07.12.2020 Aufrufe

TIM_gesamt

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Körpersprache<br />

Eine Kolumne von Stefan Verra<br />

Russische Ärzte, IT-Fuzzis in Texas, Juristen in Frankreich<br />

und Studenten an Universitäten, ihnen allen<br />

erklärt Stefan Verra die Körpersprache. In seinem<br />

aktuellen Buch „Leithammel sind auch nur Menschen<br />

– die Körpersprache der Mächtigen“ analysiert<br />

er, was „die da oben“ mit ihrer Mimik und Gestik<br />

eigentlich sagen wollen. Und wenn Sie einmal bei<br />

einer Veranstaltung dabei sind, werden Sie am Ende<br />

nicht wissen, ob Sie mehr gelacht oder mehr gelernt<br />

haben.<br />

Die Seite zum Thema: stefanverra.com<br />

„Wenn der Körper lacht“<br />

Ob ein Witz gut ist oder nicht, entscheidet<br />

oft die Körpersprache. Doch es gibt Unterschiede.<br />

Wenn Mario Barth witzelt,<br />

geht er auf Nummer<br />

sicher. Wahrscheinlich,<br />

weil er über die Qualität Bescheid weiß.<br />

Bevor er nämlich einen Gag raushaut,<br />

zeigt er allen im Publikum an: Leute,<br />

jetzt wird es gleich lustig. „Pass uf, jetzt<br />

kommt dit Beste! Kennste? Kennst<br />

nich? Macht nüscht! Kannte ick oooch<br />

nich. Muhahahahahahahahaha!“ Dabei<br />

krümmt er sich, als würde er sich<br />

das Beuschel aus dem Leib lachen. An<br />

dieser Stelle hat er noch gar keinen<br />

Witz gemacht, aber er zeigt an, es<br />

kommt gleich einer. Dabei macht er<br />

sich zunutze, dass unser<br />

Gehirn gerne spiegelt. Sehen wir einen<br />

so exaltiert lachenden Menschen, gibt<br />

unser Gehirn den motorischen Befehl,<br />

tatsächlich auch zu lachen. Und so<br />

stimmen wir ein, wenn wir herzhaft<br />

lachende Menschen sehen. Lachyoga<br />

funktioniert genau auf der Basis. Und<br />

deswegen grantelt es sich in der Wiener<br />

U-Bahn auch so gut. Man ist damit<br />

einfach nie alleine.<br />

In die gleiche Richtung stößt Michael<br />

Mittermeier. Er lässt sich vor den<br />

Shows gerne mal Lokalzeitungen bringen<br />

und führt mit launigen Meldungen<br />

über das aktuelle Publikum die Ironie<br />

ihrer Existenz vor. So liebt er es, uns<br />

Österreichern unsere Unzulänglichkeiten<br />

vorzuhalten. (Michl, als ob’s die<br />

gäbe!) Aber wirklich lustig wird es,<br />

weil er seine urtypische<br />

Körpersprache einsetzt: Manieristische<br />

Mimik, Gesten der Hände und Arme<br />

fast gespenstisch überzeichnet und<br />

wild über die Bühne hetzend. Und<br />

genau damit wird auch die eine halblustige<br />

Meldung plötzlich zum Schieflachen.<br />

Körpersprachlich ganz anders macht<br />

es ein anderer Bayer: Gerhard Polt.<br />

Dessen Humor nähert sich dem Witz<br />

von der anderen Seite an. Seine Mimik,<br />

Gestik und Körperhaltung bleibt<br />

nahezu still. Wenn er über Alkoholsucht,<br />

Ausländerhass und Kindesmissbrauch<br />

spricht, explodieren die Bilder<br />

in unserem Kopf. Dabei bleibt aber<br />

sein Bewegungsradius auf der Bühne<br />

so begrenzt wie die Distanz zwischen<br />

Stempelkissen und Kuvert bei Ihrem<br />

Postbeamten ums Eck. Die Hände hebt<br />

er nie über seinen Kopf hinaus, seine<br />

Mimik verzieht er selten. Diese körpersprachliche<br />

Unbewegtheit<br />

vermittelt uns große Selbstverständlichkeit.<br />

Und damit löst er zwei<br />

Gefühle in uns aus: Einerseits sind die<br />

Themen mitunter so heftig, dass wir<br />

meinen: Er übertreibt! Niemand<br />

würde es wagen, diese Themen so<br />

direkt anzusprechen. Andererseits aber<br />

zeigt er dabei eine dermaßen unaufgeregte<br />

Alltagskörpersprache, dass wir<br />

erkennen: Das könnte doch real sein!<br />

Selbst wenn Sie diese Zeilen lesen,<br />

entsteht wahrscheinlich in Ihrem Gehirn<br />

eine kognitive Dissonanz: „Soll<br />

ich es lustig finden oder betroffen<br />

sein?“<br />

Ein Tipp für Sie: Beobachten Sie die<br />

Körpersprache Ihrer Lieblingskabarettisten.<br />

Sie werden erkennen, wie<br />

groß die Rolle ihrer Körpersprache<br />

ist.<br />

Foto: Severin Schweiger Fotografie<br />

62 | glosse

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!