diesen Dreier von Maodo Lo<br />
nicht vorher schon durch ein Foul<br />
unterbunden? Vonder Freiwurflinie<br />
hätte Münchens Aufbauspieler mit<br />
<strong>Berliner</strong> Wurzeln lediglich zwei<br />
Punkte erzielen und Alba die verbleibenden<br />
2,8 Sekunden ausspielen<br />
können. Die Frage, ob man foult<br />
oder nicht, wurde in der Auszeit zuvor<br />
von Spielern und Trainer beantwortet.<br />
Manwollte,wie es für Teams<br />
unter der Leitung vonAíto García Reneses<br />
üblich ist, gut verteidigen, aber<br />
eben nicht foulen. „Das birgt halt gewisse<br />
Risiken und die haben voll zugeschlagen“,<br />
sagte Niels Giffey.<br />
Wäre esgutgegangen, wären der<br />
Kapitän und seine Teamkollegen auf<br />
Händen aus der Halle getragen worden.<br />
So aber gingen sie in die Verlängerung,<br />
verloren dort das Spiel und<br />
mussten sie sich für ihre Herangehensweise<br />
im letzten Angriff sowie<br />
die 76:77-Niederlage nach Verlängerung<br />
erklären.<br />
Am Ende ist das eine Frage der<br />
Spielphilosophie. Schon die deutsche<br />
Basketball-Nationalmannschaft<br />
musste sich im September<br />
2001 die Frage gefallen lassen,<br />
warum denn im Halbfinale der Europameisterschaft<br />
der letzte Angriff<br />
der Türken nicht mit einem Foul unterbunden<br />
und damit eine Verlängerung<br />
vermieden wurde. Im Unterschied<br />
zu Alba am Mittwochabend<br />
entschieden sich die Deutschen damals<br />
dafür, foulen zu wollen, bekamen<br />
es aber nicht hin und kassierten<br />
schließlich einen Dreier.„Es ist auch<br />
nicht immer einfach, in dieser Situation“,<br />
sagt Reneses. Der Alba-Trainer,<br />
der heute seinen 73. Geburtstag<br />
feiert, hat diese Frage schon mehrfach<br />
gestellt bekommen, lässt seine<br />
Teams aber in der Schlussphase<br />
nicht foulen, sondernverteidigen.<br />
Das imNachgang als falsch und<br />
einzigen Grund für die Niederlage zu<br />
bezeichnen, wäre nicht richtig. Genauso<br />
könnte man schließlich die<br />
RASSISTISCHER AUSFALL<br />
Bestürzt: Umstehende Fans hatten die Beleidigungen<br />
dem Sicherheitsdienst gemeldet.<br />
„Wir sind bestürzt und verurteilen den<br />
Vorfall in aller Schärfe. Diskriminierung jeglicher<br />
Arthat weder bei uns noch in der Gesellschaft<br />
irgendetwas zu suchen und wird von<br />
uns konsequent geahndet und strafrechtlich<br />
verfolgt“, sagte Alba-Sprecher Strauven.<br />
Das Weihnachtsparty-Prinzip<br />
Frage stellen, warum Luke Sikma bei<br />
noch 2,8 Sekunden auf der Spieluhr<br />
ein hohes Anspiel unter den Korb auf<br />
Landry Nnoko versuchte und nicht<br />
auf die sicherereVariante eines kurzen<br />
Passes sowie den daraus möglichen<br />
Wurf setzte. Und hatte nicht<br />
Giffey mit Ablauf der Spielzeit in der<br />
Verlängerung noch einen völlig<br />
freien Wurf, den er nicht verwandelte?<br />
„Man kann verschiedene Diskussionen<br />
um Freiwürfe, verpasste Rebounds<br />
und Ballverluste aufmachen,<br />
aber es geht nicht um den einen<br />
Grund. Dengibt es nicht“, sagte<br />
MarcoBaldi zu später Abendstunde,<br />
„es gab so viele Rhythmen und so<br />
viele Möglichkeiten. Bis zum allerletzten<br />
Wurf, bis zur allerletzten Sekunde<br />
war es vollkommen offen.<br />
Und deshalb muss man es einfach<br />
akzeptieren.“<br />
Albas Geschäftsführer war natürlich<br />
genauso enttäuscht. Nicht nur<br />
über die Niederlage. Denn: „Meistens<br />
kommt da auch nicht ein Unglück<br />
alleine.Was besonders wehtut,<br />
ist, dass Peyton Siva sich wieder verletzt<br />
hat“, so Baldi.<br />
Wieder einmal soll es eine muskuläre<br />
Sache sein, die den Aufbauspieler<br />
erneut in dieser Saison zu einer<br />
Pause zwingt. Gegen die Bayern<br />
musste Siva in der zweiten Hälfte<br />
von der Bank mit ansehen, wie sein<br />
früherer Teamkollege Greg Monroe<br />
zweistellig punktete (17) sowie reboundete<br />
(10) und damit entscheidenden<br />
Einfluss auf die Partie nahm.<br />
Aber auch, wie mit Makai Mason ein<br />
aktueller Mitspieler in seinem bislang<br />
besten Spiel für Alba 17 Punkte<br />
erzielte und damit überhaupt dafür<br />
sorgte,dass man nach der Partie darüber<br />
diskutieren konnte, ob man<br />
kurz vor Ende hätte foulen sollen<br />
oder eben nicht.<br />
An einem Abend mit bitterem<br />
Ausgang gingen diese Leistung und<br />
das Comeback von Johannes Thiemann<br />
freilich unter. Doch viel Zeit<br />
zum Ärgern bleibt nicht: Bereits am<br />
Donnerstag ging die Reise nach<br />
Lyon, wo es im StadtteilVilleurbanne<br />
schon Freitagabend (20.45 Uhr) in<br />
der Euroleague weitergeht.<br />
Die Finalspiele der Volleyball-Champions-League finden auch 2020 in Berlin statt –und das aus gutem Grund<br />
VonAnnika Schultz<br />
Wer das Hotel Adlon als Veranstaltungsort<br />
wählt, hat Großes<br />
vor. Das bestätigte sich auch am<br />
Donnerstag, als der EuropäischeVolleyball-Verband<br />
(CEV) und die BR<br />
Volleys gemeinsam mitVertreterndes<br />
Deutschen Volleyball-Verbandes<br />
(DVV), der Stadt Berlin sowie der Volleyball-Bundesliga<br />
(VBL) im edlen<br />
Fünfsternehaus davon berichteten,<br />
dass die Champions-League-Endspiele<br />
auch 2020 in der <strong>Berliner</strong> Max-<br />
Schmeling-Halle ausgetragen werden.<br />
Die deutsche Hauptstadt ist damit<br />
nach 2015 und 2019 zum dritten<br />
Mal Ausrichter der Finals des wichtigsten<br />
europäischen Klub-Wettbewerbs,<br />
2019 erstmals im geänderten<br />
Modus, nach dem die Frauen und<br />
Männer an einem Tagund an einem<br />
OrtihreSieger küren.<br />
„Wir setzen auf ein kurzes, aber<br />
dafür starkes Event. Mitder Premiere<br />
waren wir sehr zufrieden, aber wir<br />
wollen uns natürlich immer weiter<br />
verbessern“, sagt CEV-Präsident<br />
Aleksandar Boricic. Im Mai dieses<br />
Jahres waren die Tickets innerhalb<br />
Wäre bei den Finals 2020 natürlich gernamBall: Volleys-Profi Patch.<br />
weniger Wochen ausverkauft –trotz<br />
fehlender deutscher Beteiligung.<br />
Auch 2020 ist trotz allerVolleys-Ambitionen<br />
ein Finaleinzug einer deutschen<br />
Mannschaft nicht zu erwarten,<br />
stattdessen gehören Teams aus Russland,<br />
Italien, der Türkei oder Polen<br />
zum Kreis der Favoriten. Dass im<br />
Frühjahr mehr als die Hälfte der Besucher<br />
in diesem Jahr nicht aus<br />
Deutschland kam, zeigt aber,dass das<br />
JÜRGEN ENGLER<br />
dem Erfolg der Veranstaltung nicht<br />
imWegsteht. Berlin zieht.<br />
Nach dem Olympia-Qualifikationsturnier,<br />
das Anfang Januar 2020<br />
stattfindet, ist es die zweite internationale<br />
Volleyball-Veranstaltung, die<br />
in der Hauptstadt ausgetragen wird.<br />
„Wir brauchen solche Großevents in<br />
Deutschland, um den Volleyball in<br />
Deutschland weiterzuentwickeln“,<br />
bekräftigt René Hecht, Präsident des<br />
DVV. Davon wollen auch die BR Volleys<br />
profitieren, die erneut an der Organisation<br />
des Events beteiligt sein<br />
werden. „Das zeigt das Vertrauen in<br />
unsere Fähigkeiten“, betont Kaweh<br />
Niroomand, der außerdem eine verbesserte<br />
Zusammenarbeit zwischen<br />
dem Verband und den Klubs lobte.<br />
„Die Entscheidung fiel aber erst vor<br />
zehn Tagen, die Arbeit geht erst jetzt<br />
richtig los.“<br />
Langfristig diskutiertder CEVweitere<br />
Formatänderungen, so sollen<br />
größere Gruppen den Klubs weitere<br />
Vermarktungsmöglichkeiten bieten.<br />
„Jeder erkennt die Schuhe von Neymar,<br />
Messi und Ronaldo, Volleyball-<br />
Weltmeister werden auf der Straße<br />
nur selten erkannt“, sagte Boricic, um<br />
dann ein weiteres Bild zu bemühen:<br />
„Wir wollen Volleyball wie einen<br />
Weihnachtsbaum organisieren, die<br />
vielen Lichter werden zur Spitze hin<br />
immer weniger.Wir wollen, dass der<br />
Volleyball das ganze Jahr über eine<br />
Weihnachtsparty feiert.“ Wie momentan<br />
im Hotel Adlon, in dem zwei<br />
glitzernde Weihnachtsbäume und<br />
viele Lichterketten für vorweihnachtliche<br />
Atmosphäresorgen.<br />
NACHRICHTEN<br />
Russland zieht gegen die<br />
Wada-Sperre vor den Cas<br />
DOPING. Russland zieht gegen die<br />
vonder Welt-Antidoping-Agentur<br />
(Wada) verhängte Vierjahressperre<br />
vorden Internationalen Sportgerichtshof<br />
(Cas). Dasbeschloss der<br />
Aufsichtsrat der russischen Antidoping-Agentur<br />
(Rusada) am Donnerstag.<br />
Damit kommt es sehr wahrscheinlich<br />
zu einem monatelangen<br />
juristischen Tauziehen, das bis zu<br />
den Olympischen Spielen in Tokio<br />
2020 dauernkönnte.Russlands<br />
Staatspräsident Wladimir Putin<br />
hatte kurzzuvor die Strafe gegen das<br />
Riesenreich als „politisch motiviert“<br />
bezeichnet. DieSanktionen seien<br />
„unfair“ erklärte der Kreml-Chef, die<br />
Wada-Entscheidung verstoße „gegen<br />
den gesunden Menschenverstand“.<br />
DieWada hatte in der vergangenen<br />
Woche die Rusada wegen<br />
manipulierter Daten aus dem russischen<br />
Kontrolllabor suspendiertund<br />
weitereStrafen beschlossen. Da der<br />
Einspruch aufschiebende Wirkung<br />
hat, werden die Sanktionen zunächst<br />
nicht rechtskräftig.<br />
Doll beschertBiathleten<br />
den ersten Saisonsieg<br />
BIATHLON. Benedikt Doll hat den<br />
deutschen Biathleten nach einem<br />
durchwachsenen Saisonstartden ersten<br />
Sieg desWinters beschert. Der29-<br />
Jährige aus Breitnau holte zum Auftakt<br />
desWeltcups im französischen Le<br />
Grand Bornand im Sprint über 10 km<br />
dank einer fehlerlosen Schießleistung<br />
den zweiten Erfolg seiner Karriere.<br />
Doll gewann 9,4 Sekunden vordem<br />
Norweger Tarjei Bö (0 Strafrunden),<br />
Quentin Fillon Maillet (Frankreich/<br />
0/+11,3 Sekunden) wurde Dritter.<br />
ZAHLEN<br />
Fussball<br />
Bundesliga, 17. Spieltag<br />
1899 Hoffenheim -Borussia Dortmund Fr., 20.30<br />
Bayern München -VfL Wolfsburg Sa., 15.30<br />
RB Leipzig -FCAugsburg Sa., 15.30<br />
FSV Mainz 05 -Bayer Leverkusen Sa., 15.30<br />
FC Schalke04-SCFreiburg Sa., 15.30<br />
1. FC Köln -Werder Bremen Sa., 15.30<br />
Hertha BSC -Bor.Mönchengladbach Sa., 18.30<br />
Fortuna Düsseldorf -1.FCUnion So., 15.30<br />
SC Paderborn07-Eintracht Frankfurt So., 18.00<br />
1. RB Leipzig 16 45:19 34<br />
2. Mönchengladbach 16 33:18 34<br />
3. Bayern München 16 44:22 30<br />
4. Borussia Dortmund 16 40:22 30<br />
5. Schalke04 16 27:19 29<br />
6. SC Freiburg 16 25:21 25<br />
7. BayerLeverkusen 16 22:21 25<br />
8. VfL Wolfsburg 16 18:16 24<br />
9. TSG Hoffenheim 16 23:27 24<br />
10. FC Augsburg 16 27:28 23<br />
11. 1. FC Union 16 19:22 20<br />
12. Eintracht Frankfurt 16 26:27 18<br />
13. Hertha BSC 16 22:29 18<br />
14. FSV Mainz 05 16 25:38 18<br />
15. 1. FC Köln 16 18:32 14<br />
16. Werder Bremen 16 23:40 14<br />
17. Fortuna Düsseldorf 16 16:35 12<br />
18. SC Paderborn 16 18:35 9<br />
Handball<br />
Bundesliga, 18. Spieltag<br />
Kiel -Balingen-Weilstetten 36:26<br />
Füchse -Wetzlar 32:27<br />
Hannover-Burgdorf -Erlangen 29:25<br />
RN Löwen -Nordhorn-Lingen 32:28<br />
Ludwigshafen -Flensburg- Handewitt 25:23<br />
1. THW Kiel 17 520:443 28: 6<br />
2. Hannover-Burgdorf 17 487:453 26: 8<br />
3. Flensburg-Handewitt 18 480:421 26:10<br />
4. RN Löwen 18 515:474 26:10<br />
5. Füchse Berlin 17 485:436 24:10<br />
6. SC Magdeburg 17 503:455 24:10<br />
7. MT Melsungen 17 467:464 21:13<br />
8. DHfK Leipzig 17 472:478 18:16<br />
9. HSG Wetzlar 17 477:480 16:18<br />
10. Bergischer HC 17 458:470 15:19<br />
11. Frisch AufGöppingen 17 430:448 15:19<br />
12. HC Erlangen 17 441:457 14:20<br />
13. Balingen-Weilstetten 17 472:503 13:21<br />
14. TBV LemgoLippe 17 464:490 12:22<br />
15. TVB Stuttgart 17 443:481 12:22<br />
16. GWD Minden 17 447:470 10:24<br />
17. Ludwigshafen 18 421:466 8:28<br />
18. Nordhorn-Lingen 18 432:525 2:34
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 20<br />
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Sport<br />
„Hertha<br />
will nach<br />
Europa“<br />
Coach Klinsmann kündigt<br />
weitere Großtransfers an<br />
Das Erfrischende an Jürgen Klinsmann,<br />
das gilt auch für uns Beobachter,<br />
ist seine Hemmungslosigkeit.<br />
Er sagt, was er denkt, wobei er<br />
natürlich keineswegs unbewusst<br />
handelt. Im Gegenteil. So hat er nach<br />
dem 1:0-Auswärtserfolg bei Bayer<br />
Leverkusen erst mal nicht etwa über<br />
die Gegenwart gesprochen, also<br />
über eine Hertha-Mannschaft, die<br />
sich durch den zweiten Sieg in Serie<br />
in der Bundesliga etwas Luft verschaffen<br />
konnte, nein, Klinsmann<br />
sprach über Europa, über die Vision,<br />
die er als Trainer von Hertha BSC in<br />
Absprache mit den Klubverantwortlichen,<br />
vor allem aber in Absprache<br />
mit Investor Lars Windhorst für den<br />
Traditionsklubs aus Berlin-Charlottenburgentwickelt<br />
hat.<br />
„Der Hauptstadtklub will nach<br />
Europa“, sagte der 55-Jährige nach<br />
dem „großen Dreier“ beim Champions-League-Aspiranten<br />
und kündigte<br />
ohne Umschweife für den<br />
Sommer große Investitionen an.<br />
„Durch unsereKonstellation mit unserem<br />
Investor haben wir mittelund<br />
langfristig ganz andere Ziele<br />
und gehen da mit einer anderen<br />
Denkweise ran. Unser Manager Michael<br />
Preetz hat nun ganz andere<br />
Möglichkeiten“, sagte der ehemalige<br />
Bundestrainer.<br />
Klar, dass dabei von den Reportern<br />
umgehend der Name Mario<br />
Götze ins Spiel gebracht wurde. Der<br />
WM-Held steht bei Borussia Dortmund<br />
auf der Liste der „Verzichtbaren“,<br />
soll im Umkehrschluss ein<br />
Transferziel der Herthaner sein.<br />
Klinsmann antwortete diesbezüglich:<br />
„Ob dann über Mariospekuliert<br />
wird, oder über andere Champions-<br />
League-Spieler –das wird ganz normal<br />
sein. Das wird unsere Zukunft<br />
sein. Nach denen schauen wir uns ja<br />
auch um.“ Schließlich kündigte er<br />
dem Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach<br />
zum Abschluss der<br />
Hinserie am Sonnabend (18.30 Uhr)<br />
einen großen Fight an: „Durch unseren<br />
Erfolg gegen Leverkusen haben<br />
wir weiteres Selbstvertrauen getankt.<br />
Die Luft für uns wird immer klarer.<br />
Wirhaben das Gefühl, dass wir Gladbach<br />
schlagen können.“<br />
Nach einer Startniederlage gegen<br />
Borussia Dortmund (1:2) und einem<br />
Remis bei Eintracht Frankfurt (2:2)<br />
folgten zuletzt zwei Siege –und das<br />
mit einer auf die Defensive konzentrierten<br />
Taktik. „Wenn wir die nötigen<br />
Punkte haben, können wir auch<br />
wieder schönen Fußball spielen“,<br />
sagte Klinsmann, der seinem Team<br />
eine klare Marschroute verordnet<br />
hat. „Der Matchplan war gut: Wir<br />
standen defensiv sehr kompakt und<br />
haben schnelle Konter nach vorne<br />
gespielt. Wir haben es gut gemacht,<br />
haben kein Torkassiertund selbst eines<br />
gemacht. Das war auch schon<br />
gegen Freiburg so–und das muss<br />
unsere Basis sein“, sagte Torschütze<br />
KarimRekik (64.). (BLZ mit sid)<br />
Jürgen Klinsmann philosophiertbereits<br />
über eine goldene Zukunft. GETTY IMAGES/BARON<br />
Die Kraft der<br />
Kabinenpredigt<br />
VonMichael Jahn<br />
Mit diesen Worten<br />
stimmte Jürgen Klinsmann<br />
seine Nationalspieler<br />
auf das Viertelfinale<br />
bei den Weltmeisterschaften<br />
2006 gegen Argentinien ein: „Die haben<br />
Muffe,die haben Muffe vorEuch!<br />
Diemachen sich in die Hosen! Es geht<br />
darum, aggressiv und konzentriert<br />
zuzubeißen. Diesind heute fällig! Absolut<br />
fällig! Geht raus und haut sie<br />
weg!“ Und Deutschland gewann im<br />
dramatischen Elfmeterschießen<br />
schließlich mit 4:2.<br />
Ichhabe mir in diesen<br />
Tagen, in denen<br />
Klinsmann oft im Fokus<br />
steht, diverse Kabinenansprachen<br />
von<br />
Klinsmann noch einmal<br />
angehört und angeschaut<br />
in den Sequenzen<br />
des Films<br />
„Deutschland, ein<br />
Sommermärchen“ von<br />
Sönke Wortmann.<br />
Ganz ehrlich: Ich bekam<br />
Gänsehaut und<br />
fühlte mich plötzlich<br />
stark.<br />
