flip-Joker_2021-06
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STUDIEN-
INFOTAGE
7. Juni bis 6. Juli
Hochschule Offenburg
hs-offenburg.de/infotage
Juni 2021
32. Jahrgang
Gefährliche Einflussnahme im Netz
Im Gespräch: Andre Wolf, Kommunikationsexperte für Social Media
INHALT
THEATER_____________________ 4
Hedda Gabler-Inszenierung im Theater Freiburg
KUNST _____________________ 10
Friedemann Hahn im Museum für Neue Kunst
KULTOUR___________________ 16
Das Bildrausch Filmfest Basel feiert Jubiläum
VISION_____________________ 18
Kulturort Gaskugel
NACHHALTIG_______________ 25
Windkraft und Infraschall
LITERATUR___________________ 29
Neuster Schwarzwaldkrimi von Roland Weis
GESUNDHEIT________________ 33
Hilfe bei psychosomatischen Erkrankungen
MUSIK______________________ 35
Kleine Freiburger Musiktage
VERANSTALTUNGEN_________ 37
Die KulturBauStelle in Staufen
Andre Wolf kennt Social Media
und seine Probleme. Als
Mitarbeiter der Rechercheplattform
Mimikama setzt er
sich täglich mit Fake News,
Verschwörungsmythen und
rechtsextremistischen Inhalten
im Netz auseinander. Sein Ziel:
Aufklärung und Medienkompetenz
schaffen. Nur so könne
man dem „Angriff auf die Demokratie“
– so der Titel seines
neuen Sachbuchs – begegnen.
Unser Mitarbeiter Fabian Lutz
hat das Buch gelesen und mit
Andre Wolf über Chancen
und Risiken von Social Media,
rechtsextreme Taktiken
im Netz und über den Mythos
vom weißen Lieferwagen gesprochen.
Kultur Joker: Hass, Hetze, Verschwörungsmythen.
Davon liest
man in Ihrem neuen Buch viel.
Und all das findet online, auf
Social Media statt. War Social
Foto: Claudia Spiess
auch das Wissen, wie ich seriöse
Medien von Kommentaren, die
nicht als solche markiert sind,
unterscheiden kann.
Kultur Joker: Viele der problematischen
Fälle funktionieren
im Modus der Warnung, wie
Sie in Ihrem Buch anschaulich
beschreiben. Von ProdUsern
wird vor etwas gewarnt, das
noch nicht eingetreten ist, die
Empfänger*innen trotzdem in
Alarmbereitschaft setzt. Siegt
hier die menschliche Emotion
vor der Vernunft?
Andre Wolf: Absolut. Das ist
ein Phänomen, das wir schon
lange beobachten. Hier entstehen
ganze Phantomdiskussionen.
2014 haben wir das zum ersten
Mal bemerkt, als die Warnung
vor einem „weißen Lieferwagen“
auf Social Media kursierte.
Ein weißer Lieferwagen sei in
den Nachbarschaften unterwegs
Media schon immer ein so gefährlicher,
politischer Ort?
Andre Wolf: Grundsätzlich
nicht. Ich kann Ihnen aber einen
konkreten Zeitraum nennen, in
dem sich das änderte: Die Jahre
2013/14. Das war auch die Zeit,
in der Social Media besonders
populär wurde. Jeder wollte zu
diesem Zeitpunkt auf Social
Media vertreten sein. Deshalb
wandte sich auch die Politik
Social Media zu, um uns alle zu
erreichen. Dafür gab es die offiziellen
politischen Kanäle, aber
auch inoffizielle. Dort fand auch
viel Manipulation statt.
Kultur Joker: Gab es dafür bestimmte
gesellschaftliche Hintergründe?
Andre Wolf: Während der
Krim-Krise 2014 sind die Vorwürfe
gegenüber einer „Lügenpresse“
zum ersten Mal laut
geworden. In diesem Kontext
erschienen auch stark antieuropäische
Stimmen. Als 2015
viele Flüchtende nach Mitteleuropa
kamen, brachten sogenannte
„Alternative Medien“ bewusst
verdrehte Inhalte oder vollständige
Falschaussagen. Später erhielten
solcher Meldungen dann
häufig einen wahren Kern, der
jedoch bewusst falsch interpretiert
oder bebildert wurde oder
dem ein ganz neuer Frame, ein
neuer Bedeutungsrahmen gegeben
wurde.
Kultur Joker: Protagonist*innen
in Ihrem Buch sind vor allem die
sogenannten „ProdUser“: Privatpersonen,
die ohne Etikette,
Pressekodex oder andere Filter
eigene Inhalte verbreiten. Mitteilungen
solcher Menschen und
deren Quellen sind oft schwer
zurückzuverfolgen. Finden wir
hier den Nährboden für „alternative“
Berichterstattung und
Falschmeldungen?
Andre Wolf: Social Media beginnt
bei uns als Nutzerinnen
und Nutzern. Im Grunde ist das
eine tolle, demokratische Sache.
Wir alle haben eine Plattform,
auf der wir Inhalte teilen und
frei miteinander kommunizieren
können. Das Problem ist
nur, dass die Mechanismen von
Social Media ermöglichen, dass
diese Funktionen auch missbraucht
werden können. Manipulierte
Berichterstattung beginnt
auch bei Privatpersonen,
die Tatsachenberichte mit ihrer
persönlichen Meinung mischen.
Die Empfänger solchen Nachrichten
wissen oft nicht, wer der
eigentliche Absender, die Person
dahinter ist. Da fehlt oft grundlegende
Medienkompetenz und
und entführe Kinder. Da immer
und überall weiße Lieferwagen
unterwegs sind, haben sich viele
Menschen gleich bestätigt gefühlt.
Die Geschichte dahinter
war falsch, aber die Erzählung
war für die Menschen plausibel.
Das nennen wir ein plausibles
Fortsetzung des
Interviews auf
Seite 34
Kultur Joker
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Liebe Leser*innen,
es ist offiziell: Theater, Museen, kleine und große
Bühnen dürfen wieder öffnen. Die ersten Open-Air-
Veranstaltungen werden angekündigt, langsam aber
sicher erwacht die Kultur aus einem viel zu langen
Schlaf.
Für die aktuelle Ausgabe haben wir mit dem Kommunikationsexperten
Andre Wolf über sein neues
Buch „Angriff auf die Demokratie“ gesprochen. Dabei
haben wir vieles über Taktiken rechtsextremer Gruppierungen
im Netz, und wie man sich davor schützen
kann, erfahren.
Das Dreiländereck bietet in diesem Sommer viel für
Kulturliebhaber*innen. Vom 16.-20. Juni feiert das
Bildrausch Filmfest in Basel 10-jähriges Jubiläum,
die Biennale für Freiburg präsentiert zwei ungewöhnliche
Publikumsformate im Juni und diverse Filme
aus aller Welt werden auf der Schwulen Filmwoche
(7.6.-13.6.) und den 30. Freiburger Lesbenfilmtagen
(bis 6. Juni) gezeigt.
Die Kampagne „Kultur_los!“ der Stadt Freiburg soll für die
Bindung zwischen Kulturszene und Publikum stehen. Annette
Hoffmann hat für uns bei den Initiatoren nachgefragt und
das Projekt für Sie zusammengefasst.
Über Social Profiling und Dark Ads im Netz und wie
Gegner*innen Erneuerbarer Energien diese zur Verbreitung
von Fake-News gegen Windkraftanlagen nutzen, schreibt
Eva Stegen auf unseren Nachhaltig-Seiten.
Wir wünschen Ihnen einen sonnigen Juni und viel Freude in
den Aufführungen der Theater, den Ausstellungen der Museen
und Veranstaltungen der Kulturstätten unserer Region.
Endlich geht’s wieder los!
Ihr Kultur-Joker-Team
In diesen schweren
Zeiten sind wir dankbar
für jedes Zeichen der
Solidarität; egal ob liebe
Worte oder eine finanzielle
Unterstützung, damit wir unsere Arbeit
fortsetzen können.
Empfänger: Art Media Verlag
IBAN: DE 26 680 5010 1000 2022 512
SCHÖN UND
GEFÄHRLICH
DIE HOHE SEE IM 19. JAHRHUNDERT
ab 5. Juni 2021
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THEATER KULTUR JOKER 3
Artistik pur
Freiburger Zirkustage „No Elephants“, Livestreams
aus dem E-Werk
Solo „O“ von Sandra Hanschitz mit ihrem Cyr-Wheel
Foto: E-Werk Freiburg
len immer wieder den Moment
des Scheiterns parodiert
und dazwischen mit staubtrockenen
Sätzen am Mikro
über die Kunst des Bückens
sinniert.
Überhaupt - Witz, Leichtigkeit,
Überraschendes, Freches
oder auch Erzählerisches – das
vermisst man bei dieser Auswahl.
So setzt auch Sandra
Hanschitz bei ihrem Work-in-
Progress-Showing „IIII“ auf
Introspektion und getragenen
Objekt-Dialog mit vielen
Tanzelementen (Choreografie:
Günter Klingler). Welche
Töne Joël Beierer dem erst
noch in Einzelteilen zerlegten
Cyr-Wheel entlockt, ist fantastisch,
futuristisch muten auch
die Balance-Kunststücke von
Hanschitz an, die mit Röhren
behängt maximale Beweglichkeit
auslotet. Bei ihrem Solo
„O“ wird dieses Konzept trotz
beachtlicher Körperbeherrschung
und Geschmeidigkeit
dann allerdings ziemlich langatmig:
Satte zwanzig Minuten
braucht es, bis sie das Rad das
erste mal besteigt, diese verspielte
Entschleunigung in immer
neuen Variationen bietet
kaum Spannungsbogen. Der
ätherische Chorgesang dazu ist
monoton und hilft nicht.
Dabei zeigt sich ein spannendes
Phänomen des
Livestreams: Die Kamera
macht diese Inszenierung mit
ihrer Aufsicht-Perspektive
nämlich spannender als sie für
die Zuschauer im Saal wäre.
Die würden von ihren Plätzen
aus kaum etwas sehen, wenn
Hanschitz und ihr Rad minutenlang
auf dem Boden agieren.
Höchste Zeit also Kunst
wieder selbst mit eigenen Sinnen
zu erleben!
Weitere Infos: www.infreiburgzuhause.de
Marion Klötzer
Ein echtes E-Werk-Highlight
waren in den letzten Jahren
die drei Cirque Nouveau-Produktionen
von Stefan Schönfeld,
dem Freiburger Leiter
des Künstlerkollektivs momentlabor:
Poetische, dramaturgisch
durchgefeilte Inszenierungen
mit internationalen
Künstler*innen, die Zirkuskunst
mit Live-Musik, Tanz
und Sprache verquickten. Weil
der zeitgenössische Zirkus
ganz anders als in Frankreich,
Belgien oder den Niederlanden
hierzulande noch ein Schattendasein
fristet, planten Kurator
Stefan Schönfeld und E-Werk-
Geschäftsführer Jürgen Eick
vor eineinhalb Jahren ein biennales
Freiburger Zirkusfestival.
„No Elephants!“ , so der
Titel der ersten, von Bund,
Stadt und Land geförderten
Ausgabe, die zwei Wochen
lang mit Gastspielen und Regional-Produktionen
das ganze
E-Werk bespielen wollte.
Corona-bedingt wurde abgespeckt,
stattdessen sollten drei
Livestreams auf der Plattform
infreiburgzuhause stattfinden.
Leider fiel der Auftakt mit der
vierten Produktion „Hyrrä Paratiisi“
von momentlabor aus,
weil sich einer der Artisten bei
der Hauptprobe verletzte, zu
sehen gab es nun mit „Shorts“
vier von Günter Klingler moderierte
Kurzstücke aus der
Freiburger Szene sowie das
Solo „O“ von Sandra Hanschitz
mit ihrem Cyr-Wheel.
Komplett schwarz ist die
Saalbühne des E-Werks, kein
Firlefanz, kein Zirkusglitzer,
geboten wird Artistik pur bei
konzentrierter Lichtdramaturgie.
In Jeans und Hemd statt
im Kostüm präsentiert auch
Akrobat und Tänzer Christian
Dittmann sein Solo „Spinn that
Ring“ mit selbstkonstruiertem
Objekt: Ein drehbarer Metallring
auf erst kurzer, dann langer
Stange – so spielt er zu romantischer
Klaviermusik mit
Dynamik und Balance, klettert,
schwingt, hängt kopfüber,
kreiselt einarmig. Poetische
Präzision! Traumhaft selbstvergessen
ist auch die Tanz-
Jonglage „The Wind“ von Ria
Rehfuss, die mit wirbelndem
Stock zu Ureinwohner-Gesängen
von Papua-Neuguinea die
Elemente beschwört. Das ist
sehr ästhetisch und beeindruckend,
wenn sie wie ein Derwisch
mit rotierendem Stab
herumwirbelt und diesen auf
Ellbogen, Fußsohle und großer
Zehe balanciert. Trotzdem
freut man sich dann über die
Selbstironie von Florian Reisbeck,
der bei seiner virtuosen
Jonglage mit vielen roten Bäl-
Die Waldhof-Akademie hat geöffnet
und freut sich auf Sie. Buchen Sie die
kommenden High-Lights bequem
über unser neues Buchungsportal:
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Termine: High-Lights im Juni/Juli 2021
18.06. - 20.06.2021 Skulpturen à la Giacometti - mit Beate Krummer
26.06. - 27.06.2021 Ludwig II. - F. Nietzsche - R. Wagner - mit Marcus Schneider
28.06. - 01.07.2021 Rost – Patina – Korrosionsprozess - mit Any Blanca
02.07. - 04.07.2021 Encaustic-Malerei - mit Brigitte Himmelsbach
02.07. - 04.07.2021 Shiatsu – praktische Heilung im Alltag - mit Robert Hendricks
03.07. - 04.07.2021 Ex Oriente Lux? Oder: Das Lächeln des Buddha in Corona-Zeiten -
mit Prof. Dr. Dr. Bernhard Uhde
08.07. - 11.07.2021 Freies Malen und Zeichnen - mit Birgid Lord
11.07.2021 Zwischen Muse und Schöpferin (Matinee) - mit Andrea Knittel
12.07. - 16.07.2021 Kalligrafie für Anfänger und Fortgeschrittene - mit Johann Maierhofer
15.07.2021 Hölderlins Geister. Lesung - mit dem Autor Karl-Heinz Ott
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79117 Freiburg-Littenweiler
Info und Anmeldung:
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4 KULTUR JOKER THEATER Theater
Janna Horstmann spielt die Hedda Gabler
Das Zimmer gleicht einer
Galerie. Inmitten des Raumes
ein Sofa wie man es in einem
Museum finden könnte: oval,
so dass die Besucher Rücken
an Rücken von allen Seiten die
Bilder in Augenschein nehmen
könnten und in der Mitte ist
Platz für ein riesiges Blumenbouquet.
Nur, hier gibt es lediglich
ein Motiv vor sattblauem
Vorhang: Hedda Gabler (Janna
Horstmann), jetzt Tesman, in
den unterschiedlichsten Posen,
Aufgrund der konstant niedrigen
Inzidenzwerte in Freiburg dürfen
Theater, Kinos und sonstige Kulturhäuser
mit entsprechenden Hygienekonzepten
ab Anfang Juni
mal hoch auf dem Ross, mal eher
privat. Und dann sind da noch
zwei Vitrinen im abgedunkelten
Raum, in denen Roben Hedda
Gablers präsentiert werden als
handelte es sich um Museumsstücke.
Jörgen Tesman (Victor Calero)
muss seiner Frau sichtlich etwas
bieten. Das jung verheiratete
Paar ist gerade von seiner Hochzeitsreise
zurückgekehrt. Später
wird sie sich über ihren Gatten
beschweren, weil er auf der Reise
dem Archivstudium mehr Zeit
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Foto: Britt Schilling
widmete als ihr. Die frisch geschlossene
Ehe basiert eher auf
Kredit als auf Illusionen, und
dies gleich in doppelter Hinsicht.
Der Privatdozent spekuliert auf
eine Professur, die prächtige Villa
ist auf Pump gekauft, Hedda
wiederum spekuliert darauf,
dass Jörgen ihren Jugendfreund
Eilert Løvborg karrieremäßig in
den Schatten stellen wird. Damit
nicht genug, befindet sich
mit einem imposanten Waffenschrank
links, an dem eine Art
Bibliotheksleiter lehnt, ein weißer
Elefant im Raum. Wo Waffen
sind, werden sie auch benutzt
werden (Bühne: Bettina Meyer).
In Lydia Bunks Inszenierung
am Theater Freiburg, die bislang
lediglich als Livestream zu sehen
war, ist Hedda Gabler (Janna
Horstmann) Projektionsfigur
für das ganze 19. Jahrhundert-
Spektrum von Weiblichkeit.
Wie überhaupt diese „Hedda
Gabler“ den Zeitgeist Ibsens als
historisch gegeben annimmt.
Und doch streut Bunk Rätsel
ein, ist das Mädchen in unschuldiger
Rüschenseligkeit das Kind
Hedda oder ihr eigenes, das sie
nicht bekommen wird? Wird es
am Ende die Ordnung wieder
herstellen, wenn es sagt: „ so etwas
tut man doch nicht“? Doch
was tut man nicht? Die Mitmenschen
als Figuren in einem Spiel
An Fäden führen
Lydia Bunk zeichnet in ihrer Hedda Gabler-Inszenierung eine schillernde
Frauenfigur
anzusehen, das man bis zum
Äußersten treibt, einen Mann
heiraten, den man nicht liebt,
während Heddas eigentliche Liebe
zu Løvborg nur in einer Art
Glashaus oder Vitrine gedeihen
kann? Bianca Deigner jedenfalls
hat Hedda Gabler Kostüme auf
den Leib geschneidert, die ihre
Vorbilder in der Malerei, aber
auch im frühen Film haben. Das
eng anliegende lange Kleid, das
kleine Strudel auf ihren Körper
zeichnet, ist das einer Femme
fatale und könnte von einem
Klimt-Gemälde stammen, doch
in schwarzem Gehrock und mit
Zylinder wirkt sie wie ein Alter
Ego von Marlene Dietrich. Einmal
steht sie hinter ihrem Mann
und dem um sie herum scharwenzelnden
Assessor Brack
(Holger Kunkel) und führt sie
wie zwei Marionetten. Sie sacken
zusammen, Hedda Gabler
schnippt mit den Fingern und sie
heben mechanisch die Glieder.
Jana Horstmann vervielfältigt
diese Projektionen und spielt sich
so selbst als Projektion.
Von Freiheit, sei es innere Unabhängigkeit,
sei es Gestaltungsspielraum,
ist in Henrik Ibsens
Dramen ja oft wenig zu spüren,
zu deterministisch ist das naturalistische
Weltbild. Tesman
hüpft in Hausschuhen durch
sein neues Leben, man ahnt hier
Vorhang auf
Das Theater im Marienbad öffnet wieder seine Türen für das Publikum
wieder genesene, geimpfte und negativ
geteste Gäste empfangen. Das
Kinder- und Jugendtheater im Marienbad
ist natürlich mit vielfältigem
Programm mit am Start.
Los geht’s gleich am 5. Juni mit
der lang erwarteten Premiere von
Juli Zehs Gerichtsdrama „Corpus
Delicti“ unter der Regie von
Matthias Kaschig, der bereits mit
bildstarken Inszenierungen von u.a.
Kleists Michael Kohlhaas und Mike
Kennys Nachtgeknister im Marienbad
Theater zu Gast war. Neben
„Corpus Delicti“ wird das mit dem
Performancekollektiv Pulk fiktion
entwickelte Stück „RÄUMEN – ein
Spiel von Haben und sein“ erstmals
vor physisch anwesendem Publikum
gespielt werden, außerdem
übernimmt das Marienbad eine Produktion
des Züricher Theaters Neumarkt,
nämlich die Bühnenadaption
von Jennifer Clements gefeiertem
Roman Gun Love. Viel los also,
hinter den Türen. Und davor?
Für den pittoresken Außenbereich
des ehemaligen Jugendstilbads hat
sich das Team rund um Dramaturgin
und künstlerische Leiterin Sonja
Karadza gleich mehrere spannende
Projekte überlegt. Im Rahmen der
Aktion Kunstlücke wird das „Berührungslose
Kunsteinkommen“
wieder eingeführt – Briefe, Gedichte
und andere kreative Botschaften an
das Publikum, verpackt in kleine
Tütchen, die sich jede*r Vobeigehende
mitnehmen darf und soll. Zudem
wird es jeden Morgen um 9.50
Uhr eine künstlerische Proklamation
aus einem der Fenster des Theaters
geben, den sogenannten „Kopfsprung“.
Und last but not leat das
Highlight: das Geschichtenauto. Wer
möchte, kann in einem sehr alten
und sehr coolen Renault 4, der momentan
auf dem Hof des Marienbads
Die Inszenierung „RÄUMEN“
schon den zukünftigen Bettvorleger
und Ejlert Løvborg (Martin
Hohner) gibt mit halblangen
Locken und unkonventioneller
Kleidung das romantische (und
gefährdete) Originalgenie. Doch
die Bedrohung ist nah und sie
ist nicht minder zeittypisch wie
das Frauenbild. Løvborgs Genie
ist mehr dionysischer Art,
nur weniger pittoresk, auf die
denkbar erbärmlichste Art ist er
dem Alkohol ergeben. Nun ist
er clean, dank seiner biederen
Muse Frau Elversted (Stefanie
Mrachacz) im naiven gelben Volantkleid
und hat ein Werk hervorgebracht,
das Tesman in den
Schatten stellen wird. Dass Frau
Elversted den Mann, den sie liebt
nicht allein ihrer Rivalin, sondern
auch gleich dem Verderben
ausliefert, ahnt sie nicht.
Und da schon alles derart
schicksalshaft und bereits entschieden
ist, hat es bei Ibsen
auch kaum Platz für Ironie. Wobei
das Ende Løvborgs so wenig
mit Nietzsches apollinisch-dionysischem
Gedankengebäude
zu tun hat, dass es schon wieder
von sehr böser Ironie ist. Diese
Vorbestimmtheit markiert auch
eine Grenze in Lydia Bunks
sehenswerter Inszenierung, die
nicht hinterfragt wird.
Wird im Juli wiederaufgenommen.
Annette Hoffmann
steht, Platz nehmen und sich mittels
einem Pad vom Theater-Ensemble
eingesprochene Geschichten zum
Thema Reisen vorlesenen lassen,
die über eine Anlage im Auto abgespielt
werden. Zudem wird, wenn
das Wetter mitspielt, die Open-Air-
Bühne des Marienbads wiederbelebt,
das „Außenbecken“.
Weitere Infos, Vorstellungstermine
und Kartenreservierung unter www.
marienbad.org oder am Kartentelefon
unter der 0761/31470.
Foto: Erich Krieger
THEATER KULTUR JOKER 5
Verspielte Virtuosität und schwärmerische Romantik
Das 3. Hausfestspiel im Festspielhaus Baden-Baden stand unter dem Motto „Aufbruch in die Moderne“ – SWR
Symphonieorchester im Tutti und Kammermusik mit hochkarätigen Gästen
Nachgespräch mit Martin
Stadtfeld, Hanno Dönneweg
und Intendant Benedikt Stampa
Souveränität mit einem
persönlichen Ton. Insgesamt
vier Konzerte wurden live gestreamt,
auch eines mit dem
SWR Symphonieorchester unter
der Leitung von Antonello
Bereits zum zweiten Mal
musste man die mit dem SWR
Symphonieorchester und seinem
Chefdirigenten Teodor
Currentzis geplanten Pfingstfestspiele
im Festspielhaus
Baden-Baden absagen. Aber
den „Aufbruch in die Moderne“
wagt Intendant Benedikt
Stampa mit dem 3. Festival
„Hausfestspiel“ schon in diesem
Jahr. Mit Robert Schumann
und Igor Strawinsky
wurden für das Eröffnungskonzert
zwei Komponisten
gewählt, die für Aufbruchsstimmung
in der klassischen
Musik stehen und zugleich
eine Beziehung zu Baden-
Baden haben, auch wenn diese
im Fall von Robert Schumann
eher durch seine Frau Clara
bestand. Den Abend eröffnen
acht Mitglieder des SWR Symphonieorchesters,
in einem
großen Halbkreis aufgestellt,
mit Strawinskys Oktett für
Blasinstrumente (1923). Es ist
das erste eigene neoklassizistische
Werk des Komponisten,
nachdem Strawinsky wie im
Ballett „Pulcinella“ zuvor alte
Musik verfremdet hatte. Von
Beginn an treffen die Musikerinnen
und Musiker den
nüchternen, mechanischen,
mitunter auch verspielten Ton
dieser Musik, ohne dabei eine
hohe klangliche Qualität vermissen
zu lassen. Das klare,
dennoch weiche Trompetenspiel
von Jörge Becker und
Christof Skupin beglückt, die
Fagotte (Hanno Dönneweg,
Angela Bergmann) werden zu
leichtgängigen, virtuosen Energiespendern.
Den zweiten
Satz „Tema con Variazioni“
interpretiert das Ensemble mit
musikantischem Zugriff, wobei
Anne Romeis (Flöte) und
Dirk Altmann (Klarinette) die
halsbrecherischen Läufe in der
Variation D zu prickelndem
Champagner veredeln. Auch
die Posaunen (Tobias Burgelin,
Stefanie Scheuer) klingen
konturiert und leicht. Das Finale
läuft so präzise wie ein
Uhrwerk, ehe Strawinsky am
Ende mit groovenden Synkopen
noch eine Jazznote dazumixt.
Von Strawinskys antiromantischer
Grundhaltung geht es
mit Robert Schumanns Klavierquintett
in Es-Dur (1843)
mitten hinein in die schwärmerische,
beseelte, hier auch
draufgängerische Romantik.
Der bekannte Pianist Martin
Stadtfeld zeigt sich im Zusammenspiel
mit Michael Hsu-
Wartha (Violine 1), Soo Eun
Lee (Violine 2), Dora Scheili
(Viola) und Panu Sundqvist
(Cello) als hinhörender Kammermusiker.
Immer wieder
wendet er sich den Streichern
zu, um die richtige Balance
auszuhören. Stadtfeld lässt
nicht nur im Kopfsatz in den
schnellen Passagen einen Sog
entstehen, von dem sich die
Moderatorin
Jasmin Bachmann,
Pianist Martin Stadtfeld,
Klarinettist Dirk Altmann,
Intendant Benedikt Stampa
Foto: Andrea Kremper
anderen mittreiben lassen. Besonders
eindrucksvoll gelingt
das Scherzo molto vivace mit
seinen aufstrebenden und abstürzenden
Tonleiterketten,
die sich nahtlos vom Klavier
zu den Streichern fortsetzen.
