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Gesellschaft

Gesellschaft

Foto: wikimedia commons

Der prozentuale Anteil älterer Menschen an der

deutschen Bevölkerung nimmt zu, die Menschen

werden immer älter, ihre Lebenserwartung steigt.

Die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen

beeinflussen das gesamte staatliche Gefüge und viele politischen

Entscheidungen. Im Interesse einer zu aktualisierenden

Wahrnehmung legt die Bundesregierung seit 1993

in jeder Legislaturperiode einen Altersbericht vor, dessen

Erarbeitung jeweils einer ehrenamtlich tätigen Sachverständigenkommission

übertragen wird.

Am 12. August 2020 veröffentlichte die Bundesregierung

den 8. Altersbericht, diesmal unter dem Titel „Ältere

Menschen und Digitalisierung“. Es handelt sich um

das Ergebnis einer Untersuchung, inwieweit digitalisierte

Produkte und Anwendungen zu einem guten Leben im

Alter beitragen können. Konkret geht es um die Entwicklung,

Verbreitung und Nutzung digitaler Medien in den

Lebensbereichen Wohnen, Mobilität, soziale Integration,

Gesundheit, Pflege und Sozialraum. Auch die damit verbundenen

ethischen Fragen behandeln die Experten in

ihrem Bericht.

Professorin Dr. Claudia Müller (Universität Siegen)

war als stellv. Vorsitzende der Sachverständigenkommission

an der Erarbeitung des Achten Altersberichts beteiligt,

sie forscht und lehrt im Bereich der Wirtschaftsinformatik

mit Fokus auf „IT für die alternde Gesellschaft“. Das Ziel:

Entwicklung neuer Technologien und Nutzungspraktiken

zur Förderung der Lebensqualität und sozialen Teilhabe in

der alternden Gesellschaft.

durchblick-Redakteur Erich Kerkhoff bat die Expertin

um Beantwortung folgender Fragen:

Ältere Menschen und Digitalisierung

Der achte Altersbericht

„Welche Bedeutung hat Digitalisierung im Zusammenhang

mit Gesundheit, Versorgung und Pflege“?

Müller: „Mithilfe der Digitalisierung ergeben sich vielfältige

Anwendungsmöglichkeiten in der gesundheitlichen und

pflegerischen Versorgung. Es handelt sich hier um ein besonders

sensibles Handlungsfeld, denn die Technik soll dem

Menschen dienen und dieser nicht der Technik unterworfen

sein. Aktuell zu nennen ist die ‚Elektronische Patientenakte‘,

die ab Jahresbeginn 2021 von den gesetzlichen Krankenkassen

angeboten werden muss. Damit wird möglich, die

Krankengeschichte und Arzneimittel dokumentieren zu lassen

und diese der Ärztin oder dem Arzt, Apotheken sowie

beruflich Pflegenden leichter zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus können sogenannte telemedizinische

Angebote helfen, die Versorgung zu verbessern sowie

räumliche und zeitliche Hindernisse überwinden. Die Digitalisierung

kann einen Beitrag zur Fachkräftesicherung

und einer besseren Versorgung in der Pflege leisten, indem

sie beruflich Pflegende entlastet und unterstützt. Die bisherige

Versorgung kann folglich sinnvoll ergänzt und mögliche

Versorgungslücken kompensiert werden. Schließlich

können technische und digitale Assistenzsysteme gute

Möglichkeiten bieten, ältere Menschen in ihrer Selbstständigkeit

zu unterstützen – beispielsweise durch Systeme, die

im Notfall schnell Hilfe organisieren können.“

„Bereits im 7. Altenbericht wird der Aufbau und die

Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften gefordert.

Welche Erwartungen verbinden sich dabei mit der Digitalisierung?“

Müller: „Zurzeit macht die Corona-Pandemie besonders

deutlich, wie wichtig digitale Kommunikation für alle Generationen

ist. Vor allem in ländlichen Räumen stehen die

Kommunen und Landkreise vor der Herausforderung, die

Versorgung und Teilhabe der älteren Menschen sicher zu

stellen. Daher sollte die flächendeckende und kostenfreie

Internetnutzung im öffentlichen Raum und in öffentlichen

Einrichtungen verfügbar sein.“

„Digitalisierung – welchen Stellenwert hat die besondere

Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit älterer

Menschen in diesem Zusammenhang?“

Müller: „Grundsätzlich muss gelten, dass (älteren) Menschen

das Recht zusteht, Technologie nicht zu nutzen bzw.

der Anwendung von Technik im Einzelfall zu widersprechen.

Damit steht die Patientensouveränität bei allen digitalen

Anwendungen an erster Stelle. Vor diesem Hintergrund

empfiehlt die Fachkommission, ethische Fragen auf gesellschaftlicher

und politischer Ebene zu diskutieren bzw. auch

zukünftig entsprechend Debatten anzustoßen. Im Zentrum

muss dabei die Wahrung der grundgesetzlichen Werte stehen,

wie Würde, Selbstbestimmung und Sozialstaatlichkeit.“

„Danke für die Auskunft! Abschließend: welche

Handlungsmöglichkeiten, welche Anregungen bieten

sich für die Leserinnen und Leser des durchblick?

Müller: „Die Universität Siegen arbeitet bereits seit mehreren

Jahren mit Mitgliedern und Veranstaltungsteilnehmen-

Leidenschaftlich lokal.

Unsere Liebe zur Region und ihren

Menschen hört nicht bei der Energie -

versorgung auf. Deswegen engagieren

wir uns direkt vor Ort und sind Ihr

starker regionaler Partner.

westenergie.de

den des Vereins ALTERAktiv

Siegen-Wittgenstein e.V. in ganz

unterschiedlichen Projekten

zusammen. Im Rahmen unsers

sogenannten „Living Lab“ –

Forschungsprogramms, d.h.

die Forschenden suchen engen

Kontakt und Austausch mit Siegener

Haushalten und Organisationen,

laden wir Menschen

ein, sich mit uns gemeinsam auf

den Weg zu begeben, technische

Möglichkeiten auszuprobieren

und alltagstaugliche Geräte gemeinsam

zu entwickeln. Auf unserer

Webseite findet sich eine

aktuelle Übersicht der Projekte

(https://italg.wineme.uni-siegen.

de). Falls Sie ein Thema anspricht,

freuen wir uns auf Ihre

Kontaktaufnahme, entweder

per E-mail bei David Struzek

david.struzek@uni-siegen.de

oder telefonisch in unserem Sekretariat,

unter (0271-740 4036,

Frau Krenzer-Gräb). ●

Prof. Dr. Claudia Müller

Die Fragen stellte

Erich Kerkhoff

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