Nun hat Jürgen<br />
Klinsmann, der neue<br />
„Ich<br />
bekam<br />
Gänsehaut<br />
und<br />
fühlte<br />
mich<br />
plötzlich<br />
stark.“<br />
Hertha-Trainer, viele<br />
Bewunderer, die sich<br />
vorallem für seine Motivationskünste<br />
begeistern. Aber es<br />
gibt auch zahlreiche Kritiker,die dem<br />
einstigen Klassestürmer ähnliche Fähigkeiten<br />
im technisch-taktischen<br />
Bereich absprechen und monieren,<br />
dass er stets einen riesigen Stab an Assistenten<br />
benötige, umErfolg zu haben.<br />
Herthas Profis jedenfalls sollen<br />
angetan sein vom Optimismus und<br />
den Ansprachen des Trainers.<br />
Mich interessierte deshalb die<br />
Frage: Wie wichtig sind eigentlich<br />
emotionale Ansprachen eines Trainers<br />
vor einem Bundesligaduell?<br />
Brauchen gestandene Profis überhaupt<br />
aufrüttelnde Worte? Ich habe<br />
mit Thorben Marx, 38, gesprochen.<br />
Der ehemalige Mittelfeldmann<br />
spielte sechs Jahre inder Bundesliga<br />
für Hertha BSC und auch sechs Jahre<br />
für Borussia Mönchengladbach.<br />
Marx besitzt ein Alleinstellungsmerkmal.<br />
2000/2001 war er der erste Spieler<br />
aus der Hertha-Jugend-Akademie,<br />
der den Sprung in die Profimannschaft<br />
schaffte.Darauf ist er durchaus<br />
stolz. Am Sonnabend kommt der gebürtige<br />
<strong>Berliner</strong> zum Duell Hertha<br />
kontra Borussia ins Olympiastadion.<br />
Er lebt mit seiner Familie noch immer<br />
in Mönchengladbach.<br />
In Berlin treffen die Trainer Marco<br />
Rose und Jürgen Klinsmann zum ersten<br />
Mal aufeinander. Marx bezeichnet<br />
beide als „starke Trainer mit großer<br />
Ausstrahlung“. Marx’ Eindruck:<br />
„Klinsmann ist offen und positiv,echt<br />
cool!“ MarcoRose charakterisiert<br />
erals „leidenschaftlichen<br />
Typen,<br />
der bestens zur<br />
Borussia passt“.<br />
Thorben Marx erlebte<br />
in der Bundesliga<br />
bei Hertha, in Gladbach<br />
und auch in Bielefeld<br />
insgesamt zehn<br />
Trainer. „Am emotionalsten<br />
waren Jürgen<br />
Röber, Ernst Middendorp<br />
bei der Arminia<br />
und auch Michael<br />
Frontzeck.“ Lucien<br />
Favre, sagt Marx,sei ein<br />
„Super-Trainer“, aber<br />
ihm fehle ein wenig das<br />
emotionale Moment.<br />
„Und das ist wichtig!“<br />
Also doch! „Trainer<br />
sollten positiv sein in der Krise, aber<br />
auch glaubwürdig bleiben“, so Marx,<br />
„nur Lob darf keine Masche sein, es<br />
muss auch Kritik geben.“<br />
Für den ehemaligen Profi gehören<br />
emotionale Kabinenansprachen<br />
dringend dazu, um erfolgreich zu<br />
sein.„Gerade in schwierigen Situationen<br />
glauben viele Beobachter und<br />
Fans, dass wir Spieler das schon irgendwie<br />
meistern werden. Dann<br />
heißt es immer:Naja, die sind ja Profis!“<br />
Aber ein optimistischer, emotionaler<br />
Trainer könne eine große Hilfe<br />
sein.<br />
Waswird wohl Jürgen Klinsmann<br />
am Sonnabend vor dem Duell gegen<br />
Mönchengladbach in der Kabine sagen?<br />
Mein Vorschlag: „Die Borussen<br />
haben Muffe vor euch! Wir sind Berlin,<br />
wir sind Hertha. Geht raus und<br />
haut sie weg!“<br />
Der Weisheit letzter Schuss<br />
Der Fluch der<br />
guten Tat<br />
VonAndreas Baingo<br />
Für die meisten, mit der Physik<br />
ist das ja so eine Sache,<br />
ist die Relativitätstheorie<br />
ein Buch mit sieben Siegeln.<br />
Ich habe mir dafür, fernab von<br />
Genius Albert Einstein, meine eigene<br />
Theorie gebastelt. Unddie geht<br />
so: Drei Haareauf dem Kopf –das ist<br />
wenig; drei Haareinder Suppe –das<br />
ist viel. Relativitätstheorie zum Sehen<br />
und zum Anfassen. Für alle zum<br />
Verstehen ohnehin.<br />
Genauso ist es mit 20 Punkten<br />
nach 16 Spieltagen in<br />
der Fußball-Bundesliga.<br />
Für die einen wäre<br />
das wie mit den drei<br />
Haaren auf dem Kopf,<br />
nicht zum Aushalten,<br />
eher zum Rausreißen<br />
und Grund dafür, den<br />
Trainer zu feuern. Für<br />
anderejedoch ist das –<br />
vom Geschmack einmal<br />
abgesehen – wie<br />
mit den drei Haaren in<br />
der Suppe,eine durchaus<br />
satte Portion.<br />
Zu den Letzteren,<br />
denke ich, sollte sich<br />
auch der 1. FC Union<br />
zugehörig fühlen.<br />
Dabei, ja, es soll sie<br />
durchaus geben, diese<br />
Pferde,die vorder Apotheke<br />
das sprichwörtliche Kotzen bekommen<br />
haben. Auf die Bundesliga<br />
gemünzt heißt es, dass Mannschaften,<br />
obwohl lange alles im tiefgrünen<br />
Bereich liegt, bei der Abrechnung<br />
dann tatsächlich einen Bauchklatscher<br />
hinlegen. Es hat Teams gegeben,<br />
die sind nach den ersten 90 Minuten<br />
als Tabellenführer in die weitere<br />
Saison gegangen, um 33 Spieltage<br />
später abzusteigen. Der<br />
Karlsruher SC hat es vor 22Spielzeiten<br />
so erlebt und Borussia Mönchengladbach<br />
hat es vor 21Jahren derart<br />
erwischt.<br />
Spitzenreiter? Absteiger? Das hat<br />
doch nichts mit dem 1. FC Union zu<br />
tun, oder?<br />
Naja, nach dem 0:2 gegen die TSG<br />
Hoffenheim, nach dem Ende der stolzenund<br />
nie erwarteten Serievon vier<br />
Zu-Null-Heimsiegen in Folge und vor<br />
Zwei <strong>Berliner</strong> Teams in der Bundesliga,<br />
zwei Kenner des <strong>Berliner</strong> Fußballs:<br />
Michael Jahn und Andreas Baingogeben<br />
normalerweise immer mittwochs, dieses Mal<br />
aufgrund der Englischen Woche allerdings erst<br />
an diesem Freitag ihre Expertise ab.<br />
Michael Jahn für die Hertha, die er seit mehr<br />
als zwei Jahrzehnten als Reporter begleitet.<br />
Und Andreas Baingofür den 1. FC Union, für<br />
den er selbst früher am Ball war. Vordem<br />
siebzehnten Spieltag macht sich der eine<br />
Gedanken über die Motivationskünste der<br />
Trainer,der andere entwickelt eine<br />
Relativitätstheorie für den Fußball.<br />
„Für mich<br />
sind 20<br />
Punkte wie<br />
drei Haare<br />
in der<br />
Suppe,<br />
nämlich<br />
viel.“<br />
GETTY IMAGES<br />
dem Abschlussspiel der ersten eisernen<br />
Bundesliga-Hinrunde am Sonntag<br />
bei Fortuna Düsseldorf ist so etwas<br />
wie leichte Ernüchterung eingezogen<br />
in der Alten Försterei, auch<br />
weil einTotgesagter wie der 1. FC Köln<br />
plötzlich wieder lebt. Da kratzt so eine<br />
Niederlage,man kennt es inzwischen<br />
ja anders, schon mal ein klein wenig<br />
das rot-weißeWeltbild.<br />
Dabei ist, außer dass die Eisernen<br />
ein Heimspiel verloren haben, allerdings<br />
schon das vierte,keinsonderliches<br />
Malheur geschehen. Es geht nur<br />
nicht mehr so steil nach oben wie zuletzt.<br />
Das ist, ganz<br />
menschlich, so etwas<br />
wie der Fluch der guten<br />
Tat. Zu schnell mag<br />
man sich an Dinge gewöhnen,<br />
die kürzlich<br />
nur im Traum existierten,<br />
nun aber zum<br />
Greifen nahe sind. Wie<br />
der sechste Heimsieg<br />
eben, den es dann<br />
doch nicht gegeben<br />
hat.<br />
Was wäre anders<br />
gewesen, hätte es die<br />
Niederlage gegen Borussia<br />
Mönchengladbach<br />
gegeben, dafür<br />
gegen Hoffenheim den<br />
Sieg?Nichts.20Punkte<br />
sind 20 Punkte.Nagut,<br />
der Trend würde nach<br />
oben zeigen, aberder ist schnelllebig<br />
und kehrt sich womöglich übermorgen<br />
schon um. Andererseits schärft<br />
das die Sinne.<br />
Natürlich hat es bessereAufsteiger<br />
gegeben zu diesem Saisonzeitpunkt<br />
als den 1. FC Union. Schlechtereaber<br />
ebenso, zumal deren Zahl höher ist<br />
als die der besseren. Also: 20 Punkte<br />
und ein ziemlich dickes Polster auf<br />
die Abstiegsränge sind es durchaus<br />
wert, als schnuckeliges Weihnachtspräsent<br />
durchzugehen, wobei Luft<br />
nach oben immer besteht. Andere,<br />
vor allem auch Bundesliga-Inventar<br />
Werder Bremen, wären froh, auch nur<br />
annähernd so dazustehen.<br />
Deshalb, um bei meiner Relativitätstheorie<br />
zu bleiben und die auf den<br />
1. FC Union zu stülpen: Für mich sind<br />
20 Punkte wie drei Haare in der<br />
Suppe,nämlich viel.<br />
Krawall<br />
statt<br />
Fußballfest<br />
Beim Clásico ist der Sport<br />
dieses Mal nur Nebensache<br />
Vermummte<br />
Demonstranten<br />
setzten Mülltonnen und Barrikaden<br />
in Brand, die Polizei beantwortete<br />
den Hagel aus Steinen und<br />
Flaschen mit Schaumkugeln: Als der<br />
Clásico mit über 100 Verletzten und<br />
mehreren Festnahmen sein „hässliches<br />
Gesicht“ (Marca) zeigte, geriet<br />
die schönste Nebensache der Welt<br />
schnell wieder zur Randnotiz.<br />
„Viel Lärmund wenig Clásico“, titelte<br />
das katalanische Blatt Sport<br />
nach dem torlosen Remis zwischen<br />
dem FC Barcelona und Real Madrid<br />
am Mittwochabend, die Sporttageszeitung<br />
Marca sah den Klassiker<br />
„vom Feuer umringt“. Der anfangs<br />
friedliche Protest katalanischer Separatisten<br />
eskalierte rasch –und war<br />
auch im altehrwürdigen Camp Nou<br />
zu spüren.<br />
Die Fans ergriffen mit zwei riesigen<br />
Bannern mit der Aufschrift<br />
„#SpainSitAndTalk“ und „Freedom“<br />
Partei für die Separatisten, im Stadion<br />
wurden Tausende katalanische<br />
Fahnen geschwenkt. Auch gab es<br />
Sprechchöre(„Setzt euch hin und redet!“)<br />
und war eine Vielzahl von<br />
blauen Bannern mit dem Slogan<br />
„Drets,Llibertat, Autodeterminacio“<br />
(Rechte, Freiheit, Selbstbestimmung)<br />
der Unabhängigkeitsbewegung<br />
„Demokratischer Tsunami“ zu<br />
sehen. Diese hatte zur Demonstration<br />
vor dem Stadion aufgerufen,<br />
rund 5000 Menschen folgten und<br />
äußerten ihreMeinung zunächst gewaltfrei.<br />
Ausdem Ruder gelaufen<br />
Doch die Situation lief aus dem Ruder.<br />
Spanische Medien berichteten<br />
von bis zu 115 meist leicht Verletzten,<br />
zwei Polizisten sollen schwerere<br />
Blessuren davongetragen haben.<br />
Nahe Tor18imSüden des Stadions<br />
ging die Straße in Flammen auf, der<br />
Geruch verbrennenden Plastiks<br />
drang bis zu den Zuschauernauf die<br />
Tribüne vor. Der Ausgang wurde gesperrt,<br />
mit Durchsagen wurden die<br />
Fans vor Spielende in den Norden<br />
geleitet –ein „in der Geschichte des<br />
Camp Nou einmaliger Vorgang“<br />
(Mundo Deportivo).<br />
Auf dem Platz war von den Krawallen<br />
nichts zu spüren, wenngleich<br />
die Begegnung kurz nach der Pause<br />
für zwei Minuten unterbrochen werden<br />
musste: Zuschauer hatten zahlreiche<br />
aufgeblasene Bälle aufsSpielfeld<br />
geworfen. „Mehr war nicht“,<br />
sagte Barça-Trainer Ernesto Valverde,<br />
und Real-Coach Zinédine Zidane<br />
meinte: „Jeder hier wollte ein<br />
gutes Fußballspiel sehen. In diesem<br />
Sinnekönnen wirzufriedensein.“<br />
Wobei: Gut spielte letztlich nur<br />
Zidanes „weißer Tsunami“ (AS). Real<br />
Madrid überraschte mit einerMittelfeldraute<br />
und starkem Pressing, der<br />
deutsche Nationaltorwart Marc-<br />
André terStegen hielt BarçaimSpiel<br />
und punktgleich mit Madrid an der<br />
Tabellenspitze. (sid)<br />
Protestfeuer:ein Barça-Fan vor dem<br />
Camp Nou.<br />
DPA/MATEU
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 21<br />
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Feuilleton<br />
In Ingeborg Ruthes<br />
Bild der Woche geht es<br />
um einen Schielenden<br />
Seiten 24/25<br />
„Manchmal glaube ich nämlich, dass es mich gar nicht gibt.“<br />
Der Schauspieler Sylvester Groth hält das in unserem Interview für einen schönen Gedanken. Seite 22<br />
Advent<br />
Nach<br />
Hause<br />
Harry Nutt<br />
hörtChris Rea<br />
im Pflegeheim.<br />
In dem Pflegeheim, in dem ich<br />
meine Mutter besuche,ist der Eingangsbereich<br />
weihnachtlich geschmückt.<br />
Eine weiß-geflockte Decke<br />
simulierteine Schneelandschaft,<br />
und ein altes Paar Skier deutet eine<br />
Mobilität an, über die hier niemand<br />
mehr verfügt. DasArrangement kündet<br />
vom Wechsel der Jahreszeiten.<br />
Das Leben, soll das wohl heißen,<br />
geht weiter –das Heim als Durchgangsstation.<br />
Und obwohl hier das<br />
ganze Jahr über eine Art weihnachtliche<br />
Langsamkeit den Takt angibt,<br />
werden die Feiertage hier doch als<br />
besonderes Fest wahrgenommen.<br />
Die Zahl der Besuche steigt an, und<br />
wenigstens für ein paar Tage erfährt<br />
das Personal jeneWertschätzung, die<br />
es das ganzeJahr über verdient hätte.<br />
Es gibt sie tatsächlich, die Weihnachtsstimmung.<br />
Chris Reas Song<br />
„Driving Home for Christmas“ ist ja<br />
wohl nur deshalb ein Evergreen, weil<br />
er sehr viel mehr ausdrückt als die<br />
Fahrtbewegung von hier nach da.<br />
Vielmehr handelt das Lied von dem<br />
anthropologischen Bedürfnis nach<br />
Ankunft. Die Tage davor werden als<br />
Passage wahrgenommen, durch die<br />
man sich in dieWeihnachtszeit rettet<br />
–das gilt auch für jene,die darauf aus<br />
sind, aus der weihnachtlichen Enge<br />
auf ferne Inseln zu entfliehen.<br />
Wohlige Vergangenheit<br />
Eine ganz ähnliche Stimmungslage<br />
war es wohl auch, die die Briten in<br />
der vergangenen Woche dem Halunken<br />
Boris Johnson den Vorzug<br />
hat geben lassen. Im Gegensatz<br />
zum orientierungslosen Zauderer<br />
Jeremy Corbyn nahm man Johnson<br />
trotz all der nachgewiesenen Lügen<br />
ab, dass er wenigstens weiß, wohin<br />
er will. Wenn der Slogan „Let’s get<br />
Brexit done“ schon keine Aussage<br />
über die Zukunft enthielt, so signalisierte<br />
er doch das Versprechen auf<br />
ein wohliges Vergangenheitsgefühl.<br />
Die populistischen Bewegungen<br />
verheißen einen Zuwachs an Selbstachtung<br />
und Geltung, die aus nationaler<br />
Besinnung hervorgehen mögen.<br />
Es geht dabei um ein rückwärtsgewandtes<br />
Adveniat.<br />
Enthielt die christliche Botschaft<br />
angesichts bedrückender Ungewissheit<br />
und Kontingenz seit jeher auch<br />
ein Zukunftsversprechen, so scheint<br />
diese derzeit nicht allzu hoch im<br />
Kurs zu stehen. Obwohl die junge<br />
Bewegung „Fridays for Future“ die<br />
Zukunft im Namen trägt, verweist sie<br />
auf das Drama des Zuspätkommens,<br />
eine Art negative Eschatologie. Die<br />
Apokalypse droht nicht mehr als atomarer<br />
Knall, sondern durch langsames<br />
Verglühen. Die Kipppunkte, so<br />
heißt es in mathematischer Nüchternheit,<br />
sind kurzdavor,überschritten<br />
zu werden.<br />
Vorein paar Tagen musste meine<br />
99-jährige demente Mutter für ein<br />
paar Tage ins Krankenhaus. Eine<br />
aus medizinischer Sicht gebotene<br />
Operation unterblieb mit Verweis<br />
auf ihr hohes Lebensalter. An ihrem<br />
Bett sitzend, erklärte ich ihr<br />
wiederholt, wo sie sich befinde.<br />
„Du bist im Krankenhaus“, versuchte<br />
ich mit Nachdruck zu sagen.<br />
Unter einigen Mühen drehte sie<br />
sich langsam zu mir und sagte ruhig,<br />
aber bestimmt: „Komm, lass<br />
uns jetzt nach Hause gehen!“<br />
Moskau in den 1920er-Jahren. Der Literat und Ingenieur Andrej Platonow setzte im Kampf gegen Armut auf technischen Fortschritt und Ökologie.<br />
Kommunismus, Sex und Ökologie<br />
Zweineue Bücher zeigen den modernen Klassiker Andrej Platonow alserstaunlichen VordenkerunsererZeit<br />
VonMathias Schnitzler<br />
Konnte Andrej Platonow in<br />
die Zukunft sehen? In seinem<br />
Roman „Dshan“, dessen<br />
Druck die sowjetischen<br />
Zensoren 1935 verhinderten, reist ein<br />
Ökonom im Auftrag der Regierung<br />
nach Zentralasien, um ein von Hungertod<br />
bedrohtes Volk zu retten. Das<br />
gelingt nur mithilfe einer minderjährigen,<br />
recht schroffen Aktivistin. Als<br />
die Menschen dennoch beschließen<br />
fortzugehen, besteigt das junge Mädchen<br />
einen Berg. Als Zukunft ihres<br />
Volkes und möglicherweise der<br />
Menschheit behält die Zurückbleibende<br />
als Einzige den Überblick:„Die<br />
kleine Sonne bestrahlte die ganze<br />
große Erde,und das Licht reichte vollkommen.“<br />
Mithilfe der Sonnenenergie<br />
würden die Menschen nachhaltig<br />
überleben können.<br />
Natürlich war Platonow<br />
(1899–1951), dessen Meisterwerke<br />
„Tschewengur“ oder „Die Baugrube“<br />
erst lange nach seinem Toderschienen<br />
