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Highway 05/20

Das Magazin über dein liebstes Kraut – alle zwei Monate neu!

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LESTER GRINSPOON<br />

Prof. Dr. Lester Grinspoon, ein Harvard-Professor<br />

für Psychiatrie, der ein führender Befürworter<br />

der Legalisierung von Marihuana wurde, nachdem<br />

seine Forschungen ergeben hatten, dass es weniger<br />

giftig oder süchtig machend als Alkohol oder Tabak<br />

ist, starb einen Tag nach seinem 92. Geburtstag am<br />

25. Juni <strong>20</strong><strong>20</strong> in seinem Haus in seinem Geburtsort<br />

Newton, Massachusetts in den Vereinigten Staaten.<br />

Lester Grinspoon wurde<br />

nicht wie viele von uns<br />

vom Konsumenten zum<br />

Aktivisten, im Gegenteil.<br />

Grinspoon glaubte lange<br />

Zeit, dass Marihuana eine schlimme<br />

Droge wäre. Er wurde am 24.<br />

Juni 1928 geboren und schloss<br />

ohne einen High-School-Abschluss<br />

zu besitzen ein Biologie- und Chemie-Studium<br />

ab. 1955 absolvierte<br />

er zudem die Harvard Medical<br />

School in Boston, wo er schließlich<br />

auch 42 Jahre an der Fakultät tätig<br />

war. Zudem arbeitete er 40 Jahre<br />

lang als Psychiater in einem Bostoner<br />

Gesundheitszentrum, bevor er<br />

zur Jahrtausendwende den Ruhestand<br />

antrat.<br />

Als sein Freund, der<br />

berühmte Astronom und spätere<br />

Cannabisaktivist Carl Sagan, ihm<br />

1960 einen Joint anbot („Du wirst<br />

es lieben, es ist harmlos.“) war<br />

Lester Grinspoon noch schwer erschrocken<br />

und lehnte das Angebot<br />

deutlich ab. Vielleicht auch nicht<br />

zuletzt, um seinen Freund, damals<br />

ebenfalls Harvard-Professor, davon<br />

zu überzeugen, einen schweren<br />

Fehler zu begehen und seine Gesundheit<br />

zu ruinieren, wollte er alle<br />

Studien zusammenstellen, die eine<br />

solche Schädlichkeit von Marihuana<br />

belegten. Mit Vernunft kann<br />

man einem Harvard-Professor vielleicht<br />

schließlich kommen. Aber<br />

es wurde andersherum ein Schuh<br />

draus: denn auf einmal kamen<br />

Grinspoon erste Zweifel an der<br />

Gefährlichkeit von Marihuana, als<br />

er lediglich auf dessen Einsatz als<br />

Medizin stieß, der Dutzende und<br />

Hunderte Jahre zuvor belegt war,<br />

er aber keine Studien finden konnte,<br />

die darauf hindeuten würden,<br />

dass Cannabis süchtig macht oder<br />

anderweitig gefährlich wäre. Nach<br />

weiterer Forschung kam er zu dem<br />

Schluss, dass Marihuana ein relativ<br />

sicheres Rauschmittel sei, das wie<br />

Alkohol reguliert werden sollte.<br />

Denn die wahre Gefahr bestehe in<br />

der Kriminalisierung seiner Konsumenten,<br />

wie Grinspoon schnell<br />

schlussfolgerte. Und wie recht sollte<br />

er noch behalten!<br />

Nachdem Dr. Grinspoon<br />

seine Ergebnisse 1969 in<br />

einem Artikel im „Scientific American“<br />

vorgestellt hatte, schrieb er<br />

das Buch „Marihuana Reconsidered“<br />

(ja, damals auch im Englischen<br />

gelegentlich noch mit h<br />

geschrieben), das 1971 erstmals<br />

veröffentlicht wurde und für großes<br />

Aufsehen sorgte. „Das größte<br />

Potential für sozialen Schaden liegt<br />

in der Narbenbildung so vieler junger<br />

Menschen und den reaktiven,<br />

institutionellen Schäden, die direkt<br />

aus den gegenwärtigen Marihuanagesetzen<br />

resultieren“, schrieb Dr.<br />

Grinspoon damals – und weiter:<br />

„Wenn wir vermeiden wollen,<br />

dass dieser Schaden innerhalb des<br />

nächsten Jahrzehnts das Ausmaß<br />

einer wirklichen nationalen Katastrophe<br />

