Vergani Magazin Nr. 04

APROPOS WEIN
VON ANDRIN C. WILLI
WEINE,
WORTE UND
WAHRHEITEN
auch ich versuche mir einen Wein einzutrinken.
Pardon – einzureden. Der muss doch gut sein! Der
hat 100 Punkte! Als Strafe habe ich darum neulich
eine Kiste Veltliner gekauft, weit weg von hundert
Parkerpunkten und spottbillig noch dazu. Das
Schlim mste daran ist, dass ich ihn meinen Freunden
auftische. Jetzt kommt die Einschüchterungsphase.
Sie sollten mich mal schwadronieren hören, wenn
ich meinen Kurz vortrag übers Veltlin anstimme.
Alles, was ich hier schreibe, ist nur die Wahrheit
und nichts anderes. Kein Buchstabe ist erfunden,
alles ist richtig, nichts ist falsch. Los geht’s. Bei Wein
wissen ja alle Bescheid. Die verzogenen Weintrinker
wissen das Gute vom Besseren und vom Besten zu
trennen. Wer darüber sprechen will, findet immer
irgendwo irgendetwas Schlaues zum Nachplappern
über einen Langweilerwein. Mir ist das egal. Gute
Geschichten kommen gut an, wenn man sie gut
erzählt. Ich aber stresse meine Gäste lieber mit
Knorrigem.
Richtig gute Weinexperten versuchen nämlich
immer, andere einzunehmen. Das geht. Ich verrate
es Ihnen hier exklusiv, bitte Sie aber, es nicht weiterzuerzählen.
Zuerst kommt die Selbstüberzeugung.
Zugegeben, das wird im Laufe der Jahre schwieriger,
und manch mal ertappe ich mich dabei, wie
Ich schwärme von den rätischen Terrassen. Dann
von ihm, diesem sperrigen Wein für Kenner. Die
Gesichter werden länger, während ich doziere, was
für fantastische Weine aus dem Veltlin es wegen den
Unverständigen nicht bis nach Zürich schaffen. Ich
preise und lobe den Wein, schiesse gegen alle konzentrierten
Fruchtbomben der Welt und tue dies so
lange, bis es niemand mehr aushält. Dann riechen
und schnüffeln sie am Glas. Sie rümpfen die Nasen.
Die Gesichter verziehen sich nach dem ersten Schluck
in alle Richtungen. Instinktiv merken sie, dass sie
keine Ahnung von Wein haben. Ihnen schmeckt der
Veltliner einfach nicht, obschon er müsste. Höflich
fragen sie mich, wo man den «Tropfen» kaufen
kann. Ich befreie sie immer gleich mit den Worten:
«nur ab Hof.»
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