und den Stalin schon Anfang der<br />
30er-Jahre als Anarchisten, als<br />
„Dreckskerl“ beschimpft hatte; natürlich<br />
war der melancholische, mitfühlende<br />
Ingenieur aus Woronesh,<br />
der das kommunistische Paradies<br />
suchte und die Verbrechen der Sowjetunion<br />
thematisierte; natürlich<br />
war der von Joseph Brodsky auf eine<br />
Stufe mit Kafka und Joyce gestellte<br />
Autor nicht Nostradamus –und das<br />
asiatische Mädchen Aidym aus dem<br />
Volk Dshan keine Präfiguration Greta<br />
Thunbergs.<br />
Als ökologischen Propheten darf<br />
man Platonowdennoch bezeichnen.<br />
Vor hundert Jahren forderte er die<br />
Abkehr von fossilen Brennstoffen,<br />
beschäftigte sich mit erneuerbaren<br />
Energien und kritisierte den Raubbau<br />
an der Natur:injournalistischen<br />
und fiktionalen Texten ebenso wie in<br />
seiner Arbeit als Ingenieur und Bewässerungsexperte.<br />
Nährstoffe und<br />
Feuchtigkeit, die dem Boden durch<br />
Landwirtschaft entzogen wurden,<br />
wollte er diesem zurückzugeben.<br />
Auch experimentierte er an einem<br />
„fotoelektromagnetischen Resonanz-Transformator“,<br />
dem Prototypen<br />
einer Solarzelle.<br />
Platonow hatte für die Oktoberrevolution<br />
und im Bürgerkrieg gekämpft<br />
–gegen den ewigen Kreislauf<br />
vonArmut und Hunger des einfachen<br />
Volkes, dem er selbst entstammte.<br />
Technischem Fortschritt als Motor<br />
der gesellschaftlichen Verbesserung<br />
stand er positiv gegenüber, warnte<br />
aber vor Stalins radikaler Industrialisierung<br />
und Kollektivierung. Beides<br />
wurde ohne Rücksicht auf Verluste,<br />
mit Millionen Toten in der Landbevölkerung<br />
und enormem Zerstörungen<br />
der Naturvorangetrieben.<br />
Platonow, Sohn eines Eisenbahnschlossers<br />
und Ingenieur aus<br />
Leidenschaft, wurde schon als Kind<br />
für Ökologie sensibilisiert. In seiner<br />
Heimat, dem Schwarzerdegebiet<br />
Zentralrusslands, hatte Peter der<br />
Große im 18. Jahrhundertviele Wälder<br />
abholzen lassen. Seither litt die<br />
Region oft unter massiven Dürren.<br />
Als eine solche 1921 zur Hungerkatastrophe<br />
führte,reistePlatonowfür<br />
das Gouvernement übers Land,<br />
säuberte Flussbette, baute Dämme<br />
und Brunnen, schuf nachhaltige<br />
Projekte und leitete die bäuerliche<br />
Bevölkerung in demokratischem<br />
Geist an, sich selbst zu helfen. Bei<br />
den sowjetischen Bürokraten aber<br />
stieß er bald auf Widerstand, Verbote<br />
und Intrigen folgten.<br />
„Das Grundkapital der Menschen<br />
ist die Fruchtbarkeit der Erde“,<br />
schrieb Platonow 1924. „Deshalb darf<br />
man dieses Kapital nicht plündern<br />
und vernichten, sondern muss es so<br />
nutzen, dass seine absolute Größe<br />
konstant gehalten wird.“<br />
In seinem Essay „Über die erste<br />
sozialistische Tragödie“ (1935), den<br />
man als einen der frühesten und bedeutendsten<br />
ökologischen Texte bestaunt,<br />
warnt der Autor vor der Gefahr<br />
einer durch den Menschen ver-<br />
NEU ERSCHIENEN VON ANDREJ PLATONOW<br />
Andrej Platonow: Dshan oder Die erste<br />
sozialistische Tragödie Prosa, Essays,<br />
Briefe. Herausgegeben und aus dem<br />
Russischen übersetzt vonMichael Leetz.<br />
Quintus, Berlin 2019. 376 S.,25Euro.<br />
Andrej Platonow:<br />
Die glückliche Moskwa<br />
Roman. Ausdem Russischen<br />
vonRenate Reschkeund Lola Debüser.<br />
Suhrkamp, Berlin 2019. 221 S.,24Euro.<br />
ursachten globalen Umweltkatastrophe.<br />
Die literarische Bedeutung Platonows<br />
mit seiner Erzähltechnik subversiv<br />
verfremdeter Sprache<br />
wächst immer mehr. Doch wer<br />
wusste, dass viele seiner Texte ein<br />
frappierend aktuelles ökologisches<br />
Denken beinhalten? Der Slawist<br />
Michael Leetz! In dem von ihm im<br />
<strong>Berliner</strong> Quintus-Verlag herausgegebenen<br />
und übersetzten Buch<br />
„Dshan oder Die erste sozialistische<br />
Tragödie“ erscheinen die<br />
meisten der Platonow’schen Texte<br />
mit ökologischen Motiven erstmals<br />
auf Deutsch oder, wie der Roman<br />
„Dshan“, in der ungekürzten Originalfassung.<br />
Leetz zeigt, auch in seinem<br />
spannenden Nachwort, dass<br />
Literatur auf höchstem ästhetischen<br />
Niveau und ein über den<br />
Zeitgeist hinausgehendes Umweltbewusstsein<br />
einander nicht ausschließen.<br />
Ein Buch des Jahres,<br />
auch für die junge Generation.<br />
IMAGO<br />
Ebenfalls atemberaubend ist der<br />
dritte, wieder wunderschön gestaltete<br />
Band der Platonow-Werkausgabe<br />
bei Suhrkamp.Erzieht neueste<br />
Forschungsergebnisse heran, bietet<br />
Varianten und gestrichene Passagen<br />
aus den Notizbüchern des Autors.<br />
„Die glückliche Moskwa“, geschrieben<br />
zwischen 1932 und 1936,<br />
Fragment gebliebener Roman,<br />
ebenfalls verboten und erst 1999<br />
publiziert, ist ein Buch zum Verlieben<br />
–und extrem verstörend. Heldin<br />
ist die junge, aus ärmsten Verhältnissen<br />
stammende Moskwa<br />
Tschestnowa, die „Tochter der Revolution“<br />
genannt wird, aber bekennt:<br />
„Ich bin keine Tochter, ich<br />
bin eine Waise“. Ihre ersten Erinnerungen<br />
und ihr Leben beginnen mit<br />
der Oktoberrevolution.<br />
Selten hat man in der russischen<br />
Literatur solch eine strahlende,<br />
starke, selbstbestimmte und sexy<br />
junge Frau gesehen. Auf der Suche<br />
nach Essen, Wohnraum, Arbeit<br />
und einer glücksverheißenden Zukunft<br />
irrt und fliegt sie (unter anderem<br />
als Fallschirmspringerin)<br />
durch das Moskau der frühen<br />
30er-Jahre, während die Männer,<br />
meist Angehörige der neuen Elite,<br />
über den Geist der Epoche philosophieren<br />
und Stalins Losungen<br />
reflektieren. Moskwa schläft mit<br />
vielen Männern, will sich aber<br />
nicht binden: „Liebe kann unmöglich<br />
Kommunismus sein.“<br />
Emotional ist Moskwa, wie auch<br />
die Struktur des gesamten Romans,<br />
zerrissen: Es fehlt die notwendige<br />
Verbindung zwischen Bewusstsein<br />
und Seele, Technik und Natur, Gemeinschaft<br />
und individuellen Bedürfnissen,<br />
zwischen gestern und<br />
morgen, neu und alt. Diepropagierte<br />
Geschichtslosigkeit, das Waisentum<br />
der apostrophierten „neuen Menschen“<br />
der ersten originär sozialistischen<br />
Generation macht diese zu<br />
seelischen Krüppeln.<br />
So erzählt dieser packende Roman<br />
von der aufrichtigen, utopischen Attraktion<br />
und Hoffnung, die viele Russen<br />
in der Anfangsphase mit dem<br />
Kommunismus verbanden. Und endet<br />
–fragmentarisch, düster,tragisch<br />
–mit verlorenen Illusionen und Gewalt.<br />
Auch der Mensch lässt sich, wie<br />
die Natur, nicht ungestraft manipulieren<br />
und berauben.<br />
NACHRICHTEN<br />
Volker Heller erneut zum<br />
Vorstand der ZLB berufen<br />
DerStiftungsrat der Zentral- und<br />
Landesbibliothek Berlin (ZLB) hat<br />
Volker Heller erneut zum Vorstand<br />
und nun auch zum Generaldirektor<br />
berufen, dies teilt die Kulturverwaltung<br />
mit. Als Vorstand und Managementdirektor<br />
leiteteVolker Heller die<br />
ZLB seit 2012, das bisherigeVertragsende<br />
der Stiftung mit Volker Heller<br />
war im Dezember 2019. DieZentralund<br />
Landesbibliothek Berlin ist<br />
Deutschlands größte öffentliche Bibliothek.<br />
Siearbeitet starkprogrammbezogen<br />
und bietet 3,5 Millionen<br />
Medien. (BLZ)<br />
Tanz, Performance, Theater:<br />
Stipendien ausgeschrieben<br />
DieSenatsverwaltung für Kultur vergibt<br />
2020 Arbeits- und Recherchestipendien<br />
im Bereich des Tanzes und<br />
der darstellenden und performativenKünste.Wie<br />
die Behörde mitteilt,<br />
sind die Stipendien für professionelle<br />
Bühnenkünstler bestimmt. Gefördertwerden<br />
sollen mit bis zu 8000<br />
Euro selbst gewählte Vorhaben, z.B.<br />
Forschung, Recherche oder Vorarbeiten<br />
an einem bestimmten<br />
Thema, die Entwicklung vonProjekten<br />
oder die Erschließung neuer Arbeitstechniken.<br />
Bewerbungsschluss<br />
ist der 30. Januar 2020 um 18 Uhr.<br />
Formular und Informationen auf<br />
berlin.de. (BLZ)<br />
Suche nach Azteken-Grab<br />
in Mexiko-Stadt<br />
Mitten in der Millionenmetropole<br />
Mexiko-Stadt wollen Archäologen<br />
erstmals eine Grabstätte der mächtigen<br />
Aztekenherrscher freilegen. Zwar<br />
erwarten die Forscher nur ein recht<br />
einfaches Grab −die Entdeckung der<br />
letzten Ruhestätte eines Aztekenkönigs<br />
wäretrotzdem eine wissenschaftliche<br />
Sensation. Aufder Suche<br />
nach dem Grab haben Archäologen<br />
am Fuße des Haupttempels der Aztekenhauptstadt<br />
Tenochtitlan<br />
(1325−1521) schon mehrereüber 500<br />
Jahrealte Opfergaben gefunden, die<br />
für den Sonnengott Huitzilopochtli<br />
bestimmt waren. (dpa)<br />
Ausstellung über Geschichte<br />
und Symbolkraft des Huts<br />
Mitder Symbolik und der Historie<br />
vonKopfbedeckungen setzt sich<br />
eine neue Ausstellung in Stuttgart<br />
auseinander.Unter dem Titel „Hut<br />
ab? Pickelhaube,Pussyhat und andereKopfgeschichten“<br />
hinterfragt<br />
die Schau im Haus der Geschichte<br />
vorallem, warum Kopfbedeckungen<br />
nach Jahrzehnten wieder im Alltag<br />
auftauchen −und dann oft als religiöse<br />
Symbole für Streit und Debatten<br />
sorgen wie die Kippa und das<br />
Kopftuch. (dpa)<br />
Kopfbedeckungen können auch zur politischen<br />
Botschaft werden. DPA/TOM WELLER
22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
·························································································································································································································································································<br />
Feuilleton<br />
Sylvester Groth liebt Interviews<br />
eigentlich gar nicht,<br />
denn er redet nicht gern auf<br />
Knopfdruck, aber wenn er<br />
auch vom Theater erzählen kann,<br />
freut er sich und läuft doch ziemlich<br />
schnell warm. Wir treffen uns im<br />
Souterrain des Restaurants Borchardt,<br />
wo man hört, wie nebenan<br />
die Schnitzel geklopft werden und<br />
wo außer uns niemand sitzt. Aber<br />
man darf hier rauchen, und darauf<br />
möchte Sylvester Groth nicht verzichten.<br />
Der Kellner hat dafür volles<br />
Verständnis und gibt ihm Feuer.Und<br />
Groth, der passionierte Raucher,<br />
dankt ihm nicht wie einem Dienstboten,<br />
sondern wie einem vertrauten<br />
„Brother in Crime“. Um seinen<br />
neuen Film soll es hier natürlich<br />
auch gehen.<br />
Herr Groth, in dem Film „Der Club<br />
der singenden Metzger“ spielen Sieeinen<br />
Clown in Kostüm und Maske<br />
und mit den typischen riesigen Schuhen.<br />
Wardas schwer?<br />
Höchstens insofern, als ich<br />
Clowns bis dahin eigentlich hasste.<br />
Was natürlich auch daran lag, dass<br />
ich sie nur als billige Faxenmacher<br />
wahrgenommen hatte. Nicht solche<br />
Größen wie Charlie Rivel oder Grock,<br />
das waren selbst für mich grandiose<br />
Artisten, ja sogar Philosophen. Und<br />
dann lernte ich Raoul Schoregge<br />
kennen, der ist nicht nur ein wunderbarer<br />
Clown ist, sondern auch<br />
Manager des Chinesischen Nationalzirkus.<br />
Undder hat es geschafft, dass Sieumzudenken<br />
begannen?<br />
Ja, denn er hat mir gezeigt, wie<br />
viel der Beruf des Clowns in Sachen<br />
Timing, Präzision, Körperbeherrschung<br />
mit dem Beruf des Schauspielers<br />
zu tun haben kann. Und in<br />
Sachen Denken, das müssen wir<br />
schließlich alle, umunser Publikum<br />
zu erreichen. Der Clown kann die<br />
Leute mit seinen Mitteln überdies<br />
zum Lachen bringen, aber nicht auf<br />
die billige Manier,sondernindem er<br />
zu einer Figur wird, mit der die Zuschauer<br />
etwas anfangen können. Oft<br />
hat der Clown in der Manege ein<br />
ganz normales Problem und versucht,<br />
dieses zu lösen. Daskann sehr<br />
komisch werden –wenn er gut ist …<br />
Wie haben Sie sich konkret auf die<br />
Rolle dieses alkoholkranken Robert<br />
vorbereitet?<br />
Aylin Tezel, die eine Hamburger<br />
Zirkusartistin spielt, und ich als ihr<br />
Vater, der Clown, haben mit Schoregge<br />
eine richtig große, professionelle<br />
Nummer einstudiert. Davon<br />
sieht man im Film nur sehr kurze<br />
Ausschnitte, aber wir wollten diesen<br />
Aufwand trotzdem betreiben, weil<br />
wir überzeugt waren, dass sonst die<br />
ganzen Zirkusszenen nicht stimmen.<br />
Auch als Schauspieler muss<br />
man viel mehr im Lager haben, als<br />
man in der Auslage zeigt. Und man<br />
sieht im Schaufenster, wenn nichts<br />
im Lager ist!<br />
Die Metzger im Film sind Arbeitsmigranten,<br />
die in ihrer schwäbischen<br />
Heimat nach dem Ersten Weltkrieg<br />
kaum überleben können. Sie sind als<br />
DDR-Bürger 1985 in Westdeutschland<br />
geblieben. Könnte man Sieauch<br />
als Arbeitsmigranten bezeichnen?<br />
Oder eher als politischen Flüchtling?<br />
Am besten als Lebensmigranten!<br />
Ich war damals 27 Jahre alt und<br />
fragte mich: Washabe ich bisher gemacht?<br />
Waswill ich in Zukunft machen?<br />
Was will ich noch erleben?<br />
Wolf Biermann war ausgebürgert<br />
worden, die Stimmung in der DDR<br />
am Boden. Alle meine Freunde verließen<br />
die DDR. Sollte ich abschließen<br />
und das Licht löschen? Nein, ich<br />
wollte etwas vonder Welt mitkriegen<br />
und nicht wie ein eingesperrtes Tier<br />
im Zooherumsitzen.<br />
Deshalb sind Sie nach einem Engagement<br />
bei den Salzburger Festspielen<br />
einfach nicht in die DDR<br />
zurückgekehrt?<br />
Genau, ich bin ins kalte Wasser<br />
gesprungen und wollte mir meinen<br />
Traum von der Freiheit erfüllen. Natürlich<br />
hatte ich Glück, dass ich im<br />
Ausland arbeiten konnte. Ich weiß<br />
nicht, ob ich den demütigenden Prozess<br />
einer legalen Auswanderung per<br />
Ausreiseantrag durchgestanden<br />
„Ich kann mich von allem trennen“<br />
hätte.Das muss schrecklich gewesen<br />
sein. Hut abvor den Menschen, die<br />
es trotzdem gewagt haben.<br />
Hat Sie der Regisseur Johannes<br />
Schaaf 1984 als junger Tempelherr in<br />
Lessings „Nathan der Weise“ nach<br />
Salzburg engagiert, weil Sie eine andereArt<br />
des Spielens als IhreKollegen<br />
im Westen pflegen?<br />
Daskann ich nicht beurteilen. Auf<br />
jeden Fall habe ich ihm viel zu verdanken.<br />
Es sind immer die Menschen,<br />
die wichtig sind, die einem<br />
helfen, indem sie eine Tür öffnen<br />
und dann sagen: „Aber durchgehen<br />
musst du schon selbst.“ Man kann<br />
nichts allein schaffen.<br />
Gute Regisseure sehen in einer<br />
Schauspielerin, einem Schauspieler<br />
mehr, als die zu diesem Zeitpunkt<br />
selbst wissen?<br />
Ich glaube, das ist oft wirklich so.<br />
Werfür mich in dieser Hinsicht am<br />
bedeutendsten war, ist Klaus Michael<br />
Grüber.Erwar der beste Regisseur,<br />
den ich je kennengelernt habe,<br />
und die größte Persönlichkeit im<br />
Theaterbereich. Er hatte einfach so<br />
viel im Lager, der musste nichts ins<br />
Schaufenster legen. Selbst wenn es<br />
leer gewesen wäre, hätten die Leute<br />
trotzdem davor gestanden und„Oh!“<br />
gesagt. Er war das einzige Genie,das<br />
mir je begegnet ist.<br />
Was hat denn diesen großen Regie-<br />
Außenseiter gekennzeichnet?<br />
Er war so unglaublich eigenständig,<br />
aber nicht, um sich von<br />
Ein Lebensmigrant mit leichtem Gepäck: Sylvester Groth spielt in dem Zweiteiler<br />
„Club der singenden Metzger“ einen alkoholkranken Clown<br />
den anderen Regisseuren abzuheben,<br />
sondern weil er ganz klar ausdrücken<br />
wollte, wie er die Welt sah.<br />
Für ihn waren Details sehr wichtig,<br />
eine Geste, ein Blick. Denn die großen<br />
Sachen erzählen sich ohnedies<br />
von selbst. Er ließ lieber etwas weg<br />
als etwas hinzuzufügen. Und er<br />
wollte, dass man nicht deklamiert<br />
und den Text nicht interpretiert,<br />
sondern einfach spricht. Aber sagen<br />
Sie mal ein schlichtes Nein<br />
oder Ja, und dann meinen Sie das<br />