Das erste Trio hat Eleganz und
Raffinesse. Das zweite macht
gehörig Dampf und wird zum
echten Showpiece. Der Trauermarsch
in c-Moll hat eine
große emotionale Spannung.
Nur die beiden gesanglichen
Dur-Abschnitte könnten noch
eine Spur entrückter musiziert
werden, um die verschiedenen
Welten klarer voneinander zu
trennen. Auch im mit einer
Doppelfuge gekrönten Finale
zeigt das Ensemble hohe Musikalität
und sensibles Zusammenspiel.
Die Kameras fangen
die Musik lebendig ein, Jasmin
Bachmann verbindet in ihren
Moderationen und im lockeren
Wir sind trotz Baustelle
weiterhin für Sie da!
Seit April werden die Gleise vom Bertoldsbrunnen bis zum
Schwabentor erneuert - unser Fachgeschäft in Freiburg
bleibt trotzdem für Sie geöffnet. Sie erreichen uns in dieser
Zeit zu Fuß, die nächstgelegenen Haltestellen der Linie 1 sind
der Bertoldsbrunnen oder der Schwabentorplatz. Verlassen
Sie sich weiterhin auf unseren gewohnten Service.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Manacorda und Werken von
Jörg Widmann, Hector Berlioz
und der siebten Symphonie von
Beethoven. „Wir möchten die
digitalen Erlebnisse rund um
unser Programm in Zukunft
weiter ermöglichen“, sagt Intendant
Benedikt Stampa. Das
Festspielhaus Baden-Baden ist
in eine neue Ära aufgebrochen
– das ist eine schöne Erfahrung
in diesen schwierigen Zeiten.“
Die Konzertübertragungen
sind noch bis 13. Juni verfügbar
unter https://www.festspielhaus.de/magazin/konzertverpasst
Georg Rudiger
iffland.hören. in Ihrer Nähe:
Filiale Freiburg Mitte
Oberlinden 4
79098 Freiburg
Fon 07 61 - 2 26 33
freiburg@iffland-hoeren.de
Kostenfreier Online-Hörtest:
www.iffland-hoeren.de
raumkontakt.de
6 KULTUR JOKER Theater
Kammerstücke
Unter Pandemiebedingungen: „Zerbrechlichkeiten und andere Geschichten“ der Cie La Performance
Die Farben sind wie ausgewechselt.
Bestimmten doch den ersten
Teil der Trilogie „Out of order“
die anthrazit- und schlammfarbenen
Kostüme der Tänzerinnen
und die allgegenwärtige Erde, die
Requisit der Performance und
auch Teil des Bühnenbilds war.
Und nun starkfarbene Kleider
und Hosen sowie Strumpfhose.
Es ist nicht so, dass dem neuen
Stück von Julie Jaffrennou „Zerbrechlichkeiten
und andere Geschichten“
dadurch die Schwere
genommen würde, es ist eher so,
dass die Rot- und Blautöne der
Atmosphäre etwas Rückwärtsgewandtes
und leicht Nostalgisches
geben. Denn die Zerbrechlichkeiten,
auf die der Titel verweist,
haben etwas mit Erinnerungen zu
tun. Und die sind in der Performance
von Cie La Performance in
Kammern organisiert.
Kammern kann man verschließen,
die Tür hinter sich zu
machen, sich selbst einsperren
oder sie offen stehen lassen. Die
Pandemie und die damit verbundenen
Auflagen haben in
„Zerbrechlichkeiten und andere
Geschichten“ stark eingegriffen.
Die Odyssee für Kinder als
Großprojekt zu Corona-Zeiten –
furchtbar kompliziert und ganz
schön mutig! Mit ausgeklügeltem
Hygienekonzept, über achtzig
Beteiligten und vielen Leinwand-
Projektionen feierte jetzt das Musiktheater
„Kinder auf der Suche
nach Odysseus“ mit vier Aufführungen
per Livestream Premiere
(Regie: Karin Maßen, musikalische
Leitung: Abélia Nordmann).
Die Bühnenadaption nach Homers
Pre
mie
re
wir
Spie
len!
Corpus Delicti
Von Juli Zeh, Regie: Matthias Kaschig ⁄⁄ 15 +
Ab 5. Juni 2021
rÄUMen – ein Spiel von Haben und Sein
Eine Koproduktion mit pulk fiktion,
Regie: Hannah Biedermann ⁄⁄ 6 +
Ab 17. Juni 2021
infos & Tickets unter www.marienbad.org
VAYA Art of Human Movement: „My Blue is Your Green“
Pre
mie
re
GUn lOVe
Von Jennifer Clement, Regie: Tom Schneider
Im englischen Original mit deutschen Übertiteln ⁄⁄ 15 +
Ab 30. Juni 2021
Was als begehbarer Parcours angelegt
war, musste als Stream gezeigt
werden. Anstatt großzügig
viel Zeit in den einzelnen Räumen
zu verbringen, musste sich
das Publikum der Bildregie und
der Zeitökonomie des Videos anvertrauen.
Was als Nacheinander
gedacht war, wird durch Schnitte
nun zu einer Gleichzeitigkeit, die
vermutlich ganz andere Kombinationen
schaffen als die, die man
sehen würde, könnte man sich frei
im Raum bewegen. Das ist den
Umständen geschuldet, bewirkt
„Odyssee“ ist die achte Kooperation
des Theaters Tempus fugit mit
dem Burghof Lörrach, mit dabei
sind dieses Mal professionelle
Schauspielerinnen und Schauspieler,
Musikerinnen und Musiker,
das junge Spielzeitteam, der Kinderchor
Lörrach, die Klasse 1b der
Karl-Tschamber-Schule und Kinder
aus der Kreativwerkstatt.
Das Bühnenbild ist eindrucksvoll:
Ein Wald aus meterlangen
Metallstangen baumelt von der
Deutsch
lanD
Premiere
aber, dass „Zerbrechlichkeiten
und andere Geschichten“ kompakter
ist und Interpretationen
stärker lenkt.
Ein Stuhl, ein Schlafsack mit
Blümchenmuster, Olivia Maridjan-Koop
saugt an ihrem Daumen.
An Momente der Einsamkeit
reihen sich lustige Kinderspiele
im nächsten Raum, doch
nach einem Moment schleicht
sich Unbehagen ein und man fragt
sich, was man sonst noch alles mit
dem Springseil machen könnte.
Erneuter Szenenwechsel: Alice
Decke, je nach Beleuchtung und
Geschichte sind sie mal Schiffsmasken,
mal Speere oder Gefängnis.
Auf zwei große Segel wird der
sehr schön singende Kinderchor
projiziert, linkerhand steht ein goldenes
Stufenpodest mit Papierrolle,
auf die Penelope mit Riesenfeder
ihre Geschichten schreibt. Denn
irgendeinen Grund und Sinn muss
es ja haben, dass ihr Odysseus nach
zwanzig Jahren immer noch nicht
zu seiner Familie heimgekehrt ist…
Sie jedenfalls will ihren Mann inmitten
machtgieriger Heiratskandidaten
nicht vergessen!
Ganz anders sieht das Sohn Telemachos:
Der hat die Nase voll von
seinem unbekannten Helden-Vater,
dessen Schatten so schwer auf
ihm lastet und in dessen goldener
Rüstung er fast ertrinkt. Erlebt er
wirklich Abenteuer und ist so listig,
wie alle sagen? Die jungen Akteure
tragen Halbmasken und lange Stangen,
mit denen sie die Kontur eines
Schiffes auf der Bühne formen.
Eine ist an den Mast gefesselt und
versucht sich mit aller Kraft zu
befreien: So gefährlich ist der Gesang
der Sirenen! Im Hintergrund
kämpfen Schatten in Stummfilm-
Manier. - Das sind starke Bilder
und die Geschichte entwickelt
dank mehreren Erzähler- und Rollenwechsel
durchaus Dynamik,
dürfte aber in ihrer Textlastigkeit
als Einstieg für Kinder ab acht
Fotos: Dimitri Tuttle
Gartenschläger sitzt breitbeinig
auf einem Stuhl, neben sich ihre
Handtasche, in die sie wenig später
ihre rote Strumpfhose stopfen
wird, die sie eben ausgezogen hat.
Noch später wird sie sich auch
ihres BHs und Slips entledigen.
In ihren Nacken greifen und in
das lange Haar greifen. Salim Ben
Mammar, Tjadke Biallowons,
Alice Gartenschläger sowie Olivia
Maridjan-Koop und Michael
Schmitter entwickeln aus eigenen
Erinnerungen und allgemeingültigen
Familienkonstellationen
Versprechen und Enttäuschung
„Kinder auf der Suche nach Odysseus“, Kooperation des Theaters Tempus fugis mit dem Burghof
Jahren auch verwirrend-schwierig
sein. Nach und nach werden neue
Ebenen eingeführt, die immer
wieder die eigentlichen Odyssee-
Stationen unterbrechen ,um den
spielerischen Transfer ins Hier
und Jetzt zu initiieren: Mittels direkter
Publikumsansprache von der
„Erzählerinsel“ werden Figuren,
Motive und Hintergründe erklärt,
es gibt witzige choreografische
Einlagen, die Götter stellen sich
mit all ihren Macken vor, Hermes
präsentiert seine flinken Schühchen,
schwarze Ballonseide wird
zum wogenden Meer und Monster.
Die Schlacht um Troja samt
Pferdetrick, die Zauberin Kirke,
die Jahre bei der Nymphe Kalypso
– all das wird angespielt und auch
besungen. Im Mittelpunkt stehen
„Kinder auf der Suche nach Odysseus“
intime Szenen und Bewegungsmuster
mit hohem Wiedererkennungswert.
Manchmal wirkt das
vertraut und vertrauensvoll, dann
wieder beengend, indem Abhängigkeitsverhältnisse
und regressive
Momente durchscheinen.
Tatsächlich möchte man da gerne
ein bisschen durchlüften, um dem
Pathos seine Wucht zu nehmen.
Doch das war unter den derzeitigen
Umständen nicht möglich.
Annette Hoffmann
aber Telemachos Fragen: Warum
verließ sein Vater überhaupt Frau,
Kind und Volk? Ist er ein Held? Ein
größenwahnsinniger Abenteurer
und Herumtreiber? Oder nur ein
bemitleidenswerter Spielball des
Schicksals, der seinen Eid nicht
halten kann? Kinderstimmen aus
dem Off erzählen dazu über ihre
Erfahrungen mit Versprechen und
Enttäuschungen… Eine komplexe
und ambitionierte Annäherung,
die für beteiligte Schulklassen per
Theaterspaziergang aufbereitet
werden kann.
Theaterfilm der Onlinebühne der
Kinder-und Jugendtheater Baden-
Württemberg unter www.theaterstream.de
Marion Klötzer
Fotos: Burghof
Kunst KULTUR JOKER 7
Ein Fest von Farbe und Licht
„Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ –
Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden
Paris im Regen. Paris am
Morgen. Paris im Sonnenuntergang.
Man sieht den Gemälden
an, wie faszinierend russische
Maler die französische Hauptstadt
und die neue Kunstrichtung
des Impressionismus im
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
empfunden haben. In der
Ausstellung „Impressionismus
in Russland. Aufbruch zur
Avantgarde“ folgt das Museum
Frieder Burda in Baden-Baden
den Spuren russischer Künstler
von ihren Studienaufenthalten
in Frankreich bis in ihre russische
Heimat und zeichnet
dabei deren künstlerische Entwicklung
von Impressionismus
über Pointillismus bis zu Fauvismus
und Kubismus nach.
Man sollte sich von all den
-ismen nicht abschrecken lassen.
Die in Zusammenarbeit
mit dem Museum Barberini in
Potsdam und der Tretjakow-
Galerie Moskau entstandene
Schau ist ein Fest von Farbe
und Licht. Befreit von den Regeln
und Zwängen der akademischen
Malerei machte sich
die erste Generation russischer
Impressionisten daran, en plein
air zu arbeiten. Ilya Repin malte
1879 einen Familienausflug
mit den Kindern durch die
Felder, alles wirkt leicht und
luftig. Die lichtdurchfluteten
Räume der Sommerhäuser auf
dem Land waren ein beliebtes
Motiv und lassen an herrlich
entspannte Wochen denken.
Bevor man dem Zauber der
vermeintlich guten alten Zeit
erliegt, sollte man aufmerksam
das Gemälde der „Freundinnen“
studieren. Hier hat
der Künstler ausdrucksvoll
die müden Gesichter und abgearbeiteten
Hände der beiden
Bauersfrauen eingefangen, die
vermutlich längst nicht so alt
waren wie sie auf dem Bild
aussehen.
Einige russische Maler
wollten gar nicht mehr nach
Hause. Auf ihren Porträts in
der Ausstellung wirken die
verwegen aussehenden Gestalten
mit dunklen Bärten und
wilden Haaren alle ein bisschen
wie Rasputin. Tatsächlich
waren sie brave Familienväter.
Nicolas Tarkhoff zum Beispiel
heiratete eine Französin und
blieb bis zu seinem Tod 1930
in Frankreich. Seine Familie
war eines seiner liebsten Motive.
In starken, leuchtenden
Farben hielt er zum Beispiel
das Frühstück von Ehefrau
und Tochter fest, ein Bild, das
damals wie heute Aufsehen
erregt.
Der Aufbruch in die Avantgarde
war keine reine Männerdomäne.
Olga Rosanowa
machte sich in einem ihrer
Gemälde den Spaß, nicht wie
ihre Kollegen das Licht einzufangen,
das von außen in das
dargestellte Interieur fällt. Sie
malte stattdessen sehr plastisch
den steinernen Fensterrahmen
und die Fensterbank, von außen
betrachtet. Das Innere
bleibt hinter einer Topfpflanze
verborgen. Natalja Gontscharowa
entwickelte ihren Stil von
einem leicht hingetupften, sehr
lebendigen Impressionismus
wie im Gemälde „Eberesche“
zu einer sehr reduzierten modernen
Formensprache
in den „Ruderern“
(dieses Werk ist
nur bis Ende Mai zu
sehen).
Am spannendsten
sind vielleicht die ausgewählten
Werke von
Kasimir Malewitsch.
Man kennt ihn als
radikalen Avantgardisten,
der 1915 die
Kunstwelt mit dem
„Schwarzen Quadrat“
in Aufruhr versetzte.
In Baden-Baden sieht
man überrascht einen
impressionistisch malenden
Malewitsch,
der 1930 zwei gleich
gekleidete Schwestern
in schönstem
Sonnenschein durchs
Gemälde spazieren
lässt. Des Rätsels Lösung
liegt in der Politik.
Stalin hielt nichts
von der Abstraktion, russische
Künstler mussten das Rad der
Avantgarde zurückdrehen.
Die 73 ausgewählten, in den
Jahren und Jahrzehnten um
1900 entstandenen Arbeiten
zeigen Licht in allen Schattierungen.
Das macht nicht einmal
vor der „Mondnacht“ halt,
die Nikolai Meschtscherin in
eine Fülle von Blau-, Mauveund
Grüntönen gehüllt hat.
Neben diesem zarten Meisterwerk
hängen Gemälde, deren
kraftvoller Farbauftrag und
strahlende Farbgebung bis
heute eine grandiose Wirkung
entfalten. Bis zum 15. August
sind die Farbenkraft, Lebens-
und Experimentierfreude des
„Impressionismus in Russland“
zu sehen. Es ist zugleich
eine Hommage an den Museumsgründer
Frieder Burda,
der noch vor seinem Tod 2019
dafür gesorgt hat, dass diese
Ausstellung nach Baden-Baden
kommt.
„Impressionismus in Russland.
Aufbruch zur Avantgarde“.
Museum Frieder Burda,
Lichtentaler Allee 8b, 76530
Baden-Baden, Di-So 10-18
Uhr, www.museum-friederburda.de
Nike Luber
Natalja
Gontscharowa:
„Eberesche“.
Panino bei
Wjasma,
1907-1908
Ilja Repin: „Auf dem Feldweg. Wera Repina mit ihren Kindern“, 1879 Nikolai Meschtscherin: „Mondnacht“, 1905 Alle Fotos: Frieder Burda Museum
8 KULTUR JOKER kunst
Die Wahrnehmung des Raumes
Das Projekt „Beyond Matter. Cultural Heritage on the Verge of Virtual Reality“ im ZKM in Karlsruhe
Ausstellungsansicht „Spatial Affairs. Worlding – A tér világlása“,
2021 Foto: The Rodina
Hier will ich lernen:
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Derzeit ist überall viel von
Digitalisierung die Rede. Das
ZKM Zentrum für Kunst und
Medien in Karlsruhe hat in
dieser Hinsicht einen deutlichen
Vorsprung. Schon im
Oktober 2019 startete das
Projekt „Beyond Matter. Cultural
Heritage on the Verge
of Virtual Reality“, eine internationale
Koproduktion
zwischen dem ZKM, dem
Museum Georges Pompidou
in Paris, dem Ludwig Museum
Budapest, der Kunsthalle
Tallinn und dem Art Lab im
albanischen Tirana, um nur
einige der Partner zu nennen.
Das Gesamtbudget dafür liegt
bei 2,7 Millionen. Davon kommen
1,35 Millionen über das
Programm Creative Europe
der EU. Lívia Nolasco-Rózsás
leitet das vielschichtige Projekt,
an dem allein im ZKM
21 Menschen mitarbeiten und
zu dem neben Forschungsarbeit
auch vergangene, aktuelle
und zukünftige Ausstellungen
gehören.
Im Ludwig Museum Budapest
läuft derzeit die von Livia
Nolasco-Rózsás kuratierte
Ausstellung „Spatial Affairs“.
Sie ist Teil des Projekts „Beyond
Matter“ und setzt sich
mit unserer Wahrnehmung des
Raumes auseinander. Längst
stehen in unserem Alltag neben
realen Räumen auch virtuelle,
computergenerierte
Räume. Das hängt schlicht
mit der alltäglichen Nutzung
von Computern zusammen,
erklärt Nolasco-Rózsás. Was
das mit unserer Wahrnehmung
macht, zeigt sich in der digital
zugänglichen Ausstellung in
spektakulären Bildern.
Ein anderer Teil des Projekts
sucht nach Wegen, vergangene
Ausstellungen digital
wiederzubeleben. „Es ist nicht
einfach“, sagt Livia Nolasco-
Rózsás. Man kann keinen digitalen
Zwilling erstellen. Immerhin
kann das Projektteam
bei „Iconoclash“, der legendären
ZKM-Ausstellung 2002,
auf die 3 D-Modelle zurückgreifen,
die der Ausstellungsarchitekt
damals verwendet
hat. Viele Ausstellungsstücke
sind inzwischen digitalisiert
worden und einige Objekte
wurden von vornherein computerbasiert
erschaffen.
Am Ende sollen aber „Iconoclash“
und „Les Immatériaux“,
eine große Ausstellung
des Museums Georges Pompidou
von 1985, nicht einfach
nur online am heimischen
PC zu sehen sein. Das Projektteam
arbeitet an einem
speziellen Bildschirm, der im
Modellentwurf überlebensgroß
und halbrund ist. Dieses
„Immaterial Display“ soll es
Museumsbesuchern ermöglichen,
vor Ort in andere, virtuelle
Museumsräume einzutauchen
und so zusätzlich andere
Ausstellungen zu sehen als
die, die gerade vor Ort laufen.
Vielleicht wird man sich künftig
sogar in solchen virtuellen
Ausstellungsräumen begegnen
und austauschen können?
Im Rahmen der Artist-in-
Residence-Programme will
ein Architektenkollektiv eine
virtuelle Ausstellung erschaffen,
die nur auf der Beyond
Matter-Homepage zu sehen
ist. Parallel dazu arbeiten die
für eine Residency ausgewählten
Kunstschaffenden in der
Kunsthalle Tallinn und im Art
Lab Tirana an weiteren neuen
Möglichkeiten, Kunst virtuell
erlebbar zu machen.
„Wir haben noch zahlreiche
Pläne“, verrät Livia Nolasco-
Rózsás. „Beyond Matter“ soll
Ende September 2023 auslaufen.
In jedem Fall wird es
eine umfangreiche Publikation
geben, dazu ein Toolkit für
alle Museen als Ideensammlung
und praktischen Ratgeber.
Denn Digitalisierung
kann viel mehr sein als nur
eine Notlösung in Pandemiezeiten.
Darauf weist auch die
große Nachfrage nach Onlineführungen
hin, die es für
die Digitale Kunsthalle auf
der Homepage des ZDF gibt
(www.digitalekunsthalle.zdf).
Für diese Digitale Kunsthalle
hat das ZKM eigens die Ausstellung
„Berechenbar – Unberechenbar“
kreiert, die bis
zum Herbst zugänglich ist.
Auch die große Anselm Kiefer-Schau
der Mannheimer
Kunsthalle und weitere Ausstellungen
sind dort bis Oktober
zu sehen und ermöglichen
einen Zugang zu Kunst, ohne
sich auf eine Anreise begeben
zu müssen. Das alles soll kein
Ersatz für Ausstellungen in
realen Räumen sein, sondern
immer eine Erweiterung um
zusätzliche, neue Möglichkeiten.
Nike Luber
KUNST KULTUR JOKER 9
Schreibexperimente und Glassammlungen
Die erste Biennale Freiburg mit zwei ungewöhnlichen Publikumsformaten im Juni
Seit Mai sorgt die erste Biennale
Freiburg für ungewöhnliche
Kunstinitiativen im ganzen
Stadtraum. Freiburg wird bis
Oktober zum Experimentierfeld
und Diskussionsgegenstand
verschiedener Künstler*innen
und ihrer Projekte. Und auch die
Bewohner*innen sind eingeladen
mitzuwirken. Im Juni bieten sich
dafür zwei Gelegenheiten: Sarah
Lehnerers, Inka Meißners und
Jackie Grassmanns Projekt„A
Day’s Work“ und Andreas von
Ows “Zwischen dem Pflaster
liegt der Strand! A slow walk for
a green (Freiburg)“.
18. Juni, 11–15 Uhr im Musikpavillon
im Stadtgarten. Leitende
sind Inka Meißner und Sarah
Lehnerer. Hier stehen die Teilnehmenden
vor dem berühmten
leeren weißen Blatt und stellen
sich Fragen nach dem Beginn
des Schaffens aus dem Nichts.
Mit Blick auf Material aus dem
Tagebucharchiv Emmendingen
werden die Anfänge von Texten
Anderer verglichen, diskutiert
und selbst welche versucht. Ein
steter Dialog, der auf die Offenheit
und Kreativität der Schreibanfänge
zielt. Abends wird ein
Gastvortrag von Keren Cytter in
Texte ergründen unter anderem,
wie Krankheit, Spiritualität, Prozesse
künstlerischen Arbeitens,
Biografisches und Begegnungen
mit Freund*innen und Fremden
auf das Schreiben einwirken. Die
Veranstaltung ist bi-lingual auf
deutsch und englisch und stellt die
Texte auch in gedruckter Version
zum Mitlesen zur Verfügung.
Beide Workshops und Veranstaltungen
sind inklusiv und teilweise
barrierefrei. Jede*r ist willkommen.
Geschlechtsneutrale
Toiletten sind leider nicht vorhanden.
Die Veranstalter*innen können
bei speziellen Bedürfnissen
gerne vorab kontaktiert werden,
damit etwaige Vorkehrungen getroffen
werden können.
„Zwischen dem Pflaster liegt
der Strand! A slow walk for a
green (Freiburg)“
Zu einem speziellen Spazier-
träger mehrschichtig
zu einer Farbmalerei
aus dem Grün
in all seinen Facetten
verdichtet. Hier
bekommt die Farbe
nun ihren Körper,
das Grün bekommt
sein „Fleisch“. Dieses
Werk wird in
der Ausstellung zur
Biennale öffentlich
zu sehen sein. Aber
bereits zuvor, im
Studioprogramm
der Biennale beginnt
das künstlerische
Experiment.
Der Blick der Spazier-gänger*innen
ändert sich und
Fragen tauchen auf: „Wie wandelt
sich der eigene Blick auf
das Stadt- und Landschaftsbild,
wenn man auf ‚Grün‘ fokussiert
Andreas von Ow: „Haus Pfeffermann,
Indigoblau, Rubinrot
(Rhön) 2017-2
Foto: Andreas von Ow
Sarah Lehnerer: „A Day‘s Work“, 2021, glazed ceramic,
ca. 30 x 30 cm,
Foto: Sarah Lehnerer
„A Day‘s Work“
„Formen eines zunächst
nicht-zweckorientieren, intimen
Schreibens“ zu hinterfragen, ist
Motivation des Projekts „A Day‘s
Work“ und entspricht damit dem
Studioprogramm, das den ersten
Teil der Biennale kennzeichnet.
Die Künstler*innen dahinter haben
bereits eine umfangreiche
Recherche im Deutschen Tagebucharchiv
Emmendingen
hinter sich und bringen die dort
gefundene Inspiration nun in
Workshops ein, die das Schreiben
auf der Schwelle zwischen
alltäglicher Notation und künstlerischer
Produktion untersuchen
sollen. Durchaus persönlich wird
es dabei, denn Schreibsituationen
bietet unser Alltag genug. Und
manchmal wird aus der Routine,
Dinge zu notieren ein künstlerischer
Akt. Begleitet werden die
Workshops durch eine Installation
von Sarah Lehnerer bestehend
aus gemalten Raumteilern und
Nutzgegenständen, Keramik-Möbeln
und Schreib-Equipment. Die
räumliche Installation „A Day‘s
Work“ wird im September die
Ergebnisse der Workshops neben
der raumgreifenden Kunst Lehnerers
als Teil des Ausstellungsparcours
der Biennale präsentiert.
„Zimmer ohne Wände“ ist der
Titel des ersten Workshops am
englischer Sprache die Simulation
einer Probe ihrer aktuell entstehenden
Performance durch zwei
Laienschauspielerinnen im Literaturhaus
Freiburg inszenieren.
Keren Cytter lässt das Publikum
die Entstehung live mitverfolgen
und vergleicht sie am Ende mit
der aufgezeichneten Version der
Original-Performance. Diese
Veranstaltung findet in englischer
Sprache statt.
„Echos als Antwort“ ist der
zweite Workshop, unter der Leitung
von Jackie Grassmann und
Sarah Lehnerer am 02. Juli, 11-15
Uhr im Musikpavillon im Stadtgarten.
