tassilo - das Magazin rund um Weilheim und die Seen - Ausgabe Januar/Februar 2021
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Der legendäre Grill Shop von Familie Sirch<br />
Schnellrestaurant mit KultcharakterKultcharakt<br />
<strong>Weilheim</strong> | Wer glaubt, schnelle<br />
Gerichte z<strong>um</strong> „hier Essen“ oder<br />
„Mitnehmen“ gibt es hierzulande<br />
erst seit den Filialniederlassungen<br />
von McDonalds Anfang der 1990er<br />
Jahre, der hat sich sprichwörtlich<br />
geschnitten. Bereits in den 1970er<br />
Jahren haben Hans <strong>und</strong> Gerlinde<br />
Sirch angefangen in der Gastronomie.<br />
Heute ist ihr Grillshop in<br />
<strong>Weilheim</strong>s Innenstadt ohne Übertreibung<br />
eine Institution. Viele<br />
K<strong>und</strong>en sprechen von Kultcharakter,<br />
schwärmen vom Essen, vom<br />
fre<strong>und</strong>lichen Personal <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser<br />
Retro-Einrichtung im Lokal an der<br />
Hofstraße. Das wohl turbulenteste<br />
Jahr im Leben der Sirchs, <strong>das</strong><br />
Jahr 1966, war zugleich der Startschuss<br />
<strong>die</strong>ser Erfolgsgeschichte: Es<br />
wurde geheiratet, Sohn Robert zur<br />
Welt gebracht <strong>und</strong> <strong>das</strong> Wirtshaus<br />
„Münchner Hof“ in der Nähe des<br />
<strong>Weilheim</strong>er Bahnhofs von Gerlindes<br />
Schwiegermutter übernommen.<br />
Zwar ist der ursprüngliche<br />
Tra<strong>um</strong> einer eigenen Metzgerei<br />
durch <strong>die</strong>se Lokal-Übernahme<br />
endgültig geplatzt. Rückblickend<br />
aber sind der Metzgermeister<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> gelernte Bankkaufrau gar<br />
nicht so traurig darüber, „wenn<br />
man bedenkt, wie schwer es für<br />
Metzgereien heutzutage ist“. Im<br />
Wirtshaus am Bahnhof jedenfalls<br />
haben Hans <strong>und</strong> Gerlinde<br />
Sirch „viel gelernt“, was für ihre<br />
spätere, eigentliche Berufung als<br />
wichtige Basis <strong>die</strong>nte. Sie haben<br />
einen Grill gekauft <strong>und</strong> Pommes<br />
mit Hendl angeboten, „was damals<br />
absolutes Neuland war, in<br />
<strong>Weilheim</strong> bis dato keiner gekannt<br />
hat“. So richtig auf <strong>die</strong>se Idee des<br />
„schnellen Essens z<strong>um</strong> Mitnehmen“<br />
sind <strong>die</strong> beiden im Zuge<br />
einer Bildungsreise durch <strong>die</strong> USA<br />
18 | <strong>tassilo</strong><br />
Eine Institution, nicht nur für <strong>Weilheim</strong>er: Das Schnellrestaurant von<br />
Familie Sirch befindet sich in der Hofstraße, Innenstadt.<br />
gekommen. Anders als aktuell, wo<br />
<strong>die</strong> Vereinigten Staaten regelrecht<br />
Konflikt-zerrüttet sind, waren <strong>die</strong><br />
Sirchs regelrecht überwältigt von<br />
den Dimensionen <strong>und</strong> unbegrenzten<br />
Möglichkeiten in Übersee. Dass<br />
ihr erster Imbisswagen, aufgestellt<br />
unter dem großen Kastanienba<strong>um</strong><br />
vor ihrem „Münchner Hof“, der<br />
Renner schlechthin wird, war<br />
trotzdem nicht abzusehen. Schüler,<br />
Berufsschüler, Lehrer, Handwerker,<br />
Büroleute, Lkw-Fahrer – alle,<br />
<strong>die</strong> im Betrieb keine Kantine sowie<br />
zuhause keine kochende Frau<br />
hatten, oder eben von weiter her<br />
waren, haben dort ihr Mittagessen<br />
geholt. Die absolute N<strong>um</strong>mer eins<br />
damals: Bratwurst in der Semmel.<br />
„Uns selbst<br />
Konkurrenz gemacht“<br />
Nach fünf Jahren haben Hans <strong>und</strong><br />
Gerlinde Sirch den Münchner Hof,<br />