auch so! Das ist wahnsinnig<br />
schwer, doch genau da wollte er<br />
immer hin. Er hat es ja auch geschafft.<br />
Tschechows „Ander großen<br />
Straße“ 1984 auf der damaligen<br />
Kreuzberger Probebühne der<br />
Schaubühne ist das Schönste, was<br />
ich je gesehen habe.<br />
VonIrene Bazinger<br />
Sylvester Groth: „Auch als Schauspieler muss man viel mehr im Lager haben, als man im Schaufenster sieht.“<br />
DER SCHAUSPIELER UND SEIN NEUER FILM<br />
Sylvester Groth,geboren 1958 in Jerichow, wurde 1983 mit dem Film „Der Aufenthalt“ (Regie:<br />
Frank Beyer) bekannt. 1985 blieb er nach einem Gastengagement bei den Salzburger<br />
Festspielen im Westen. Von1986 bis 1989 gehörte er zum Ensemble der Schaubühne. Er<br />
spielte in zahlreichen Filmen wie „Momo“, „Stalingrad“, „Mein Führer −Die wirklich wahrste<br />
Wahrheit über Adolf Hitler“, „Inglourious Basterds“, „Whiskey undWodka“, „Fargo“, „In Zeiten<br />
des abnehmenden Lichts“. Außerdem wirkte er in der „Deutschland“-Serie vonRTL mit sowie<br />
in den Netflix-Serien „Dark“ und „Criminal“.<br />
Der Club der singenden Metzger 27. Dezember,20.15 Uhr (ARD)<br />
Regie: Uli Edel, Drehbuch: Doris Dörrie, Ruth Stadler,mit JonasNay,Leonie Benesch,<br />
AylinTezel, Sylvester Groth, Vladimir Korneevu.a.<br />
Wie kann man als Schauspieler zu<br />
solch einem verdichteten Minimalismus<br />
finden, wie Sieihn beschreiben?<br />
Grüber hateinen in eine Situation<br />
gebracht, dass man ihm nichts mehr<br />
vormachen wollte. Das hat er einem<br />
ausgetrieben. Er hat einen entblättert.<br />
Das hält man nicht ohne weiteres<br />
aus. Aber dann ist es das Größte,<br />
was es gibt, weil man eine Freiheit<br />
gewinnt, alles auf der Bühne zu tun,<br />
ohne nachzudenken − weil man<br />
nichts mehr spielt, sondern ist, und<br />
trotzdem seinen Beruf ausübt, also<br />
nichts Privates durchsuppen lässt.<br />
Für das Theater sind Sie nach derlei<br />
Höhenflügen nun wohl verloren?<br />
Ich glaube, ich habe alles am<br />
Theater gespielt, was für mich vorgesehen<br />
war. Ich muss ja nicht bis<br />
BERLINER ZEITUNG/PAULUS PONIZAK<br />
an mein Lebensende auf der<br />
Bühne stehen. Meine Familien<br />
habe ich gehabt, an der Schaubühne<br />
mit Grüber, in Düsseldorf<br />
mit Herbert König, auch ein großartiger<br />
Regisseur, selbst wenn ihn<br />
heute keiner mehr kennt. König<br />
hat mir das artistische, rein äußerlich<br />
virtuose Spielen abgewöhnt<br />
und gesagt: „Stell dich einfach mal<br />
hin und mach mir nichts vor!“<br />
Seine Inszenierung von Goldonis<br />
„Der Impresario von Smyrna“<br />
1982 in Görlitz/Zittau war für<br />
mich eine Initialzündung. Er war<br />
eigentlich der künstlerische Vater<br />
von Frank Castorf. Ohne König<br />
wäre Castorf nicht denkbar.<br />
Undwer war beim Film alsRegisseur<br />
für Siewichtig?<br />
Auf jeden Fall Frank Beyer! Der<br />
hat mich 1983 mit „Der Aufenthalt“<br />
ins Metier gehievt und für meinen<br />
Durchbruch gesorgt.<br />
In diesem Jahr wird der Mauerfall vor<br />
30 Jahren gefeiert. Hätte es auch eine<br />
andere DDR geben können als die,<br />
der Sieentflohen sind?<br />
Nach der friedlichen Revolution<br />
mit den positiven Anzeichen für eine<br />
politische Veränderung war der Zug<br />
für eine bessere DDR leider sehr<br />
schnell abgefahren. Das Geld war<br />
halt doch stärker und hat alles Weiterebestimmt.<br />
DerEinzige, der das gleich befürchtet<br />
hatte, war Heiner Müller, oder?<br />
Er kannte ja den Westen aus direkter<br />
Erfahrung. Und wurde bei seiner<br />
kleinen Rede auf dem Alexanderplatz<br />
am 4. November 1989 heftig<br />
ausgebuht.<br />
Ja, der guckte sich das einfach an<br />
und wirdsich gedacht haben, „wenn<br />
ihr das Volk seid, bin ich Volker“.<br />
Haben Sie noch ein paar Verbindungen<br />
in IhrealteHeimat?<br />
Seine Wurzeln verliert man ja<br />
nie. Ich freue mich immer, nach<br />
Leipzig zu kommen oder nach Jerichow,<br />
woich geboren wurde und<br />
wo meine Schwester in der Nähe<br />
lebt. Aber ich fahre nicht extra hin,<br />
weil ich Sehnsucht hätte oder melancholisch<br />
wäre. Ich weiß sowieso<br />
nicht, wohin ich gehöre. Jetzt gehöre<br />
ich hierher, zu Ihnen hier an<br />
den Tisch. Heimat ist immer da, wo<br />
ich bin und wo ich mich wohlfühle<br />
und auch dort, wo ich arbeite.<br />
Hat diese Ungebundenheit mit den<br />
Paradigmen Ihres Berufs zu tun? Sie<br />
müssen in immer neue Geschichten<br />
eintauchen und Figuren schaffen<br />
können, die es nur auf der Bühne<br />
oder der Leinwand gibt?<br />
Bestimmt! Ich lebe und spiele<br />
aus dem Moment. Sonst würde<br />
das langweilig werden und wäre<br />
nicht mehr lebendig. Früher bin<br />
ich deswegen einfach regelmäßig<br />
umgezogen, um nicht irgendwo<br />
festzukleben und um nicht allzu<br />
viel Besitz anzuhäufen. Auch jetzt<br />
bin ich gerade wieder dabei,<br />
meine Sachen auszumisten. Ich<br />
kann mich von allem trennen. Nur<br />
meine Bilder gebe ich nicht her,<br />
die bedeuten mir wirklich etwas,<br />
sie sind von Malern, die ich kenne.<br />
Ich muss für mich herausfinden,<br />
was wichtig im Leben ist und was<br />
nicht. Besitzmäßig komme ich<br />
bald wieder auf einen einzigen<br />
Koffer zurück, mit dem ich jederzeit<br />
anderswohin gehen könnte …<br />
Viel mehr haben die FigureninIhrem<br />
neuen Film auch nicht dabei, wenn<br />
sie per Schiff nach Amerika umsiedeln,<br />
oder?<br />
Ja, was für ein Mut! Denn die<br />
wussten kaum etwas über das<br />
neue Land und verließentrotzdem<br />
ihren vertrauten Kulturkreis. Aber<br />
ich finde, der Aufbruch und das<br />
Risiko lohnen sich, wenn sonst<br />
nichts mehr möglich ist − selbst<br />
wenn man scheitert. Sich später<br />
vorzuwerfen, „Ach, hätte ich doch<br />
mal“, ist viel schlimmer. Deshalb<br />
tue ich eigentlich immer das, was<br />
ich mir in meinen Sturkopf setze.<br />
Was wäre in Ihrem Koffer, wenn<br />
Sie, wie der Clown Robert,auswandern<br />
würden?<br />
Ein paar meiner kleineren Bilder,<br />
ein paar Fotografien aus meinem Leben<br />
…Viele habe ich nicht mehr,<br />
mein ganzes Eigentum hat sich die<br />
Stasi gekrallt, nachdem ich abgehauen<br />
war. Und natürlich meinen<br />
Pass, den habe ich sehr zu schätzen<br />
gelernt –auchals ein Dokument, das<br />
beweist, dass es mich gibt. Manchmal<br />
glaube ich nämlich, dass es mich<br />
gar nicht gibt. Schöner Gedanke,<br />
oder? Ich wäre nicht mehr in das<br />
Weltgeschehen involviert und<br />
nähme trotzdem daran teil –angekommen<br />
im Nichts.Welch unglaubliche<br />
Freiheit hätte ich dann!<br />
WaswürdenSie tun, wenn es Sienicht<br />
gäbe und Sietrotzdem existierten?<br />
Ich weiß es nicht, aber das<br />
Nichts als Daseinszustand ist etwas,<br />
das mir gefällt. Ich bin kein<br />
Buddhist und ich bereue nichts,<br />
was ich gemacht habe, ich bin ein<br />
relativ zufriedener Mensch. Trotzdem<br />
gefällt mir die Vorstellung,<br />
keine Verpflichtungen zu haben,<br />
keine Geschichte, keine Ziele. Und<br />
ich könnte, völlig unbelastet und<br />
unbeleckt, auf die Welt zugehen.<br />
Washaben Sie denn noch für Pläne,<br />
außer sich dem Nichts anzunähern.<br />
Mich nicht verbiegen zu lassen<br />
und ein guter Schauspieler zu<br />
bleiben. Das ist genug, und gar<br />
nicht leicht!<br />
Irene Bazinger<br />
achtet den Lebensmut<br />
ihres Gesprächspartners
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 23<br />
· ·<br />
·······················································································································································································································································································<br />
Feuilleton<br />
Wo ist<br />
der Bär der<br />
Berlinale?<br />
Nüchtern ist das Plakat zur<br />
70. Ausgabe des Filmfests<br />
Der <strong>Berliner</strong> Designagentur State<br />
hat das Plakat zur 70. Ausgabe<br />
der Internationalen Filmfestspiele<br />
Berlin (20.2.-1.3.) entworfen. Das<br />
Motiv soll offenbar die Zäsur ausdrücken,<br />
die der Leitungswechsel bedeutet.<br />
Der kulinarische Spaß mit<br />
Dieter Kosslick ist vorbei, unter Carlo<br />
Chatrian und Mariette Rissenbeek<br />
gibt es − Jubiläum hin oder her −<br />
Schwarzbrot. Dierecht albernen Plakatmotive<br />
der letzten Jahrgänge<br />
zeigten das zottelige Wappentier<br />
Berlins in ortsüblich übellaunigen<br />
Posen an eher weniger glamourösen<br />
Ecken dieser Stadt: in der U-Bahn,<br />
am Steh-Imbiss oder im Whirlpool.<br />
Mit dem gelben Bhinter einer 70 ist<br />
bewiesen: Berlin kann noch übellauniger<br />
und unglamouröser. (use.)<br />
Das Plakatmotiv zur Jubiläumsausgabe<br />
der Berlinale verzichtet auf Jubel. DPA<br />
VonCornelia Geißler<br />
Stolze Blicke<br />
Wasman aus den Botschaften des Aufbau-Literaturkalenders lernen kann<br />
Vier Blätter von 53 aus dem Aufbau-Literaturkalender.Erkostet 22 Euro. AUFBAU-VERLAG (4)<br />
Alter ist keine Eigenschaft,<br />
die für einen Kalender<br />
spricht. Doch für den Kalender,<br />
von dem hier die<br />
Rede ist, steht das Alter für Vertrautheit,<br />
für ein gewisses Heimatgefühl.<br />
Durchall meine Wohnungen seit der<br />
Kindheit begleiten mich Bilder von<br />
Schriftstellern wöchentlich verteilt<br />
auf den Aufbau-Literaturkalender.<br />
Zum Jahresende wird mir wieder<br />
einmal bewusst, wie viel Bildung ich<br />
erlangt hätte, wenn ich doch die bequeme<br />
Möglichkeit genutzt hätte,<br />
die Blätter genau zu studieren. Zum<br />
Beispiel über Murasaki Shikibu, die<br />
im 11. Jahrhundert den ersten bedeutenden<br />
Roman Japans verfasste,<br />
„Die Geschichte vomPrinzen Genji“.<br />
Zu einer Illustration des Werks, die<br />
das Blatt für den 16. bis 22. Dezember<br />
schmückt, heißt es, Gelehrte<br />
stritten bis heute,warum das Manuskript<br />
abrupt ende. Das weckt Neugier<br />
für das bei Manesse auf Deutsch<br />
erschienene Buch. Dann folgt die<br />
Woche, in der vermutlich vieltausendfach<br />
der neue Kalender unter<br />
Weihnachtsbäumen liegt. Der<br />
2019er-Jahrgang schließt mit einem<br />
Fontane-Bilanz-Gedicht, man lese<br />
nur die letzte Strophe: „Das flücht’ge<br />
Lob,des Tages Ruhm/ Magst Du dem<br />
Eitlen gönnen;/ das aber sei dein<br />
Heiligtum:/ Vor dir bestehen können.“<br />
Schade, dass heute keine Poesiealben<br />
mehr vollgekritzelt werden.<br />
Das neue Jahr beginnen die Kalendermacher<br />
mit einem Foto von<br />
Ernst Barlach, dessen 150. Geburtstag<br />
am 2. Januar von der Kunst- und<br />
Literaturwelt begangen wird. DieKalendermacher,<br />
das sind der Literaturkritiker<br />
und -vermittler Thomas<br />
Böhm und die Lektorin Catrin Polojachtof.<br />
Das sind auch die Gestalter<br />
Ute und TomHenkel: Sie sind dafür<br />
verantwortlich, dass der Kalender<br />
optisch sein Gesicht wahrt. Denn<br />
das macht das Heimatliche aus.<br />
Im Lauf der Jahrzehnte haben<br />
viele Verlage erkannt, dass Leser sich<br />
gern mit Zitaten und Fotos großer<br />
oder zu entdeckender Autoren, umgeben.<br />
Zurältesten Konkurrenz (1985<br />
begründet) für das Produkt aus dem<br />
<strong>Berliner</strong> Aufbau-Haus, dem „Arche<br />
Literaturkalender“ gesellt sich neuerdings<br />
„Der Literatur Kalender“ der<br />
Edition Momente. Esgibt auch literarische<br />
Katzen- und Hundekalender,noch<br />
allerdings nicht vonschreibenden<br />
Tieren, sondern mit Zitaten<br />
über sie zu hübschen Fotos.<br />
Das Blättern durch den Aufbau-<br />
Literaturkalender für 2020 stimmt<br />
mich optimistisch. Dieses Jahr stehlen<br />
weniger geltungsbedürftige<br />
Männer den Frauen die Aufmerksamkeit.<br />
Benoîte Groult wird zwar<br />
Ende Januar so zitiert: „Jedes Mal,<br />
wenn ich auf unseren Bildschirmen<br />
eine begabte oder einflussreiche<br />
Frau sehe, weiß ich, dass sie auf der<br />
Stelle verkünden wird, natürlich<br />
keine Feministin zu sein, und damit<br />
weiter eine Sache in Misskredit<br />
bringt, auf die wir im Interesse unserer<br />
Kultur stolz sein sollten.“ Dieser<br />
Satz kann doch ein Auftrag sein. Im<br />
September sieht man mit Hanya Yanagihara<br />
eine der erfolgreichsten<br />
Autorinnen der vergehenden Dekade,ein<br />
Anstoß zum Lesen, und angesichts<br />
ihres Fotos in auffälliger<br />
Kleidung mit dem interessanten<br />
Hinweis versehen: „Mittlerweile ist<br />
Yanagihara Chief Editor des Stilmagazins<br />
Tder NewYork Times.“ Sympathisch<br />
ist mir auch, dass Kirsten<br />
Boie hier als Autorin von Kinderund<br />
Jugendbüchern genauso wahrgenommen<br />
wird wie die, die nur für<br />
Erwachsene schreiben.<br />
Natürlich sind nicht nur Frauen<br />
in diesem Kalender versammelt,<br />
auch schreibende Männer kommen<br />
in den 53 Wochen angemessen vor.<br />
Das Blatt Ende November ist dem<br />
Dichter Paul Celan gewidmet, der<br />
am 23.11.1920 geboren wurde. Da<br />
gilt es wieder,ein Jubiläum zu feiern.<br />
NACHRICHTEN<br />
Journalistenmord: Gericht<br />
weist Einspruch ab<br />
ZumAuftakt des international<br />
beachteten Journalistenmord-Prozesses<br />
in der Slowakei haben die Angeklagten<br />
eine erste Niederlage erlitten.<br />
EinSondergericht für organisierte<br />
Kriminalität in Pezinok bei<br />
Bratislavalehnte eine vonder Verteidigung<br />
verlangte vorläufige Zurückweisung<br />
der Anklage ab.Zugleich<br />
legte das Gericht als Beginn der eigentlichen<br />
Hauptverhandlung den<br />
13. Januar fest. (dpa)<br />
Preis für Gerichtsreporterin<br />
Gisela Friedrichsen<br />
DieGerichtsreporterin Gisela Friedrichsen<br />
wirdfür ihr Lebenswerkgeehrt.<br />
Siesoll den Ehrenpreis der Auszeichnung<br />
„Journalistin des Jahres“<br />
erhalten. Dasteilte das Medium Magazin<br />
mit. Die1945 in München geborene<br />
Friedrichsen wechselte 2016<br />
vomSpiegel zur Welt. (dpa)<br />
TOP 10<br />
Mittwoch, 18. Dezember<br />
1 Bares für Rares ZDF 5,53 19 %<br />
2 heute-journal ZDF 4,53 17 %<br />
3 Tagesschau ARD 4,16 14 %<br />
4 SokoWismar ZDF 3,72 19 %<br />
5 heute ZDF 3,58 16 %<br />
6 Wer weiß denn ...? ARD 3,45 18 %<br />
7 Sportschau ARD 3,05 17 %<br />
8 Heldt ZDF 2,98 11 %<br />
9 RTL aktuell RTL 2,94 13 %<br />
10 Lotto ZDF 2,73 12 %<br />
ZUSCHAUER IN MIO/MARKTANTEIL IN %<br />
Nordland-Reisen mit AIDA Cruises<br />
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Beratung und Buchung: 0800 -2634266(gebührenfrei) •Anmeldeschluss: 09.01.2020 •Stichwort: <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> -1655<br />
*AIDA VARIO Preis p.P bei 2er Belegung, limitiertes Kontingent. Einzel- und Mehrbettbelegung auf Anfrage. Es gelten die Allgemeinen Reisebedingungen, Hinweise und Informationen des aktuellen AIDA Katalogs „März 2020 bis April 2021“. Mindestteilnehmerzahl: 20 Personen. Bei Kontaktaufnahme<br />
erhalten Sie weitere vorvertragliche Informationen und Details von unseren Reiseberatern. Druckfehler vorbehalten. Vermittler: AtourO GmbH, Martin-Luther-Straße 69, 71636 Ludwigsburg /Veranstalter: AIDA Cruises -German Branch of Costa Crociere S.p.A., Am Strande 3d,18055 Rostock.<br />
Mehr Informationen auch unter www.berliner-zeitung.de/leserreisen |leserreisen@berliner-zeitung.de<br />
Detaillierte Informationen zur Reise und rechtliche Hinweise erhalten Sie vom Reisevermittler.<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> Leserreisen<br />
LESERREISEN
24 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Tagestipp<br />
KALENDER<br />
Dialogabend<br />
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Häuser<br />
aus<br />
Holz<br />
Steine sind auch nicht mehr<br />
das, was sie mal waren,<br />
könnte man denken, wenn<br />
man heute einem Maurer (heißen<br />
die noch so?) dabei zusieht,<br />
wie er mit einer Handsäge<br />
diese aufgepufften Bauquader<br />
zurechtstutzt und zu<br />
einer tragenden Wand zusammenfügt.<br />
Wenn so „Die drei<br />