Dabei stellen die Teilnehmenden
Fragen an ihre Gegenüber
oder andere Bezugspunkte
ihres Schreibens. Mithilfe ausgewählter
Textfragmente wird der
Versuch unternommen, herauszufinden,
welche Kräfte, Echos, Gegenstände
oder andere Elemente
jenseits des Autor*innen-Ichs die
treibende Kraft des Schreibens
sind und welche Formen dadurch
entstehen. Kleine Schreibübungen
experimentieren damit,
diesen Kräften explizit Raum im
Schreiben zu geben. Am Abend
desselben Tages wird es eine öffentliche
Lesung aus dem neuen
Buch der Künstler*in Johanna
Hedva „Minerva: The Miscarriage
of the Brain“ geben. Hedvas
gang lädt der Künstler Andreas
von Ow am 26. Juni, 11 Uhr ein
(Treffpunkt: Musikpavillon im
Stadtgarten). Gewitzt steht darüber
der Titel „Zwischen dem Pflaster
liegt der Strand! A slow walk
for a green (Freiburg)“ – und der
ist Programm! Der Spaziergang
führt je ein Paar in unterschiedliche
Gebiete der Stadt, auf der
Suche nach Grün in Form von
Glas. Dieses stellt für Andreas
von Ow, genauso wie andere Materialien
wie etwa Katzenaugen,
Rücklichter und Bohrstaub oder
Organisches wie Lingusterbeeren
und Hollunderblütensaft, das
Ausgangsmaterial für die Farben
seiner Malerei dar. In Freiburg
werden die wertvollen Rohlinge
für die Grünpigmente aus dem
Umfeld, dem Stadtbild, entnommen.
Das Sammelgut wird von
Andreas von Ow zu Pigment in
verschiedenen Korngrößen weiterverarbeitet,
mit Bindemittel
angereichert und auf einem Bild-
ist? Was erzählen die Spuren von
grünem Glas über den Ort? Was
passiert mit unserem Farbsehen
und mit unserer Wahrnehmung
der Umgebung? Und was bedeutet
es uns schließlich, sich für die
Kunst in einer Gesellschaft einzusetzen?“
Gesprächsstoff und -bedarf
ist also gegeben, daher gibt
es um 17 Uhr auch eine Kollekte
der gesammelten Fundstücke,
Farbeindrücke, Gespräche und
gemeinsamen Reflexionen bei
einem Umtrunk im Stadtgarten.
Aber auch zwei Tage vorab wird
der Künstler seine künstlerische
Arbeit vorstellen. Über Uhrzeit
und Ort informiert die Website
der Biennale.
Weitere Informationen auf
der Website der Biennale für
Freiburg und in den kommenden
Ausgaben des Kultur Joker.
www.biennalefuerfreiburg.de
Anmeldung für die Veranstaltungen
unter: anmeldung@biennalefuerfreiburg.de
Andreas von
Ow: „Zwischen
dem Pflaster
liegt der Strand,
a slow walk for
a green (Freiburg)“,
Arbeitsprozess,
2021
Foto:
Andreas von Ow
10 KULTUR JOKER KUNST
Wie richtige Bilder
Das Museum für Neue Kunst Freiburg widmet Friedmann Hahn eine Ausstellung
Es war wohl nur eine Frage
der Zeit bis Friedemann Hahn
Bob Ross entdecken würde. Der
bekannte TV-Star hat unzählige
zu Hobbymalern gemacht. Jeder,
so war sein Credo, ist in der
Lage ein Bild zu malen. Und so
hat nicht nur er, sondern auch
die Besucher seiner Kurse und
die Zuschauer seiner Fernsehsendungen
unzählige kitschige
Sonnenauf- und -untergänge
sowie das bekannte Spektrum
idealtypischer amerikanischer
Landschaften reproduziert.
„Make it look like a real painting“
lautete sein Slogan. Diese
unerschütterliche Gewissheit
etwas zu schaffen, was wie ein
richtiges Bild aussieht, muss
für Maler zumindest ambivalent
sein. Bei Friedemann Hahn
jedoch kommt hinzu, dass der
ehemalige Dreher-Schüler
sich an Illusionisten aller Art
abarbeitet: Filmschaffende,
Literaten und die Landschaft.
Die Auseinandersetzung mit
unserem kulturellen Archiv einerseits,
andererseits wirkliche
Bilder zu schaffen, könnte eine
Lebensaufgabe sein.
Friedemann Hahn geriet vor
einigen Jahren dann doch in
eine Schaffenskrise. Er rettet
sich aus ihr durch das Schreiben,
was immer seine zweite
Lebensaufgabe war und durch
die Auseinandersetzung mit
Vorbildern. In der Ausstellung
Friedemann Hahn „Foresta
Nera“, die derzeit im Museum
für neue Kunst gezeigt wird,
sind also einige neue Arbeiten
zu sehen. Und auch die beiden
Bilder „Bergsee“ (2003) und
„Foresta Nera“ (2009) sind
darunter. Wüsste man nichts
von diesem Einfluss, man sähe
darin ein Exempel der malerischen
Mittel Friedemann
Hahns. Eine grüne, mit Ocker
und Blau durchzogene Fläche
durchbricht etwa in der horizontalen
Mitte das Bild. Vor
ihr scheinen die senkrechten
Pinselstriche zurückzutreten,
an denen kurze Zweige sind.
Die Grundfarbe ist von einem
tiefen Blau. Wer hier einen
Bergsee sehen will, sieht ihn,
doch man hat es eben auch mit
abstrakter Malerei zu tun. Die
kleine Einzelschau, die das Museum
dem Künstler widmet, der
lange mit dem Schwarzwald
verbunden war, ihn seit einigen
Jahren nun schon mit Norddeutschland
eingetauscht hat,
wirkt wie eine Studienausstellung.
Manche der Bilder lehnen
an Tischen ausgestellt an
der Wand, vor sich die entsprechenden
Kataloge zum Weiterlesen.
Und zugleich schafft sie
Zusammenhänge, etwa indem
sie seine malerischen Auseinandersetzungen
mit Filmplakaten
zusammen zeigt.
Das alles ist noch immer
großes Pathos. Man erinnere
sich an die Bilder erhabener
Kinomomente, die Friedemann
Hahn stürmisch und plakativ
malte. Nun sind sie anderen
Figuren gewichen, etwa dem
Kriminalautor Friedrich Glauser,
dem Mordopfer Elisabeth
Short, dem japanischen Autor
Yukio Mishima. Sie kannten
sich mit etwas aus, was vermutlich
nicht in Bob Ross‘ Wortschatz
vorkam, dem Scheitern.
Foresta Nera. Eine Ausstellung
zu ausgewählten Werken
von Friedemann Hahn. Museum
für neue Kunst, Marienstr.
10a, Freiburg. Di-So 10-17
Uhr, Do 10-19 Uhr. Bis 29. August.
Weitere Infos zur Corona-
Lage unter freiburg.de/museen
Annette Hoffmann
Friedemann Hahn: „Der Tod des Malers“, 2020
Foto: Ina Steinhausen
Der Untergrund als Erfahrungsraum
Die Galerie Marek Kralewski zeigt mit der Ausstellung „Raum ohne Fenster“ die Arbeiten des Künstlers Jochen Damian Fischer
Die Galerie Marek Kralewski
scheint aktuell sowohl
tagsüber als auch nachts geöffnet
zu sein. Von der Basler
Straße aus gesehen, zieht ein
beleuchteter Kreisausschnitt
die Aufmerksamkeit der Fußgänger
auf die rote Flügeltür
der Galerie im Innenhof. Der
ansonsten offene Ausstellungsraum
wirkt in diesen Tagen
kleiner, intimer und zum Teil
überraschend beklemmend.
In der aktuellen Ausstellung
„Raum ohne Fenster“ mit Arbeiten
von Jochen Damian Fischer
transportiert der Künst-
Schopfheimerstraße
2
ler die unwirtliche Umgebung
des urbanen Untergrundes in
die Räume der Galerie.
Aufgewachsen in der Subkultur
setzt sich der Künstler
schon seit Jugendjahren intensiv
mit gesellschaftlichen Themen
wie Isolation, Untergrund
und der Position des Menschen
in einer sich zunehmend von
ihm entfremdenden Umwelt
auseinander. Er begegnet den
sich aus diesem Themenkomplex
ergebenden existentiellen
Fragen mit einer unbequemen
und gattungsübergreifenden
künstlerischen Arbeit zwischen
Installation, Bildhauerei
und Architektur.
Dabei bedient er sich vornehmlich
an Elementen des
urbanen Umfeldes: Aus Materialien
wie Beton, Metall und
tiefschwarzer Offsetfarbe entstehen
in seinen Werken Parallelwelten,
die die Erlebniswelt
des Künstlers für sein Publikum
direkt erfahrbar machen.
Eine große, raumbestimmende
und -bildende Installation,
die eigens für diese Ausstellung
konzipiert wurde, teilt
Jochen Damian Fischer: „Höhle“ 2010
die Präsentationsfläche in zwei
separate Räume und entfaltet
in Verbindung mit der Projektion
der Arbeit subterran eine
ungeheure Sogwirkung. Über
die Eisenstufen der begehbaren
Installation gelangt man
in einen intim abgedunkelten
Raum, wo die Besuchenden atmosphärisch
beleuchtete Bronzearbeiten
erwarten. Sie sind
als eigenständige Kunstwerke
zu verstehen, welche das architektonische
Raumverständnis
des Künstlers verdeutlichen
Foto: Jochen Damian Fischer
und mit ihren einzigartigen
Raumkonzeptionen ein Wechselspiel
zwischen Partizipation
und Isolation anstoßen.
In der Ausstellung stellt Jochen
Damian Fischer jedoch
nicht nur aktuelle Werke vor,
sondern gibt anhand sorgfältig
ausgesuchter und kombinierter
Objekte auch einen Überblick
über sein abwechslungsreiches
und doch homogenes OEuvre.
So entführt der Blick in einen
Lichtbildbetrachter die Besuchenden
in die klaustrophobische
Enge eines Kanalrohrs
und bietet so die Möglichkeit,
die ansonsten unzugängliche
Arbeitshöhle zu erleben,
wo zerlaufene Quadrate aus
schwarzer Offsetfabe Erinnerungen
an archaische Höhlenmalereien
wachrufen. Diese
frühe Installation kontrastiert
der Künstler mit der Arbeit
„re-carré“. Die vier rechteckigen
Platten, grundiert mit
derselben Offsetfarbe, kombiniert
mit den Überresten
der zerstörten Arbeit „carré“,
bieten Anreiz über Wandel,
Symbiosen und Vergänglichkeit
zu sinnieren und spannen
so einen Bogen von den frühen
zu den aktuellen Werken des
Künstlers.
KUNST KULTUR JOKER 11
Faszinierende Lichtkunst
Das Museum Ritter widmet dem ZERO-Mitbegründer Heinz
Mack zum 90. Geburtstag eine umfassende Einzelausstellung
Das vielseitige Werk des bis
heute ungebrochen produktiven
Künstlers Heinz Mack
wird im Museum Ritter in
Waldenbuch in rund 60 Werken
vorgestellt. Zu sehen sind
plastische Arbeiten, kleinere
Skulpturen, Malereien und
Zeichnungen sowie nicht zuletzt
der preisgekrönte Film
Tele-Mack (1968/69).
Der Maler und Bildhauer
Heinz Mack hat in rund 70
Schaffensjahren ein fulminantes
Werk entwickelt. Seine
Pioniertaten auf dem Gebiet
der Lichtkunst faszinieren
bis heute. Kaum ein Künstler
unserer Zeit kann es mit ihm
in puncto Produktivität und
Werkvielfalt aufnehmen. Sein
Œuvre umfasst Lichtkunst,
kinetische Arbeiten und Land-
Art ebenso wie Zeichnung,
Malerei, Plastik und Skulptur.
Trotz der Fülle an Ausdrucksmitteln
konzentriert
sich Heinz Mack mit bemerkenswerter
Beständigkeit auf
Themen, die er früh für sich
entdeckte: die Erforschung
des Lichts und die dynamische
Kraft von Strukturen.
Im Wunsch, sich vom Ballast
der Vergangenheit zu
befreien, und offen für neue
Werkstoffe, wagte Heinz
Mack mit seinen Mitstreitern
der Künstlergruppe ZERO
nach dem Zweiten Weltkrieg
einen radikalen Neuanfang.
Bereits 1958/59 konzipierte
er sein spektakuläres Sahara-
Projekt, dessen Ideen er in den
Folgejahren ausformulierte
und das in der Ausstellung
ausführlich beleuchtet wird.
Zu sehen ist unter anderem
die Sahara-Edition sowie der
preisgekrönte Film Tele-Mack
(1968/69), in dem der Künstler
das reine Licht in den Weiten
der Wüste experimentell
untersucht. Auch seine kinetischen
und plastischen Werke
erforschen das Licht. Neben
dreidimensionalen Arbeiten
aus modernen Materialien
wie Edelstahl, Aluminium,
Wellen- oder Acrylglas ist eine
Auswahl an kleinen Marmor–
skulpturen ausgestellt, die den
hohen Stellenwert der klassischen
Bildhauerei für den
Künstler verdeutlichen. Macks
Malerei wird schließlich anhand
neuerer Tuschzeichnungen
und großer Leinwandbilder
vorgestellt. In diesen
sogenannten Chromatischen
Konstellationen manifestiert
sich das Licht durch feinsinnige
Farbklänge und gemalte
Strukturen, die die Bildoberfläche
in Vibration versetzen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog
im Verlag Das Wunderhorn,
Heidelberg erschienen
(22 Euro).
Heinz Mack. Werke im Licht
(1956 - 2017), Museum Ritter,
Waldenbuch. Bis 19.09.2021.
Infos: www.museum-ritter.de
Heinz Mack, der Künstler im Grand Erg Oriental, 1976 (Fotografie/Dokumentation)
© VG Bild-Kunst, Bonn 2021; Foto: Thomas Höpker /
Archiv Heinz Mack
12 KULTUR JOKER KUNST
Liebe auf den ersten Blick
Das Keramikmuseum in Staufen zeigt Arbeiten von Andreas Steinemann
Andreas Steinemann: „Vasen twist“
Im Keramikmuseum Staufen
zeigt der 1957 im Schweizer
Wallis geborene Keramiker
Andreas Steinemann neue
Arbeiten. Er stellt sein aktuell
entwickeltes Geschirrset mit
dem Namen „Leaf“ (Blatt)
vor. Vom ersten Augenblick
an verliebt man sich in diese
wunderbar organisch geformten
und so differenziert
Foto: Oliver Lang
zart getönten Gefäße. Seit
zwei Jahren entwickelt Steinemann
das Design der Formen
und bisher sind fünf Teile des
Sets entstanden, großer Teller,
tiefer Teller, Schale, Becher
und Krug. Alle Objekte
sind leicht aus der Mittelachse
verschoben, so dass der
Schwerpunkt nicht – wie gewohnt
- zentral liegt, sondern
die Gefäße ein wenig schief
stehen. Die winzige Neigung,
das aus der Mitte gekippte, ist
natürlich beabsichtigt, ja sogar
mit Hilfe von Kurvenformen
konstruiert und steigert die
Attraktivität der Gefäße. Denn
wie wir wissen und immer
wieder von Neuem erfahren,
entsteht wahre Schönheit erst
durch kleine Irregularitäten.
Das macht ihren Zauber aus.
Wie Handschmeichler liegen
die Teller und Schalen in der
Hand. Die Außenseite zeigt
das weiße, seidenmatte rohe
Porzellan, das so lange geschliffen
wird bis es sich fast
samten anfühlt. Die Innenseite
der Gefäße wird farbig glasiert
mit einer speziellen vom Keramikkünstler
ausgemischten
Farbpallette. Insgesamt sind
es circa 15 Farbtöne, die mit
der Spritzpistole aufgetragen
werden, um möglichst feine
Farbverläufe zu erzeugen. Alle
Farben lassen sich miteinander
kombinieren und zu exquisiten
Arrangements zusammenstellen.
Jetzt müssen nur noch
die darauf servierten Speisen
stimmen. Doch was sollte da
schon schiefgehen? Die einfachsten
Gerichte werden zu
einem sinnlichen Ereignis auf
solchen Tellern.
Andreas Steinemann nähert
sich seinen keramischen Themen
über das Papier. Er lässt
sich von der Natur inspirieren,
erste Ideenskizzen entstehen,
die in Zwischenstufen
verfeinert und über Papier-
Modelle geklärt werden, bis
schließlich der exakte Konstruktionsplan
vorliegt. Ein
Vorgehen, das seine Herkunft
aus dem Grafikdesign und der
Bildenden Kunst verrät. Und
so überrascht es nicht, dass
er Ende der 70er Jahre an der
Kunstgewerbeschule in Zürich
Grafikdesign studiert hat. Über
Malerei und Skulptur kam er
schließlich zur Keramik, seiner
eigentlichen Leidenschaft,
in der er Elemente aus den
anderen Kunstgattungen vereint.
Seit Mitte der 90er Jahre
betreibt er in Lenzburg in der
Nähe von Aarau in einer alten
Spielzeugfabrik sein Atelier,
ein hoher, heller und sehr aufgeräumter
Raum, in dem es
vieles zu entdecken gibt.
Eine Besonderheit ist Steinemanns
Vorliebe für die anspruchsvolle
Neriage-Technik.
Auch in Staufen sind Gefäße,
Vasen und Dosen, die in dieser
Technik gearbeitet sind, zu
sehen. Bei ihnen ist das Innenund
Außendekor gleich. Nach
einem genauen Plan, auch hier
bedarf es exakter Vorbereitung
auf dem Papier, werden
aus verschieden eingefärbten
Porzellanplatten geometrische
Formelemente wie Puzzelteile
mit einem Skalpell-artigen
Messerchen ausgeschnitten
und passgenau aneinandergesetzt.
Eine perfekte Ästhetik,
oft in puristischem Schwarz-
Weiß, zeichnet diese Gefäße
aus. Wunderschön anzusehen
und schwierig zu machen. Wer
das genauer wissen möchte,
kann auf Youtube den kurzen
Film über Andreas Steinemann
ansehen. In Staufen ist
zum Ausstellungsende eine
Finissage im Freien geplant.
Der Keramikkünstler wird anwesend
sein.
„Der perfekte Schnitt“, Andreas
Steinemann, Keramikmuseum
Staufen/ Studio-Ausstellung.
Bis 4. Juli 2021
Christiane Grathwohl
Berichtigung:
Hermann in der Kirche
In der Mai Ausgabe 2021, Seite 14, ist
uns ein Fehler unterlaufen. Dort hieß es in
der Unterüberschrift des Textes Hermann
in der Kirche „Neue sakrale Arbeiten des
Freiburger Künstlers Harald Hermann“.
Anstatt des vollen Namen war hier das
Kürzel HH angedacht, auf welches der
Autor sich in dem Schlusssatz des Artikels
bezieht. Im gleichen Zug ist die Bildunterschrift
des Werkes nicht „Maria von Magdalena“,
sondern „Maria von Magdala“.
Wir bitten dies zu entschuldigen!
Werde Teil vom Kultur Joker Team!
Wir suchen ab sofort zuverlässige Verteiler*innen für unsere
Auslagestellen im Freiburger Stadtgebiet.
Aufwand: ca. 2 Tage im Monat
(nach Absprache)
Voraussetzung: Ein Fahrrad
und/oder Pkw.
Bei Interesse anrufen:
0151 56375094
Wir freuen uns auf Sie!
KUNST KULTUR JOKER 13
Spurensuche in unterschiedlichen Lebenswelten
„Deutsches Design 1949-1989. Zwei Länder, eine Geschichte“ – Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein
VEB Textilkombinat Cottbus, DDR Damenmode, 1978
© akg-images/Günter Rubitzsch
Nun ist endlich ein Highlight
im Vitra Design Museum
wieder zugänglich, nämlich
die Ausstellung „Deutsches
Design 1949–1989. Zwei Länder,
eine Geschichte“, die
sich auf Spurensuche in die
Designgeschichte des geteilten
Deutschlands begibt. Die
Schau erhellt unterschiedliche
Lebenswelten, weist aber auch
auf Parallelen und Querbezüge
hin, die das Metier in Ost und
West immer verbunden haben.
Die Exponate zeigen, dass man
in beiden Teilen nach dem
Krieg zunächst auf Alltagsgegenstände
konzentriert war,
d.h. auf Möbel, Essgeschirr,
Leuchten, Uhren, Kleider und
Werkzeuge; zudem blickt die
Ausstellung auf Industriedesign,
Grafik und Wohnungsbau,
teils mit Filmsequenzen.
Geprägt durch Bauhaus und
Werkbund, erlangte Design aus
Deutschland seit den 1920er
Jahren weltweit Bedeutung. In
der Ära nach 1949 setzten sich
in beiden Hälften des gespaltenen
Landes die Trends der
Vorkriegszeit fort, trotz unterschiedlicher
Gesellschaften; in
dieser Hinsicht kann die Schau
mit Klischees und der simplen
Vorstellung aufräumen, dass
in der BRD ein kühler Funktionalismus
dominant war,
während DDR-Design dem
bunten Plastik frönte. Zwar
wurde in der DDR offiziell
ein Anknüpfen an die Lehren
des Bauhauses unterbunden,
in Abgrenzung zum Westen,
doch in den 1960er Jahren
war hier die Wende zu einem
modernen funktionalen Stil
kaum aufzuhalten. Ein vergleichender
Blick auf die Rolle
von Design im System von
Kapitalismus und Sozialismus
deutet auf viele Aspekte, u.a.
auf seine Wichtigkeit für Politik
und Propaganda; aber
rechts und links der innerdeutschen
Grenze entwickelten
sich Institutionen, für die Geschmacksbildung
und soziale
Verantwortung Priorität hatten.
Die Ausbildung von Designern
im Osten legte jedoch
vermehrt Wert auf Handwerk,
Haltbarkeit und sparsamen
Materialverbrauch, indessen
im Westen bereits Ressourcenverschwendung
herrschte;
so entstand etwa die konsumkritische
Design-Bewegung
„Des-in“, die Abfallprodukte
verarbeitete.
In der Ausstellung werden
auch bedeutende Protagonisten
Des-In (Jochen Gros und studentische Arbeitsgruppe an der
HfG-Offenbach), Reifensofa, 1975,
Foto: Jochen Gros
vorgestellt, darunter Dieter
Rams und Hans Gugelot im
Westen und Rudolf Horn und
Margarete Jahny im Osten, sowie
prägende Institutionen, insbesondere
die Burg Giebichenstein
in Halle oder die Hochschule
für Gestaltung in Ulm;
deren Nähe zeigt sich z.B. am
Stapelgeschirr von Margarete
Jahny (Ost) und Hans Roerich
(West). Hier wie dort setzte
man sich intensiv mit Problemen
und Verwendungen von
Gegenständen auseinander,
bevor sie Form erhielten. In
der BRD beschleunigte Design
die Exportwirtschaft „Made in
Germany“, in der DDR fachte
es die sozialistische Planwirtschaft
an, die erschwingliche
Produkte für breite Bevölkerungskreise
erstrebte. Design
kann ein Symbol getrennter
politischer Systeme sein, aber
überdies ein Medium für Subkulturen,
die nicht zuletzt zum
Fall der Mauer 1989 beigetragen
haben; diesbezüglich sind
in der Ausstellung bewegende
Filmaufnahmen zu sehen. Ein
Katalog präsentiert weiteren
Stoff zu einfallsreichen Objekten
und findigen Tüftlern,
die auch wissen, was unbedingt
wegzulassen ist. Zusätzliches
Vergnügen bietet ein Spaziergang
und Aufenthalt im öffentlichen
Bereich des Vitra-Campus
mit dem neuen „Perennial
Garden“ und vielen architektonischen
Besonderheiten.
Deutsches Design 1949-1989.
Zwei Länder, eine Geschichte.
Vitra Design Museum. Weil a.
Rhein. Momentan ein Zeitfenster
buchen: vitra-design-museum.de.
Bis 5. September 2021
Cornelia Frenkel
Bildtraditionen in Papier
Bettina Bosch arbeitet bekannte Motive ungewöhnlich um
Der Projektraum EDITH
ist eins der jüngsten Ausstellungsformate
Freiburgs. Gelegen
in den Räumlichkeiten der
Edith-Maryon-Kunstschule in
Freiburg-Munzingen ist der
Projektraum von außen vollständig
einsehbar und damit
rund um die Uhr und trotz
Corona-Beschränkungen zu
besichtigen.
Aktuell zu sehen sind die
Papierarbeiten der Bildhauerin
Bettina Bosch. In ihrer Ausstellung
„gedeih und verderb“,
die vom 4. Juni bis 4. Juli im
Projektraum EDITH präsentiert
wird, schafft Bosch aus
dem ungewöhnlichen Kunstmaterial
raumfüllende und
raumbildende Skulpturen. Einen
ästhetischen Schwerpunkt
bildet die Mehrdimensionalität.
Die Papierschnitte werden
zwischen Glas geschichtet
und zu Wandobjekten, deren
Vorbild die chinesischen Holzschnitte
des 9. bis 19. Jahrhunderts
sind. In Kontrast dazu
stehen die raumgreifenden
abstrakten Papierskulpturen,
die von der Decke bis zum
Boden reichen. Aufmerksame
Beobachter*innen werden die
Nähe zu pflanzlichen Strukturen
bemerken. Das ist von
der Künstlerin intendiert. Vorbild
ist die Tradition der Herbarien
des 19. Jahrhunderts,
die Pflanzen kunstvoll zu konservieren
wusste. Aber auch
traditionelle Konservierungsformen
und ihre eigentümliche
Ästhetik dienen der Künstlerin
als Vorlage, die sie eigensinnig
weiterentwickelt.
Geplante Vernissage der
Ausstellung „gedeih und verderb“
ist am 4. Juni, 19 Uhr.