erreicht, müssen wir den<br />

sozialen Gebrauch von Marihuana<br />

legalisieren.“ Ach, hätte man es<br />

doch damals schon umgesetzt!<br />

1970 trat er in die frisch<br />

gegründete „National Organization<br />

for the Reform of Marijuana<br />

Laws“ (NORML) ein und wurde<br />

beinahe augenblicklich in den<br />

Vorstand und den Beirat der Organisation<br />

berufen und sein Buch<br />

eine intellektuelle Grundlage auf<br />

dem Weg zur Legalisierung. „In<br />

den frühen Tagen verlieh er uns<br />

unglaubliche Glaubwürdigkeit“,<br />

sagte Allen St. Pierre, ein ehemaliger<br />

geschäftsführender Direktor<br />

von NORML, in einem Interview.<br />

„Er zeigte auf, dass Marihuana<br />

eine Geschichte hat, dass<br />

es nicht erst in den 1960er-Jahren<br />

von Hippies entdeckt worden<br />

war.“ „Er war kein Hippie, er<br />

war ein Professor, ein Strebertyp“,<br />

sagt auch sein Sohn David.<br />

Tatsächlich probierte Grinspoon<br />

erstmals im Jahr 1972 zusammen<br />

mit seiner Frau Betsy Marihuana.<br />

Beide wurden jedoch erst bei ihrem<br />

dritten Versuch high, als sie<br />

die Beatles auflegten – eine Band,<br />

die eigentlich nicht nach dem Geschmack<br />

des Ehepaars war und<br />

deren Rhythmen unter dem Einfluss<br />

von Marihuana auf einmal<br />

begeisterten. Und Lester Grinspoon<br />

bekam kurz darauf sozusagen<br />

die Chance, sich angemessen<br />

beim Gründer der Beatles zu revanchieren.<br />

Denn John Lennon<br />

sollte 1972 von den USA in seine<br />

Heimat nach England abgeschoben<br />

werden. Was war der Grund?<br />

Eine frühere Verurteilung in England,<br />

da er Haschisch besessen<br />

hatte. Lester Grinspoon war als<br />

Experte bei einer Anhörung Lennons<br />

geladen und sagte aus, dass<br />

Haschisch weder Marihuana sei,<br />

noch eine narkotische Droge. Bis<br />

zum Abschluss der Geschichte<br />

dauerte es zwar noch eine lange<br />

Zeit, aber am Ende stand fest, dass<br />

Lennon nicht abgeschoben wurde.<br />

Dr. Grinspoon, der Professor<br />

Ebenfalls zu Beginn der frühen Siebziger<br />

wurde Lester Grinspoon gezwungen,<br />

sich noch weiter mit dem<br />

Thema Cannabis auseinanderzusetzen,<br />

denn sein Sohn Danny musste<br />

sich wegen Leukämie einer Chemotherapie<br />

unterziehen, die starke<br />

Übelkeit und Erbrechen bei ihm<br />

auslöste. Grinspoons Frau Betsy<br />

besorgte Marihuana und tatsächlich<br />

half dieses extrem gut, die Nebenwirkungen<br />

zu unterbinden. „Von<br />

da an rauchte er vor jeder Behandlung<br />

Marihuana, und wir alle fühlten<br />

uns während des verbleibenden<br />

Jahres seines Lebens viel wohler“,<br />

schrieb Grinspoon in seinem Buch<br />

„Marihuana: The Forbidden Medicine“,<br />

das 1993 herauskam und im<br />

Folgejahr im Verlag Zweitausendeins<br />

unter dem Titel „Marihuana:<br />

Die verbotene Medizin“ erstmals<br />

auf deutsch herausgegeben wurde.<br />

Auch dieses Werk wurde vielbeachtet<br />

und es trug dazu bei, die Lösung<br />

der großen legislativen und rechtlichen<br />

Probleme im Zusammenhang<br />

mit der medizinischen Verwendung<br />

von Marihuana in Kalifornien Mitte<br />

der 1990er-Jahre voranzutreiben<br />

– die Grundlage der Legalisierungswelle<br />

in Nordamerika. Lester Grinspoon<br />

hinterlässt seine Frau und<br />

drei Söhne sowie einen Strain von<br />

Barney’s Farm, der nach ihm benannt<br />

wurde und der auf der rechten<br />

Seite in unserem Strain-Portrait<br />

vorgestellt wird...<br />

62 HIGHWAY <strong>05</strong>/<strong>20</strong>

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