kleinen Schweinchen“ gebaut<br />
hätten, hätte der Wolf das Gemäuer<br />
sicher problemlos wegpustet<br />
und -gehustet. Dann<br />
doch lieber Holz, das den Vorteil<br />
hat, nachzuwachsen, vergleichsweise<br />
leicht und stabil<br />
zu sein. Das Architekturforum<br />
Aedes diskutiert heute über<br />
„Holzbaugiganten im urbanen<br />
Wohnbau“ und annonciert im<br />
Untertitel die Baumkadaver<br />
als Baumaterial des 21. Jahrhunderts.Auf<br />
dem Podium sitzen<br />
Denny Ohnesorge, Andreas<br />
Burgherr, Philipp-Martin<br />
Dworok, Adrian Wyss und Adrian<br />
Ulrich. Ulrich Seidler<br />
Dialogabend Holzgeschichten<br />
18.30Uhr, ArchitekturforumAedes,<br />
Christinenstraße 18–19<br />
„Schielender“, undatiert, Radierung auf Papier PRIVATBESITZ Diller in seinem Atelier in der Pappelallee um 1985 FOTO: HARF ZIMMERMANN<br />
Freilich hatte Michal Diller<br />
seinen „Schielenden“ mit<br />
einem Wortspiel betitelt,<br />
seinen Doppelsinn in die<br />
Radierplatte geritzt, dieses zur<br />
Maske unkenntliche Gesicht des<br />
Mannes und den entblößten Körper.<br />
Der ist hühnerbrüstig mager, eckig<br />
fast, verletzbar ausgesetzt, existenzialistisch.<br />
Eine Egon-Schiele-Gestalt<br />
eben, ein„Ecce homo“ wie er im<br />
Buche steht. Kein Held, eher ein Leidender,<br />
aber ein Märtyrer, der sich<br />
still zu wehren weiß, sich entzieht –<br />
jeder Festlegung, jeder Vereinnahmung<br />
oder Anpassung.<br />
Solche expressiven Grafiken, eigensinnig,<br />
technisch exzellent, von<br />
subtilem Humor, ja, Sarkasmus geprägt,<br />
hat Michael Diller,dieser Thüringer<br />
in Berlin, seit Mitte der<br />
1980er-Jahre immer öfter übermalt,<br />
seinen hell-dunklen „Grabungen“ in<br />
die Zink- oder Kupferplatten Farbe<br />
gegeben. Das war gleichsam ein<br />
symbolischer Akt, der das Exklusive,<br />
Kostbare der düsteren Radierungen<br />
rabiat tilgte und ihm, dem bisherigen,<br />
ausschließlichen Grafiker ermöglichte<br />
– und ermutigte – nun<br />
auch ausdrucksstarkzumalen.<br />
Am 27. Januar des bald beginnenden<br />
neuen Jahres würde MichaelDiller<br />
siebzig Jahrealt und gernwürden<br />
seine Freunde ihn feiern. Aber schon<br />
1993 verwaiste sein illustres, von einem<br />
gründerzeitlichen Glasdach<br />
überwölbtes Atelier in der Pappelallee,<br />
indem dereinst, wie es heißt,<br />
Künstler der Preußischen Akademie<br />
gewerkelt hatten.<br />
Zehn Jahre lang war dieses gewächshausartige<br />
Atelier über den<br />
Dächern der Stadt Treffpunkt der<br />
Szene des Prenzlauer Bergsund weit<br />
darüber hinaus. Die Besonderheit<br />
des Ortes bestand darin, dass es<br />
keine homogene Szene war, die sich<br />
hier versammelte – Dillers Atelier<br />
war offen für jeden, der kommen<br />
wollte. Und er saß mittendrin –und<br />
radierte seine ruppigen Schutzengel<br />
und das eine oder andere Kruzifix,<br />
schleuderte feuerrote und sonnengelbe<br />
Farbe über eine „Siesta“-<br />
Szene, machte seine Bilder wie ein<br />
Unberührbarer, einfach nicht abgelenkt<br />
vom Partylärm oder den hitzigen<br />
Debatten derFreunde.<br />
Der Grafiker und Bohemien Diller<br />
wurde zu einem abstrakten Expressionisten.<br />
Kunsthistoriker ver-<br />
Ingeborg Ruthe<br />
erlebteMichael Diller schon in den<br />
1980er-Jahren als Ausnahmefigur in der<br />
ost-berliner Szene. Seine Kunst kam<br />
zwar vomtiefen Erleben und vonder<br />
Anschauungder Welt,aber er war ein<br />
kühner abstrakter Expressionist und<br />
beherrschte das Vokabulardes Informellen.<br />
Sein tragisch früher Todwar ein<br />
herber Verlust für die <strong>Berliner</strong> Kunst.<br />
KINO
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 25<br />
· ·<br />
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Tagestipp<br />
KALENDER<br />
Expressive<br />
Grabungen<br />
Technisch exzellent und<br />
von subtilem Sarkasmus:<br />
Michael Dillers Bildernachlass<br />
in der Galerie Parterre<br />
„Mann mit gelber Gambe“, 1984 ,Ölauf Papier und Hartfaser<br />
MEIN BILD DER WOCHE<br />
Der Künstler: Michael Diller,geboren<br />
1950 in Thüringen, war gelernter Schiffsbauer,studierte<br />
Kunsterziehung an der<br />
Humboldt-Universität Berlin, wurde Grafiker.<br />
Inspiriertvom Werk des niederländisch-amerikanischen<br />
Malers Willem de<br />
Kooning begann er 1987 zu malen. Sein<br />
Atelier in der <strong>Berliner</strong> Pappelallee wurde<br />
zum Künstlertreff. 1993 starb Michael<br />
Diller bei einem Autounfall.<br />
Die Ausstellung: „Mal wieder was Farbiges.<br />
Michael Diller und sein Kreis“ ist eine<br />
Hommageandie Freiheit der Kunst. Zu<br />
sehen sind Diller-Werkeund dievon 14<br />
engen Freunden. Galerie Parterre, DanzigerStr.101,bis<br />
23. Februar,Mi–So<br />
19−21/Do bis 22 Uhr (Pause:<br />
21.12.−1.1.), Tel.:902953821<br />
www.galerieparterre.de<br />
PRIVATBESITZ<br />
gleichen sein relativ überschaubaresWerk,<br />
das zu schaffen ihm ja gerade<br />
mal ein Jahrzehnt vergönnt<br />
war, mit den dänisch-belgisch-niederländischen<br />
COBRA-Malern um<br />
Karel Appel und Asger Jorn in den<br />
1950er-Jahren. Mehr noch hatte Diller<br />
Inspiration bei Willem de Kooning,<br />
diesem kreativen Universum<br />
des „abstract painting“ gefunden.<br />
So wundersam und nicht fassbar<br />
wie Dillers surreale Wesen auf den<br />
Grafiken, so sind sie es auch auf der<br />
Leinwand. Der „Mann mit gelber<br />
Gambe“ von1984 wirkt wie einer anderen<br />
Zeit entstiegen, eine wilde<br />
Phantasma-Gestalt, aber im Zerrspiegel<br />
derVerhältnisse in den engen<br />
und einzwängenden DDR-Nischen,<br />
den obrigkeitsstaatlichen Bevormundungen<br />
und den immer hörbarererzerschellenden<br />
Utopien.<br />
Diller war ein nicht zu domestizierender<br />
Außenseiter, allerdings<br />
mit großem und echtem Freundeskreis.<br />
Was er mit schwarzem Humor<br />
radierte und mit heftigem<br />
Gestus und dick aufgetragenen<br />
Farben malte, hat etwas von tief<br />
melancholischen, absurden, paradoxen<br />
Komödien. Und eswirkt zugleich<br />
aufsässig – bei gleichzeitigem<br />
Rückzug des Verursachers dieser<br />
Bildgeschichten.<br />
Ein Kenner von Dillers Werk, der<br />
Kunsthistoriker und heutige Künstlerhaus-Bethanien-Leiter<br />
Christoph<br />
Tannert, erlebt in den Bildern des<br />
Freundes, in den „hektischen Expressionen“<br />
dieses Sonderlings gar<br />
ein Gefühl höchster Dringlichkeit,<br />
fast etwas Panisches. Das alles ist<br />
weit weg von jeder akademischen<br />
Feinmalerei, von der Mythenschwere<br />
der Leipziger Schule und<br />
auch diesem gewissen weltabgewandten<br />
Sensualismus der sogenannten<br />
<strong>Berliner</strong> Schule.<br />
1990 malte Diller „Brüder“ –ein<br />
lichter Farbrausch zur Wende? Aber<br />
1991, zwei Jahre vor seinem tödlichen<br />
Autounfall auf einer vereisten<br />
Landstraße in der alten Heimat Thüringen,<br />
malte er den „Sitzriesen“,<br />
eine hohe vertikale Tafel. Die seltsame,<br />
groß erscheinende Figur mit<br />
langem Rumpf und kurzen Beinen<br />
erscheint als abstruser, jeden Aufbruch<br />
erdrückender Fleisch- und<br />
Farbberg, abstrakt-real. So nah war<br />
Michael Diller seinem Vorbild de<br />
Kooningnie zuvor.<br />
Pop<br />
Weihnachten<br />
im<br />
Freundeskreis<br />
Rund um die Weihnachtstage<br />
machen es sich die<br />
<strong>Berliner</strong> Konzertveranstalter<br />
gemütlich. „Same procedure<br />
…“ bespielt dann das Programm,<br />
viele Freundeskreise<br />
stehen gemeinsam auf der<br />
Bühne und erinnern sich vor<br />
Eingeweihten der gemeinsam<br />
verbrachten Jahre. In diesem<br />
Sinne darfman wohl auch das<br />
Get-Together-Konzert von<br />
Lüül verstehen, dessen musikalische<br />
Wanderbewegungen<br />
zum Aufregendsten gehören,<br />
was das <strong>Berliner</strong> Kulturleben<br />
zu bieten hat. Seine erste Band<br />
gründete der heute 68-Jährige<br />
in den 60er-Jahen, 1975 trat er<br />
Ash Ra Temple bei, die neben<br />
Can und Tangerine Dream zu<br />
den Pionieren des Krautrocks<br />
gehörten. Mit der legendären<br />
Nico war Lüül liiertund für sie<br />
schrieb er auch ein paar Songs.<br />
Am wohlsten aber fühlt er sich,<br />
wenn er mit anderen, zum Beispiel<br />
den 17 Hippies, Musik<br />
macht. HarryNutt<br />
Lüül &Band &Gäste 20 Uhr,Ufa-Fabrik,<br />
Viktoriastraße 10–18<br />
HEUTE–21.12.<br />
SkandalimSpreebezirk<br />
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KINO
26 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019<br />
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Netzwerk<br />
NACHRICHTEN<br />
Netflix hat auf YouTube<br />
die meisten Follower<br />
STREAMING<br />
Ein Fest<br />
für<br />
TV-Junkies<br />
VonMarcus Posimski<br />
Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen,<br />
der Advent ist fast vorbei<br />
und Weihnachten steht vor der Tür.<br />
Egal, ob man vomWeihnachtstrubel<br />
nicht genug bekommen kann, oder<br />
ob man bereits die Nase voll hat,<br />
man kann sich dem Spektakel nicht<br />
entziehen. Undfür alle,bei denen in<br />
Sachen Weihnachtsstimmung noch<br />
Luft nach oben ist, gibt es hier ein<br />
paar Streaming-Tipps:<br />
AVeryMurrayChristmas (Netflix)<br />
Am gekonnten Wortspiel (Merry –<br />
Murray) erkennt man sofort, dass bei<br />
diesem einstündigen Weihnachts-<br />
Special der großartige Bill Murray im<br />
Mittelpunkt steht. Unter der Führung<br />
von Sofia Coppola läuft Mr.<br />
Murray zu der ihm eigenen komödiantischen<br />
Höchstform auf. Der Film<br />
ist als eine Art Mockumentary angelegt,<br />
in der Superstars wie George<br />
Clooney oder Miley Cyrussich selbst<br />
spielend wie Statisten kurz auftauchen,<br />
um dann einfach wieder zu<br />
verschwinden. Gespickt mit einer<br />
Reihe Weihnachtsliederngibt es hier<br />
eine sehr schöne kleine Weihnachtsgeschichte<br />
für Großund Klein.<br />
Home for Christmas (Netflix)<br />
Diese kleine, aber feine norwegische<br />
Serieist vorkurzembei Netflix an den<br />
Startgegangen und ist, obwohl sie auf<br />
den ersten Blick wie Tausende andere<br />
Weihnachts-Specials aussieht, eine<br />
wahrePerle.Esgeht um die 30-jährige<br />
Johanne, die, wie es sich in Christmas-Comedys<br />
gehört, Single ist und<br />
bis zum Weihnachtsessen im Kreis<br />
der Familie noch schnell irgendeinen<br />
Partner auftreiben muss,umdie„perfekte<br />
Weihnachtsidylle“ nicht zu gefährden.<br />
Was nach einer typischen<br />
Rom-Com klingt, ist dank der großartigen<br />
und erfrischenden Besetzung<br />
ein wirklich gelungener Spaß.<br />
Und sonst noch …<br />
Für Weihnachtsnostalgiker:„ACharlie<br />
Brown Christmas“ –(leider) nur<br />
25 Minuten lang, aber seit der Erstausstrahlung<br />
im Jahr 1965 ein Kultklassiker.<br />
Für Weihnachtshasser:<br />
„Bad Santa“ –Billy Bob Thorntons<br />
Der etwas andere Weihnachtsmann: Billy<br />
Bob Thornton in „Bad Santa“.<br />
ZVG<br />
beste Rolle. Ein Weihnachtsmann-<br />
Betrüger und sein kleiner Helfer wollen<br />
an Heiligabend Geschäfte ausrauben.<br />
Für Animationsfreunde:<br />
„The NightmareBeforeChristmas“ –<br />
ein düsterer,oscarnominierter Stop-<br />
Motion-Film, der Tim Burtons Gedankenwelt<br />
entsprungen ist.<br />
Undnatürlich darf der beste aller<br />
Weihnachtsfilme nicht fehlen: „Stirb<br />
langsam“ (Teil 1!). BruceWillis im Unterhemd<br />
macht zur Weihnachtszeit<br />
Geiselnehmern ineinem Hochhaus<br />
das Leben schwer. Immer wieder<br />
grandios.<br />
Marcus Posimski hat<br />
amerikanische Kultur mit<br />
Schwerpunkt Film studiert.<br />
Der digitale Blackout<br />
Wieautoritäre Staaten versuchen, ihren Bürgern<br />
die Nutzung des Internets unmöglich zu machen<br />
VonAdrian Lobe<br />
Das Internet kann man nicht so einfach abstellen oder gar löschen. Regime nutzen aber gerndie Möglichkeit, den technischen Zugriff zu sperren.<br />
Im Jahr 2009 gingen im Iran die<br />
Menschen auf die Straßen, um<br />
gegen den Wahlbetrug nach<br />
der Wahl Ahmadineschads zu<br />
demonstrieren. DieProteste,die von<br />
der Polizei mit brutaler Härte niedergeschlagen<br />
wurden, gingen als<br />
Grüne Revolution bzw. „Twitter-Revolution“<br />
in die Geschichte ein –die<br />
Opposition hatte die Demonstrationen<br />
über den Kurznachrichtendienst<br />
organisiert.<br />
Zehn Jahrespäter wiederholt sich<br />
die Geschichte: Wieder gehen die<br />
Menschen auf die Straßen. Undwieder<br />
geht die Polizei mit Gewalt gegen<br />
Demonstranten vor. Nach Angaben<br />
von Amnesty International wurden<br />
mehr als 200 Menschen bei den Protesten<br />
getötet. Doch während der<br />
Unruhen drangen diesmal kaum<br />
Nachrichten nach draußen. Der<br />
Grund: Das Regime hatte das Internet<br />
abgeschaltet und das Land vom<br />
Rest der Welt abgeschottet.<br />
Kampf David gegen Goliath<br />
Eine gemeinsame Sprache für<br />
Alexa, Siri und Co.soll bald möglich<br />
sein. Die Technologie-Schwergewichte<br />
Apple,Google und Amazon<br />
wollen bei der besseren Vernetzbarkeit<br />
von Smarthome-Geräten künftig<br />
an einem Strang ziehen und einen<br />
gemeinsamen Standard entwickeln.<br />
Wie die US-Konzerne jetzt zusammen<br />
mit der Stiftung Zigbee Alliance<br />
ankündigten, soll das Projekt<br />
denjenigen Verbrauchern Verbesserungen<br />
bringen, deren intelligente<br />
ZENSUR IM INTERNET<br />
Nicht nur autoritäre Regime<br />
sperren Internet-Seiten. In<br />
Deutschland sind zum Beispiel<br />
die Verherrlichung der<br />
NS-Kriegsverbrechen oder<br />
auch die Leugnung des Holocaust<br />
verboten. In den USA<br />
hingegen kann man diese<br />
Dingeungestraft verbreiten.<br />
In der EU werden mit Unterstützung<br />
vonEuropol Webseiten,<br />
die Darstellungen von<br />
Kindesmissbrauch enthalten<br />
und vondenen die Behörde<br />
Kenntnis erlangt hat, mit<br />
dem „Child Sexual Abuse<br />
Anti Distribution Filter“<br />
(CSAADF) gesperrt.<br />
Als am 6. August 1991, wenige Monate<br />
vor dem Zerfall der Sowjetunion,<br />
am Genfer Forschungszentrum<br />
Cern in der Schweiz die erste<br />
Webseite online gestellt wurde,<br />
herrschte Aufbruchsstimmung.<br />
Der Siegeszug des World Wide Web<br />
würde Diktatoren stürzen und die<br />
Freiheit in die Welt tragen. Im Juni<br />
1989 hatte der damalige US-Präsident<br />
Ronald Reagan, der Anführer<br />
der freien Welt, gesagt: „Der David<br />
des Mikrochips wird den Goliath<br />
des Totalitarismus zu Fall bringen.“<br />
So leicht ist der Goliath allerdings<br />
nicht zu Fall zu bringen. Immer<br />
mehr autoritäre Regime zensieren<br />
das Netz oder verhängen Internetsperren.<br />
Sri Lanka hat nach<br />
den Ausschreitungen im Mai 2019<br />
soziale Netzwerke wie Facebook<br />
und Whatsapp im Land blockiert.<br />
Äthiopien hat nach einem Putschversuch<br />
das Internet komplett abgeschaltet;<br />
Tools wie der VPN-Client<br />
oder die Anonymisierungstechnologie<br />
Tor, mit der sich Sperren<br />
umgehen lassen, wurden<br />
ebenfalls blockiert. Auch die Bewohner<br />
des Sudan waren inmitten<br />
der Proteste tagelang offline.<br />
Die irakische Regierung hat im<br />
Juni 2019 zu den Abschlussprüfungen<br />
landesweit die Internetverbindungen<br />
gekappt, um Täuschungsversuche<br />
zu verhindern (wie auch<br />
Algerien im Vorjahr). Bereits unter<br />
Diktator Saddam Hussein wurde<br />
im Irak um die Jahrtausendwende<br />
das Internet zensiert –Seiten wie<br />
Yahoo oder Hotmail waren blockiert.<br />
Normalerweise sollte man annehmen,<br />
dass es technisch gesehen<br />
gar nicht so leicht ist, ein ganzes Land<br />
voneinem dezentralen, weltumspannenden<br />
Netz abzuschotten, das mit<br />
zahlreichen Knoten und Seekabeln<br />
auf derWelt verbunden ist. Mankann<br />
die Verbindung auch nicht so einfach<br />
kappen, so wie man einen Stromstecker<br />
zieht, wie dies die Formulierung<br />
vom „Internet abschalten“ zuweilen<br />
suggeriert.<br />