Um Anmeldung wird gebeten:
galerie@bildhauer-kunststudium.com
Bettina Bosch:
„Atelierfenster“,
Papierschnitt
2021
Foto: Bettina Bosch
14 KULTUR JOKER Kunst
Die Kunst der Beschränkung
Die Galerie für Gegenwartskunst im E-Werk zeigt „Kunst im Setzkasten“
Was haben wir nicht alles
verpasst? Zahlreiche Ausstellungen,
die wir während diverser
Lockdowns nicht sehen
konnten oder die nicht einmal
stattfanden. Da verspricht
„Kunst im Setzkasten“ in der
Galerie für Gegenwartskunst
im Freiburger E-Werk so etwas
wie Entschädigung. Denn
die Rechnung ist schnell aufgemacht:
Sechs Setzkästen zu
jeweils 15 Schachteln machen
90 Arbeiten, wenn nicht gleich
Einzelausstellungen. Das Forum
Kunst Rottweil hat bereits
des Öfteren Formate geschaffen,
bei denen die kuratorische
Idee oder die Vermittlung im
Vordergrund steht, so als ob in
Rottweil nie eine Lynda Benglis
oder ein Daniel Spoerri
ausgestellt hätte. Nach Kunst
auf Fahnen und Schilder sowie
in Koffern, nun als Kunst im
Setzkasten. Um das Werkzeug
des Schriftsetzers vom biederen
Image der Nippessammlung
zu befreien und wieder
das Potential als kleinster
Nenner für alles Erdenkliche
zu sehen. Der künstlerische
Leiter des Forum Kunst Rottweil
Jürgen Knubben gehört
zusammen mit Nikolaus Bischoff
und Axel Zwach zu den
Initiatoren der Ausstellung, die
Heidi Brunnschweiler, Hartwig
Knack sowie Caroline von
Gunten und Simon Lieberherr
als Kuratorinnen und Kuratoren
hinzugebeten haben.
In der Galerie für Gegenwartskunst
fühlt man sich
derzeit also ein bisschen wie
auf Gullivers Reisen. Auf
sechs Tischen, die jeweils den
Kuratorinnen und Kuratoren
zugeordnet sind, stehen oder
liegen die jeweiligen Schachteln.
Der Umgang mit der
Beschränkung ist
unterschiedlich.
Manche Künstlerinnen
und
Künstler nutzen
die Box als Miniaturausstellung
und
spiegeln die Illusion
eines Kunstraumes
in Form
eines Modells
oder Diorama vor,
andere kondensieren
auf dem
wenigen Platz ihr
Werk. Viele nutzen
die Schachtel
als Pointe. Ottmar
Hörl etwa spielt
mit seinem Stück
Kunstrasen auf
Dürer an, Iskender
Yediler macht mit
seinem „Schneemann
im Ruhrpott“
einen Witz,
dadurch, dass er
ihn mit einer feinen
Rußschicht überzogen hat.
Susanne Kühn hat in eine aufwendige
Bettstatt eine Figur
gelegt, die wohl gleich Hand
anlegen wird an den „Black
Forest Tree“, hält dieses Maschinenwesen
doch eine Art
Säge in der Hand: ein potentielles
Kettensägen-Massaker.
Wer eine weiße Box als
Aufgabe und Ausstellungsarchitektur
ins Zentrum rückt,
wird schnell selbstreferentiell.
Denn wie sollte man nicht
die Schachtel als Hinweis auf
den White Cube deuten, jenen
ideal typischen Galerieraum,
der lange jede Betrachtung
von Kunst dominierte und von
der Außenwelt abschirmte?
„Kunst im Setzkasten“ tut dabei
so, als hätte sich seit Brian
O’Doherty Essays Mitte der
Nika Timashkova: „Hooked On a Feeling“,
2020 Foto: Kunst im Setzkasten
1970er Jahre über den White
Cube nichts getan, was die Präsentation
von Kunst betrifft,
aber auch was die Gesellschaft
angeht, in der diese entsteht.
Heidi Brunnschweiler etwa
hat als eine denkbare Antwort
darauf ausschließlich Künstlerinnen
eingeladen, die zudem
oft das Format sprengen, sei es
durch transparente Seiten oder
Sound. Kunst, so ist die Überzeugung
dieser Arbeiten, wird
dann erst richtig interessant,
wenn sie Schubladendenken
vermeidet.
Kunst im Setzkasten. Galerie
für Gegenwartskunst, E-Werk,
Eschholzstr. 77, Freiburg. Do/
Fr 17-20 Uhr, Sa 14-20 Uhr, So
12-18 Uhr. Bis 20. Juni.
Annette Hoffmann
Endgültig gelockert
Der Anschluss einer Freiburger Zeitschrift an den Dadaismus
1919 war der Erste Weltkrieg
zuende. Für die Dada-Bewegung
in Zürich war deshalb
aber noch lange nicht Schluss.
Ein gewisser Walter Serner präsentierte
auf einer Dada-Soiree
in Zürich stattdessen sein Manifest
„Letzte Lockerung“. Klingt
ein wenig zeitgenössisch, oder?
Das dachte auch eine Handvoll
Freiburger Künstler*innen, die
in unruhigen Pandemiezeiten
bei Serner den Anschluss fand.
2009 bereits entstand die Zeitung
„Vorletzte Lockerung“, für
2020 die Zeitung „Allerletzte
Lockerung“.
Die Zeitung „Allerletzte Lockerung“
2020, sollte bereits im
Juli 2020 im E-Werk vorgestellt
werden. Wegen der bestehenden
Umstände wurde der Ausstellungstermin
mehrmals verschoben.
Es ist nun vorgesehen,
dass die Zeitung vom 27. Juni
bis 4. Juli in der Galerie 1 im E-
Werk Freiburg in einer Ausstellung
gezeigt wird. Die Zeitung
versammelt Texte und Schnitte
von Catherine
Bierling,
J o h a n n e s
Bierling,
Rolf Hannes
und Klaus
Hietkamp.
G e d r u c k t
wurde sie im
Atelier im E-
Werk auf der
Buchdruckpresse von Johannes
Bierling, zu Teilen auch in der
Künstlerwerkstatt L6.
Variierende Öffnungszeiten
der Galerie 1 im E-Werk wie
folgt: So. (27.06.) 11–18 Uhr,
Mo.–Mi. 15–19 Uhr, Do.–Fr.
17–20 Uhr, Sa. 14–20 Uhr, So.
14–18 Uhr.
Text u. Holzschnitt von Klaus Hietkamp Foto: Joh.Bierling
MUSEEN & AUSSTELLUNGEN
REGIONAL, NATIONAL, INTERNATIONAL
Archäologisches Museum Colombischlössle
- „freiburg.archäologie - Leben vor der
Stadt“ -09.01.22
Augustinermuseum
- „Der Schatz der Mönche - Leben
und Forschen im Kloster St. Blasien“
-19.09.
Haus der Graphischen Sammlung
- „Spuk! Die Fotografien von Leif
Geiges“ -26.09.
Carl-Schurz-Haus
- „Gabriele Vallentin: Colors of America“
26.06.-26.07.
depot.K
- „Landschaft: Jörg Hilfinger, Dieter
Maertens“ 05.06.-27.07.
Projektraum Edith
- „Bettina Bosch: gedeih und verderb“
04.06.-04.07.
E-Werk / Galerie für Gegenwartskunst
- „Kunst im Setzkasten“ -20.06.
- „Allerletzte Lockerung“ 27.06.-04.07.
Faulerbad
- „Kunst auf der Liegewiese“ -12.06.
Galerie Claeys
- „Künstlerinnen der Galerie _ part
one“ -16.09.
Galerie Marek Kralewski
- „Jochen Damian Fischer: Raum
ohne Fenster“ -31.07.
JVA Freiburg
- „Strafraum - Absitzen in Freiburg“
-17.07.
Katholische Akademie
- „Harald Herrmann: Legenden der
Übertreibung - Heilige“ -30.07.
Kunsthaus L6
- „Sophie Innmann: Landscapes Of
Internet“ 10.06.-11.07.
Kunstverein Freiburg
- „Minia Biabiany: J‘ai tué le papillon
dans mon oreille“ 19.06.-08.08.
Museum für Natur und Mensch
- „Tierisch giftig!“ -23.01.22
Museum Für Neue Kunst
- „Friedemann Hahn: Foresta Nera“
-29.08.
- „Piktogramme, Lebenszeichen,
Emojis: Die Gesellschaft der Zeichen“
-12.09.
Museum für Stadtgeschichte
- „buochmeisterinne – Handschriften
und Frühdrucke aus dem Freiburger
Dominikanerinnenkloster Adelhausen“
-13.06.
PEAC Museum
- „Nearby - Wie Bilder zeigen“
-22.08.
Schwarzes Kloster
- „Nonnengruft - Schätze des Alten
Friedhofs“ 18.06.-24.07.
T66 Kulturwerk
- „artist in residence::13“ -18.06.
VHS
- „Gedok: Debut 2021“ 13.06.-04.07.
BASEL
FREIBURG
Antikenmuseum
- „Von Harmonie und Ekstase. Musik
in den frühen Kulturen“ -19.09.
Fondation Beyeler
- „Life von Olafur Eliasson“ -Juli
Haus der elektronischen Künste
- „Schweizer Medienkunst: Studer/
van den Berg, Maria Guta, Simone
C Niquille - Pax Art Awards 2020“
09.06.-15.08.
Historisches Museum Basel
- „Briefe von Exilautorinnen und
-autoren“ -13.06.
- „Wildsau & Kopfsalat“ 08.06.-31.12.
Kunsthalle Basel
- „Joachim Bandau: Die Nichtschönen,
Werke / Works 1967-1974“-06.06.
- „Judith Kakon“ -15.08.
Kunsthaus Baselland
- „Marina Rosenfeld: W‘ll start a fire“
11.06.-26.09.
- „Andrea Blum: Parallel Lives“
11.06.-26.09.
- „Anna Maria Maiolino: In the sky I
am one and many and as a human I
am everything and nothing“
11.06.-26.09.
Kunstmuseum Basel
- „Sophie Taeuber-Arp“ -20.06.
Museum Tinguely
- „Impasse Ronsin. Mord, Liebe und
Kunst im Herzen von Paris“ -29.08.
- „Leu Art Family. Caresser la peau du
ciel“ -31.10.
- „Bruce Conner. Light out of Darkness“
-28.11.
S AM
- „Access for All. São Paulos soziale
Infrastruktur“ -15.08.
ANDERE ORTE
ABU DHABI (AE)
Louvre Abu Dhabi
- „Abstraction and Calligraphy - Towards
a Universal Language“ -12.06.
Amsterdam (NL)
Foam Fotografiemuseum
- „Les Adu - I Am“ -27.06.
- „Laia Abril: A History of Misogyny,
Chapter Two: On Rape“ -27.06.
Ravestijn Gallery
- „Thomas Kuijpers: Volumes“ -26.06.
Van Gogh Museum
- „Here to stay: A decade of remarkable
acquisitions and their stories“
-29.08.
Augsburg
Galerie Noah
- „Alex Katz“ -13.06.
Baden-Baden
Kunstmuseum Gehrke Remund
- „Frida Kahlo: Leid und Leidenschaft“
-Dauer
Kurgarten
- „Jeppe Hein: Kunst findet stadt“
31.07.-05.09.
Museum LA8
- „Schön und gefährlich. Die hohe See
im 19. Jahrhundert“ -05.09.
Museum Frieder Burda
- „Impressionismus in Russland“
-15.08.
- „James Turrell: Accretion Disc“
(ständig)
Staatliche Kunsthalle
- „Yael Bartana: Resurrection I-II“
-28.06.
- „Jan St. Werner: Encourage The
Stream“ -17.10.
- „State and Nature“ 19.06.-17.10.
BARCELONA (E)
Museu d’Art Contemporani
- „Felix Gonzalez-Torres: The Politics
of Relation“ -12.09.
BERLIN
Galerie Brockstedt
- „Gemälde zeitgenössischer Kunst
aus den Beständen der Galerie“
-30.06.
Galerie Crone
- „Emmanuel Bornstein“ -05.06.
- „Ashley Hans Scheirl“ -18.06.
Gropius Bau
- „Yayoi Kusama: Eine Retrospektive“
-15.08.
Hamburger Bahnhof
- „Pauline Curnier Jardin: Fat to
Ashes“ -19.09.
Schwules Museum
- „Intimacy: New Queer Art From
Berlin And Beyond“ -30.08.
- „Irène Mélix: lonely hearts“ -23.08.
Willy-Brandt-Haus
- „25 Jahre FkWBH Photo“ -31.07.
BERN (CH)
Alpines Museum der Schweiz
- „Let‘s Talk about Mountains: Eine
filmische Annäherung an Nordkorea“
-03.07.22
Kunstmuseum Bern
- „August Gaul: Moderne Tiere“
04.06.-24.1.
Zentrum Paul Klee
- „Paul Klee. Ich will nichts wissen“
-29.08.
- „Riesen=Schöpfung. Die Welt von
Adolf Wölfli“ -15.08.
BIETIGHEIM-BISSINGEN
Städtische Galerie
- „Keine Schwellenangst! Die Tür
als Motiv in der Gegenwartskunst“
-06.06.
bilbao (e)
guggenheim Museum
- „The Roaring Twenties“ -19.09.
- „The Line Of Wit“ 11.06.-06.02.22
Bonn
Bundeskunsthalle
- „Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne
- Das Original“ -25.07.
BREGENZ (A)
Kunsthaus Bregenz
KUnst KULTUR JOKER 15
- „Pamela Rosenkranz: House of
Meme“ -04.07.
- „Lois Weinberger“ -04.07.
- „Anri Sala“ 17.07.-10.10.
Vorarlberg Museum
- „2000 m über dem Meer“ -27.06.
BREMEN
Kunsthalle
- „The Picasso Connection. The Artist
and his German Gallerist“
-18.07.
- „Herzstücke: Von Kollwitz bis Miró“
-11.07.
BREISACH
Kunstkreis Radbrunnen
- „Beatrix Tamm und Mary Horstschulze“
20.06.-25.07.
Museum für Stadtgeschichte
- „Ausstellung zur Geschichte der
Stadt Breisach am Rhein” (ständig)
BRUCHSAL
Schloss Bruchsal
- „Busy Girl - Barbie macht Karriere“
-13.06.
BRÜSSEL (BEL)
Galerie Templon
- „Chiharu Shiota: Living Inside“
-24.07.
CHAUMANT (F)
- „Biennale internationale de design
graphique 2021“ -21.11.
COLMAR (F)
Musée Unterlinden
- „Yan Pei-Ming - Au nom du père“
-06.09.
DAKAR (SEN)
Galerie Cécile Fakhoury‘s space
- „Roméo Mivekannin“ -05.06.
DARMSTADT
Kunstforum der TU
- „Hilde Roth: Eine Zeitreise durch
Darmstadt 1950-1990“ -03.10.
DENZLINGEN
Galerie im Alten Rathaus
- „Angelina Kuzmanovic´“11.06.-11.07.
DRESDEN
Deutsches Hygienemuseum
- „Future Food. Essen für die Welt von
morgen“ -26.09.
DÜREN
Leopold-Hoesch-Museum
- „Alice Creischer: Komm, wir gehen
in die Wälder“ -08.08.
EBRINGEN
Badisches Kunstforum
- „Heinz Krüger: Moskau 1982“
25.06.-11.07.
FRANKFURT am main
- „4. internationale Triennale der
künstlerischen Fotografie und verwandten
Medien“ -12.09.
Kunststiftung DZ Bank
- „Adrian Sauer: Identitäten und
Ideologien“ -11.09.
Schirn Kunsthalle
- „Caroline Monnet: Transatlantic“
-05.09.
GRAZ (A)
Neue Galerie Graz
- „Kunst-Kontroversen“ -17.10.
Hamburg
Deichtorhallen
- „Katharina Sieverding“ -25.07.
- „William Kentridge“ -01.08.
- „Family Affairs“ -04.07.
HEIDELBERG
Sammlung Prinzhorn
- „Grenzgänger zwischen Kunst und
Psychiatrie / Werke der Sammlung
Kraft“ -11.07.
Karlsruhe
Badischer Kunstverein
- „Dinge, die wir voneinander ahnen:
21 Künstler*innen“ -04.07.
Badisches Landesmuseum/
Schloss
- „HumAnimal - Das Tier und Wir“
-06.06.
- „Räuber Hotzenplotz Mitmachausstellung
für Familien“ -06.06.
Naturkundemuseum
- „Kosmos Kaffee“ -06.06.
Städtische Galerie
- „Verborgene Spuren. Jüdische
Künstler*innen, Architekt*innen und
Fotograf*innen in Karlsruhe“ -08.08.
- „Daniel Roth: Stac Lee“ -12.09.
- „Peco Kawashima“ -08.08.
- „Wilhelm Loth. Figuration 1949-
1989“ -12.09.
ZKM
-“Chiharu Shiota. Connected to Life“
-11.07.
- „BarabásiLab. Hidden Patterns.
Netzwerkdenken“ -16.01.22
KIEL
Kunsthalle zu Kiel
- „Zauber der Wirklichkeit. Der Maler
Albert Aereboe“ -05.09.
KIRCHZARTEN
Kunstverein Kirchzarten
- „Aurora“ -20.06.
KOCHEL AM SEE
Franz Marc Museum
- „Anselm Kiefer: Opus Magnum“
-06.06.
KÖLN
in focus Galerie
- „Anna Halm Schudel: Blossom“
-01.07.
Museum Ludwig
- „Andy Warhol Now“ -13.06.
- „Sissi privat. Die Fotoalben der
Kaiserin“ -04.07.
Parrotta Contemporary Art Gallery
- „Les Fleures du Mal: Wo alles
Ungeheure so wie eine Blume sprießt“
-01.08.
LEIPZIG
Museum für Druckkunst
- „Zeit zu drucken“ -13.06.
LICHTENSTEIN (LIE)
Kunstmuseum Lichtenstein
- „Werke aus der Hilti Art Foundation“
-10.10.
LÖRRACH
Dreiländermuseum
- „Kunst und Nationalsozialismus“
-11.07.
- „Gefeiert und gefürchtet“ -11.07.
LUDWIGSHAFEN
Wilhelm Hack Museum
- „Katja Aufleger: Schwindelerregende
Höhen“ -22.08.
MADRID (E)
Museo Reina Sofía
- „Trilogía marroquí“ -27.09.
Mannheim
Kunsthalle Mannheim
- „Grenzenlos – Michael Buthes
Künstlerbücher“ -13.06.
- „Anselm Kiefer“ -22.08.
- „James Ensor“ 11.06.-03.10.
Reiss-Engelhorn-Museen
- „In 80 Bildern um die Welt“ -04.07.
MARCH
Kunstverein March
- „Skulptour - Der Kunstweg. Optische
Mitte. 8 KünstlerInnen“ -01.08.
- „30 Jahre Kunstverein March //
Format 30 X 30“ 05.06.-27.06.
MERZHAUSEN
Kulturverein artisse e.V.
- „Christel A. Steier: Autonome Räume
- Innere Landschaften“ -07.06.
METZ (F)
Centre Pompidou
- „Chagall. Überbringer des Lichts“
-30.08.
- „Aerodream. Architektur, Design und
Aufblasbare Strukturen 1950-2020“
-23.08.
MOSKAU (R)
Staatliche Tretjakow-Galerie
- „Träume von Freiheit. Romantik in
Russland und Deutschland“ -08.08.
MÜNCHEN
Lenbachhaus
- „Unter freiem Himmel. Unterwegs
mit Wassily Kandinsky und Gabriele
Münter“ -30.01.22
Pinakothek
- „Nicholas Nixon. The Brown Sister,
1975-2020“ -11.07.
- „Francis Alÿs: Re-Enactments“
-05.09.
Villa Stuck
- „Bis ans Ende der Welt und über
den Rand – mit Adolf Wölfli“ -25.07.
- „Lee Mingwei: Li, Geschenke, Rituale“
-12.09.
PARIS (F)
Galerie Miranda
- „Rebels & Dandys“ -26.06.
Galerie Templon
- „Gérard Garouste“ -19.06.
- „Jean-Michel Alberola“ -17.07.
Jeu de Paume
- „Michael Schmidt: A New German
Perspective“ -08.06.-28.09.
OFFENBURG
Städtische Galerie Offenburg
- „Peter Bosshart“ -20.06.
RIEGEL
Galerie Messmer
- „Richard Dubure: Today or not
today“ -04.07.
Kunsthalle Messmer
- „Linda McCartney: The Sixties and
more“ -04.07.
ROTTWEIL
Erich Hauser Kunststiftung
- „Sammlung“ -ständig
SPEYER
Historisches Museum der Pfalz
- „Medicus: Die Macht des Wissens“
-13.06.
- „Der Grüffelo“ -27.06.
STAUFEN
Galerie K
- „Restart 2.1“ b.a.w.
Keramikmuseum
- „Andreas Steinemann: Der perfekte
Schnitt“ -04.07.
STRASBOURG (F)
Archäologisches Museum
- „Archäologische Sammlung“-28.06.
Museum für bildende Kunst
- „Wofür wurden Bilder gemalt, als es
noch keine Museen gab?“ -02.08.
ST. Gallen (CH)
Kunstmuseum
- „Erker“ -21.11.
- „Welt am Draht“ -29.08.
- „Einblicke - Ausblicke. Sammlungsperspektiven
II“ 05.06.-10.10.
Museum im Lagerhaus
- „Durch die Linse: Fotografien aus
dem Psychatriealltag“ -11.07.
ST. Märgen
Kloster Museum
- „Holzräderuhren“ -2021
STUTTGART
Kunstmuseum
- „Frischzelle_27: Claudia Magdalena
Merk“ -19.09.21
- „Kamm, Pastell und Buttermilch“
-26.09.
Landesmuseum
- „Fashion?! Was Mode zu Mode
macht“ -24.04.22
Staatsgalerie
- „Mit allen Sinnen! Französischer
Impressionismus“ -04.07.
- „Joseph Beuys. Der Raumkurator“
-18.07.
- „Trotz allem. Fred Uhlman. Ein jüdisches
Schicksal“ -12.09.
TÜBINGEN
Art 28 Gallery
- „90 Jahre Janosch“ -28.08.
Kunsthalle
- „Karin Sander“ -04.07.
ULM
Kunsthalle Weishaupt
- “Intermezzo - Die Sammlung als
Zwischenspiel“
b.a.w.
WALDENBUCH
Museum Ritter
- „Heinz Mack. Werke im Licht (1956-
2017) -19.09.
WALDKIRCH
GeorgScholzHaus
- „Stefanie Höll: Temporary Setup“
13.06.-18.07.
WATTWILLER (F)
Fondation Francois Schneider
- „Les territoires de l‘eau“ -26.09.
WEIL AM RHEIN
Vitra Design Museum
- „Deutsches Design 1949–1989:
Zwei Länder, eine Geschichte“- 05.09.
- „Memphis. 40 Jahre Kitsch und
Eleganz“ -23.01.22
Wien (A)
Belvedere
- „Johann Jakob Hartmann“ -29.08.
- „Christine und Irene Hohenbüchler“
-12.09.
Kunstforum
- „Gerhard Richter: Landschaften“
-07.03.
- „Daniel Spoerri“ -27.06.
MUMOK
- „Hugo Canoilas. On the extremes of
good and evil“ -20.06.
WOLFSBURG
Kunstmuseum Wolfsburg
- „In aller Munde. Von Pieter Bruegel
bis Cindy Sherman“ -06.06.
- „Macht! Licht!“ -10.07.
- „Mischa Kuball. ReferenzRäume“
-19.09.
ZÜRICH (CH)
Kunsthaus
- „Gerhard Richter. Landschaft“-25.07.
- „Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte“
-29.08.
Migros Museum für Gegenwartskunst
- „Yael Davids: One Is Always a
Plural“ -05.09.
Museum Haus Konstruktiv
- „Dóra Maurer: Zimoun“ 10.06.-12.09.
Photobastei
- „Zürich - Schwarz auf Weiss“
-06.12.
„Distanz schärft
den Blick“
8. Schweizerische Triennale der Skulptur in
Bad Ragaz
Die Bad RagARTz 2021, eine
der renommiertesten Freiluftausstellungen
weltweit, ist
noch bis 31. Oktober 2021 zu
bestaunen. Während dieser
Zeit verwandeln sich der Kurort
Bad Ragaz und – erstmals
in der Geschichte der Ausstellung
– auch das idyllisch gelegene
Valens im Taminatal in
eine Landschaft voller Skulpturen.
Ergänzend findet im
Alten Bad Pfäfers das ebenso
beliebte Festival der Kleinskulpturen
statt.
Rund 80 Künstler*innen aus
zahlreichen Ländern zeigen
um die 400 Skulpturen. Das
Motto lautet heuer „Distanz
schärft den Blick“. Ursprünglich
inspiriert vom „Weltanschauungsmodell“
des bekannten
deutschen Künstlers
Ottmar Hörl hat der Slogan in
den letzten Monaten einiges an
Tragweite gewonnen.
Kunst hilft, Distanzen zu
überbrücken, zu verringern.
Zuversichtlich zeigen sich deshalb
in diesen für alle nicht
einfachen Tagen die Organisatoren
Esther und Rolf Hohmeister:
„Einmal mehr ist die
Kunst der Lichtblick und ein
hoffnungsvolles Zeichen für
eine Zukunft voller Kreativität,
Gemeinsamkeit und Freude“.
Die Kunstwerke bereichern
Skultpuren von Reiner Seliger bei der Triennale 2021 in Bad Ragaz
den sozialen Raum im Sarganserland
für mehrere Monate.
Auf der Liste der Kunstschaffenden
finden sich illustre Namen
wie Don Porcaro (USA),
Xhixha Helidon (Albanien),
Christina Wendt (Schweiz),
Liu Yonggang (China), Samuel
Salcedo (Spanien), Mahmoud
Obaidi (Irak) oder Christel
Lechner (Deutschland). Auch
der Freiburger Künstler Reiner
Seliger stellt bei der 8. Schweizerischen
Triennale der Skulptur
in Bad Ragaz und Valens
Skulpturen aus.
An der Bad RagARTz 2021
gibt es keine Türe und keinen
Eintritt. Man braucht nur die
Bereitschaft, der Kunst auf
Schritt und Tritt begegnen zu
wollen. Hinter dem Engagement
des Ehepaars Hohmeister
steht die Idee, Kunst aus
Foto: Reiner Seliger
Museen ins Freie zum Publikum
zu bringen. Events wie
DorfART oder die zahlreichen
Kunstführungen bereichern
die Skulpturenschau in diesem
Jahr.
„Distanz schärft den Blick“,
8. Schweizerische Triennale
der Skulptur in Bad Ragaz und
Valens. Bis 31. Oktober 2021.
Weitere Infos: www.badragartz.ch
16 KULTUR JOKER kultour
Alexandre Rockwell: „Sweet Things“ Foto: PD
Kinoträume und echte Begegnungen
Das Bildrausch Filmfest feiert Jubiläum – mit einem abwechslungsreichen hybriden Programm vor Ort und digital
Ein etabliertes Format hat
Grund zum Feiern. Das
Bildrausch Filmfest in Basel
findet 2021 zum nunmehr
zehnten Mal statt und schafft
zu schwierigen Zeiten Kinoerlebnisse
im hybriden Format.