der heute nicht mehr existiert,<br />
verpachtet <strong>und</strong> angefangen, ein<br />
Schnellrestaurant in <strong>Weilheim</strong>s<br />
Admiral-Hipper-Straße aufz<strong>um</strong>achen.<br />
Dort war <strong>die</strong> Warteschlange<br />
der K<strong>und</strong>en zu Mittag noch länger<br />
– <strong>die</strong> Leute standen durch <strong>die</strong><br />
offene Ladentüre hinaus weit in<br />
<strong>die</strong> Straße hinein. Weil Hans <strong>und</strong><br />
Gerlinde Sirch neben der harten<br />
Arbeit in Küche, Büro <strong>und</strong> an der<br />
Theke den Geschäftssinn nie außer<br />
Acht gelassen hatten, witterten<br />
sie ihre Chance. „Bevor <strong>die</strong>sen<br />
florierenden Markt ein anderer<br />
entdeckt, müssen wir uns selbst<br />
Konkurrenz machen“, lautete <strong>das</strong><br />
Motto. Gesagt getan, wurde letztlich<br />
<strong>das</strong> Haus in der Hofstraße<br />
gekauft, durch aufwändige Sa-<br />
nierung aus desolatem Zustand<br />
befreit <strong>und</strong> 1979 als „Grill Shop“<br />
eröffnet. Ähnlich wie Imbisswagen<br />
<strong>und</strong> „Grill büfeteria“ in der<br />
Admiral-Hipper-Straße<br />
boomte<br />
auch <strong>die</strong>ses Schnellrestaurant vom<br />
ersten Tag an. Neu im Sortiment:<br />
Burger.<br />
Inzwischen ist es 11.27 Uhr an <strong>die</strong>sem<br />
bewölkten Freitag in <strong>Weilheim</strong>s<br />
Hofstraße. Der Blick durch<br />
den Hintereingang direkt in <strong>die</strong><br />
Küche verrät: Hochkonjunktur.<br />
Cheese- <strong>und</strong> Hamburger werden<br />
belegt, aufgespießte Hendl goldbraun<br />
gegrillt, frisch frittierte Pommes<br />
in Pappbehälter geschaufelt,<br />
frischgeschnittene <strong>und</strong> bereits in<br />
Boxen verpackte Salate mit hauseigenem<br />
Dressing garniert. Seit Corona<br />
trennen K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verkäuferin<br />
nicht nur <strong>die</strong> breite Theke mit<br />
drei Kassen voneinander, sondern<br />
auch eine große Plexiglasscheibe.<br />
Bestellt wird trotzdem fleißig,<br />
auch wenn der Anblick beim Betreten<br />
des Ladens<br />
über den Haupteingang<br />
gewöhnungsbedürftig<br />
ist: Alle<br />
Tische <strong>und</strong> Bänke<br />
sind aufg<strong>r<strong>und</strong></strong> des<br />
zweiten Lockdowns<br />
unbesetzt. Ebenso<br />
der „Balkon“<br />
im Zentr<strong>um</strong> des<br />
Schnellrestaurant-Lokals, <strong>um</strong> den<br />
sich <strong>die</strong> K<strong>und</strong>en nun brav mit<br />
M<strong>und</strong>-Nase-Bedeckung <strong>und</strong> 1,50<br />
Meter-Abständen anstellen. Immer<br />
gegen den Uhrzeigersinn.<br />
„Was gut klappt“, sagt Gerlinde<br />
Sirch, <strong>die</strong> entgegen anderer Gastronomiebetriebe<br />
verhältnismäßig<br />
gut durch <strong>die</strong> bisherige Krise gekommen<br />
ist – schließlich musste<br />
wenig <strong>um</strong>gestellt werden, da <strong>die</strong><br />
K<strong>und</strong>en immer schon via Selbstbe<strong>die</strong>nung<br />
ihr Mittagessen für<br />
Zuhause, <strong>das</strong> Büro oder eine gemütliche<br />
Bank in der Innenstadt<br />
abholen konnten.<br />
Mittlerweile betreibt Familie Sirch<br />
„nur noch“ <strong>die</strong>sen Grill Shop in<br />
<strong>Weilheim</strong>s Hofstraße. „Irgendwann<br />
Während K<strong>und</strong>en an der Kasse ihre Bestellung<br />
aufgeben, wird im Hinterg<strong>r<strong>und</strong></strong> <strong>das</strong><br />
frischfrittierte <strong>und</strong> gegrillte Essen verpackt.<br />
Hendl <strong>und</strong> Pommes sind besonders beliebt.