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten,<br />
das Internet zu sperren.<br />
Zum einen physisch, indem Seekabel<br />
beschädigt werden. So geschehen<br />
zum Beispiel 2008, als ein<br />
sechs Tonnen schwerer Schiffsanker<br />
vor der Küste Dubais eine Kabeltrasse<br />
mit Glasfasersträngen für<br />
Internet- und Telefonverbindungen<br />
zertrümmerte, was zu einem<br />
Störfall in 14 Ländern führte. Oder<br />
digital, indem man den Transfer<br />
vonDatenpaketen blockiert.<br />
Mankann sich dieses Adressauflösungsprotokoll<br />
als eine Art Navigationssystem<br />
vorstellen, das Datenpakete<br />
anweist, welchen Pfad<br />
sie zwischen den Routerneinschlagen<br />
sollen. Werden diese Verbindungslinien<br />
mit Computerbefehlen<br />
gekappt, laufen Informationsabfragen<br />
wie etwa die Eingabe von<br />
Domains ins Leere. Es erscheint<br />
dann eine Fehlermeldung.<br />
Zugangssperren sind leichter,<br />
wenn die Provider vom Staat kontrolliert<br />
werden. Grundsätzlich gilt:<br />
Je weniger Provider und physische<br />
Verbindungen, desto leichter lassen<br />
sich Blockaden errichten. Der Iran<br />
hat sich bei der jüngsten Internetsperre<br />
verschiedener Taktiken bedient:<br />
Zumeinen hat das Regime die<br />
Internetgeschwindigkeit gedrosselt.<br />
Zum anderen wurden Datenpakete<br />
vereinfacht gesagt an heimischen<br />
Netzen vorbeigeroutet. 24 Stunden<br />
hat es gedauert, bis das Land vonder<br />
digitalen Welt abgeschnitten war.<br />
Siri spricht bald mit Alexa<br />
Apple, Google und Amazon wollen die Vernetzbarkeit von Smarthome-Geräten verbessern<br />
ten. Beiintelligenten Kühlschränken<br />
bis hin zu sprachgesteuerten Lichtanlagen<br />
oder Sicherheitsrollläden<br />
sind sie bislang darauf angewiesen,<br />
ihre Produkte entweder für mehrere<br />
Standards maßzuschneidern oder<br />
sich zwischen diesen zu entscheiden.<br />
Für Entwickler werdeder einheitliche<br />
Standard „die Kosten reduzieren“,<br />
erklärten Nik Sathe and Grant<br />
Erickson vonGoogle Nest, der Smarthome-Sparte<br />
des Suchmaschinenkonzerns.<br />
Verbrauchern werde da-<br />
GETTY IMAGES/IGOR SHISHOV<br />
Internetsperren sind extrem kostspielig.<br />
Nach Schätzungen der NGOs<br />
Netblocks und The Internet Society<br />
belief sich bei der jüngsten Netzsperre<br />
imIran der volkswirtschaftliche<br />
Schaden auf 370 Millionen Dollar<br />
–pro Tag.Wobei das Land dieVerluste<br />
durch sein eigenes Netz kompensieren<br />
konnte. Das Regime hat<br />
vor einigen Jahren mit dem Aufbau<br />
eines landesweiten Intranets mit<br />
staatlich kontrollierten Knoten, dem<br />
Nationalen Informationsnetzwerk<br />
(NIN), begonnen, über das E-Government-Leistungen<br />
oder E-Mail-<br />
Dienste abgewickelt werden. Einsolches<br />
isoliertes, zentralisiertes Netz<br />
lässt sich von der Regierung viel effektiver<br />
überwachen. Laut eines Berichtes<br />
der Jerusalem Post ist der<br />
Aufbau des nationalen Netzwerks zu<br />
80 Prozent vollendet.<br />
Derlei Nationalisierungstendenzen<br />
sind schon länger zu beobachten.<br />
China hat vor einiger Zeit eine<br />
digitale Brandmauer („The Great<br />
Firewall“) errichtet, die Seiten wie<br />
Facebook, Google,Twitter undWikipedia<br />
blockiert, heimische Dienste<br />
wie Weibo oder WeChat protegiert.<br />
Putinwill sich abkoppeln<br />
Russland will sich derweil ganz vom<br />
World Wide Web abkoppeln: Das<br />
Parlament hat im April ein Gesetz<br />
beschlossen, das Providern verbietet,<br />
ihren Traffic über ausländische<br />
Server laufen zu lassen. Das„Internet-Souveränitätsgesetz“<br />
soll Telekommunikationsanbieter<br />
verpflichten,<br />
mithilfe von Filtertechnologien<br />
den Internet-Traffic zu<br />
überwachen und eine Infrastruktur<br />
zu schaffen, die es der Regierung<br />
im Krisenfall erlaubt, das Netz abzuschalten.<br />
Präsident Wladimir Putin<br />
hat das Internet schon vor Jahren<br />
als „CIA-Projekt“ denunziert.<br />
Für dieFreiheit im Netz verheißt das<br />
nichts Gutes.<br />
Geräte zu Hause bislang nicht kompatibel<br />
sind. Das neue Protokoll<br />
habe das Potenzial, bei Smarthome-<br />
Systemen und digitalen Assistenzsystemen<br />
wie dem Google Assistant,<br />
Amazons Alexa oder Apples Siri<br />
„weithin angenommen“ zu werden,<br />
hieß es in einer Erklärung der Konzerne.<br />
Siri spricht also bald mit<br />
Alexa. Undumgekehrt.<br />
Die Entwicklung einer gemeinsamen<br />
Plattform könnte vor allem für<br />
die Entwickler von Smarthome-Anwendungen<br />
Erleichterungen bedeumit<br />
die Möglichkeit verschafft, zu<br />
wählen, wie das Zuhause gesteuert<br />
werden solle – unabhängig davon,<br />
welche Technik zum Einsatz komme.<br />
Smarthome-Geräte sind auch eines<br />
der großen Themen bei der kommenden<br />
Consumer Electronics<br />
Show CES in LasVegas (vom 7. bis 10.<br />
Januar). Analysten zufolge erwies<br />
sich beim sogenannten „Internet der<br />
Dinge“ bislang vorallem die Vielzahl<br />
an unterschiedlichen Standards und<br />
Systeme als Bremsklotz. Infos zur<br />
Show:www.ces.tech (dpa)<br />
DerOnlinevideo-Produzent Divimove<br />
hat jetzt ermittelt, welche Marken<br />
und Branchen die größten You-<br />
Tube-Kanäle haben. Besonders viele<br />
Fans haben Medien- und Technikunternehmen.<br />
Denerfolgreichsten<br />
Youtube-Kanal betreibt hier das Hollywood-Studio<br />
Warner Bros.mit<br />
über acht Millionen Filmfans.Netflix<br />
hat bei YouTube11,8 Millionen Fans,<br />
Blubberbrause verleiht Flügel:Red<br />
Bull hat 9,04 Millionen Abonnenten<br />
auf seinem YouTube-Kanal und liegt<br />
damit vorCoca-Cola (3,28 Million)<br />
und Pepsi (838 000). (kk)<br />
Vorsicht: Spam-Mails im<br />
Namen von Bundesbehörden<br />
DasBundesamt für Sicherheit in der<br />
Informationstechnik (BSI) warnt vor<br />
schädlichen Spam-E-Mails,die vermeintlich<br />
im Namen vonBundesbehörden<br />
geschickt werden. Demnach<br />
seien dem BSI aus Behörden der<br />
Bundesverwaltung mehrereInfektionen<br />
mit der SchadsoftwareEmotet<br />
gemeldet worden. Diese sende im<br />
Namen der Betroffenen E-Mails mit<br />
schädlicher SoftwareimAnhang.<br />
Um welche Behörden es im Detail<br />
geht, dazu wollte das BSI keine Auskunft<br />
geben. DieSchad-Software<br />
kann Adressbücher und Mailverläufe<br />
auslesen. (dpa)<br />
Gelesene E-Books dürfen<br />
nicht weiterverkauft werden<br />
Gelesene E-Books dürfen nach einem<br />
Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />
nicht ohne weiteres als<br />
„gebrauchte“ Exemplareüber eine<br />
Internetseite weiterverkauft werden.<br />
Nach EU-Recht handele es sich dabei<br />
um eine „öffentliche Wiedergabe“,<br />
für die es die Erlaubnis des<br />
Urhebers bedürfe,urteilten die Luxemburger<br />
Richter am Donnerstag<br />
(Rechtssache C-263/18). (dpa)<br />
Rechner sagt, wie viele<br />
Kugeln an den Baum müssen<br />
Eine zumindest aus mathematischer<br />
Sicht perfekte Anzahl an Kugeln und<br />
Lichter für eine bestimmte Baumgröße<br />
lässt sich errechnen. DieDIY<br />
Academy verweist dazu auf einen<br />
Rechner namens „Treegonometry“<br />
der Universität im englischen Sheffield.<br />
Hier gibt man die Höhe des gekauften<br />
Baums in Zentimeternein.<br />
Dann spuckt der englischsprachige<br />
Rechner aus,wie viele Kugeln es<br />
nach mathematischem Kalkül sein<br />
müssten und welche Höhe der Stern<br />
an der Spitzehaben sollte.Außerdem<br />
wirddie perfekte Gesamtlänge<br />
der Lichterkette und des Lamettas<br />
genannt. (dpa)<br />
AUSDER REDAKTION<br />
Berlin Mitte,<br />
der Podcast<br />
von<br />
Jochen Arntz<br />
Freitags<br />
ab sechs<br />
Jetzt gibt’s unter www.berliner-zeitung.de<br />
auch was zum Hören –direkt<br />
aus der Chefredaktion. „Berlin<br />
Mitte“ heißt der Podcast, in dem ich<br />
Ihnen jeden Freitag ab sechs Uhr<br />
morgens Neues aus der Redaktion<br />
und Neues aus Berlin präsentiere.<br />
Diesmal spreche ich über die Ausgaben<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> zu Weihnachten<br />
und zum Jahreswechsel<br />
und über unsere ganz besondere<br />
Ausgabe zumJahrzehntwechsel.<br />
Wirhören uns,<br />
Ihr Jochen Arntz, Chefredakteur<br />
bei Twitter @JochenArntz
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 27<br />
· ·<br />
·······················································································································································································································································································<br />
TV-Programm<br />
ARD<br />
5.30 (für HG) ZDF-Morgenmagazin 9.00 (für HG)<br />
Tagesschau 9.05 (für HG) Livenach Neun 9.55<br />
(für HG) Sturmder Liebe 10.45 (für HG) Meister<br />
des Alltags 11.15 (für HG) Werweiß denn<br />
sowas? 12.00 (für HG) Tagesschau 12.15 (für<br />
HG) ARD-Buffet 13.00 (für HG) ARD-Mittagsmagazin<br />
14.00 (für HG) Tagesschau 14.10 (für HG)<br />
Rote Rosen 15.00 (für HG) Tagesschau 15.10<br />
(für HG) Sturmder Liebe 16.00 (für HG)<br />
Tagesschau 16.10 (für HG) Verrückt nach Meer<br />
17.00 (für HG) Tagesschau 17.15 (für HG)<br />
Brisant 18.00 (für HG) Werweiß denn sowas?<br />
18.50 (für HG) Quizduell-Olymp 19.45 (für HG)<br />
Sportschau 19.50 (für HG) Wetter 19.55 (für<br />
HG) Börse 20.00 (für HG) Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Der kleine Lord<br />
Melodram,GB1980. Mit Ricky Schroder.<br />
Der EarlofDorincourtlässt seinen<br />
kleinen Enkel Ceddie aus Amerika nach<br />
England kommen, um ihn auf seinem<br />
Schloss standesgemäß zu erziehen.<br />
21.55 (für HG) Tagesthemen<br />
22.10 (für HG) Tatort: Klingelingeling<br />
Krimireihe, D2016. Mit MiroslavNemec<br />
23.40 (für HG) St. Vincent –<br />
Mein himmlischer Nachbar<br />
Tragikomödie, USA 2014. Mit Bill Murray<br />
1.15 (für HG) Tagesschau<br />
RTL<br />
5.25 Exclusiv –Das Starmagazin 5.35 Explosiv<br />
–Das Magazin 6.00 Guten Morgen Deutschland<br />
8.30 (für HG) Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Daily<br />
Soap 9.00 Unter uns. Daily Soap 9.30 (für HG)<br />
Alles was zählt. Daily Soap 10.00 Der Blaulicht<br />
Report 11.00 Der Blaulicht Report 12.00 Punkt<br />
12 –Das RTL-Mittagsjournal 14.00 Die<br />
Superhändler –4Räume, 1Deal 15.00 Die<br />
Superhändler –4Räume, 1Deal 16.00 Mensch<br />
Papa! Väter allein zu Haus 17.00 Herz über Kopf.<br />
Telenovela 17.30 Unter uns. Daily Soap 18.00<br />
Explosiv –Das Magazin 18.30 Exclusiv –Das<br />
Starmagazin 18.45 RTL Aktuell 19.03 RTL Aktuell<br />
–Das Wetter 19.05 (für HG) Alles was zählt<br />
19.40 (für HG) Gute Zeiten, schlechte Zeiten<br />
20.15 5gegen Jauch<br />
Quizshow. Kurz vorWeihnachten tritt<br />
Günther Jauch alleine gegendas „Let’s<br />
Dance“-Rateteam Evelyn Burdecki, Pascal<br />
Hens, Sabrina Mockenhaupt, Joachim<br />
Llambi und MassimoSinató an.<br />
0.00 RTL Nachtjournal<br />
0.27 RTL Nachtjournal –Das Wetter<br />
0.30 Mario Barth &Friends<br />
Comedyshow. Zu Gast: Paul Panzer,Chris<br />
Tall, Kaya Yanar,Maxi Gstettenbauer<br />
1.45 Mario Barth &Friends<br />
2.55 Willkommen bei Mario Barth<br />
MDR<br />
12.30 (für HG) Ein Engel namensHans-Dieter.<br />
Familienfilm, D2004 13.58 (für HG) MDR aktuell<br />
14.00 (für HG) MDR um 2 14.50 (für HG) Frau<br />
Holle. Märchenfilm, D1961 16.00 (für HG) MDR<br />
um 4 17.45 (für HG) MDR aktuell 18.05 (für HG)<br />
Wetter für 3 18.10 (für HG) Brisant 18.54 (für<br />
HG) Unser Sandmännchen 19.00 Regionales<br />
19.30 (für HG) MDR aktuell 19.50 (für HG)<br />
Elefant, Tiger&Co. 20.15 (für HG) Das<br />
Adventsfest der 100 000 Lichter 23.30 (für HG)<br />
MDR aktuell 23.35 Das Riverboat der Komiker<br />
1.38 MDR aktuell 1.40 MDR-Kurzfilmnacht<br />
Bayern<br />
14.15 (für HG) Winter in Schwaben 14.45 (für<br />
HG) Gefragt –Gejagt 15.30 Schnittgut 15.58<br />
Sternstunden 16.00 (für HG) Rundschau 16.15<br />
(für HG) WirinBayern 17.30 Regionales 18.00<br />
(für HG) Abendschau 18.28 Sternstunden 18.30<br />
(für HG) Rundschau 19.00 (für HG) Unser Land<br />
19.30 (für HG) Landgasthäuser Alpenseen 19.58<br />
Sternstunden 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />
(für HG) Hubertund Staller 21.55 (für HG)<br />
Rundschau Magazin 22.10 (für HG) Mittermeier!<br />
22.55 Cleopatra. Monumentalfilm, USA/GB<br />
1963 2.50 Rundschau Nacht<br />
Vox<br />
5.15 CSI: NY 6.50 CSI: Den Täternauf der Spur<br />
8.40 Verklag mich doch! 10.45 VoxNachrichten<br />
10.50 Mein Kind, dein Kind –Wie erziehst du<br />
denn? 11.55 Shopping Queen 12.55 Zwischen<br />
Tüll und Tränen 13.55 Mein Kind, dein Kind –Wie<br />
erziehst du denn? 14.55 Shopping Queen 16.00<br />
4Hochzeiten und eine Traumreise 17.00<br />
Zwischen Tüll und Tränen 18.00 First Dates –Ein<br />
Tisch für zwei 19.00 Das perfekte Dinner 20.00<br />
Prominent! 20.15 Readytobeef 22.20 (für HG)<br />
Bones –Die Knochenjägerin 0.10 VoxNachrichten<br />
0.30 Medical Detectives<br />
Super RTL<br />
11.35 Go Wild! 12.05 Friends 12.25 Trolls<br />
12.45 Polly Pocket 13.10 Tomund Jerry 13.45<br />
Weihnachtsmann &Co. KG 14.15 Angelo! 14.50<br />
Dragons 15.15 Scooby-Doo! 15.45 Alvinnn!!!<br />
16.10 Sally Bollywood 16.40 Barbie 17.10<br />
Grizzy &die Lemminge 17.40 Angelo! 18.10<br />
Weihnachtsmann &Co. KG 18.40 Woozle Goozle<br />
19.10 Alvinnn!!! 19.40 Super ToyClub 20.15<br />
(für HG) Der Polarexpress. Animationsfilm, USA<br />
2004 22.05 Drachenzähmen leicht gemacht –<br />
Die guten alten Zeiten 22.35 CSI: Miami 23.30<br />
30 Rock 0.05 Infomercials<br />
Sport1<br />
5.50 SportClips 6.00 Teleshopping 13.00<br />
Teleshopping 13.30 Darts. WM. 2. Runde, live.<br />
Am Nachmittag treffen aufeinander:Darren<br />
Webster –Yuki Yamada, Mervyn King –Ciaran<br />
Teehan, Ricky Evans –Mark McGeeneyund Jonny<br />
Clayton spielt gegenden Sieger Ryan Joyce–Jan<br />
Dekker 18.15 Der bet-at-home.com Quotentalk<br />
18.30 Basketball. Die BBL. s. Oliver Würzburg<br />
–Hakro Merlins Crailsheim, live 20.15 Darts. WM.<br />
2. Runde, live 0.00 Die 2. Bundesliga. 18.<br />
Spieltag 1.00 SportClips<br />
ZDF<br />
5.00 (für HG) hallo deutschland 5.30 (für HG)<br />
ZDF-Morgenmagazin 9.00 (für HG) heute Xpress<br />
9.05 (für HG) Volle Kanne –Service täglich<br />
10.30 (für HG) Notruf Hafenkante. Krimiserie. Die<br />
Zeugin 11.15 (für HG) SokoWismar.Hochwild<br />
12.00 heute 12.10 drehscheibe 13.00 (für HG)<br />
ARD-Mittagsmagazin 14.00 (für HG) ZDF<br />
Sportextra. Biathlon: 7,5 km Sprint Damen /ca.<br />
15.40 Ski Alpin: Super-G Herren 16.00 (für HG)<br />
heute –inEuropa 16.10 (für HG) Die Rosenheim-Cops.<br />
Die zerbrochene Feder 17.00 (für<br />
HG) heute 17.10 (für HG) hallo deutschland<br />
17.45 (für HG) Leute heute 18.00 (für HG) Soko<br />
Wien. Schuld 19.00 (für HG) heute 19.25 (für<br />
HG) Bettys Diagnose. Krankenhausserie. Glatteis<br />
20.15 (für HG) ZDF Sportextra<br />
Bundesliga: TSG 1899 Hoffenheim –<br />
Borussia Dortmund, 17. Spieltag,live.<br />
Béla Réthykommentiertdie Partie aus<br />
der PreZero Arena in Sinsheim. Oliver<br />
Kahn ist außerdem als Experte vertreten.<br />
22.50 (für HG) The Gunman<br />
Actionfilm, F/E/GB2015. Mit Sean Penn,<br />
Javier Bardem<br />
0.35 heute+<br />
0.50 Böhmermanns perfekte Weihnachten<br />
1.20 (für HG) Line of Duty<br />
2.20 (für HG) Line of Duty<br />
Sat.1<br />
5.30 Sat.1-Frühstücksfernsehen 10.00 Im<br />
Namen der Gerechtigkeit –Wir kämpfenfür Sie!<br />
11.00 Im Namen der Gerechtigkeit –Wir<br />
kämpfen für Sie! 12.00 Anwälte im Einsatz<br />
13.00 Anwälte im Einsatz 14.00 AufStreife<br />
15.00 AufStreife –Die Spezialisten 16.00 Klinik<br />
am Südring.Doku-Soap 17.00 Klinik am Südring<br />
–Die Familienhelfer.Doku-Soap. Der siebenjährige<br />
Till läuft nur noch rückwärts. Seine Mutter ist<br />
verzweifelt –ihr Sohn ist nicht zum Vorwärtslaufen<br />
zu bewegen. Hat der Jungeein motorisches<br />
Problem? 17.30 Klinik am Südring /oder Sat.1<br />
Regional-Magazine 18.00 AufStreife –Die<br />