Vom 16. bis 20. Juni
kommen Kinobesuche und
Streamingangebote zusammen
und eröffnen einen Blick
zurück und in die Zukunft –
die Zukunft des Bildrausch
Filmfests und die Zukunft
des Kinos überhaupt.
Das Bildrausch Filmfest versteht
sich von seinen Anfängen
im Jahr 2011 an als eine
Brücke zwischen Basel und
der Welt, dem Gestern und
dem Heute. Der Wettbewerb
„Cutting Edge“ war immer
international und bot Stimmen
und Bildern aus aller Welt
Raum. Eine Hommage bietet
das Bildrausch Filmfest im
Jubiläumsjahr dem Künstlerpaar
Joana Hadjithomas und
Khalil Joreige sowie dem kanadischen
Filmemacher Félix
Dufour-Laperrière. Sie alle
trennen Gegenwart nicht von
der Vergangenheit, das Öffentliche
nicht vom Privaten,
sondern suchen in ihren tiefgreifenden
Beobachtungen
Verschränkungen, die es erst
ermöglichen, die komplexe
Gegenwart begreifbar zu machen.
Aus dieser Perspektive
ergibt sich der Kampf gegen
repressive Systeme des Kolonialismus
oder des Patriarchats.
Ein Kampf, der nicht
immer ernst, sondern auch
mit Spiel und Humor beginnt,
bisweilen auch mit nackter Panik.
Am Ende bleibt die selbstbewusste
Pose jener, die den
Widerstand wagen, im Leisen
oder Lauten.
Im Jubiläumsjahr stellt das
Bildrausch Filmfest eine neue
Programmsektion vor: „Kaleidoskop“
ist ihr Name und ihr
Programm. Die Zeit, in der
wir leben, soll in allen Facetten
und Details, die uns das
Kino geben kann, gespiegelt
werden. Von Gattungsgrenzen
soll also erst gar nicht
gesprochen werden. Kunstexperimente
und Genrefilme
stehen Seite an Seite und bilden
ein vielfältiges Bild der
Wirklichkeit, dem sich das
Festival auch überhaupt verschreibt
– ebenso wie es sich
den Begegnungen auf und neben
der Leinwand verschreibt.
Im neuen Festivalzentrum auf
dem Theaterplatz, bei den
zahlreichen Partnerinstitutionen
oder beim nächtlichen
filmischen Stadtrundgang „A
City is a Cinema“ (18.06., 22
Uhr). Neu ist dieses Jahr der
digitale Begegnungsraum, der
alle mit Internetverbindung
dazu einlädt, die verschiedenen
Formate des Festivals
auch daheim zu entdecken.
Doch zurück zu den Ehrengästen
des Festivals. Das libanesische
Duo Joana Hadjithomas
und Khalil Joreige
schafft seit mehr als 25 Jahren
ein kritisches Bewusstsein
für das Land, in dem sie leben.
Die Ko-Leiter*innen des
Filmfests Nicole Reinhard und
Beat Schneider dazu: „An der
Schnittstelle zwischen Kunst
und Film ergründet ihr persönlich
geprägtes Werk die
Geschichte und Gegenwart
ihrer durch Krieg und Gewalt
gebeutelten Heimat.“ Ein Beispiel
dafür gibt ihr Dokufilm
„Khiam“ , der von dem gleichnamigen
Haftzentrum und
seinen Opfern erzählt. (18.06.,
14 Uhr) „Je Veux Voir“ zeigt
Catherine Deneuve und Rabih
Mroué auf ihrer Reise zu den
Schauplätzen des Libanonkrieges.
Fiktion und Realität
vermengen sich. (19.06., 19
Uhr) „The Lebanese Rocket
Society“ erzählt von der unwahrscheinlichen
Weltraummission
libanesischer Studierender
(20.06., 10.15 Uhr),
während „Memory Box“ ganz
persönlich Dokumente geflüchteter
libanesischer Frauen
erkundet (18.06., 21 Uhr). Privates
und Gesellschaftliches
sind bei Joana Hadjithomas
und Khalil Joreige nie zu trennen.
An einen anderen Ort lenkt
die nächste Hommage des
Filmfests. Félix Dufour-
Laperrière ist Chronist der
Zukunft und Geschichte des
kanadischen Quebec. „Seine
visuell betörenden Animationen
befreien das Kino von
herkömmlichen Zuschreibungen
und tauchen persönliches
Erleben und politische
Heimat in sinnliche Poesie“,
so die Ko-Leiter*innen.
kultour KULTUR JOKER 17
Von den Traditionen des Films
lässt sich Dufour-Laperrière
nicht beschränken. Die Werke
des jungen Filmmachers vereinen
Spiel-, Dokumentar-,
Animations- und Avantgardefilm.
„Transatlantique“ ist der
erste Film der kleinen Werkschau.
Hier steht ein Frachter
im Mittelpunkt, ein Frachter
und seine Begegnung mit den
Urgewalten des Atlantiks.
(19.06., 16 Uhr) Eine ganz anders
geartete Begegnung verspricht
„Ville Neuve“, der von
der Beziehung Josephs und
Emmas erzählt – in Tusche
und expressiver Farbe. (17.06.,
18.45 Uhr) Wer hier schon
die Abwechslung liebt, wird
mit dem Kurzfilmprogramm
bedient. Zehn kleine Filme
zeigen Dufour-Laperrières
Fähigkeit, Stil und Inhalt frech
und lebendig zu wechseln und
eigensinnige Werke zu gestalten.
(18.06., 16 Uhr).
Unter dem Titel „Im Neuen
Kino“ steht ein kleines Special
zu Ludwig Wüst. Dessen
Trilogie bestehend aus
„Das Haus meines Vaters“
(17.06., 18 Uhr), „Aufbruch“
(17.06., 20.30 Uhr), „3.30PM“
(18.06., 20.30 Uhr) erzählen
von Roadtrips zur „Heimat“,
ob das ein Elternhaus oder die
Transzendenz bedeutet.
Transzendenz im Mindesten
verspricht das neue Format
„Kaleidoskop“. Einen ungewöhnlichen
Blick bietet Joe
Odagiris Film „Aru Sendo
No Hanashi“ über einen Fährmann,
der auf eine Leiche
trifft. (20.06., 18 Uhr) Ganz
abstrakt sind „Bill Morrisons
Hypnotic Pictures“, eine Reise
durch Bild- und Tonwelten,
nah am filmischen Material.
(17.06., 21.30 Uhr) Ein Klas
siker des iranischen Kinos ist
„Gavaznha“, die Geschichte
des Diebes Ghodrat, der
die ganze Zeit auf der Flucht
bleibt. (19.06., 14 Uhr) Die
Begegnung zweier klassischer
Regisseure, Dennis Hopper
und Orson Welles, verspricht
die eigensinnige Dokumentation
„Hopper/Welles“. (20.06.,
11 Uhr) Eine bissige Satire
verspricht Franco Maresos
Portrait der Mafia: „La Mafia
Non É Più Quella Di Una
Volta“. (19.06., 17 Uhr) Experimentell
hingegen Siegfried
A. Fruhaufs Manipulation
idyllischen Bildmaterials –
mit halluzinogener Wirkung:
„Fruhaufs Kosmos“! (19.06.,
22.30 Uhr) In diesem wilden
Programm verschiedener Perspektiven
muss aber auch ein
bisschen Spiel sein. „Les Sorcières
De L‘Orient“ berichtet
vom legendären wie sonderbaren
Erfolg des Damenvolley-Teams
eines japanischen
Textilkonzerns in den 60ern.
(18.06., 18.30 Uhr) Ebenfalls
eine Geschichte über Frauen
Susanna Nicchiarelli: „Miss Marx“
bietet „The World to Come“,
eine leise lesbische Liebesgeschichte
im Jahr 1850. (18.06.,
18.15 Uhr) Auch „Zumirki“
spielt an einem entfernten
Ort, einer halbüberschwemmten
Flussinsel. Hier baut sich
Regisseur Oskar Alegria eine
Holzhüte, deren Inneres zum
kinematografischen Schauraum
wird. (20.06., 13.30 Uhr).
Zum Schluss zum Herzstück
des Bildrausch Filmfests, dem
internationalen Wettbewerb
„Cutting Edge“. Hier treten
Filme aus verschiedenen Ländern
gegeneinander an. Zum
Festivalende entscheidet eine
Expertenjury, welcher Film
gewinnt und zeichnet den/die
Schaffende dahinter mit dem
Bildrausch-Ring der Filmkunst
aus.
Im Wettbewerbsprogramm
ist auch der neue Film des
Ehrengasts Félix Dufour-
Laperrière: „Archipel“, eine
metaphorische wie tatsächliche
Reise auf die 234 Inseln
des kanadischen Hochelaga-Archipels.
(18.06., 21.15
Uhr; 19.06., 11.15 Uhr) Ganz
anders „Blutsauger“ – eine
Vampirkomödie zwischen Stalins
Russland und Amerika.
(18.06., 13 Uhr; 19.06., 21.15
Uhr) „Dashte Khamoush“ berichtet
vom Zusammenbruch
einer Backsteinfabrik im
Iran – mit alle seinen Folgen
für das tragische Individuum.
(17.06., 13.30 Uhr; 18.06.,
18.15 Uhr) Dominik Graf, der
den diesjährigen Ehrenpreis
des Filmfests erhält, ist mit
seiner Kästner-Verfilmung
„Fabian oder der Gang vor die
Hunde“ außer Konkurrenz im
Wettbewerb vertreten. (19.06.,
19.30 Uhr) Fiktionalisiert und
doch mit erschreckend realem
Vorbild ist „Feast“, das von
einer gezielten Infektion einiger
Männer mit HIV erzählt.
(18.06., 15.45 Uhr; 20.06.,
16.30 Uhr) Eine ebenfalls fatale
Begegnung beschreibt die
filmische Collage „Jenayat-E
Bi Deghat“ über einen Brandanschlag
auf ein iranisches
Kino 1978 und der Begegnung
von Tätern und Opfern vor
der Leinwand später. (17.06.,
13 Uhr; 19.06., 18 Uhr) „Në
kërkim të Venerës“ berichtet
von der Selbstermächtigung
einer jungen Frau im Kosovo.
(17.06., 10 Uhr; 19.06., 19.45
Uhr) Weitere Filme im Wettbewerbsprogramm,
das sich
von der letzt- und diesjährigen
Pandemielage nicht einschränken
lässt, sind das Biopic der
Marx-Tochter Eleanor „Miss
Marx“ (16.06., 18 und 19.15
Uhr), die Dokumentation „A
Pas Aveugles“ über die Würde
Inhaftierter in Konzentrations-
und Vernichtungslagern
(17.06., 21 Uhr; 18.06., 10 Uhr)
oder die Jugendrevolte voller
Fantasie in „Sweet Things“
(16.06., 21.30 Uhr; 18.06., 10
Uhr).
Eine Master Class mit Kevin
B. Lee (18.06., 11 Uhr), eine
Lecture zu Holz von Special
Guest Ludwig Wüst (18.06.,
16.30 Uhr), das Format „Filmschaffende
an den Kopftöpfen“
(19.06., 18.30 Uhr) oder
das Bildrausch Filmquiz
(19.06., 21.15 Uhr) bieten dazu
ein buntes Rahmenprogramm
und Raum für Begegnungen.
Für das Bildrausch Filmfest
ist ein Festivalpass erhältlich.
Der Vorverkauf ist eröffnet.
Das vollständige Programm
mit weiteren Filmen, Details,
Foto: PD
den Spielstätten sowie die
Möglichkeit zum Online-Streaming:
www.bildrausch-basel.
ch
Fabian Lutz
18 KULTUR JOKER VISION
Zur Vielfalt der Kultur in
Freiburg zählen die Orte, an
denen sich etwas ereignet. Seit
Ende 2020 ist die ehemalige Gaskugel
der Badenova im Gewann
Betzenhausen für eine neue Nutzung,
anstatt eines Abrisses, in
der Debatte. Martin Flashar
sprach mit der Initiatorin des
Vorhabens Heike Piehler.
Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,
wie entstand die Idee zu dem
Gaskugel-Projekt?
Heike Piehler: Es ging darum,
die Kugel vor dem Abriss zu bewahren
– das war im Sommer
2019, als sich der Arbeitskreis
Gaskugel mit seinen vier Trägerinstitutionen
formierte. Gleichzeitig
brauchte es ein Nutzungskonzept,
um zu zeigen, was hier möglich ist,
und schließlich ein breites Netzwerk
von Mitdenker*innen und
Unterstützer*innen.
Kultur Joker: Als Kunsthistorikerin
und ehemalige kuratorische
Leiterin des E-Werks in Freiburg
kennen Sie die Szene und haben
ein Gespür für den Bedarf. Warum
die Gaskugel als neuer Kunstort?
Heike Piehler: Ich würde es anders
herum sehen: Die Gaskugel
Kulturort Gaskugel
Eine Chance für Freiburg
Heike Piehler, Initiatorin des Gaskugel-Projekts
Foto: privat Die stillgelegte Gaskugel Foto: Arbeitskreis Gaskugel
ist ja nicht neu, sie ist schon da,
ein Kulturdenkmal per se. Unser
Ziel ist, dieses imposante Bauwerk
für die Bürger*innen zu
öffnen und erlebbar zu machen.
Veranstaltungen wie im E-Werk
sind hier gar nicht möglich: Die
Echoakustik ist so spektakulär
und so dominant, dass hier nur
Aufführungen funktionieren, die
unmittelbar auf diese Akustik
eingehen, mit ihr spielen.
Kultur Joker: Verantwortlich
für das Projekt zeichnet eine
gemeinnützige GmbH. Wie finanziert
sie sich? Brauchen Sie
öffentliche Zuschüsse?
Heike Piehler: Die Freiburger
Stiftung BauKulturerbe hat der
Stadt und der Badenova angeboten,
die Kugel zu übernehmen. Sie
ist seit Beginn dabei und bringt
ihre Expertise ein. Wir planen
den Betrieb ohne institutionelle
Zuschüsse, als Bürgerprojekt,
gemeinnützig. Im Gegenzug sind
wir aber auf die Finanzierung der
notwendigen Baumaßnahmen
und der Erstausstattung angewiesen,
und auf Unterstützung bei
der Einwerbung überregionaler
Fördergelder.
Kultur Joker: Sie kennen natürlich
den Gasometer in Oberhausen,
Ausstellungshalle seit 25
Jahren. Und es gibt den ‚kleinen
Bruder‘ in Pforzheim, der stärker
interdisziplinär, aber auch
kommerzieller arbeitet, z. B. als
Event-Location. Wie sehen Sie
das künftige Profil der Freiburger
Gaskugel?
Heike Piehler: Der Gasometer
in Pforzheim wurde von innen
und außen komplett verkleidet,
da ist vom eigentlichen Denkmal
nicht mehr viel zu sehen. In Oberhausen
wurde das sehr viel besser
gelöst, puristischer, das wäre ein
gutes Vorbild. Wobei das Innenleben
einer rundum geschlossenen
Eisenkugel selbst schon
ein verrücktes Erlebnis ist, ein
Klang-Event, das man so schnell
nicht vergessen wird. Anders als
in Pforzheim und in Oberhausen
wird es ein intimeres Erlebnis nur
für kleine Besuchergruppen sein.
Eine größere Besucherzahl ist
wegen der speziellen Akustik gar
nicht möglich – also auch keine
kommerzielle Event-Location.
Kultur Joker: In Kürze erscheint
das Buch „Freiburger
Gasgeschichte(n)“ …
Heike Piehler: Um jedes Baudenkmal
rankt sich ein Stück Zeitgeschichte.
Wir hatten Glück, dass
mit Richard Funk ein ausgewiesener
Kenner ins Team gekommen
ist: Als Technischer Direktor
der früheren FEW (Freiburger
Energie- und Wasserversorgung
AG) hat er die Kugel mit geplant
und weiß viel zu erzählen. Im
Ruhestand hat er einen Rückblick
zur Freiburger Gasversorgung
seit 1850 verfasst. Inzwischen ist
Richard Funk 91 Jahre alt und ich
bin froh, dass wir sein wertvolles
Wissen festhalten können. Und
ich war überrascht, was sich in
den Bildarchiven noch alles fand,
zum Beispiel auch vom Bau der
Kugel oder der früheren Gasometer,
die längst abgerissen sind.
Kultur Joker: Also der bewusste
Fingerzeig auf die in Freiburg so
raren Industriedenkmale …?
Heike Piehler: Ja genau, es gab
z. B. noch eine zweite, kleinere
Kugel im Industriegebiet Nord,
das weiß heute fast niemand mehr.
Wir wollten aber auch wissen, wie
es künftig um die Gasversorgung
bestellt ist, ob Gas als fossiler
Energieträger überhaupt eine Zukunft
hat? Dieser Frage widmet
sich der Energiejournalist Bernward
Janzing in seinem Ausblick
mit interessanten Ergebnissen.
Wir sind inzwischen gerüstet, ab
sofort Führungen zur Gaskugel
anzubieten.
Kultur Joker: Derzeit arbeitet
Ihre Initiative an einem ‚Betriebskonzept‘,
das in ein bis zwei
Monaten der Öffentlichkeit vorgestellt
werden soll. Können Sie
schon erste Eckpunkte verraten?
Wie ist der weitere Zeitplan?
Heike Piehler: Wir wollen
die Kugel zugänglich machen
und sie bespielen, den Park
öffnen, ein Ausflugsziel vor
allem für Fußgänger*innen und
Fahrradfahrer*innen schaffen,
mit Gartencafé und der nötigen
Infrastruktur. Darüber hinaus
geht es darum, die Geschichte des
Denkmals zu vermitteln und ein
Doku-Zentrum zum Thema „Wasser
– Klima – Energie“ zu realisieren,
das den Blick in die Zukunft
richtet. In dem Betriebskonzept
versuchen wir, alles konkret zu
planen und mit Zahlen zu hinterlegen.
Sobald wir grünes Licht
von der Stadt und der Badenova
bekommen, geht es dann um die
Einwerbung von Drittmitteln. Unser
Ziel ist, in zwei bis drei Jahren
eröffnen zu können.
Kultur Joker: Liebe Frau Piehler,
wir danken für das Gespräch
und wünschen viel Erfolg!
Info:
www.gaskugel-freiburg.de
Der „Arbeitskreis Gaskugel“
ist eine gemeinsame Initiative
von: Bürgerverein Betzenhausen-
Bischofslinde e.V., Kultur- und
Geschichtskreis Betzenhausen-
Bischofslinde e.V., Arbeitsgemeinschaft
Freiburger Stadtbild
e.V. und Stiftung BauKulturerbe
gGmbH.
R. Funk, Freiburger
Gasgeschichte(n) – 1850 bis heute.
112 Seiten, Picea Verlag Freiburg.
14,80 €. Erscheint am 1. Juli
2021.
Satzung erweitert, offene Fragen
Kunstkommission bekommt mehr Befugnisse, aber auch Verantwortung
Die Kunstkommission der
Stadt Freiburg wurde 2014
neu eingesetzt – nachdem es
kulturpolitischen Protest gab,
sie zu reaktivieren. Das Vorgängergremium
war 2003 auf
Beschluss des Gemeinderats
aufgelöst worden. Mit der
Neuetablierung wurde eine
Satzung für die Kommission
verabschiedet. Nun entstand
Handlungsbedarf, selbige zu
erweitern.
Zum Jahresbeginn 2020
wurden nicht nur die Sachmittel
des Gremiums aufgestockt,
sondern auch eine 50
%-Stelle im Kulturamt für die
Geschäftsführung eingerichtet.
Der Gemeinderat hat am 24.
März 2021 die neue Satzung
verabschiedet. Auslöser waren
zwei Projekte im Rahmen
des sog. Stadtjubiläums, die
öffentlich aufgestellte Kunstwerke
betrafen, indes nicht mit
der Kommission abgestimmt
waren. Die wesentliche Änderung
besteht darin, dass auch
die „städtischen Gesellschaften
und städtischen Eigenbetriebe“
in den Verfügungsbereich
überschrieben werden. Gut ist
auch, dass temporäre Projekte
ab dreimonatiger Präsenz dem
Gremium vorzulegen sind. Zudem
kann und soll die Kommission,
was ohnedies klar
war, „konzeptionell arbeiten …
und zu einem innerstädtischen
Diskurs über Kunst im öffentlichen
Raum beitragen“. Das ist
ein deutlicher Auftrag! Es gab
einige öffentliche Veranstaltungen.
Doch seit Beginn der
Pandemie wurde es merklich
still. Erweiterte Impulse und
Formate sind also gefragt!
Ein Problem bleibt die Besetzung
des Gremiums. Die Mitglieder,
„zwei Künstler*innen,
zwei Kunstvermittler*innen,
ein Landschaftsarchitekt/in
oder Stadthistoriker/in“ werden
auf fünf Jahre berufen.
Aus der ersten Garde traten
die Künstlerin Andrea Mihaljevic
und der Architekt Michael
Gies nach Ablauf ihrer
Amtszeit 2019 nicht mehr an.
Aber wie erfolgt die Neubesetzung?
Das scheint auch durch
die Satzung in der erneuerten
Version nicht ganz eindeutig
zu sein. Der Gemeinderat hatte
keine alternativen Vorschläge,
konnte (und wollte wohl auch)
nicht debattieren und winkte
die Vorlage der Kulturverwaltung
am 11.10.2019 durch. Jetzt
sind da die Landschaftsarchitektin
Ane Nieschling und die
Kunststudentin Katrin Bauer
nachberufen. Ein Passus, der
sinnvollerweise auf eine einmalige
Wiederwahl limitiert,
fehlt auch in der neuen Satzung
noch.
Seit wenigen Tagen ist ein
50-minütiger (!) „Podcast“ der
Kommission online, zum Thema
„Street-Art“ und „Graffiti“
im öffentlichen Raum.
Viel persönliche Meinung der
Gremiumsmitglieder wird da
vorgelesen. Das Thema sollte
aber wirklich direkt mit den
angesprochenen Street-Art-
Künstlern, geführt sein – und
nicht ‚über sie‘. Im Moment
wirkt das wie ein Déjà-Vu, wie
ein Diskurs, der in anderen
Städten vor ca. 15 Jahren längst
schon gelaufen ist.
Martin Flashar
Kultur-los! KULTUR JOKER 23
Wir bleiben in Kontakt
Eine Kampagne steht für die Bindung zwischen Kulturszene und Publikum
S
eit gut einem Monat
infiltriert das
Futur II den öffentlichen
Raum in
Freiburg. Und noch
nie klang es optimistischer, so
als läge die Pandemie hinter
uns, so als wäre die Erfahrung
verarbeitet und längst
Teil des kollektiven Gedächtnisses.
Also: wer werden wir
gewesen sein? Doch wenn die
gemeinsame Aktion von Kulturamt
Freiburg, Theater Freiburg,
den Städtischen Museen
und der Stadtbibliothek etwas
nicht will, dann ist es, einfache
Antworten geben. Gemeinsam
mit den Kooperationspartnern
Schiffmann und der Agentur
Feyka und Herr haben die
städtischen Kulturinstitutionen
die Initiative kultur_los!
gestartet.
Sie ist eine Kampagne, die
den verschiedenen Institutionen
und Initiativen der Stadt
Sichtbarkeit geben will, aber
zugleich diese mit ihrem Publikum
verbinden möchte.
Denn kultur_los! meint nicht
nur, dass es jetzt doch endlich
mal wieder losgehen sollte mit
Theater, Museen, Kino, Konzerten
und Führungen, sondern
es meint auch ganz konkret
eine Verlosung. Lose sind
etwa Gutscheine für Aktionen
oder Veranstaltungen, um die
man sich bewerben kann.
In einer Zeit, in der die
Kultur in den Schatten des
Corona-Virus gerückt ist und
jenseits von Streamings einfach
nicht stattfindet, will die
Initiative diesen Verlust auch
als solchen bezeichnen. Und
aufzeigen, wie es weiter gehen
könnte, wenn die coronabedingten
Auflagen aufgehoben
sind. Kultur_los! ist ein Multiplikator
und ist offen für alle
jene, die gerade nicht spielen,
ausstellen oder Musik machen
können.
Entsprechend umtriebig ist
Kultur_los! in den sozialen
Medien. Und so haben sich
an die Initiative unter anderem
die Zinnfigurenklause,
die Schwule Filmwoche, aber
auch das Wallgraben Theater
angehängt. Gut 100 Einrichtungen
sind mittlerweile Teil
dieser Bewegung. „Kultur_los!
ist auch eine Auseinandersetzung
mit diesem Verlust und
der Frage, was bedeutet Kultur
und Kunst für mich“, sagt
Clementine Herzog vom Kulturamt
Freiburg. Die Idee kam
nach dem zweiten Lockdown
Wenn wir
auf heute
zurückblicken:
im vergangenen Herbst und
nach den Werkstattgesprächen
mit der freien Szene im Dezember
auf, die als Plattform
für einen gemeinsamen Austausch
von Kulturschaffenden
und den Häusern genützt wurden.
Finanziert wird Kultur_
los! von den vier Institutionen,
die als Initiatoren auftreten,
die jedoch keine Projektgelder
dafür verwenden. Was in Kultur_los!
fließt, wird nicht von
den Geldern abgezwackt, mit
denen etwa das Kulturamt die
freie Szene fördert.
Wer werden
wir
gewesen
sein?
Wenn die
Frage die
Antwort ist:
kulturlos.org
Und weil Kultur_los! zwar
keine einfachen Antworten
geben will, aber eben doch
der Kultur Räume eröffnen
möchte, breitet sich die Initiative
nicht nur wie ein Myzel
auf Instagram und Facebook
aus, sondern ist in der Stadt
durch eine Plakataktion, Flyer
und Sticker präsent. Die
Webseite bündelt alles. Die
Initiative will vor allem Anregungen
geben und so eine
Brücke schlagen zu der Zeit,
in der hoffentlich wieder alles
zugänglich ist. Und so machen
die Kulturschaffenden das,
was sie am besten können.
Die Stadtbibliothek etwa gibt
Lesetipps, Musikerinnen und
Musiker bieten Workshops an
wie etwa das ensemble aventure,
das Kulturamt lädt zu
Stadtführungen zum Thema
Kunst im öffentlichen Raum
ein. Ein bis zwei Verlosungen
pro Woche finden statt.
