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So sind wir, nicht?<br />

„Der Herr Karl“ ist ein Stück österreichischer<br />

Kulturgeschichte. Sechs Jahrzehnte<br />

nach seiner Uraufführung hat<br />

der einstündige Monolog nichts von<br />

seiner Kraft verloren. Kabarettist<br />

Andreas Vitásek löst sich vorsichtig<br />

von Original-Darsteller<br />

Helmut Qualtinger, setzt aber<br />

selbstbewusst auf die genuine<br />

Qualität des zeitlosen Dokuments.<br />

TEXT: HANNES KROPIK<br />

Die Erstausstrahlung im<br />

Österreichischen Fernsehen<br />

im November 1961 löste<br />

einen beispiellosen Proteststurm tiefbetroffener<br />

Patrioten aus: In dem Einpersonenstück<br />

„Der Herr Karl“ aus der<br />

Feder der Satiriker Carl Merz und Helmut<br />

Qualitinger schlüpfte der geniale<br />

Menschendarsteller Qualtinger, damals<br />

33, selbst in den Arbeitsmantel<br />

eines etwa 60-jährigen Lagerarbeiters<br />

in einem Wiener Feinkostladen. Das<br />

Porträt des bornierten, wehleidigen<br />

und selbstgefälligen Wendehalses, der<br />

sich den bequemsten Weg durch die<br />

Wirrnisse der heimischen Geschichte<br />

gesucht hatte, ist noch heute bedrückend<br />

aktuell – wie Kabarettist<br />

Andreas Vitásek, 64, in seiner Vorstellungsreihe<br />

beweist.<br />

Warum ist die Figur des Herrn Karl<br />

immer noch so stimmig? Was haben<br />

16 |<br />

Merz/Qualtinger vor rund 60 Jahren<br />

in diesen Text verpackt, dass er letztendlich<br />

so zeitlos „funktioniert“?<br />

Carl Merz und Helmut Qualtinger ist<br />

es gelungen, ein perfektes Solostück<br />

zu bauen, in dem sie die Biografie<br />

eines charakterlich fragwürdigen Einzelgängers<br />

in einen wichtigen Abschnitt<br />

der Geschichte Österreichs<br />

einwebten. Außerdem dürfte der<br />

Typus des Mitläufers und Profiteurs<br />

wohl eine zeitlose Erscheinung der<br />

Spezies Mensch sein. Ich würde das<br />

gar nicht unbedingt auf Österreich<br />

beschränken. Obwohl …<br />

Was hat dich inspiriert, diesen großen<br />

Monolog gerade jetzt auf die<br />

Bühne zu bringen?<br />

Bei der Arbeit an meinem letzten<br />

Soloprogramm „Austrophobia“ habe<br />

ich mich auf die Suche nach der österreichischen<br />

Seele begeben. Und da<br />

kommt man am Herrn Karl nicht vor-

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