Spezialisten 19.00 Genial daneben –das Quiz<br />
19.55 Sat.1 Nachrichten<br />
20.15 (für HG) Dancing on Ice<br />
Wererwärmt mit seinen Performances die<br />
Herzen der Zuschauer und der Juroren<br />
Katarina Witt, Judith Williams sowie<br />
Daniel Weiss? Durch die Showführen<br />
Marlene Lufen und Daniel Boschmann.<br />
23.20 111 höllische Hobbys!<br />
Clipshow<br />
1.20 Switch reloaded<br />
Comedyshow<br />
1.45 Switch reloaded<br />
2.05 Sechserpack<br />
2.30 Sechserpack<br />
WDR<br />
14.25 Heimathäppchen 14.30 (für HG) Um<br />
Himmels Willen –Weihnachten in Kaltenthal.<br />
Familienfilm, D2008 16.00 (für HG) WDR aktuell<br />
16.15 Hier und heute 18.00 (für HG) WDR<br />
aktuell /Lokalzeit 18.15 (für HG) Festlich<br />
köstlich 18.45 (für HG) Aktuelle Stunde 19.30<br />
Regionales 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />
(für HG) Der große NRW-Jahresrückblick –Das<br />
war 2019 21.00 (für HG) Dynastien in NRW<br />
21.45 (für HG) WDR aktuell 22.00 (für HG)<br />
Kölner Treff 23.30 Der Jahreslückblick 2019<br />
0.15 (für HG) Frust –Das Magazin<br />
NDR<br />
12.00 (für HG) Brisant 12.20 (für HG) In aller<br />
Freundschaft 13.10 (fürHG) In aller Freundschaft<br />
–Die jungen Ärzte 14.00 (für HG) Die Nordreportage<br />
14.30 (für HG) die nordstorySpezial 16.00<br />
(für HG) NDR Info 16.25 (für HG) Gefragt –Gejagt<br />
17.10 (für HG) Leopard, Seebär&Co.<br />
18.00 Regionales 18.15 (für HG) Hofgeschichten<br />
18.45 (für HG) DAS! 19.30 Regionales<br />
20.00 (für HG) Tagesschau 20.15 (für HG) die<br />
nordstorySpezial 21.45 (für HG) NDR Info 22.00<br />
Nonstop Comedy 22.30 (für HG) 3nach 9 0.30<br />
(für HG) Reinhold Beckmann trifft ...<br />
Kabel eins<br />
5.35 Watch Me 5.50 Blue Bloods 6.40 Blue<br />
Bloods 7.35 Blue Bloods 8.30 Blue Bloods 9.25<br />
(für HG) Navy CIS: L.A. 10.20 Navy CIS 11.10<br />
Without aTrace 12.05 Numb3rs 13.05 (für HG)<br />
Castle 14.00 (für HG) The Mentalist 14.55 (für<br />
HG) Navy CIS: L.A. 15.50 kabel eins news 16.00<br />
Navy CIS 16.55 Abenteuer Leben täglich 17.55<br />
Mein Lokal, Dein Lokal –Der Profi kommt 18.55<br />
Achtung Kontrolle! Wirkümmernuns drum 20.15<br />
Navy CIS 21.15 Navy CIS 22.15 Navy CIS: New<br />
Orleans 23.15 (für HG) Navy CIS: L.A. 0.10 Navy<br />
CIS 1.05 kabel eins late news 1.10 Navy CIS<br />
RTLZWEI<br />
5.15 PrivatdetektiveimEinsatz 6.00 Sterne von<br />
Berlin –Die jungen Polizisten 7.00 Sterne von<br />
Berlin –Die jungen Polizisten 8.00 Frauentausch<br />
10.00 Frauentausch 12.00 Frauentausch 14.00<br />
Dr.Dago 15.00 Babys! Kleines Wunder –Großes<br />
Glück 16.00 Krass Schule –Die jungen Lehrer<br />
17.00 News 17.05 Krass Schule –Die jungen<br />
Lehrer 18.05 Köln 50667 19.05 Berlin –Tag &<br />
Nacht 20.15 Liebe braucht keine Ferien.<br />
Liebeskomödie, USA 2006 23.00 Get The Gringo.<br />
Actionfilm, USA 2011 0.45 Repo Men.<br />
Science-Fiction-Film, USA/CDN 2010<br />
Eurosport 1<br />
8.30 Skispringen 9.30 Skispringen 10.30 Ski<br />
Alpin 11.00 Ski Alpin 11.35 Ski Alpin. Super-G<br />
Männer,live 13.00 Biathlon 14.05 Biathlon.<br />
7,5 km Sprint Frauen, live 15.35 Ski Alpin 16.45<br />
Skispringen. Einzelspringen (HS 140) 17.55<br />
Skispringen. Qualifikation, live 19.15 Nachrichten<br />
19.20 Biathlon. 7,5 km Sprint der Frauen 20.20<br />
Ski Alpin. Super-G Männer 21.15 Skispringen.<br />
Qualifikation 22.20 Nachrichten 22.30 Biathlon.<br />
7,5 km Sprint der Frauen 23.25 Nachrichten<br />
23.30 Against all Odds 0.00 Foul Play. Magazin<br />
TV-Tipps<br />
PRO 7,20.15 UHR SCIENCE-FICTION-FILM<br />
Der Marsianer –Rettet Mark Watney<br />
Von anderen Menschen zurückgelassen zu werden, ist nie ein schönes<br />
Gefühl, sei es nun in der Heimat oder aber in einem fremden Land.<br />
Kult-Regisseur Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“) trieb dieses Szenario in<br />
seiner preisgekrönten Adaption des Romans von Andy Weir auf die Spitze, indem<br />
er seinen Helden Mark Watney (Matt Damon) sogar auf einem anderen<br />
Planeten zurückließ: DemMars.Der Botaniker war mit seiner Crew auf den<br />
Himmelskörper gereist, um diesen für die NASA zu erforschen. Durch einen<br />
Sandsturmwurde Mark von seinen Kollegen getrennt und fälschlicherweise<br />
für tot gehalten. Nun sind Marks Fähigkeiten als Wissenschaftler gefragt,<br />
um alleine auf dem Mars zu überleben. Dank seiner Ausbildung schafft er es<br />
schon bald, Kartoffeln anzubauen. Doch wie lange kann er so überleben?<br />
(USA/2015)<br />
Foto: PRO7<br />
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4 3 2<br />
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12. 2019<br />
MITTEL mittel<br />
4 6 1 9 5 3 7 8 2<br />
5 3 8 2 7 4 6 1 9<br />
9 7 2 8 6 1 5 3 4<br />
2 1 4 7 9 5 3 6 8<br />
8 5 3 1 4 6 9 2 7<br />
6 9 7 3 8 2 1 4 5<br />
3 4 6 5 2 9 8 7 1<br />
1 8 5 4 3 7 2 9 6<br />
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6 7 3 8 1 4 5 2 9<br />
8 1 4 5 9 2 7 3 6<br />
4 5 7 2 8 1 9 6 3<br />
1 3 8 9 6 7 4 5 2<br />
2 9 6 3 4 5 8 7 1<br />
7 6 9 1 2 8 3 4 5<br />
3 8 2 4 5 9 6 1 7<br />
5 4 1 7 3 6 2 9 8<br />
RBB<br />
5.15 Berlin erwacht –Winter 5.30 (für HG)<br />
Panda, Gorilla &Co. 6.20 zibb 7.15 (für HG) Der<br />
Weihnachtsgrummel 7.20 (für HG) Brisant 8.00<br />
(für HG) Brandenburg aktuell 8.30 (für HG)<br />
Abendschau 9.00 (für HG) In aller Freundschaft<br />
10.30 (für HG) Rote Rosen 11.20 (für HG) Sturm<br />
der Liebe 12.10 (für HG) Hauptstadtrevier 13.00<br />
rbb24 13.05 (für HG) Land und Lecker im Advent<br />
13.50 (für HG) Land und Lecker im Advent<br />
16.00 (für HG) rbb24 16.15 (für HG) Gefragt–<br />
Gejagt 17.00 (für HG) rbb24 17.05 (für HG)<br />
Panda, Gorilla &Co. 17.55 Sandmännchen<br />
18.02 rbb UM6 18.27 zibb 19.20 (für HG) Der<br />
Weihnachtsgrummel 19.30 (für HG) Abendschau<br />
/Brandenburg aktuell 20.00 Tagesschau<br />
20.15 (für HG) Früher hat’s geschneit!<br />
Hat es tatsächlich früher zu Weihnachten<br />
öfter geschneit oder verklärendie<br />
Menschendie Vergangenheit? Wie<br />
besinnlichwar die Weihnachtszeit in<br />
Berlin in den vergangenen Jahrzehnten?<br />
21.45 (für HG) rbb24<br />
22.00 (für HG) Lauras Wunschzettel<br />
Liebesfilm, D/A 2005. Mit Christine<br />
Neubauer,Francis Fulton-Smith<br />
23.30 Der Spion, der aus der Kälte kam<br />
Agentenfilm, GB 1965<br />
1.15 (für HG) Annas Haus amSee<br />
ProSieben<br />
5.05 2BrokeGirls. Sitcom. Eher ungewöhnlich<br />
da unten 5.25 The Middle. Comedyserie 6.05<br />
(für HG) Twoand aHalf Men. Sitcom 7.30 (für<br />
HG) The Big Bang Theory. Sitcom 8.50 (für HG)<br />
HowIMet Your Mother.Sitcom 10.40 Fresh Off<br />
the Boat. Sitcom. Der Cheeseburger-Bengel<br />
11.05 Mike&Molly.Sitcom. Nach den<br />
Flitterwochen 11.35 2BrokeGirls. Sitcom 12.25<br />
Mom. Sitcom 13.20 (für HG) Twoand aHalf Men.<br />
Sitcom 14.40 The Middle. Comedyserie. Die<br />
Windel-Idee /Die Hoffnung stirbt zuletzt 15.40<br />
(für HG) The Big Bang Theory. Sitcom 17.00 taff<br />
18.00 Newstime 18.10 (für HG) Die Simpsons.<br />
Zeichentrickserie.Apucalypse Now/Liebe liegt in<br />
der N2-O2-Ar-CO2-Ne-He-CH4 19.05 Galileo<br />
20.15 (für HG) Der Marsianer –<br />
Rettet Mark Watney<br />
Science-Fiction-Film, USA 2015. Mit Matt<br />
Damon.Während einer Mission zur<br />
Erforschung des Mars wird ein Astronaut<br />
alleine auf dem Planeten zurückgelassen.<br />
23.20 (für HG) X-Men: Zukunft ist<br />
Vergangenheit<br />
Comicadaption, USA/GB 2014. Mit Hugh<br />
Jackman, James McAvoy<br />
1.40 Boot Camp<br />
Thriller,USA/CDN2008. Mit Mila Kunis<br />
3.30 Watch Me –das Kinomagazin<br />
Arte<br />
8.45 Stadt Land Kunst 9.35 1979: Urknall der<br />
Gegenwart 11.05 Amerika mit David Yetman<br />
11.30 (für HG) Märkte 12.15 (für HG) Re: 12.50<br />
Arte Journal 13.00 Stadt Land Kunst 13.50 Zeit<br />
des Erwachens. Drama, USA 1990 15.45 (für<br />
HG) Trauminseln 16.40 Xenius 17.10 (für HG)<br />
Die Enden der Welt 17.40 Im Flug über Chinas<br />
Große Mauer 18.30 Skandinaviens versteckte<br />
Paradiese 19.20 Arte Journal 19.40 Re: 20.15<br />
(für HG) Das Löwenmädchen. Drama, D/N 2016<br />
22.05 (für HG) Disco Europe Express 23.00<br />
Quincy Jones 0.20 Tracks 1.05 Dark Glamour<br />
3Sat<br />
10.30 (für HG) Mit Markus Lanz im Heiligen Land<br />
11.25 (für HG) Stöckl. 12.30 (für HG) Sehen<br />
statt Hören 13.00 (für HG) ZIB 13.20 Helden der<br />
Evolution 15.30 (für HG) Leo und Marie –Eine<br />
Weihnachtsliebe. Liebesfilm, D2008 17.00 (für<br />
HG) Wildes Russland 18.30 nano 19.00 (für HG)<br />
heute 19.20 Kulturzeit 20.00 (für HG)<br />
Tagesschau 20.15 (für HG) Tief durchatmen, die<br />
Familie kommt. Komödie, D2015 21.45 (für HG)<br />
Korsika 22.00 (für HG) ZIB 2 22.25 (für HG) Das<br />
finstere Tal. Drama, D/A 2014 0.10 (für HG)<br />
Gletscherblut. Drama, D2009<br />
Phoenix<br />
8.15 Haute Couture im Armenviertel 8.30<br />
phoenix vorort 8.45 bundestagsgespräch 9.00<br />
Bundestag live 15.15 phoenix plus 16.00<br />
phoenix ländersache 17.00 augstein und blome<br />
17.15 „Wir sind’s–die Atayal!“ 17.30 phoenix<br />
der tag 18.00 phoenix persönlich 18.30 Das<br />
Geschäft mit der Welternährung 19.15 Unser<br />
täglich Fleisch 20.00 (für HG) Tagesschau 20.15<br />
(für HG) Ein Tagin... 21.00 (für HG) Ein Tagin...<br />
21.45 (für HG) Ein Tagin... 22.30 Für Europa<br />
23.00 phoenix der tag 23.50 augstein und<br />
blome 0.00 phoenix persönlich<br />
Kika<br />
14.10 (für HG) SchlossEinstein –Erfurt 15.00<br />
(für HG) Tinkas Weihnachtsabenteuer 15.25 (für<br />
HG) Schneewelt 15.50 (für HG) Mascha und der<br />
Bär 16.05 (für HG) Lassie 16.50 Peter Pan–<br />
Neue Abenteuer 17.35 (für HG) Der kleine Prinz<br />
18.00 (für HG) Beutolomäus und der wahre<br />
Weihnachtsmann 18.15 (für HG) Belle und<br />
Sebastian 18.40 Inui 18.47 Baumhaus 18.50<br />
Unser Sandmännchen 19.00 SimsalaGrimm<br />
19.25 (für HG) logo! 19.30 (für HG) Pettersson<br />
und Findus: KleinerQuälgeist, große Freundschaft.<br />
Komödie,D2014 20.57 Packeis-TV<br />
Dmax<br />
5.40 VintageTechHunters 6.00 Der Geiger –<br />
Boss of Big Blocks 6.55 Infomercial 8.55<br />
Hardcore Pawn 9.25 Auction Hunters 9.50<br />
Infomercial 10.10 ToyHunter 11.10 Border<br />
Control 12.15 Steel Buddies 13.15 Airplane<br />
Repo 14.15 Die Schatzsucher 16.15 Outback<br />
Opal Hunters 17.15 Steel Buddies 18.15 Helden<br />
der Lüfte 19.15 Deutschland 24/7 20.15 Dark<br />
Waters mit Jeremy Wade 22.15 Expedition am<br />
Limit mit Steve Backshall 23.15 DMAX News<br />
23.20 Naked Survival 0.15 DMAX News<br />
Tagesschau 24<br />
5.00 Tagesschau 5.02 Hessenschau 5.30<br />
ZDF-Morgenmagazin 9.00 Tagesschau-Nachrichten<br />
9.15 Zoff in der Manege 9.45 Shift 10.00<br />
Tagesschau-Nachrichten 10.15 quer 11.00<br />
Tagesschau-Nachrichten 13.00 ARD-Mittagsmagazin<br />
14.00 Tagesschau-Nachrichten 19.15 Mex<br />
–Das Marktmagazin 20.00 Tagesschau 20.15<br />
Panorama 20.45 Der Juwelen-Coup 21.15<br />
Tagesschau 21.17 Die Bullen –Polizei, Proteste<br />
und Terrorismus 22.00 mehr/wert 22.30 Oh<br />
Tannenbaum 23.00 Tagesthemen 23.15<br />
Euroblick 23.45 Tagesschau vor20Jahren 0.00<br />
Tagesthemen 0.15 Die rote Linie –Widerstand im<br />
Hambacher Forst. Dokumentarfilm, D2019<br />
ONE<br />
5.20 Um Himmels Willen 6.10 Hubertund<br />
Staller 7.00 Brisant 7.40 Der beste Papa der<br />
Welt. Drama, A2018 9.05 Brisant 9.45<br />
Meuchelbeck 10.35 Lindenstraße 11.05 Hubert<br />
und Staller 11.55 Sturmder Liebe 12.40 Sturm<br />
der Liebe 13.30 Um Himmels Willen 14.20 Part<br />
of Five 15.00 PartyofFive 15.40 Hubertund<br />
Staller 16.30 Meuchelbeck 17.20 Lindenstraße<br />
17.50 Hartaber herzlich 18.40 Sturmder Liebe<br />
19.25 Sturmder Liebe 20.15 Torsten Sträter:<br />
„Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“ 21.00<br />
Seriös –Das Serienquartett 21.45 Vorsicht vor<br />
Leuten. Satire, D2015 23.15 Grand Hotel 0.00<br />
Grand Hotel 0.45 Die Erbschaft<br />
ZDF NEO<br />
6.00 (für HG) Märchen &Sagen 6.40 An Tagen<br />
wie diesen 7.25 Topfgeldjäger 8.20 Topfgeldjäge<br />
9.15 (für HG) Lafers Kochschule 9.55 (für HG)<br />
Bares für Rares 11.30 Du &Ich –Unverbesserlich!?<br />
12.15 (für HG) Monk 12.55 (für HG) Mon<br />
13.35 Psych 14.15 Psych 15.00 (für HG) Monk<br />
15.40 (für HG) Monk 16.20 Psych 17.00 Psych<br />
17.45 (für HG) Bares für Rares 18.35 Du &Ich<br />
–Unverbesserlich!? 19.20 (für HG) Bares für<br />
Rares 20.15 (für HG) Tatsächlich ... Liebe. Liebes<br />
komödie, GB 2003 22.20 (für HG) ... und dann<br />
kam Polly.Komödie, USA 2004 23.40 Nie wiede<br />
Sex mit der Ex. Komödie, USA 2008 1.20 Brüno<br />
Komödie,USA 2009<br />
ZDF INFO<br />
7.45 forum am freitag 7.58 heute Xpress 8.00<br />
Frontal 21 8.45 Brasilien unter Bolsonaro 9.15<br />
Kolumbien 10.00 Das neue Brasilien 10.45<br />
Kampf um Kaschmir 11.30 Der Schattengeneral<br />
12.15 (für HG) Iran bittersüß 13.00 Ruanda<br />
13.30 Pulverfass Jugoslawien 14.15 ZDF-History<br />
14.45 (für HG) Superbauten der Geschichte<br />
15.30 (für HG) Deutschlands Supergrabungen<br />
17.00 (für HG) Deutschland vonunten 18.30<br />
Teheran extrem 19.15 Iran 20.15 Fremde<br />
Heimat Saudi-Arabien 21.00 Flucht aus<br />
Saudi-Arabien 21.45 Geheimes Saudi-Arabien<br />
22.30 Geheimes Saudi-Arabien 0.00 Versklavt<br />
–Hausmädchen in der arabischen Welt<br />
Radio<br />
KLASSIK<br />
18.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Alte Musik Natale napolitano –Weihnachtsmusik<br />
aus dem barocken Neapel. Mit Bernhard<br />
Schrammek, ca. 46 Min.<br />
20.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6.4 MHz)<br />
Konzert Philharmonisches Staatsorchester<br />
Mainz: Lili Boulanger „D’un soir triste“ /Maurice<br />
Ravel„Ma mère l’oye“/Alexander Zemlinsky<br />
„Lyrische Symphonie“, ca. 117 Min.<br />
HÖRSPIEL<br />
14.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Lesung Die Liebe im Ernstfall (5/18). Von<br />
Daniela Krien /Gelesenvon Bibana Beglau,<br />
Maren Eggert, Jeanette Hain, Nina Kunzendorf,<br />
Anna Schudt, ca. 30 Min.<br />
19.15 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
Mikrokosmos –Die Kulturreportage Besuch<br />
beim Märchenfestival: Mit Rumpelstilzchen am<br />
Lagerfeuer. VonJakob Schmidt, ca. 45 Min.<br />
20.10 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
Das Feature Drei Lieben in Polen: Ludwig<br />
Zimmerer:Journalist –Sammler –Träumer.Von<br />
JadwigaKorte /Regie: die Autorin, ca. 50 Min.<br />
22.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Hörspiel Volmunster.Von David Zane Mairowitz /<br />
Mit Lea Draeger,Andreas Nickl, BorteyWendler /<br />
Regie: David Zane Mairowitz, ca. 56 Min.<br />
MAGAZIN<br />
15.50 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
Schalom Jüdisches Leben heute: Musik und<br />
Gebete zum Chanukafest, ca. 10 Min.<br />
19.30 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />
Zeitfragen Gruppenbild mit Dom: Heinrich Böll<br />
und seine Heimatstadt Köln, ca. 30 Min.<br />
22.03 Deutschlandfunk Kultur (89.6 MHz)<br />
Musikfeuilleton „Spiel, spiel, spiel! Spiele mit<br />
Gefühl!“. Szenische Darstellungauf der<br />
Opernbühne. VonHeidi Mottl, ca. 57 Min.<br />
JAZZ /BLUES<br />
19.30 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
The Voice Die <strong>Berliner</strong> Sängerin Martina<br />
Gebhardt. Mit Lothar Jänichen, ca. 30 Min.<br />
20.04 RBB KULTURRADIO (92.4 MHz)<br />
Jazz Berlin Jazzfest Berlin 1983 –ModernJazz<br />
Quartet und Miles Davis Group, ca. 116 Min.<br />
21.05 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
On Stage Elegisches Spielgefühl: Tedeschi Trucks<br />
Band (1/2). Aufnahme vom14.4.2019aus dem<br />
RuhrCongress, Bochum, ca. 55 Min.<br />
22.05 Deutschlandfunk (97.7 MHz)<br />
Milestones –Jazzklassiker Chet Baker (1929-<br />
1988): „The Last Great Concert. My Favourite<br />
SongsI&II“ (1988), ca. 45 Min.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 296 · F reitag, 20. Dezember 2019 – S eite 28<br />