Die jeweiligen Formate
suchen Nähe zwischen Veranstalter
und Publikum. Beteiligen
sich möglichst viele,
dann schafft Kultur_Los! einen
Übergang zu den ersten
Veranstaltungen, gewinnt
vielleicht sogar ein neues Publikum
und schärft den Blick
für das, was uns wichtig ist.
Damit nicht genug, soll es
im Sommer ein eigenes Kultur_Los!
Festival geben. Im
Rahmen von Kultursommer
werden vom 5. bis 16. August
auf dem Alten Messplatz, dem
Stühlinger Kirchplatz und
dem Eschholzpark Bühnen
mit Konzerten bespielt. Das
Festival wird ein Funken sein,
den Kultur_los! in die Zukunft
schlägt, die hoffentlich nie
mehr ohne Kultur auskommen
muss.
Weitere Infos: www.kulturlos.org
Annette Hoffmann
24 KULTUR JOKER nachhaltig
Philosophie des fließenden Raumes
Japanische Shoji-Schränke: Faszinierendes Flair und intelligenter Stauraum
Shoji-Schiebetüren finden
ihren Ursprung im Japan des
siebzehnten Jahrhunderts und
gehören bis heute zum traditionellen
Bild japanischer Innenarchitektur.
Das Spiel aus
hölzernen Rahmen und dem
sogenannten Washi, also der
federleichten weißen Bespannung,
welche aus Pflanzenfasern
hergestellt wird, verleiht
jedem Raum eine schlichte
Eleganz.
Die Freie Holzwerkstatt, die
Freiburger Spezialisten für japanische
Schiebtürenschränke
entwickeln seit fast 30 Jahren
Shojilösungen für individuelle
Kundenwünsche.
„Was für mich die Shojis so
außergewöhnlich macht, ist,
dass sie mit der modernen,
reduzierten Gestaltung einen
Raum mit Leben füllen“,
schwärmt Schreinermeister
Thomas Bethmann. Seit 1978
steht die Freie Holzwerkstatt
in Freiburg für ökologische,
nachhaltige und ergonomische
Möbel und Küchen.
Die Freie Holzwerkstatt plant
und produziert mit grünem
Strom aus Blockheizkraftwerk,
Solarzellen und EWS Strom in
der FABRIK für Handwerk,
Kultur und Ökologie. Die Massivhölzer
werden mit lösungsmittelfreien,
zertifizierten
Ölen oberflächenveredelt.
Die japanischen Shojitüren
sind vielseitig einsetzbar und
sind durch die federleichte
Bauweise spielerisch leicht zu
schieben und durchfluten die
Räume mit warmem Ambiente.
Besonders beliebt sind die
neuen Modul Shoji- und die
Individual Shoji-Schränke, die
durch die federleichten Schiebetüren
(man kann sie tatsächlich
mit dem kleinen Finger
aufschieben!) nicht nur Platz
sparen, sondern jeden Raum
in eine Oase der Ruhe verwandeln.
„Für eine Musikern haben
wir vor kurzem einen Modul
Shoji mit eingebautem Laptoptisch
gebaut!“, erzählt Bethmann.
Durch die Anforderungen
im Leben und im Berufsalltag
vieler Menschen, habe
sich das Repertoire der Shojis
erweitert, Kreativität und gute
innovative Planungsei gefragt.
Das FH Team entwickelt optimale
Lösungen und erfüllt
Einrichtungswünsche! Gerade
fürs Homeoffice sind Shoji-
Schränke eine tolle Alternative
zum Regal, da sie zum einen
Ruhe in den oft kleinen Raum
bringen und zum anderen viel
Stauraum fürAktenordner,
Bücher & Co bieten.Individuelle
Extras für besondere
Anwendungen werden von
den Schreinern nach Kundenwunsch
entwickelt. „Viele unserer
Kunden nutzen die Shojis
als Hintergrund für Videokonferenzen
oder sogar professionelle
Webinare“, führt
Bethmann aus. Das schlichte
Design der Shojis kombiniert
mit kurzer Lieferzeit der FH
ModulShoji, der persönlichen,
individuellen Beratung und
dem guten Preis-Leistungs-
Verhältnis überzeugen.
Indirekte Beleuchtung verwandeltden
Shoji in ein Kunstwerk
aus Lichtspiel, das ein
echter Hingucker ist und ein
Leben lang Freude bereitet.
Im Schauraum in der Habsburgerstraße
9, in
der FABRIK können
Interessierte
verschiedene Shoji
probeschieben und
sich beraten lassen.
Bitte vereinbaren
Sie mit den
Schreinern einen
Besprechungs- und
Planungstermin.
Weitere Infos:
www.shoji.freieholzwerkstatt.de
/ www.freie-holzwerkstatt.de/
0761-
54 53 1
Schrank mit
Laptoptisch
Fotos: Freie Holzwerkstatt
Shoji-Schränke
verwandeln
Räume in Oasen
der Ruhe
Vom Acker auf den Teller
Wiederanbindung von Stadt und Umland durch regionale Versorgungsstrukturen
Die sichere Versorgung mit
Nahrungsmitteln war lange
ein wichtiger Bestandteil der
Beziehungen zwischen Stadt
und ländlichem Raum. Agrarsysteme
sind jedoch zunehmend
globaler und Wertschöpfungsketten
länger geworden.
Die Konsequenz: Städte und
urbane Ballungsräume werden
heute immer weniger aus dem
Umland versorgt.
Eine Wiederanbindung von
Stadt und Umland durch regionale
Versorgungsstrukturen
bietet große Potenziale für
Nachhaltigkeit. Im strukturschwachen
Umland kann eine
regionale Versorgung nicht
nur die Infrastruktur stärken,
sondern auch Möglichkeiten
zur bürgerlichen Teilhabe anregen.
Einer der prominentesten
Akteure in der Region
Freiburg, der sich im Feld der
bürgerlichen Teilhabe und
verantwortungsvoller Ernährungswirtschaft
engagiert, ist
die Regionalwert AG. Über die
Kapitaleinlagen (Bürgeraktien)
der Bürger*innen werden
ökologisch arbeitende Höfe,
Lebensmittelhandwerker und
-händler, Gastronomen wie
Dienstleister finanziert, um regionale
Wertschöpfungsketten
aufzubauen, die einen sozialökologischen
Mehrwert für
den Regierungsbezirk Freiburg
schaffen. Außerdem kann eine
nachhaltige, regionale Landwirtschaft
dem ‚Höfesterben‘
entgegenwirken oder auch
grüne, lebendige Kulturlandschaften
und Freiräume mit
hoher Erholungs- und Lebensqualität
fördern.
KOPOS (Neue Kooperations-
und Poolingmodelle für
nachhaltige Landnutzung und
Nahversorgung im Standt-
Land-Verbund), ein vom
Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF)
gefördertes Projekt, zielt auf
den Aufbau regionaler Versorgungsstrukturen
ab, um Stadt
und Land wieder stärker zu
verflechten und umweltfreundlich
zu wirtschaften. Regionale
Wertschöpfung zu stärken geht
mit Herausforderungen einher.
Dazu gehört, dass regionale
Akteur*innen im Vergleich zu
multilateralen Unternehmen
keine Größenvorteile (Skalenökonomien)
haben. Ein
weiterer erschwerender Faktor
ist, dass regionale Flächen und
lokale Arbeitskraft teuer sind.
Diesen Herausforderungen
widmet sich das KOPOS-Projekt,
indem es untersucht, wie
Kooperationen zwischen regionalen
Akteur*innen solche
Nachteile ausgleichen können.
Das Projekt umfasst zwei
Schwerpunkte: Während es
in Berlin-Brandenburg um
den Zugang zu und der Sicherung
von Flächen geht,
die in Ballungsgebieten immer
rarer und teurer werden,
adressiert die Projektregion
Freiburg im Breisgau den Aufbau
und Ausbau von kurzen
Wertschöpfungsketten. Um
Wertschöpfungsketten zu
verkürzen und zu regionalisieren
sind Kooperationen
zwischen Produzent*innen,
Verarbeitenden, Handel und
Konsument*innen unerlässlich
– vom Acker auf den Teller.
Eines von insgesamt fünf
Pilotprojekten im Freiburger
Handlungsfeld „Kurze Ketten“
ist die bürgerfinanzierte Regio-
BioKüche der Regionalwert
Immo GmbH & Co. KG – eine
mehrheitliche Tochtergesellschaft
der Regionalwert AG
Freiburg. Über die nächsten
eineinhalb Jahre wird das Projektteam
um Dominik Seidler
und Matthias Lohneis eng mit
den KOPOS-Wissenschaftlern
zusammenarbeiten. Weitere
Infos: www.kopos-projekt.de.
Menschen jeden Alters sollen
sich ökologisch, regional
und somit gesund ernähren
können – so der Anspruch der
RegioBioKüche. Ziel ist es, die
frische und saisonale Verpflegung
in Kitas, Schulen, Pflegeheimen
und Betriebskantinen
in Freiburg und dem gesamten
Umland zu verbessern – mit
100 Prozent Bioprodukten
(vorwiegend) aus der Region.
Ebenfalls soll die Großküche
Platz für eine Einmachküche
bieten, um das Lebensmittelhandwerk
im Südwesten zu
stärken und der Lebensmittelverschwendung
vorzubeugen.
Die Transparenz über fair gehandelte
und gesunde Lebensmittel
steht dabei ebenso im
Fokus, wie die Notwendigkeit,
das dazugehörige Wissen zu
vermitteln und schließlich das
Bewusstsein für hochwertige
Speisen bei Jung und Alt zu
schaffen.
Für den bevorstehenden Erwerb
des Grundstücks und
dem anschließenden Bau der
RegioBioKüche werden Beteiligungsmöglichkeiten
für
Bürger*innen, sowie Akteure
aller Art in unterschiedlichen
Größenordnungen angeboten.
Auch Unternehmen und
Kommunen können sich darüber
beteiligen. Weitere Infos:
www.regionalwert-immo.de/
projekte/.
nachhaltig KULTUR JOKER 25
Windkraft und Infraschall
Ein Lügengebäude zerfällt zu Staub
Man kennt es vom Brexit oder
der Trump-Wahl-Kampagne: Mit
den Informationen, die arglose
Nutzer:innen freigiebig an Datenhungrige
Internet-Konzerne geben,
wird ein Persönlichkeitsprofil
erstellt. Ähnlich wie die neugierigen
Nachbar:innen, die hinter
der Gardine alles mitbekommen,
„kennt“ nun die Datenkrake ihre
Pappenheimer und kann ihnen
gezielt Werbung und Unwahrheiten
auf den Bildschirm schicken.
Solche sogenannten Dark
Ads (Werbung im Verborgenen)
können unbemerkt in bestimmten
Kreisen zirkulieren, da diejenigen,
die es korrigieren könnten
oder hinter deren Rücken Lügen
verbreitet werden, gezielt vom
Informationsfluss ferngehalten
werden. Diese Form der digitalen
Wahlmanipulation wurde
bekannt als Cambridge Analytica
und Facebook damit aufflogen.
Doch Social Profiling und (Wahl-
) Manipulation funktioniert auch
im analogen Leben. Intrigante
Menschen, die Gerüchte über ihre
Mitmenschen verbreiten, um sich
einen persönlichen Vorteil zu verschaffen,
sind allseits bekannt. Sie
kommen ganz ohne elektronische
Datensammelfunktion aus, denn
sie kennen ihre Mobbing-Opfer
und auch diejenigen, bei denen
die Lügengeschichten verfangen
sollen.
Die analoge Kombination von
Social Profiling und Dark Ads
machen sich auch Gegner:inen der
Erneuerbaren Energien, insbesondere
der Windkraft zunutze. Jede:r
aus der Umgebung bekommt maßgeschneidert
seine persönliche
Angstmacher-Geschichte aufgetischt:
die Landwirtin bekommt
zu hören, dass ihre Kälber krank
werden, dem Gastwirt wird erzählt,
dass die Touristen wegbleiben,
den neuen Eigenheimbesitzern
wird gedroht, dass die
Immobilie bald nichts mehr wert
sei, Nerz-, Pferde- Tauben- oder
Kaninchen-Züchter:innen bekommen
eine spezielle Drohkulisse
für ihre jeweilige Tierart serviert.
Und diejenigen, die schon einmal
über ihre Krankheitsgeschichte
erzählt haben, bekommen für exakt
diese Krankheit eine Ansage,
wie viel schlimmer ihr persönliches
Leiden durch den Infraschall
wird. Hyperaktive Eiferer
haben das Potenzial ganze Dorfgemeinschaften
zu sprengen. Das
zerrissene Dorf „Unterleuten“ aus
dem gleichnamigen Roman ist
überall. Zum Glück kann an dieser
Stelle Entwarnung gegeben
werden. Ein besonders aufwändig
konstruierter Sprengsatz zündet
nicht mehr. Das Windkraft-Infraschall-Lügengebäude
zerfällt
gerade zu Staub, denn es basiert
auf einer Studie, deren grobe Rechenfehler
nun endlich durch die
bundesweite Berichterstattung
bekannt werden. Seit der Veröffentlichung
im Jahr 2009 hausieren
mit der fehlerhaften Studie
über den „unhörbaren Schall von
Wer sich in der Nähe von Windrädern vor Infraschall fürchtet, sollte nie wieder in ein Auto steigen,
zum Selbstschutz und aus Rücksicht auf Menschen, die an Straßen wohnen. Der Infraschall
(< 20Hz) in einem Auto bei 130km/h kann bis zu 50 dB stärker sein, als ein 150 m entferntes
Windrad.
Foto: Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg LUBW https://pd.lubw.de/47998
Die Seiten NACHHALTIG werden unterstütz von:
Vorbild für digitale Dark Ads und Mikrotargeting aus dem analogen Leben: hinter vorgehaltener
Hand verbreitete Gerüchte. Da die digitale Gerüchteküche Populisten in die Hände spielt, ist zu
erwarten, dass mit solchen Methoden auch hier Meinungsmanagement und Wahlkampf betrieben
wird.
Foto: Eva Stegen
Windkraftanlagen“ dienstbeflissene
Windkraftgegner:innen. Die
fragliche Studie wurde von einer
Bundesbehörde erstellt, die direkt
dem Wirtschaftsministerium
unterstellt ist, der Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe
(BGR). Immerhin hat Wirtschaftsminister
Altmaier inzwischen
eingeräumt, dass »Welten«
zwischen den BGR-Zahlen lägen
und dem, »was tatsächlich der Fall
ist« und sich dafür entschuldigt,
dass durch diese falschen Angaben
die Akzeptanz der Windkraft
gelitten habe.
Doch bis dahin war es ein langer
Weg. Aufgespürt hatte die Behörden-Posse
der Wissenschaftler
Dr. Stephan Holzheu von der
Universität Bayreuth. Allerdings
hat er die Physik dahinter derart
gut verstanden, dass durch seine
Erklärungen zunächst nur wenige
die Dramatik des Fehlers verstanden.
Wer zuckt schon spontan
zusammen bei einer Differenz
von 36 Dezibel*? Zum besseren
Verständnis argumentierte er mit
Me-ssdaten einer Fachbehörde aus
Baden-Württemberg (LUBW),
die stärkeren Infraschall an Straßen
und im Auto aufzeigten: wer
sich in der Nähe von Windrädern
vor Infraschall fürchte, »sollte
nie wieder in ein Auto steigen«.
Holzheu bezifferte den »schwerwiegenden
Rechenfehler« der
BGR »auf einen Faktor 1.000 bis
10.000«. Da kaum ein Laie nachvollziehen
kann, wie gravierend
dieser Fehler ist, verglich er es mit
einem Brot, das auf seiner Waage
1 kg wiegt, während die BGR-
Waage für dasselbe Brot 1000 kg
anzeigt.
Anfangs suchte er den offenen
Austausch mit den BGR-
Studien-Autoren, wie es unter
Wissenschaftler:innen üblich ist,
weil man schließlich der Wahrheit
verpflichtet ist. Gute wissenschaftliche
Praxis ist es, die
eigenen Materialien und Methoden
öffentlich zu machen, damit
dasselbe Experiment überall
nachgekocht werden kann, was
unter gleichen Bedingung zu
den gleichen Ergebnissen führen
sollte. Doch statt eines seriösen
Austauschs gab‘s zur Einschüchterung
einen Anruf beim Vorgesetzten
und die Androhung
rechtlicher Schritte. Der Sensortechniker
Holzheu schrieb dutzende
Mails um die Ungereimtheiten
aufzuklären. Die von ihm
angefachte Debatte hinterlässt
beeindruckende Spuren im Internet
und auch im Blätterwald. Das
offensichtliche Bedauern aus der
Pro-Atomkraft-Szene darüber,
dass die Windkraftgegner mit
dem BGR-Schuldeingeständnis
ihre härteste Keule verlieren, ist
bemerkenswert.
* Schallintensitäten werden
auf einer logarithmischen Skala
dargestellt: 10 Dezibel mehr bedeuten
einen zehnmal so lauten
Schall, 20 Dezibel mehr bedeuten
einen hundertmal so lauten Schall
(10 x 10 = 100).
Eva Stegen
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26 KULTUR JOKER nachhaltig
Landwirtschaft – Kunst – Gemeinschaft
Das Projekt „Fruchtland“ des Zemtrum Paul Klee in Bern thematisiert dieses Jahr Flachs und nachhaltige Mode
Die Flachsernte
Foto: zpk
Das Zentrum Paul Klee lebt
Tag und Nacht. Insekten, Spinnen,
Eidechsen, Erdkröten aber
auch Igel, Hermeline und Hauswiesel
tummeln sich in der Natur
rund um die drei Hügel des
Gebäudes. Ihr Zuhause ist das
„Fruchtland“. Das Projekt fördert
Biodiversität und verbindet
aktuelle Fragen rund um die
nachhaltige Landwirtschaft mit
gemeinschaftlichen Projekten.
Dabei entstehen Demofelder
mit Faser- und essbaren Pflanzen.
Erstmals wird dieses Jahr
auch ein Gemeinschaftsgarten
initiiert. Das Schwerpunktthema
2021 ist Flachs, eine Pflanze
die in der nachhaltigen Modebranche
im Trend liegt.
Renzo Piano entwarf das
Zentrum Paul Klee als „Landschaftsskulptur“,
die sowohl
die Architektur als auch das
angrenzende Umland umfasst.
Seit 2015 thematisiert das Zentrum
Paul Klee mit dem Projekt
„Fruchtland“ die Bewirtschaf-
Herausgeber:
Art Media Verlagsgesellschaft mbH
Auerstr. 2 • 79108 Freiburg
redaktionsleitung (V.i.S.d.P.):
Christel Jockers
redaktion:
Cornelia Frenkel
Peter Frömmig
Annette Hoffmann
Marion Klötzer
Erich Krieger
Nike Luber
Fabian Lutz
Georg Rudiger
Claus Weissbarth
Friederike Zimmermann
u.a.
Terminredaktion:
Elisabeth Jockers
tung des Umlands und schlägt
Brücken zwischen Kunst und
Natur sowie Kultur und Agrikultur.
Dabei wird nach nachhaltig-ökologischen
Kriterien
schonend bewirtschaftet und
die Biodiversität aktiv gefördert.
Der Name bezieht sich auf
Klees Aquarell „Monument im
Fruchtland“ von 1929. Für Paul
Klee (1879–1940) ist Natur die
Grundlage allen künstlerischen
Schaffens. Die Schönheit und
Vielfalt, aber auch die Strukturen
und Prozesse der Natur
faszinierten und inspirierten
ihn. Er wollte die Prinzipien
sichtbar machen, welche den
Dingen eigen sind, um schlussendlich
die Schöpfung selbst
erkennbar zu machen: „Kunst
gibt nicht das Sichtbare wieder,
sondern macht sichtbar“.
Fast und Slow Fashion:
Schweizer Flachs
Die Modebranche produziert
Kleidung immer schneller und
Layout/Satz:
Art Media Verlag
Telefon: 0761 / 72072
E-mail: grafik@kulturjoker.de
redaktion@kulturjoker.de
Anzeigen/Telefon:
0761 / 72072
Druck:
Rheinpfalz Verlag und Druckerei
GmbH & Co. KG, Ludwigshafen
Das Copyright für vom Verlag gestaltete
Anzeigen und Artikel liegt beim Verlag.
Nachdruck, auch nur auszugsweise, nur mit
schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte,
Fotos, Vorlagen und für Programmhinweise
kann keine Garantie übernommen werden,
sie sind aber herzlich willkommen.
Flachs in der Blüte
günstiger. Die Situation von
Arbeiter*innen wie auch der
Umwelt ist dabei oft zweitrangig.
Mit dem großflächigen
Anbau von Flachs thematisiert
das Zentrum Paul Klee
im Rahmen von „Fruchtland“
diese und weitere Aspekte.
Durch Themen wie Klimawandel
und Nachhaltigkeit hat die
heimische Pflanze an Aktualität
gewonnen, denn ihr Anbau
ist nachhaltig und schont Ressourcen.
Flachs ist eine alte
und traditionelle Faserpflanze,
die bis nach dem Zweiten Weltkrieg
auch in der Schweiz weit
verbreitet war. Baumwolle und
schließlich einfach zu verarbeitende
synthetische Fasern verdrängten
ihn.
Aus den Flachsfasern lässt
sich Garn gewinnen aus dem
robuste Stoffe gefertigt werden.
Auch als Dämm- und Isoliermaterial
sind die Fasern sehr
beliebt. Die Leinsamen bieten
wertvolle ungesättigte Fettsäuren,
können roh verzehrt werden
oder verarbeitet als Speiseöl.
Auch als Öl für Lampen
diente Leinöl, und in der Kunst
wird Flachs vielseitig eingesetzt:
der Holzanteil der Stängel
kann zu Papier oder Leinwand
verarbeitet werden, das Leinöl
dient als Bindemittel, zum
Verdünnen von Farbe oder als
Firnis.
Die Firma Swissflax baut
seit 2014 im Emmental wieder
Flachs an und will den Anbau
von Flachs fördern. Denn die
heimische Pflanze gedeiht gut
im hiesigen Klima, die Transportwege
sind kurz und die Verarbeitung
findet in der Schweiz
statt. Auf dem Ackerfeld hinter
dem Zentrum Paul Klee wurde
dieses Jahr gemeinsam mit
SwissFlax und dem Landwirt
Ruedi Krähenbühl Flachs angebaut.
Im Begleitprogramm
zu „Fruchtland“ wird mit
Expert*innen die ganze Verwertungskette
vom Anbau bis
zum Konsum und der Verwendung
von Flachs und Leinen
durch Kunstschaffende
beleuchtet. Vor- und Nachteile
von Anbau und Verarbeitung
von Flachs im Vergleich mit
anderen Faserpflanzen bis
hin zur Nachhaltigkeit in der
Mode- und Textilbranche werden
ebenfalls angesprochen.
Ökosystem „Fruchtland“
und Gemeinschaftsgarten
Totholz, eine Trockenmauer
und über 50 Pflanzenarten sorgen
für einen paradiesischen
Lebensraum für Insekten und
Kleintiere. Ein Haufen Äste,
sogenanntes Totholz laden dazu
ein, diverse Tiere zu beobachten.
Dort tummeln sich Insekten,
Spinnen, Eidechsen und
Foto: zpk
Igel. Sie finden entweder einen
Unterschlupf oder ernähren
sich direkt vom Holz wie etwa
Käferlarven. In den Gängen,
die sie ins Holz fressen, können
sich wieder andere Tiere
wie Wildbienen einnisten. Das
„Fruchtland“ fördert insbesondere
auch die seltene Dunkle
Biene. Sie wurde von anderen
Arten verdrängt, obwohl sie
sich besonders gut für das Klima
in der Schweiz eignet. Bienenschaukästen
ermöglichen es
die Tiere bei ihrer Arbeit zu beobachten.
Sträucher, Wildrosen
und blütenreiche Wiesen auf
dem Areal sorgen dafür, dass
die Bienen und andere Insekten
immer Futter finden.
Das Areal rund um das Zentrum
Paul Klee lädt dazu ein,
sich mit Picknickdecke und
Lupe auf eine kleine Safari zu
begeben.
Weitere Infos: www.zpk.org
nachhaltig KULTUR JOKER 27
Zeitloses Design und einzigartige Raumkonzepte
Die Schreinerei Brender überzeugt durch Qualität und Kundennähe
Handwerkliches Geschick
und ein Gespür für die Bedürfnisse
des Kunden wurden
Thomas Brender von der
Schreinerei Brender in Freiburg
gewissermaßen in die
Wiege gelegt. Als Sohn eines
Schreiners und Enkel eines
Wagnermeisters hat er früh
gelernt, dass es die zufriedenen
Kundinnen und Kunden
Von der individuellen Planung
zum Unikat
Ein funktionales, individuell
gestaltetes und zeitloses Design
steht hinter der Philosophie,
die Thomas Brender und
sein Team verfolgen. „Unsere
Arbeit beginnt mit unserer
Leidenschaft zu Holz“, das,
wie kaum ein anderes Material,
Raum für Kreativität,
Platzwunder darstellen. Angepasst
an die Ergonomie und
Arbeitsweise der Kundschaft,
kann Brender eine stilvolle
Rundküche auf nur neun
Quadratmeter entwerfen, anfertigen
und nach Wunsch
luxuriöse Extras wie einen
eingebauten Wok realisieren.
Ob beim Küchenklassiker,
Landhaustil oder der moder-
Zum Kundenservice gehört
für Brender auch die gemeinsame
Auswahl der Materialien.
So fährt er gemeinsam
mit seinen Kundinnen und
Kunden zum Steinmetz seines
Vertrauens, um vor Ort die gewünschte
Natursteinplatte für
den individuellen Küchentraum
auszusuchen. Während
der gemeinsamen Autofahrt
Thomas Brender
Platzwunder: Rundmöbel bieten viel Stauraum
und bestechen durch ihren einzigartigen
Look
Elegante Küche im Landhausstil mit cleveren Aufbewahrungsmöglichkeiten
Fotos: Schreinerei Brender
sind, die ihm die besten Referenzen
bieten.
Um Handwerk und Kreativität
verbinden zu können,
machte sich Thomas Brender
vor bald 37 Jahren mit einer
kleinen Möbelwerkstatt selbstständig.
Heute führt er ein
fünfköpfiges Schreinerteam,
mit dem er gemeinsam auf
450 Quadratmetern im Industriegebiet
Hochdorf Küchen-,
Wohn- und Büroeinrichtungen
nach den Wünschen seiner
Kundinnen und Kunden im
In- und Ausland maßgetreu
anfertigt.
