architektur Fachmagazin Ausgabe 6 2020
architektur Fachmagazin Ausgabe 620 Material & Oberfläche
architektur Fachmagazin Ausgabe 620
Material & Oberfläche
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
44<br />
Material & Oberfläche<br />
Kompromisslos<br />
ehrlich<br />
Stadtarchive / Felanitx, Mallorca / Aulets Arquitectes<br />
Text: Linda Pezzei Fotos: José Hevia<br />
Das Stadtarchiv in<br />
Felanitx auf Mallorca<br />
bezaubert durch die<br />
Absolutheit seiner Materialität<br />
und Oberflächen.<br />
Aulets Arquitectes ist es<br />
gelungen, die historische<br />
Geschichte des Ortes und<br />
der Bautradition in eine<br />
glasklare Architektursprache<br />
zu übersetzen.<br />
Dabei lebt das Projekt<br />
von der Präzision in der<br />
Ausführung und den kleinen,<br />
reizvollen Details, die<br />
sich erst beim genaueren<br />
Betrachten erschließen.<br />
„Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann,<br />
wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern<br />
wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“<br />
Vielleicht haben die Designer von Aulets Arquitectes<br />
bei der Gestaltung der Stadtarchive in Felanitx an die<br />
Worte von Antoine de Saint-Exupéry gedacht. Aus<br />
materieller Sicht jedenfalls kann man kaum ehrlicher<br />
bauen. Alles an diesem Bauwerk ist roh, unbehandelt<br />
und unverhüllt. Und dennoch wirken die Räumlichkeiten<br />
im Gesamten weder unfertig noch kalt oder<br />
ungemütlich. Eher zart und skulptural. Völlig entblättert,<br />
selbstbewusst und stark.<br />
So präsent sich das Gebäude in seiner Materialität<br />
von innen zeigt, so zurückhaltend fügt sich das neue<br />
Volumen in das bestehende Ensemble des historischen<br />
Zentrums von Felanitx. Die ländliche Gemeinde<br />
befindet sich in der Region Pla & Llevant im Südosten<br />
von Mallorca und liegt etwa 50 Kilometer von<br />
der Hauptstadt Palma entfernt. Das bauliche Erbe der<br />
Altstadt zeigt sich in seinen vielen überlappenden<br />
Grundstücken, Terrassen, Patios und Mauern. Als Teil<br />
der materiellen Geschichte des Gebäudes und der<br />
Stadt wurde diese Systematik auf dem Grundstück<br />
erhalten. Dies spiegelt sich auch in dem Konglomerat<br />
an Konstruktionssystemen und Materialien wider,<br />
das die gesamte Baugeschichte Mallorcas auf diesen<br />
einen Fleck zu konzentrieren scheint.<br />
Die bestehende Architektursprache ist dabei eher<br />
anonym und bescheiden. Die Stadtarchive fügen<br />
sich in ihrer Konvergenz folglich als “ein Haus wie<br />
jedes andere” in die Bestandsbauten ein. Nur die Eingangstüre<br />
und ein Fenster öffnen sich zur Straße hin<br />
und wäre da nicht das Oberlichtband zwischen Wand<br />
und Dach, so ließe nichts an der Fassade auf die Nutzung<br />
der dahinter liegenden Räumlichkeiten als ein<br />
Archiv schließen. Eine Besonderheit weist die Front<br />
im Gegensatz zu ihren Nachbargebäuden allerdings<br />
doch auf. Natürlich liegt der Unterschied hier - wie<br />
auch im Innenraum - in der feinen Nuancierung der<br />
Oberflächen: Der raue, helle Putz kontrastiert auf<br />
überraschende Weise mit dem rohen Ziegelmaterial<br />
der Leibungen von Fenster, Oberlicht und Tür, sodass<br />
diese im Sonnenlicht orangerot von innen heraus zu<br />
leuchten scheinen.<br />
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