·························································································································································································································································································<br />
Panorama<br />
LEUTE<br />
Heide Keller (80) ist uns noch in allerbester<br />
Erinnerung als freundliche,<br />
aber bestimmte Chefhostess Beatrice<br />
aus der unendlichen ZDF-Serie„Das<br />
Traumschiff“ –imPrinzip war sie ja<br />
die heimliche Herrscherin auf dem<br />
Kitsch-und-Intrigen-Dampfer.Dabei<br />
erfüllte die Schauspielerin auch im<br />
wirklichen Leben ihreRolle,als sie im<br />
Januar die Neubesetzung der Kapitänsrolle<br />
durch den Schlagersänger<br />
Florian Silbereisen als„eine totale<br />
Fehlbesetzung“ verdammte.Offenbar<br />
hatte man sie nicht um Erlaubnis<br />
gebeten. Nunallerdings wünscht sie<br />
dem„HerrnSilbereisen, dass er den<br />
Erfolg bekommt, den er sich vorgestellt<br />
hat“, und bestreitet, jemals den<br />
„fröhlichen Jungen, der mit guter<br />
Laune zu Musik auf der Bühne rumhüpft“<br />
und deswegen nicht die<br />
Würde eines Kapitäns habe,beschimpft<br />
zu haben. Das, so Keller,„ist<br />
unter meinerWürde.“ Zick!<br />
Florian Silbereisen (38) hat sich zur<br />
Kritik an seiner neuen Rolle als<br />
„Traumschiff“-Kapitän geäußert.<br />
„Ich bin es ja schon gewohnt, ohne<br />
Vorschusslorbeeren an den Startzu<br />
gehen: Vormeiner ersten Samstagabendshowwar<br />
das damals genauso.“<br />
Ohne sie mit Namen zu nennen,<br />
können wir das als Kommentar<br />
zu Heide Kellers Pöbeleien verstehen:<br />
Über dich, meine Liebe,ist die<br />
Zeit hinweggegangen.<br />
Ian McKellen (80) komplettiertunserenReigen<br />
des Ressentiments.Bekanntlich<br />
spielt der britische<br />
Film- und Theaterveteran<br />
in der Kinoverfilmung<br />
des<br />
Musicals „Cats“<br />
den Kater Gus.<br />
Dabei hat der<br />
Mann nichts für<br />
Katzen übrig: „Ich<br />
mag sie überhaupt<br />
nicht. Man<br />
kann nicht mit ihnen<br />
spazieren gehen.“<br />
Starkes Argument!<br />
(schl.)<br />
Findet Katzen<br />
einfach nur doof.<br />
IMAGO IMAGES<br />
TIERE<br />
20.<br />
Dezember<br />
Sissi, eine wahre Kaiserin, ist bei uns<br />
eingezogen. Siehieß bereits so,als<br />
wir das Kaninchen bei uns aufnahmen.<br />
Namen verändertman nicht,<br />
fand ich. Irgendwie hat Sissi auch gepasst.<br />
Wieein Sausewind rannte sie<br />
durchs Wohnzimmer.Runde um<br />
Runde,immer schneller.Soschnell,<br />
dass sie manche Kurvenicht schaffte<br />
und mit dem Hinterngegen die Heizung<br />
knallte.Rums! Siekonnte auch<br />
ganz verkuschelt sein. Eines Nachmittags<br />
war sie verschwunden. Wir<br />
haben die ganzeWohnung durchsucht.<br />
Hatsie ein Kabel angeknabbert?<br />
Klemmt sie hintermSofa? Ne,<br />
nichts.Bis sich die Bettdecke meiner<br />
Elternverdächtig bewegte.Sissi<br />
hatte es sich gemütlich gemacht –<br />
höchst kaiserlich. Dorothea Nitzsche<br />
Ein roter Lappen an einem<br />
Besenstiel im Gebüsch, ein<br />
rotes Band am Stamm einer<br />
Kokospalme, ein zwischen<br />
zwei Rundpfosten gespannter<br />
roter Pareo: All das ist kein<br />
Weihnachtsschmuck, und die Kindergesichter<br />
strahlen nicht fröhlich,<br />
so wie sonst, wenn man Urlaub<br />
auf Upolu, der Hauptinsel<br />
von Samoa, macht. Kranke Kinder<br />
ohne Lebenskraft, verängstigte<br />
Blicke und dann ein herzzerreißender<br />
Tränenausbruch, wenn die<br />
Nadel in den Oberarm pikst:<br />
Zwangsimpfung im tropischen Paradies.<br />
Die roten Bänder, Tücher und<br />
Lappen, sie markieren die Häuser<br />
von Familien, die nicht gegen Masern<br />
immunisiert sind, als Premierminister<br />
Tuilaepa Aiono Sailele<br />
Malielegaoi Anfang Dezember<br />
den Ausnahmezustand verhängt,<br />
um das Massensterben der Kinder in<br />
seinem Staat zu stoppen.<br />
Mehr als 70 Tote<br />
Die ehemalige deutsche Kolonie<br />
Deutsch-, später West-Samoa, fast<br />
16 000 Kilometer vom ehemaligen<br />
Mutterland entfernt, bietet seit Ende<br />
Oktober, als eine katastrophale Masern-Epidemie<br />
ausbrach, Anschauungsunterricht<br />
darüber, was passiert,<br />
wenn die Immunisierungsquote<br />
im Kampf gegen ansteckende<br />
Krankheiten auf ein gefährlich niedriges<br />
Niveau sinkt. Von den rund<br />
200 000 Einwohnern sind bis heute<br />
5371 an Masern erkrankt, 76 Personen<br />
sind gestorben, darunter 64 Kinder<br />
unter vier Jahren.<br />
Doch das Schlimmste scheint<br />
mittlerweile überstanden, es gibt<br />
jetzt Tage ohne Todesfälle und immer<br />
weniger neue Fälle. 94Prozent<br />
der Bevölkerung sind geimpft, seit<br />
der Regierungschef über die Nacht<br />
die Impfpflicht einführte. Vor dem<br />
Beginn der Krise waren es 31 Prozent,<br />
nachdem die Quote 2018 nach<br />
Schätzung des Weltkinderhilfswerks<br />
Unicef von 74auf 34 Prozent gesunken<br />
war.<br />
Die dramatische Entwicklung ist<br />
auf die Fehlinformation durch Impfgegner<br />
–auf Englisch: Anti-Vaxxers –<br />
in den sozialen Medien zurückzuführen.<br />
2018 starben zwei Babyskurz<br />
nach ihren Masernimpfungen, allerdings<br />
nicht, weil sie nach der Impfung<br />
an Masern erkrankt wären, sondern<br />
weil zwei Krankenschwestern<br />
das Serum mit einem abgelaufenen<br />
Wie die Masern,die bis vorwenigen<br />
Jahren als aussterbende<br />
Krankheit galten, eine Renaissance<br />
erleben, zeigt auch ein Beispiel auf<br />
dem afrikanischen Kontinent: In der<br />
Demokratischen Republik Kongo<br />
tobt derzeit eine Masern-Epidemie,<br />
wie sie die Welt schon lange nicht<br />
mehr erlebt hat. Innerhalb eines Jahres<br />
infizierten sich mehr als eine<br />
Viertelmillion Menschen mit dem<br />
Virus, mehr als 5000 Infizierte starben.<br />
90 Prozent der Opfer waren Kinder<br />
unter fünf Jahren.<br />
Mittlerweile hat sich die Masernepidemie<br />
auf sämtliche 26 Provinzen<br />
des Kongo ausgeweitet –einschließlich<br />
der Ituri- undNordkivu-Provinz,<br />
wo bereits seit eineinhalb Jahren die<br />
zweitschlimmste Ebola-Epidemie<br />
der Geschichte grassiert. Während<br />
die hämorrhagische Fiebererkrankung<br />
vonder ganzen Welt nervös begleitet<br />
wird, breitet sich das Masernvirus<br />
weitgehend unbemerkt aus.<br />
Obwohl inzwischen mehr als doppelt<br />
so viele Menschen an Masern<br />
wie an Ebolastarben.<br />
Das Masern-Virus ist wesentlich<br />
ansteckender: Eswird auch über die<br />
Luft, durch ausgehustete Speicheltröpfchen,<br />
übertragen. Auch gibt es<br />
gegen Masern noch immer kein<br />
Heilmittel. Wersich das Virus eingefangen<br />
hat, kann nur hoffen, dass<br />
sein Körper damit fertig wird. Das<br />
funktioniert bei gut ernährten Kindern<br />
inder Regel ganz gut –nur in<br />
Zwangsimpfung<br />
Impfung eines Kindes in Samoa.<br />
MASERN<br />
AP, GETTY<br />
Tödliche Krankheit: Zwischen 1891 und<br />
1893 hatte Samoa schon einmalMasern-<br />
Epidemien. Dabeistarben mindestens<br />
1200 vondamals 34000Einwohnern. 50<br />
Prozent der TotenwarenErwachsene.<br />
Dramatische Entwicklung: Die Weltgesundheitsorganisation<br />
WHO schätzt, dass<br />
2018 fast 10 Millionen Menschen weltweit<br />
an Masernerkrankten und 140000<br />
Menschen, vornehmlich Kinder,daran<br />
starben. Das Bild für 2019 sei noch dramatischer.Gegenüber<br />
dem Vorjahr sei die<br />
Zahl der Infektionen (bis einschließlich<br />
November) um das Dreifache gestiegen.<br />
In Europa infizierten sich im vergangenen<br />
Jahr 82596 Menschen mit Masern,<br />
und 72 Personen starben an der Viruserkrankung.Nur<br />
sechs von53Ländernder<br />
europäischen WHO-Region waren frei von<br />
Masern.<br />
Tödlicher<br />
als Ebola<br />
Auch in Zentralafrika<br />
breiten sich die Masern<br />
weitgehend unbemerkt<br />
immer weiter aus<br />
VonJohannes Dieterich, Johannesburg<br />
seltenen Fällen kommt es zu Komplikationen,<br />
die Erblindung, Gehirnoder<br />
Lungenentzündung auslösen<br />
können. Doch wer das Pech hat, im<br />
Kongo geboren worden zu sein, kann<br />
sich auf seine körpereigenen Abwehrkräfte<br />
nichtverlassen.<br />
Im Bürgerkriegsland ist jedes<br />
zehnte Kind unterernährt und verfügt<br />
über zu wenig Vitamin A, das für<br />
den Kampf gegen dasVirusentscheidend<br />
ist. In dem Land vonder Größe<br />
Westeuropas haben außerdem 4,5<br />
Millionen Menschen ihr Zuhause<br />
verloren. Sieleben oft in Flüchtlingslagern,<br />
in denen sich Infektionskrankheiten<br />
schnell ausbreiten.<br />
hilft<br />
Drakonische Maßnahmen: Der südpazifische<br />
Inselstaat Samoa hat den Masernnotstand verhängt<br />
VonSissi Stein-Abel, Apia<br />
Der größte Feind des Masern-Virus<br />
ist ein seit 1963 massenhaft produzierter<br />
Impfstoff. Er ist höchst<br />
wirksam, sicher und relativ preiswert.<br />
Ineinem Land, in dem 95 Prozent<br />
der Bevölkerung geimpft sind,<br />
kann es zu keinen Epidemien mehr<br />
kommen.<br />
Narkosemittel statt der korrekten<br />
Flüssigkeit gemischt hatten.<br />
Dennoch verbreitet sich die Mär<br />
von der Gefährlichkeit von Impfungen.<br />
Hinzu kommt die Bereitschaft<br />
vieler Menschen, an die Kraft von<br />
Wunderheilern zuglauben. So traf<br />
ein Reporter des neuseeländischen<br />
TV-Senders Newshub auf einen dieser<br />
Scharlatane,der einen an Masern<br />
erkrankten und halb bewusstlosen<br />
Jugendlichen mit alkalischem Kangen-Wasser<br />
überschüttete und massierte,<br />
umihn innerlich zu reinigen,<br />
anstatt ihn ins Hospital zu schicken.<br />
Solchen Hokuspokus dulden die<br />
Behörden nicht mehr. Bis zum 29.<br />
Dezember hat der Premier gerade<br />
noch einmal den Notstand verlängern<br />
lassen, er verordnete eine Ausgangssperre,<br />
verbot öffentliche Veranstaltungen,<br />
ordnete die Massenimpfung<br />
an und dachte laut darüber<br />
nach, Eltern zubestrafen, die ihre<br />
Kinder nicht impfen lassen.<br />
MenschenleereStraßen<br />
Zwei Tage lang, am 5. und 6. Dezember,<br />
wurde die Hauptstadt<br />
Apia zur Geisterstadt. Sämtliche<br />
Behörden schlossen, die Beamten<br />
wurden zum Impfdienst abberufen.<br />
Die einzigen Fahrzeuge, die<br />
auf den apokalyptisch anmutenden<br />
leeren Straßen erlaubt waren,<br />
beförderten die 120 Impftrupps,<br />
die kreuz und quer über Upolu<br />
fuhren, an jedem mit roten Stofffetzen<br />
markierten Fale –das sind<br />
die wandlosen, offenen Häuser in<br />
den ländlichen Gegenden von Samoa<br />
– anhielten und Tausende<br />
Menschen gegen Masern impften.<br />
Auf dem Krankenhaus-Parkplatz<br />
in Apia wurde ein Großzelt aufgestellt,<br />
um dem Ansturm der in Panik<br />
geratenen Leute Herr zu werden.<br />
Ohne Hilfe von außen wäre all<br />
dies unmöglich gewesen: Unicef<br />
schickte 110 500 Impfdosen nach Samoa;<br />
medizinisches Personal aus<br />
Australien, Neuseeland, Großbritannien,<br />
Frankreich und anderen Ländernist<br />
noch immer vorOrt,umdie<br />
Krise zu meistern. Premierminister<br />
Malielegaoi brach sogar ein Tabu in<br />
diesem extrem religiösen Land und<br />
sprach über Sex, um den Ernst der<br />
Lage zu verdeutlichen: Er forderte<br />
seine Landsleute auf, nach einer Masernimpfung<br />
vier Wochen Enthaltsamkeit<br />
zu üben, „damit in dieser<br />
Zeit gezeugte Babys nicht blind zur<br />
Welt kommen“.<br />
Im Kongo wird diese Quote bei<br />
weitem verfehlt, wofür erneut das<br />
marode Gesundheitssystem, die bewaffneten<br />
Konflikte vorallem im Osten<br />
des Landes sowie die Unzugänglichkeit<br />
des vom Urwald bedeckten<br />
Riesenreichs verantwortlich sind.<br />
Dass bei Masern zwei Impfungen<br />
nötig sind, macht die Herausforderung<br />
noch größer. „Unsere Teams<br />
brauchen manchmal bis zu vier<br />
Tage,umein abgelegenes Dorfzuerreichen“,<br />
sagt Xavier Crespin, Gesundheitschef<br />
des Kinderhilfswerks<br />
Unicef im Kongo. „Und wenn sie<br />
schließlich ankommen, verweigern<br />
manche, sich impfen zu lassen.“<br />
Alles, was von außen<br />
oder von der Zentralregierung<br />
kommt, wird im<br />
Kongo – oft aus guten Gründen –<br />
skeptisch betrachtet.<br />
Die Impfskepsis hat sich auch in<br />
Industrienationen ausgebreitet. Sogenannte<br />
Anti-Vaxxers halten die<br />
vorbeugende Injektion mit kleinen<br />
Virenmengen für unnötig oder<br />
sogar schädlich. Experten sind<br />
überzeugt davon, dass diese Auffassung<br />
die Masern-Fälle auch in den<br />
USA und Europa wieder in die Höhe<br />
treibt: DerUS-Bundesstaat NewYork<br />
erlebte kürzlich zwei Masernepidemien.<br />
Aus der Ukraine, wonur ein<br />
Drittel der sechsjährigen Kinder<br />
geimpft sind, wurden fast 60 000 Masern-Fälle<br />
gemeldet, Dutzende von<br />
Infizierten starben.<br />
Notstand<br />
wegen<br />
Buschbränden<br />
Und Australiens Premier<br />
macht Urlaub auf Hawaii<br />
Aufgrund der verheerenden<br />
Buschbrände ist in Australiens<br />
bevölkerungsreichstem Bundesstaat<br />
New South Wales erneut der Notstand<br />
ausgerufen worden. Grund<br />
seien die „katastrophalen Wetterbedingungen“,<br />
erklärte die Regierungschefin<br />
des Bundesstaats, Gladys<br />
Berejiklian, am Donnerstag. In<br />
NewSouth Wales wüten seit Wochen<br />
rund 100 Buschbrände, von denen<br />
bislang nur etwa die Hälfte unter<br />
Kontrolle gebracht werden konnte.<br />
Zugleich herrscht eine Rekordhitze.<br />
Der Ausnahmezustand gilt seit<br />
Donnerstagmorgen (Ortszeit) und<br />
zunächst für sieben Tage. Erermöglicht<br />
den Behörden unter anderem<br />
die besonders schnelle Mobilisierung<br />
von Geld und Einsatzkräften,<br />
Evakuierungen und eine Unterbrechung<br />
der Strom- und Gasversorgung.<br />
In Sydney,der seit Wochen immer<br />
wieder von Rauchschwaden<br />
eingehüllten Hauptstadt von New<br />
South Wales, richtete die Regierungschefin<br />
eine Warnung an ihre<br />
Mitmenschen: Anwohner und Touristen<br />
sollten den Anweisungen der<br />
Behörden unbedingt Folge leisten<br />
und gegebenenfalls auch ihre Pläne<br />
für die Weihnachtstage ändern.<br />
Ein Buschfeuer in Balmoral, 150 Kilometer<br />
südwestlich von Sydney. AFP/PETER PARKS<br />
Seit Oktober haben Buschbrände<br />
in Australien mehrere Millionen<br />
Hektar Land vernichtet. Mindestens<br />
sechs Menschen kamen ums Leben,<br />
mehr als 1000 Häuser wurden zerstört.<br />
Der Südosten des Landes ist<br />
besonders stark betroffen: Allein in<br />
New South Wales, wobereits Mitte<br />
November ein einwöchiger Notstand<br />
ausgerufen worden war, kämpften<br />
zuletzt mehr als 2000 Feuerwehrleute<br />
gegen rund 100 Brände. Ein besonders<br />
bedrohliches Großfeuer ist bis<br />
auf etwa 70 Kilometer an die Millionenmetropole<br />
Sydney herangerückt.<br />
Erschwert wird der Kampf gegen<br />
die Flammen durch Rekordhitze.<br />
Australien leidet ohnehin seit etwa<br />
zwei bis drei Jahren unter starker<br />
Dürre, die ausgetrocknete Vegetation<br />
entzündet sich also besonders<br />
leicht. Am Mittwoch wurde erneut<br />
eine historische Hitzemarke gebrochen:<br />
Mit 41,9 Grad lag die landesweite<br />
durchschnittliche Höchsttemperatur<br />
so hoch wie nie seit Beginn<br />
der Aufzeichnungen. Am Dienstag<br />
waren bereits 40,9 Grad gemessen<br />
worden. Während die heißen Luftmassen<br />
durch das Land ziehen, werden<br />
besonders im Landesinneren<br />
und im Süden weiter Extremtemperaturen<br />
erwartet.<br />
Trotz der katastrophalen Lage an<br />
der Brandfront weilt Australiens Regierungschef<br />
Scott Morrison seit Tagen<br />
im Urlaub.Medienberichten zufolge<br />
entspannt er mit seiner Familie<br />
auf der Pazifikinsel Hawaii, was viele<br />
Landsleute in Rage bringt. Vordem<br />
Wohnsitz des konservativen Premiers<br />
in Sydney versammelten sich<br />
am Donnerstag Hunderte wütende<br />
Schüler, die ihm neben Vernachlässigung<br />
seiner Amtspflichten fehlendes<br />
Engagement für den Klimaschutz<br />
vorwarfen. (dpa; AFP)