Ästhetik und Nachhaltigkeit
bietet.
Um seinen Kunden persönliche
Wohnraumideen erfüllen
zu können, entwickelt die
Schreinerei Brender im eigenen
Planungsbüro, gemeinsam
mit Kundin und Kunde, das
passende Raumkonzept, das
später in der Werkstatt durch
Thomas Brender und seine
Mitarbeiter realisiert wird.
Bekannt ist der Schreiner übrigens
für seine Rundmöbel, die
nicht nur ein Hingucker sind,
sondern für modernen Wohnraum
ein beeindruckendes
nen Designerküche, Brenders
Sinn für Ästhetik ist vielfältig
und reich durch einen großen
Erfahrungsschatz.
Doch ein Gespür für Ästhetik
beweist er nicht nur durch
Form und Funktionalität der
Möbel, auch bei der Auswahl
der Materialien setzt Brender
auf Handelsware und sagt
„Bloß nichts von der Stange!“.
Angefertigt werden die Wohnund
Büromöbel überwiegend
aus Edelholz, verfeinert wird
das Design durch den geschmackvollen
Einsatz von
Edelstahl, Glas und Naturstein.
würde er viel über seine Kunden
und deren Vorstellungen
erfahren. Das schafft Vertrauen
und überzeugt seine Kundschaft,
die nicht nur zwischen
vielseitigen Materialien, Formen
und Produkten wählen
kann, sondern zugleich weiß,
dass Thomas Brender gemeinsam
mit ihnen einen Ort
schaffen möchte, an dem sich
Generationen begegnen und
gemeinsame Erinnerungen
entstehen können.
Weitere Infos: www.brendermoebelwerkstaette.de
28 KULTUR JOKER nachhaltig
Architektur, Handwerk und Design
Gelungener Start für neu gegründetes Kompetenzzentrum „Bauwerk Schwarzwald e.V.“
Der Vorstand von Bauwerk Schwarzwald e.V. (v.l.): Stefan Kudermann, Diana Wiedemann, Adrian Probst
Foto: Martin Granacher, © Bauwerk Schwarzwald e.V.
Im Juli vergangenen Jahres
wurde mit „Bauwerk
Schwarzwald e.V.“ ein Kompetenzzentrum
für Schwarzwälder
Architektur, Handwerk
und Design gegründet,
im Februar bezog der Verein
im Glasbergweg 7 in Titisee-
Neustadt seine Geschäftsräume.
Erst seit Kurzem am Start
macht der Verein schon von
sich Reden, hat er doch beim
Wettbewerb „RegioWIN
2030“ den Zuschlag für eine
Förderung des Leuchtturm-
Projekts „Zentrum Holzbau
Schwarzwald“ aus dem regionalen
Fonds für regionale
Entwicklung (EFRE)
erhalten. Mit diesem wird
im Schwarzwald ein Innovations-
und Transferzentrum
entstehen, das die regionalen
Kompetenzen rund um den
Themenkomplex Holzbau
bündelt. Das Zentrum an
sich ist als ressourcenschonender
Holzbau mit einem
zukunftsweisenden Energiekonzept
geplant. Thematisch
wird vor allem die
nachhaltige Nutzung regionaler
Holzressourcen im Fokus
stehen, die durch einen
Rundholz-Computertomographen
– Hoffnungsträger
und unbestrittener „Star“
des ganzen Projekts – analysiert
werden. Neben Bauwerk
Haben Sie etwas gegen Schädlinge?
Wir auch!
Schwarzwald wurden für die
Region Südlicher Oberrhein-
Hochrhein noch zwei weitere
Leuchtturm-Projekte (Weinbau,
Nördliches Markgräflerland,
und „Zukunft.Raum.
Schwarzwald“, eine Vernetzung
bestehender und neuer
Innovationszentren in der
Gesamtregion) ausgezeichnet.
Gesamtvolumen: 19 Millionen
Euro, von denen acht
Millionen in die Region Südwest
einfließen sollen. Mit
der Umsetzung soll bereits
im nächsten Jahr begonnen
werden.
Das Projekt fügt sich hervorragend
ins Programm
von Bauwerk Schwarzwald
ein: Die regionale Bau- und
Handwerkskultur in der gesamten
Schwarzwaldregion
zu stärken, darin sieht der neu
gegründete Verein schließlich
seine Hauptaufgabe. „Die
Baukultur im Schwarzwald
ist einmalig. Eng damit verknüpft
ist auch das Handwerk
mit seinem entsprechenden
Know-How. Mit Bauwerk
Schwarzwald haben wir endlich
eine Organisation, die
beides fördert, um das identitätsstiftende
Gesicht des
Schwarzwalds auch für die
Zukunft zu bewahren“, fasst
Diana Wiedemann, Vorsitzende
des Vereins dessen
Ziele zusammen. Für deren
Umsetzung wird Bauwerk
Schwarzwald durch das Land
Baden-Württemberg über
drei Jahre hinweg mit jeweils
ca. 250.000 Euro unterstützt.
Mit einer digitalen Veranstaltungsreihe
steht Bauwerk
Schwarzwald bereits in den
Startlöchern: Den Auftakt
macht am 15. Juni die Berliner
Architektin Turit Fröbe
mit einem kurz(weilig)
en Impulsvortrag zum Thema
Bausünden, an den sich
eine Diskussion anschließen
wird. Am 13. Juli dreht sich
alles um die verschiedenen
Baustoffe, die der Region
ihr typisches Gesicht verleihen.
Die Veranstaltung am
5. Oktober über die Vor- und
Nachteile von Wettbewerbsverfahren
versteht sich als
eine Art Handreichung an die
Mitglieder.
Eine seiner Kernaufgaben
sieht der Verein in der
Gestaltungsberatung, wie
sie vormals beim Naturpark
Südschwarzwald e.V.
beheimatet war und nun an
Bauwerk Schwarzwald angeschlossen
wurde. Dieses
Netzwerk professioneller
Ansprechpartner*innen berät
sowohl private Bauherren
als auch öffentliche Verwaltungen
unabhängig und kostengünstig
zu allen Themen
rund um Neubau, Umbau und
Sanierung im Schwarzwald
und garantiert eine maßgeschneiderte
Hilfestellung zu
allen Aspekten der jeweiligen
Bauvorhaben.
Weitere Infos: www.bauwerk-schwarzwald.de
Literatur KULTUR JOKER 29
Spuk auf dem Hochfirstturm?
Der neuste Schwarzwaldkrimi von Roland Weis dreht sich um den Neustädter Hausberg
Liebhabern von Regionalkrimis
braucht man den Autor
Roland Weis nicht extra vorzustellen.
Mit seinem jüngsten
Buch „Geisterturm“ hat er seit
1997 bereits seinen zehnten
von fundiertem Lokalkolorit
gewürzten Schwarzwaldkrimi
vorgelegt. Für den editierenden
Rombach Verlag ist dies Anlass,
Weis auf der Titelseite als
„Das Original“ ab-, bzw. aufzustempeln.
Es ist der neunte
Roman um seine Hauptfigur
Alfred, einen mehr oder weniger
verkrachten und verschrobenen
Lokalreporter.
Alles beginnt mit einer von
übermäßigem Alkoholkonsum
geprägten Mitgliederversammlung
der Neustädter
Hornschlittenfahrer vom Verein
„Hornochsen“, zu dem
auch Alfred gehört, im Neustädter
Dennenbergstüble.
Nur im Alkoholnebel ist der
Beschluss erklärbar, in Form
eines Rennens mit echten
Schwarzwälder Hornschlitten,
die Geschwindigkeiten bis zu
70 Stundenkilometern erreichen
können, bei Nacht vom
Hochfirst, dem Neustädter
Hausberg, ins Tal abzufahren.
Man schreitet zur Tat und trifft
sich bei Sturm und Eiseskälte
auf dem Gipfel im Hochfirst-
Rasthaus. Auch hier kreisen
zunächst die Getränkerunden,
aus denen eine unselige Wette
zwischen Alfred und seinem
Vereinskollegen Tschorli entsteht.
Der nahe gelegene eiserne
Hochfirstturm hat zwei
gegenläufige Wendeltreppen
für auf- und abwärts. Man
könnte also ein Zweier-Wettrennen
nach oben auf die Aussichtsplattform
veranstalten.
Der Verlierer zahlt dann die
nächste Runde. Gesagt, getan!
Alfred verliert krachend gegen
seinen Kumpan, aber oben erwartet
beide eine böse Überraschung.
Im Schein der Taschenlampe
wird ein bizarres,
in Eis eingeschlossenes Gebilde
mit menschlichen Zügen
gesichtet. Assoziationen mit
dem „Balzer Herrgott“, eine
in eine Weidbuche eingewachsene
Christusfigur im Gebiet
der Gemarkung Gütenbach,
werden geweckt. Viel schlimmer
jedoch: Die vermeintliche
Skulptur entpuppt sich als veritabler,
an der Stahl- Außenwand
des Hochfirstturms festgefrorener
Leichnam.
Aus diesem grauenvollen
Setting entwickelt sich eine
zum Teil haarsträubend verworrene
Kriminalgeschichte,
denn bald wird klar, dass der
Tote ermordet wurde.
Da ist natürlich Alfred, der
eine zündende Story für seine
neugegründete Onlineplattform
„Goodwood Wälder-
News“ wittert. Seine Recherchen
auf eigene Faust bringen
ihn unweigerlich in Konflikt
mit seinem Widersacher Oberkommissar
Siegfried Junkel
von der Freiburger Kripo. Beide
verbindet so etwas wie eine
Hassliebe, weil sie zwar konkurrieren,
aber letztlich doch
der eine vom anderen profitiert.
Als Alfred bei einer neuen
Turmbegehung geheimnisvolle
Stimmen mit Sprachfetzen
hört, die wie militärische
Positionsmeldungen und Anweisungen
für Flakgeschütze
klingen und diese auch mit
dem Handy aufnimmt, eine
Neo-Nazi-Gang mit Namen
„Gerechte Rechte Dreisamtal“
sich auffällig für den Hochfirst-Turm
interessiert, worauf
die beiden Freiburger Linken
Hugo und Leo eine antifaschistische
Einheitsfront mit
militanten Ambitionen bilden,
ein deutsch-amerikanischer
Historiker auftaucht und nach
Spuren seiner Vorfahren im
Zusammenhang mit Spionagegeschichten
aus dem Zweiten
Weltkrieg sucht, gewinnt der
Mordfall neue Dimensionen.
Welche Rolle bei all dem noch
das verkorkste Liebesleben
von Alfred inklusive einer
nymphomanen Latein-Dozentin
und ein gefälschtes Masterzeugnis
der Philosophischen
Fakultät der Albert-Ludwigs-
Universität zu Freiburg und
eine entsprechende Eintragung
in die digitalen Stammakten
spielen und wie sich das Ganze
auflöst, muss man sich schon
selbst erlesen.
Der Krimi zeugt wie alle
Weis-Romane von profunden
Orts-, Sach- und Insiderkenntnissen,
die weit über Schwarzwald-Klischees
hinausweisen.
Er ist durch intelligente Überzeichnung
der Figuren sehr
unterhaltsam mit leichter Hand
geschrieben und somit ebenso
zu lesen.
Der „Geisterturm ist im
Rombach-Verlag erschienen
und im Buchhandel erhältlich.
Weitere Infos: www.rolandweis.de/krimis.html
Erich Krieger
„Es grimmt“
Freiluft-Lesungen und Märchen-Parcours im Freiburger Stadtgarten
Verhext, verwandelt, verwunschen:
Vom 22. bis 24.
Juni präsentiert die Freiluft-
Lesereihe „Es grimmt“ Märchen
und Fabeln im zeitgenössichem
Gewand. Im Freiburger
Stadtgarten dürfen Freiburger
Schulklassen und Familien
tagsüber den Märchen-Parcours
erkunden und Abends
auf der Freilichtbühne traditionellen
Märchenstoffen, aufgearbeitet
durch zeitgenössische
Autor*innen, lauschen.
Die Autorin Felicitas Hoppe
lädt am 22. Juni, 19.30 Uhr zu
einem Streifzug durch die Märchenwelt
ein und beschwört in
ihrem Werk „Grimms Märchen
für Heldinnen von heute und
morgen“ (Reclam, 2020) die
Leuchtkraft der Grimmschen
Frauenfiguren.
Als Kind hat Michael Köhlmeier
traditionelle Märchen
gelesen - heute schreibt er sie!
Am Mittwoch, 23. Juni, 19.30
Uhr liest er aus seinem Werk
„Die Märchen“ (Hanser, 2020),
in dem er die alte Frage nach
den ersten Menschen stellt,
denn wenn sie nicht gestorben
sind, dann leben sie noch heute
...
Für Ulrike Almut Sandig
ist jedes Märchen Poesie und
Fremdsprache zugleich. Die
Berliner Dichterin beschäftigt
sich in ihrer Arbeit mit den
Kinder- und Hausmärchen der
Grimms. Die Stimme und Performance
der Klangkünstlerin
geben den Märchen am Donnerstag,
24. Juni, 20.30 Uhr ein
neues Gewand, das durch die
Klänge elektronischer Musik
untermalt wird.
Die fabelhaft bezaubernden
Lesungen,
Gespräche und Konzerte
sind ein Muss
für alle kleinen und
großen Märchenfans!
Weitere Infos: www.
literaturhaus-freiburg.
de
Michael Köhlmeier
wird am 23. Juni aus
„Die Märchen“ im
Freiburger Stadtgarten
lesen
ROLAND WEIS Geisterturm
ROLAND WEIS
Geisterturm
Ein Kriminalroman
VERANSTALTUNGEN
JUNI 2021
SAMSTAG | 08.6. | 20 UhR
„dER zWEITE JAKob“
NoRbERT GSTREIN
LESUNG UNd GESpRäch
doNNERSTAG | 17.6. | 20 UhR
„ANNETTE - EIN hELdINNENEpoS“
ANNE WEbER
LESUNG UNd GESpRäch
SoNNTAG | 24.6. | 11 UhR
„KRASS“
MARTIN MoSEbAch
LESUNG UNd GESpRäch
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30 KULTUR JOKER Literatur
Das Jungfernhäutchen gibt es nicht!
Im Gespräch: Oliwia Hälterlein, Autorin und Kulturwissenschaftlerin
Als Kulturwissenschaftlerin,
Autorin und Dramaturgin
bewegt sich Oliwia Hälterlein
an der Schnittstelle
zwischen Feminismus und
Kunst. Im vergangenen Jahr
veröffentlichte sie ihr erstes
Buch „Das Jungfernhäutchen
gibt es nicht: Ein breitbeiniges
Heft“ (Maro Verlag,
2020). Elisabeth Jockers
sprach mit ihr.
Kultur Joker: Der Titel deiner
Publikation „Das Jungfernhäutchen
gibt es nicht“ stellt
die Welt mancher Leser*innen
auf den Kopf. Noch einmal für
uns erklärt: Was ist das Jungfernhäutchen?
Und was nicht?
Hälterlein: Der Titel ist auf
jeden Fall eine Provokation
und soll in erster Linie signalisieren,
dass das kulturelle Konstrukt
des Jungfernhäutchens
nicht existiert. Damit meine
ich, dass es kein Häutchen gibt,
das anzeigt, ob du Jungfrau bist
oder nicht, weder vor der Vagina
noch vor dem Penis. Das
Problem an diesem Mythos ist,
dass das Jungfernhäutchen für
viel mehr als nur Jungfräulichkeit
steht. Es symbolisiert Reinheit,
Unschuld und wird wie ein
Beweismittel gegen die Person
mit Vagina genutzt: Wenn du
beim ersten Mal nicht blutest,
kannst du keine Jungfrau gewesen
sein.
Kultur Joker: Ist das Jungfernhäutchen
also ein kulturelles
Konstrukt?
Hälterlein: Natürlich, ich
würde sogar sagen, dass es
an unserem Körper kaum ein
Merkmal gibt, das so ideologisch
aufgeladen ist, wie das
Jungfernhäutchen. Es wird ein
Häutchen erfunden, das bewei-
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sen soll, ob eine Person mit Vagina
– in der Sprache des Patriarchats:
die Frau – noch Jungfrau
ist, um sie anhand dessen
entsprechend zu bewerten.
Kultur Joker: Und wie kann
das in einer medizinisch aufgeklärten
Gesellschaft passieren?
Hälterlein: Bei der Auseinandersetzung
mit dem Thema
sind mir rund um die Vulva,
Vagina und Klitoris viele Leerstellen
und Halbwahrheiten
aufgefallen, obwohl es schon
einige Studien dazu gibt, die
anatomische Fakten liefern
könnten. Das ist in meinen Augen
das Hauptproblem, denn
wenn wir eine sexuelle Bildung
erhalten würden, die auf anatomischen
Fakten basiert, würde
es den Mythos und die damit
verbundene Auf- und Abwertung
weiblicher Sexualität nicht
geben.
Kultur Joker: Geschichtlich
gesehen gab es eine sexuelle
Revolution in den 1960/70er
Jahren, seitdem scheint sich
aber nicht viel verändert zu
haben. Welche Bedeutung hat
denn das Jungfernhäutchen
auch heute noch für Individuum
und Gesellschaft?
Hälterlein: Ich bin absolut
der Meinung, dass wir uns noch
immer an einem Punkt befinden,
an dem sexuelle Bildung
nicht adäquat stattfindet. Auch
wenn das Jungfernhäutchen im
Alltag nicht immer eine existenzielle
Rolle spielt, ist der
Mythos Jungfernhäutchen Teil
des Narrativs, wie wir über
Sex sprechen und urteilen. Was
mich persönlich stark getroffen
hat, ist, dass ich nicht die erste
Person bin, die darüber geschrieben
hat. Es gibt bereits
Unikat von Stephan Rambaud, Meilleur Ouvrier de France
unzählige Aktivist*innen und
Publikationen zu dem Thema.
Aber leider ist all das in einer
Nische passiert und selten im
Mainstream angekommen. So
wie unsere Welt gerade funktioniert,
sehe ich durch soziale
Medien eine Chance, diesen
Themen mehr Sichtbarkeit und
Nachhaltigkeit zu geben. Dennoch
ist es wichtig, dass wir
immer wieder darauf hinweisen.
Kultur Joker: In deinem Heft
beschreibst du ein Szenario,
bei dem du mit gespreizten
Beinen vor einem Spiegel sitzt
und deinen eigenen Körper entdeckst.
Du offenbarst, dass dir
ein feministischer Umgang mit
deinem eigenen Körper schwer
fällt und dir so einiges abverlangt.
Mit welchen angelernten
Mustern und Emotionen siehst
du dich in deinem Alltag konfrontiert?
Hälterlein: Ja, diese Szene
zeigt deutlich, dass wir uns
selbst nicht neutral begegnen
können. Es ist vielmehr so,
dass wir durch das Patriarchat,
das sich in Sprache und Kultur
widerspiegelt, genau gesagt bekommen,
was angeblich schön,
normal und gesund ist. Dadurch
sind wir überhaupt nicht mehr
im Stande, uns so zu begreifen,
wie wir tatsächlich sind: Individuen.
Das ist für mich das
perfide daran, denn auch wenn
ich mich total viel mit feministischen
Theorien beschäftige,
bin ich im Kern ein Teil dieser
Gesellschaft, der sich nicht frei
von äußeren Gefühlen und Zuschreibungen
machen kann.
Kultur Joker: Läuft in unserem
Bildungswesen, auch
oder gerade in Bezug auf sexuelle
Aufklärung, viel schief?
Hälterlein: Ja, da läuft mehr
als nur ein bisschen was schief.
Sexuelle Bildung wird häufig
mit der Prävention von Schwangerschaften
und Geschlechtskrankheiten
gleichgesetzt. Im
Mittelpunkt steht da natürlich
die Heterosexualität als Norm
für alle und Kindern werden binäre
Geschlechtsidentitäten aufgezwungen.
In diesem Narrativ
gewinnt natürlich der Penis und
die Lust des Penis, denn darum
geht es ja auch. Der Penis ejakuliert
und damit können Kinder
gezeugt werden. Aber wer hat
heutzutage denn nur noch Sex
um Kinder zu zeugen?
Kultur Joker: Wie werden
diese Inhalte vermittelt? Schulen
werden heute ja vermehrt
für veraltetes Material kritisiert…
Hälterlein: Wenn ich Unterrichtsmaterialien
sichte, dann
sehe ich da super erschreckende
Dinge. Es gibt keine äußeren
Genitalien, nur einen Schlitz
mit dem Vermerk „Scheide“.
Die gesamte Vulva und das
Lustzentrum um die Klitoris
werden noch immer komplett
verschwiegen und tabuisiert.
Da frage ich mich, woher diese
Angst vor der Sexualität der
Vulva kommt.
Kultur Joker: Das knüpft
daran an, dass du in deinem
Buch auf die Macht der Sprache
eingehst. Was macht das
mit mir, wenn mein Intimbereich
durch Begriffe wie
Schamhügel oder Schamlippen
immer wieder zu einem
Zentrum der Scham gemacht
werden?
Oliwia Hälterlein Foto: MINZ&KUNST
Hälterlein: Das Gefühl der
Scham ist eine angelernte Empfindung,
die wir als Kinder überhaupt
nicht spüren und erst mit
der Zeit lernen. Kleines Gedankenexperiment:
Was wäre, wenn
wir damit aufwachsen würden,
dass unser Intimbereich ein Ort
der Lust ist? Oder wenn wir neutrale
und anatomisch korrekte
Begriffe verwenden, beispielsweise
Vulva, und einen Körper
einfach mal Körper sein lassen,
ohne Be- und Abwertung.
Kultur Joker: Und gibt’s
schon Pläne für ein weiteres
Heft?
Hälterlein: Was ich konkret
plane sind Workshops für
Multiplikator*innen, also Personen
im sozialen und pädagogischen
Bereich, damit über den
Mythos auf unterschiedlichen
Ebenen aufgeklärt wird. Und
ich gebe Workshops für angehende
Mediziner*innen, wo ich
ihnen beibringe, was die Vulva
ist und wo der Mythos beginnt.
Mit dem Ziel, die anatomischen
Leerstellen und falschen Angaben
in den Medizinbüchern und
Unterrichtsmaterialien zu korrigieren.
Kultur Joker: Liebe Oliwia,
wir danken Dir für das Gespräch!
Weitere Infos: www.oliwiaismus.de
Petitionen: www.
change.org/p/keinbockaufmythen-schluss-mit-demjungfernh%C3%A4utchen-mythos
www.change.org/p/
bzga-r%C3%BCckruf-desjungfernh%C3%A4utchen-mythos
literatur KULTUR JOKER 31
„Ich bin ein Empfänger“
Der Schriftsteller Peter Frömmig wird 75 Jahre alt
Peter Frömmig, 2019
„Für mich ist Schreiben
gelebtes Leben“ sagte Peter
Frömmig einmal zu mir.
Davon hat Peter Frömmig
viel, denn er wird 75 Jahre
alt. Geboren wurde er am 11.
Juni 1946 in Eilenburg bei
Leipzig, aufgewachsen ist er
in Speyer. Sein Weg führte
ihn über Köln, Salzburg bis
in die USA. Hier lebte er
sechs Jahre, bevor er in Freiburg
im Breisgau Fuß fasste
und 1995 nach Marbach am
Neckar zog, wo sich unsere
Wege kreuzten. Seit Köln
arbeitete er als Schriftsteller,
Maler und Zeichner und
veröffentlichte Erzählungen,
Gedichte, Essays, Hörspiele
und Theaterstücke. Hier fand
er in dem Autor Rainer Taëni,
der dort an der Universität
lehrte, seinen ersten Mentor.
Doch zuvor machte er eine
Feinmechanikerlehre und darauf
folgten Fabrikarbeit und
Montage und dies scheint mir
als Betrachterin seiner vielfältigen
Werke eine wichtige
Grundlage seines Schaffens
zu sein. Im wunderbaren
Foto: Ingrid Marie Lehrer
Mundharmonika- und Maultrommelspiel
und auch im
Gesang zeigt Frömmig darüber
hinaus sein Gefühl für
Rhythmus. Wenn er an seinen
Texten ziseliert ist all das
rhythmisch Feinwerkige tief
in die gewählten Worte und
Bilder heinein zu spüren. So
war ihm stets wichtig, “dass
meine Gedichte für möglichst
viele zugänglich bleiben. Und
plastisch im eigentlichen Sinn
…” Die Geburt der Tochter
öffnete ihm neue Blickwinkel.
In Marbach gehört Peter
Frömmig seit vielen Jahren
zu den Kulturschaffenden der
Stadt und wirkt jenseits der
berühmten Literaturinstitute
auf der Schillerhöhe im und
ins Städtchen hinein. Über
viele Jahre hat er das kulturelle
Leben durch Lesungen
in der Wendelinskapelle, in
Friedrich Schillers Geburtshaus,
im Rathaus oder auf
dem Burgplatz bereichert. Darunter
in genialer Verwebung
mit Hadayatullah Hübsch.
Aber auch Ausstellungen seiner
Bilder konnte man sehen.
Wegbegleiter und Mentoren
waren auch Peter Salomon
und Christoph Meckel.
Man kann Frömmigs Dachwohnung
in der Niklastorstraße,
von der aus man Schillers
Geburtshaus sehen kann, auch
irgendwie als Elfenbeinturm
betrachten. Nicht immer sind
die Zeiten für Schriftsteller
rosig, auch oder vielleicht
gerade in einer Literaturstadt
wie Marbach, in der vor allem
mit großen Namen gehandelt
wird. Doch Peter Frömmig hat
den Kopf oben und äußert sich
immer, auch zu gesellschaftspolitischen
Themen.
Der Künstler Peter Frömmig
weiß, wie es den Menschen
geht. Bei seinen Spaziergängen
in der Stadt oder
am Neckar trifft man ihn als
genauen Beobachter, der seine
Antennen ausgefahren
hat. Nicht selten wortkarg. So
schafft er es, bei sich zu bleiben.
Wenn man seinen Worten
und Beobachtungen begegnen
möchte, schaut man am besten
in seine Bücher.
Im Buch “Freiburg! – Erkundung
einer Stadt”, das
er mir 2017 geschenkt hat,
schreibt er “Man muss nur
Herz und Sinne öffnen, den
Rest regelt der Verstand”. Ein
Satz, der in diesen Tagen eine
große Bedeutung entfaltet.
Heute spricht Frömmig von
beklemmender Erfahrung
wie in seiner Kindheit in der
DDR. Trotz fehlender Zirkulation
zwischen dem Innen
und Außen, bleibt er in seiner
Beharrlichkeit schöpferisch,
schwingt sich noch einmal
auf zu einem großen Werk,
einem Roman eines Lebens
“Der Nachhall des Gongs”
lässt mosaikartig ein Generationen
übergreifendes Panorama
entstehen.
Ende Mai las Peter Frömmig
im Zusammenhang mit einer
Preisverleihung beim Lyrik-
Wettbewerb der Gesellschaft
für zeitgenössische Lyrik
Leipzig. Die Lesung wurde
vor Ort aufgezeichnet und
wird im Sommer 2021 veröffentlicht.
Er selbst war 2019 mit dem
Gedicht “When we were
young” Preisträger des Wettbewerbs.
Dieser Poesiealbum
neu-Preis wurde ihm 2019 auf
der Leipziger Buchmesse verliehen.
Ein weiterer Satz aus dem
feinen Freiburgbuch soll hier
noch Gehör finden: „Deine
Vergangenheit ist der Schatten,
der dich begleitet. Sieh
zu, dass du ihn zu deinem
Kompagnon machst ...“ In
der Fortbewegung fand Peter
Frömmig zum Einklang
zwischen Schritt und Wort.
„Schreiten von Ort zu Ort,
von Wort zu Wort, bis Wörter
zu Sätzen werden ...“ In diesem
Sinne, lieber Peter, bleib
nie stehen.
Weitere Infos:
- www.lyrikgesellschaft.de/
events/fuenf-edelfedern/
- Werke von Peter Frömmig
im Pop-Verlag: https://
wp.pop-verlag.com/?p=3800
- Einblick in das Schaffen
von Peter Frömmig gewährt
die Dauerausstellung „Literaturszene
Stuttgart-Region“
in der Stadtbibliothek Stuttgart
www.stuttgart.de/stadtbibliothek
Sabine Willmann
Sabine Willmann
Filmemacherin, geboren
und aufgewachsen in Freiburg
im Breisgau, lebt seit 1996 in
Marbach am Neckar. Ihr 2009
ausgestrahlter Dokumentarfilm
„Im Schatten Schillers“,
entstanden im Auftrag des
SWR, begleitet Peter Frömmig,
nicht nur auf langen Wegen
in der kleinen Stadt ...
Foto: Sabine Willmann
Lieber Peter, wir vom
Kultur Joker gratulieren
dir ganz herzlich zu Deinem
Geburtstag und
danken dir von Herzen für
die jahrelange, unkomplizierte
und bereichernde
Zusammenarbeit und
Freundschaft.
MENSCH SEIN–MENSCH BLEIBEN
32 KULTUR JOKER Senioren
Einsamkeit und ihre Folgen
Senior*innen in der Pandemie
Corona hat uns alle getroffen
und uns vor Hürden gestellt.
Auch Senior*innen sind in
ihrem Alltag eingeschränkt
und galten von Anfang an als
Risikogruppe, die vor dem
Virus geschützt werden muss.
Gerade Pflegeeinrichtungen
waren in der Pandemie stark
getroffen und mussten strenge
Maßnahmen ergreifen um die
Lage unter Kontrolle zu bekommen.
Zudem haben sich
viele Ältere im eigenen Heim
isoliert, um das Risiko einer
Erkrankung zu minimieren.
Die Auswirkungen auf das
tägliche Leben sind vielfältig
und trotzdem ähneln sie sich
stark: viele Menschen kämpfen
mit dem Alleinsein und Einsamkeit,
viele Menschen sind
von ihrer Familie über längere
Zeiträume weitestgehend abgeschnitten
und haben wenig
soziale Kontakte. Das ist für
einen kürzeren Abschnitt aushaltbar,
doch je länger sich die
Pandemie zieht, desto schwieriger
wird es mit den Folgen
umzugehen. Vor allem wird
der Kosten Nutzen Beitrag in
Frage gestellt, da Einsamkeit
und Isolation zur Verschlechterung
der Gesundheit beitragen
kann. Dieses Problem ist schon
lange bekannt, doch noch nie
waren so viele Menschen betroffen
wie in diesen Zeiten.
Um gegen Einsamkeit anzugehen,
sind einige Angebote ins
Leben gerufen worden:
Das Forum „älterwerden“
der Erzdiözese Freiburg veröffentlicht
monatlich einen
Rundbrief an Senior*innen.
Der Rundbrief in der Corona-
Zeit ist letzten Monat zum
dreizehnten Mal erschienen
und besteht aus einer Mischung
von lyrischen Beiträgen,
verschiedensten Rätseln
zum Zeitvertreib, gibt motivierende
Denkanstöße und Tipps
zum Austausch oder körperlicher
Bewegung.
Seit März diesen Jahres gibt
es das Plaudertelefon, welches
die Freiburger Bürgerstiftung
ins Leben gerufen hat. Wenn
man sich endlich mal wieder
unterhalten möchte, etwas erzählen
ob belanglos oder nicht
oder mit neuen Menschen in
Kontakt kommen möchte,
kann dort montags und freitags
Gesprächspartner*innen erreichen.
Das Telefon ist am Montag
von 15 bis 17 Uhr und am
Freitag von 10 bis 12 Uhr unter
der Nummer 0175/2852758 erreichbar.
Auch die Volkshochschule
Freiburg bietet wieder einige
Kurse an. Diese reichen von
Sprach- über Malkurse zum
3D-Drucken. Nach Anmeldung
ist für den Juni der Großteil
des Angebots wieder in
Präsenz geplant, mit entsprechenden
Corona-Maßnahmen
und unter Vorbehalt der aktuellen
Entwicklungen.
Inzwischen ist auch der Besuch
in Pflegeeinrichtungen
wieder möglich, jedoch ist die
Anzahl an Kontaktpersonen
festgeschrieben, so dass häufig
nur ein Teil der Angehörigen
zu Besuch kommen kann. Andere
haben sich privat Unterstützung
ins Haus geholt und
eine Art Wohngemeinschaft
gegründet. Der Wohnraum in
dem viele Ältere allein leben,
wird so wieder genutzt und
Senior*innen können von ihren
Mitbewohner*innen bei
Bedarf unterstützt werden
oder einfach die Gesellschaft
genießen. Es zeigt sich: die
Not macht erfinderisch und
bringt zum Nachdenken, denn
die Vereinsamung der Gesellschaft
ist zwar durch die Pandemie
verstärkt, aber nicht der
Ursprung des Problems.
Julia Dannhäuser
Die Tagesstätte
im Kaiserstuhl
Lebensqualität für Senioren
Endlich!
zurück ins Leben
Bewegung für Geist und Körper in
fröhlicher Gemeinschaft
Rufen Sie uns an - 07663 60 75 226
Schnelltestzentrum Weingarten
geöffnet von Montag bis Sonntag
und an Feiertagen
gesundheit KULTUR JOKER 33
Hilfe bei psychosomatischen
Erkrankungen
Gesundheitsforum im Bürgerhaus Seepark
Die Zahl der psychischen Menschen oft von quälenden
Erkrankungen in Deutschland
ist aufgrund gesellschaftlicher
und beruflicher Veränderungen
seit Jahren angestiegen.
Symptomen, die deren Leben
stark beeinträchtigen: innere
Bilder des Traumas, verstärkte
Anspannung und die Vermei-
Schon vor Ausbruch dung von Situationen, die an
der Corona-Pandemie litten das Trauma erinnern. „Betroffene
etwa 11 Prozent der Betroffenen
an psychosomatischen
Störungen, die sich in einer
Vielzahl von Symptomen äußern
können. Am Mittwoch,
30. Juni 2021 um 19 Uhr findet
leiden häufig nicht nur an
psychischen Symptomen, sondern
auch an Schmerzen und
vielfältigen körperlichen Symptomen.
Hier haben wir oft ein
komplexes Wechselspiel mit
im Bürgerhaus Seepark körperlichen und psychischen
(Gerhart-Hauptmann-Straße 1
in Freiburg) ein Gesundheitsforum
zum Thema „Hilfe bei
psychosomatischen Erkrankungen“
statt. Die Referenten
Professor Dr. Christoph Bielitz,
Ärztlicher Direktor und
Dr. Thomas Fuchs, Leitender
Oberarzt der psychiatrischen
Privatklinik Sigma-Zentrum
Faktoren. Schmerzen triggern
Erinnerungen an traumatische
Erlebnisse, und Erinnerungen
an traumatische Erlebnisse
führen zu hoher Anspannung
im Körper und vielfältigen
Körpersymptomen wie z.B.
Übelkeit, Druck auf der Brust
oder Schmerzen“, weiß Dr.
Thomas Fuchs aus der Praxis
Bad Säckingen stehen auch zu berichten. Psychische oder
nach ihren Vorträgen für Fragen
zur Verfügung. Der Eintritt
psychosoziale Faktoren sind in
unterschiedlichem Ausmaß an
Ärztehaus beim Diakoniekrankenhaus Freiburg
© Nicolai Schmidt
ist kostenfrei, aufgrund der Auslösung oder Verschlim-
interdisziplinäre Psychiatrie, auf die immer größere Nachgang
zu Beratung im Bereich
der begrenzten Kapazität ist merung solcher Erkrankungen Psychotherapie und Psychosomatische
frage aus dem Raum Freiburg psychischer und psychosomatischer
eine Anmeldung erforderlich
(info@sigma-institut.de, Telefon
0761 1518713-0).
bzw. ihrer Beschwerden beteiligt.
„Beim multimodal-multiprofessionellen
Therapiekonzept
Medizin hat das
Sigma-Zentrum Bad Säckingen
mit der Einrichtung des
reagiert. Prävention, Ambulanz,
Früherkennungszentrum
und Spezialsprechstunden bie-
Beschwerden.
Weitere Infos: www.sigmainstitut.de
(Telefon: 0761
ist es wichtig, neben einer Die häufigsten und in der
Sigma-Instituts im neuen ten für privatversicherte Rat-
1518713-0, info@sigma-insti-
Bevölkerung am meisten verbreiteten
psychosomatischen
guten Ausstattung im Bereich
der Psychotherapie u. a. ein
Ärztehaus (Wirthstraße 9)
beim Diakoniekrankenhaus
suchende und Patienten einen tut.de).
persönlichen und diskreten Zu-
Krankheitsbilder sind die umfangreiches allgemeinmedizinisch-diagnostisches
schmerzhaften Erkrankungen
und
des Muskel-, Bindegewebs- körperlich-therapeutisches
und Skelettapparates, speziell
der Wirbelsäule, häufig assoziiert
mit sogenannten Verspannungen
und Spannungskopfschmerzen.
Die hiermit
verbundenen, zum Teil großflächig
auf den ganzen Rücken
projizierten Schmerzen
Angebot vorzuhalten“, betont
Professor Dr. Christoph Bielitz.
Im Sigma-Zentrum stehen
erfahrene Allgemeinmediziner
und Internisten zur Verfügung,
die im Bedarfsfall z. B. mit den
benachbarten Radiologen und
dem benachbarten spezialisierten
Schmerzzentrum intensiv
können im Zusammenhang
mit psychischen Belastungen zusammenarbeiten.
oder Erkrankungen dann zum
Teil schwere Ausmaße annehmen.
Gerade nach traumatisierenden
Erfahrungen berichten
Sigma-Institut Freiburg
Als eine seit über 20 Jahren
etablierte Privatklinik für Prof. Dr. Christoph Bielitz © Sigma-Zentrum Dr. Thomas Fuchs © Sigma-Zentrum
Selbstheilungskräfte stärken
Der Verein „Tanztherapie nach Krebs e.V.“ veranstaltet auch
in diesem Jahr zwei kostenfreie Seminare für krebsbetroffene
Frauen und ihre Töchter im Alter zwischen 15 und 20 Jahren.
Wenn Mütter Krebs haben,
fehlt es vielen Familien
an Raum und Zeit für offene
Fragen zum Leben nach der
Erkrankung. Besonders für
die jungen Töchter, die gerade
dabei sind, ihren eigenen
Weg zu finden, ist die Erkrankung
und die Sorge um die
Mutter sehr belastend. Freies
Tanzen, achtsames Bewegen
und der Austausch mit Gleichbetroffenen
helfen an Krebs
erkrankten Frauen und ihren
Töchtern, die Erkrankung besser
zu verarbeiten. Unter der
einfühlsamen Begleitung qualifizierter
Tanztherapeut*innen
bietet Tanztherapie nach Krebs
e.V. Krebsbetroffenen und ihren
Familienangehörigen kostenfrei
Seminare für „Mütter mit
ihren jugendlichen Töchtern“
an. Tanztherapie kann dazu
beitragen, belastende Gefühle
loszulassen, die Freude am Leben
zurück zu gewinnen, die
Selbstheilungskräfte zu stärken.
Weitere Infos: www.tanztherapie-nach-krebs.de
34 KULTUR JOKER interview
Narrativ, eine sinnstiftende Erzählung,
die überzeugend wirkt.
Kultur Joker: Das andere Element
der Erzählung sind die
gefährdeten Kinder. Das schürt
schnell tiefe Ängste, gerade bei
Eltern.
Andre Wolf: Ja. Die Erzählung
funktionierte auch deshalb so
gut, weil sich viele Menschen
davon betroffen fühlten. Das
nennen wir Betroffenheitslage.
Ist die weitreichend genug, was
im Falle von Eltern kleiner Kinder
der Fall ist, neigen Menschen
eher dazu, einer solchen Warnung
zu glauben. Das, gepaart
mit Angst, reizt betroffene Eltern
schließlich dazu, auch andere Eltern
zu warnen.
Kultur Joker: Ein Teufelskreis.
Andre Wolf: Gegenseitig bestätigt
man sich, einen weißen
Lieferwagen gesehen zu haben.
Eine solche dynamische Entwicklung
konnten wir tatsächlich
verfolgen. Den Ursprung
hatte die Geschichte im April
2014 in Duisburg und Essen,
verbreitete sich mit der Warnung
vor einer Organmafia dann in
ganz Deutschland. Ein Problem
war damals, dass die Polizei auf
Facebook noch nicht wirklich
aktiv war. Erst als die Polizei als
oberste Instanz eingegriffen und
die Sache richtiggestellt hatte,
war die Meldung als „Fake“ akzeptiert.
Das war dann nahezu
rechtsgültig.
Kultur Joker: Wie kommt so eine
Erzählung zustande? Stehen dahinter
nur besorgte Eltern oder
Menschen mit der Agenda, Angst
zu schüren?
Andre Wolf: Hinter diesen Erzählungen
müssen keine bösen
Motive stecken. Vielleicht hat
jemand eine Situation nur falsch
verstanden, mit einem falschen
Narrativ verknüpft und dann aus
Betroffenheit und Sorge heraus
weitergegeben. Es ist aber auch
gut möglich, dass jemand diese
Nachricht bewusst verbreitet hat,
um Angst zu schüren. Die Botschaft
ist dann: „Wir sind hier
nicht sicher.“ Dann haben wir es
mit einem gefährlichen Narrativ
zu tun.
Kultur Joker: Für die
Empfänger*innenseite wird es
vermutlich schwierig sein, einer
so starken Emotionalität noch
mit Fakten beizukommen. Im
Buch verwenden Sie dafür das
Bild der „Löwenmutter“, die
ihr Kind verteidigen möchte und
entsprechend aggressiv auf Aufklärungsversuche
reagiert. Wie
gehen Sie damit um?
Andre Wolf: Im ersten Moment
erreiche ich diese Menschen gar
nicht, da gibt’s nur Prügel. Wenn
es um den Schutz eines geliebten
Kindes geht, kann man nicht
mehr argumentieren. Auch bei
Verschwörungsnarrativen ist es
auch nahezu unmöglich, dem
Fakten gegenüberzustellen. Wir
müssen also unseren Modus ändern
und die Fakten selbst erzählerisch
vermitteln. Wir müssen
eine Erzählung zu den Fakten
schaffen, die einprägsam ist. Dabei
geht es nicht um Erfindung,
sondern darum, etwas so plausibel
zu erklären, dass es auch im
Kopf bleibt.
Kultur Joker: Kann man gegen
Falschnachrichten nicht auch
juristisch vorgehen?
Andre Wolf: Solange Menschen
damit nicht direkt bedroht werden,
bewegen sich Falschmeldungen
im juristisch legalen
Rahmen. Das wissen viele nicht:
Lügen an sich ist nicht verboten.
Die Frage ist auch: Wer klagt
im Falle eine Falschmeldung?
Wenn die Falschmeldung kursiert,
Flüchtlinge bekämen alle
ein Gratis-Smartphone, wer will
dann klagen? Die Flüchtlinge als
Gruppe können jedenfalls nicht
klagen. Parteien wie die AfD
arbeiten noch dazu sprachlich
viel feiner und entgehen so einer
Strafverfolgung. Dort heißt es
nicht „Der Islam ist schlecht“,
sondern „Der Islam gehört nicht
zu Deutschland“. Solche Parteien
verschieben die Grenze des
Sagbaren und wissen, dass ihre
Anhänger diese Grenzen noch
weiter verschieben.
Kultur Joker: Mit der AfD
sind wir bei den Themen Neue
Rechte und Rechtsextremismus
angelangt. Ihr Buch beschreibt
die schwierige Aufgabe, solche
politischen Akteur*innen hinter
Falschmeldungen und Hetze
sichtbar zu machen. Aber gibt es
auch Erfolge?
Andre Wolf: Ich habe in den
vergangenen Jahren oft mit sogenannten
„Watch-Blogs“ zusammengearbeitet,
die viel Zeit und
Herzblut investieren, um solche
Akteure sichtbar zu machen. Zur
letzten Bundestagswahl konnten
wir ein Netzwerk von über 30
großen AfD-Gruppen auf Facebook
aufdecken. Hinter diesem
Netzwerk standen nur ein, zwei
Personen. Auf Basis unserer Recherche
hat Die PARTEI diese
Gruppen infiltriert, das Netzwerk
übernommen und vor der Bundestagswahl
schließlich bloßgestellt.
Kultur Joker: Wie gehen rechte
Akteur*innen auf Social Media
vor?
Andre Wolf: Zunächst wird ein
Netzwerk aufgebaut. Innerhalb
dieses Netzwerks werden dann
bestimmte Kommunikationsstrategien
entwickelt. So werden
etwa auf bestimmten Seiten oder
Profilen Kommentare gepostet,
um dort die Stimmung entsprechend
den eigenen Interessen zu
beeinflussen. Ob in den Kommentarspalten
der österreichischen
Zeitschrift „Der Standard“
oder bei der Tagesschau:
Die rechten Netzwerke mit
ihren diversen „Sockenpuppen-
Accounts“ (Anm.: Verschiedene
Accounts, hinter denen nur eine
Person steht) sorgen dafür, dass
die Inhalte dort schlechtgeredet
werden. Eine Diskussion um
Fakten ist dann nicht mehr möglich.
Aber das ist auch gar nicht
das Ziel.
Kultur Joker: Sondern…?
Andre Wolf: Es geht darum zu
stören und etwas schlecht aussehen
zu lassen. Dazu kommt die
Methode des „Silencing“. Dabei
werden bestimmte Personen innerhalb
der Kommentare gezielt
angegriffen und eingeschüchtert,
zum Schweigen gebracht.
Die sind aber auch gar nicht die
Adressaten, Adressaten sind die
Beobachter. Man will für die, die
mitlesen, eine große Show inszenieren.
Die rechten Accounts
sollen eine Mehrheit darstellen,
die den scheinbar „richtig“ oder
„korrekt“ agierenden Gesprächspartnern
überlegen ist. Auf diese
Weisen sollen die Zuschauer
dazu bewogen werden, mit der
vermeintlichen Mehrheit zu gehen.
Kultur Joker: Ihr Buch macht
deutlich: Die Auswahl der
Adressat*innen, oder sagen wir
„Ziele“ für Hasskommentare
stellt für die rechten Netzwerke
eine wichtige Aufgabe dar. Als
eine Zielgruppe gelten junge,
gebildete Frauen. Warum gerade
die?
Andre Wolf: Rechtspopulisten
inszenieren die traditionelle
Familie als Rollenideal. Darin
hat die Frau ihre Sorgefunktion
und hat nicht zur Universität zu
gehen. Erst recht soll sie nicht
kinderlos bleiben. Entsprechend
sind junge, gebildete, linksliberale
Frauen das Feindbild – aber
auch Männer mit einem solchen
Hintergrund, vor allem wenn sie
nicht klassischen Männlichkeitsbildern
entsprechen, also zum
Beispiel gebrechlich wirken.
Dem gegenüber stehen die Accounts
der Rechtspopulisten mit
oft martialischen Benutzerbildern:
Schnelle Autos und kämpferische
Posen. Rechte Netzwerke
versuchen ihre Feinde mit
„Silencing“ einzuschüchtern.
Frauen wird oft mit Vergewaltigung
gedroht, Männern mit der
Vergewaltigung ihrer Kinder und
Frauen.
Kultur Joker: Wie begegnet man
solchem Hass?
Andre Wolf: Wir müssen Menschen
beibringen, wie Social Media
eigentlich funktioniert, wie
Informationen auf Social Media
verbreitet werden. Diese Bildung
brauchen junge Menschen, aber
auch erwachsene Menschen. Für
letztere benötigen wir neue Formate.
Wir können Erwachsene
nicht in Klassenzimmer stecken,
sondern müssen sie auf unterhaltsame
Weise dafür interessieren,
sich mit den Mechanismen
von Social Media auseinanderzusetzen.
Kultur Joker: Wofür es wiederum
den Staat braucht.
Andre Wolf: Ja, aber nicht nur
die jeweiligen Nationalstaaten.
Wir müssen eine europäische
Lösung und Forderungen erarbeiten
und uns damit an Konzerne
wie Facebook oder Twitter
wenden. Ideal wäre eine große,
neutrale Schiedsstelle, die staatenübergreifend
anerkannt ist und
unabhängig funktioniert. Diese
Schiedsstelle wäre Schnittstelle
zwischen Internetplattform,
Staat und den Nutzerinnern und
Nutzern, ein Informationszentrum,
eine Stelle für Rechtsberatung
und psychische Betreuung.
Denn viele Menschen sind überfordert,
wenn sie zum ersten Mal
online mit Hass oder Mobbing in
Kontakt kommen. Da braucht es
Gesprächsangebote, damit so jemand
mit seiner Erfahrung nicht
allein bleibt.
Kultur Joker: Ein ziemlich
großes Vorhaben.
Andre Wolf: Ich weiß, das kostet
viele Ressourcen. Ich frage
aber auch: Was ist uns am Ende
unsere Demokratie wert? Wie
können wir Social Media zu
einem Ort machen, an dem wir
uns wohlfühlen? Ich persönlich
will Social Media nicht verbieten,
ich will es weiterentwickeln,
damit wir alle daran Spaß haben
können.
Kultur Joker: Herr Wolf, herzlichen
Dank für das Gespräch!
Andre Wolf, „Angriff auf die Demokratie.
Wie Rechtsextremisten
die Sozialen Medien unterwandern“,
edition a 2021.
Musik KULTUR JOKER 35
Die IFK (Interessengemeinschaft
Freiburger Komponisten)
veranstaltet am 22. Juni, 20 Uhr
in Kooperation mit der GEDOK
Freiburg und dem Verein der
Freunde des Ensemble Aventure
im Garten der Elisabeth-Schneider-Stiftung
in Freiburg ein Konzert
mit dem Titel „Ins Offene“.
Die drei Musikerinnen Andrea
Nagy (Klarinette/Bassklarinette),
Delphine Gauthier-Guiche (Horn)
und Annette Winker (Fagott)
spielen eigens für diesen Anlass
und diese Besetzung komponierte
kurze Stücke in Solo-, Duo- und
Trio-Besetzung, in denen sich
Ins Offene
Konzerte in der Elisabeth-Schneider-Stiftung
Die Zusammenarbeit zwischen
dem Blauen Haus Breisach und
dem Bronislaw-Huberman-Forum
gipfelt vom 11. bis 13. Juni
in einem Schwerpunkt-Wochenende
zu dem Thema „Verfolgung
– Widerstand – Exil“. Der erste
Abend (11.Juni, Blaues Haus, 18
Uhr) trägt den Untertitel „Geige
im Exil – Ungarn“. Elias David
Moncado spielt Béla Bartóks
Sonate für Violine solo. Gerhard
Markson liest Texte von Ephraim
Kishon: „Aufgewachsen als
Jude im stalinistisch geprägten
Ungarn“. Eingeblendet werden
historische Aufnahmen mit
Bartók am Klavier. Am zweiten
Abend (12.Juni, Hofgarten des
Blauen Hauses, 18 Uhr) lesen
Charles Brauer und Gerd Heinz
den 1938 entstandenen Briefroman
„Adressat unbekannt“ von
Kressmann Taylor im Wechsel
mit Kompositionen von Hans
Werner Henze und Ernest Bloch,
gespielt von der Geigerin Latica
Honda-Rosenberg (Berlin) und
dem Cellisten Bruno Weinmeister
(Wien). Im Zentrum des dritten
Abends (13.Juni, Spitalkirche
Breisach, 18 Uhr „40. Jour fixe
musical“) stehen Texte von Peter
Weiss. Sowohl zu seiner Kafka-
Dramatisierung „Der Prozess“,
wie zur Textgeschichte seines
Oratoriums „Die Ermittlung“, als
auch Fragmente aus seiner „Ästhetik
des Widerstands“, gelesen
von Gerd Heinz und Helmut
Grieser. Den musikalischen Teil
bestreiten die Geigerin Hanna
Weinmeister, der Cellist Bruno
Weinmeister und die Huberman-
Stipendiatin Vera Weilerstein,
Sopran, mit themenbezogenen
Kompositionen von Peter Michael
Hamel, Josef Tal, György
Kurtág und Gideon Klein. Zum
Abschluss erklingt Luigi Nonos
elektronische Realisation „Ricorda
cosa ti hanno fatto in Auschwitz
– cori dall’Ermittlung di
Piero Weiss“. „Dies ist wahrscheinlich
die bedrückendste
meiner nunmehr 40 für Breisach
dreizehn Komponist*innen mit
dem Thema Abstand und Musik
im Freien in Zeiten von Corona
auseinandersetzen und dafür
kreative Lösungen finden. Der
Garten der Elisabeth-Schneider-
Stiftung öffnet sich zum Klangraum,
der aus sich immer wieder
ändernden Perspektiven und
wechselnden räumlichen Positionen
der Musikerinnen zum
Schwingen gebracht wird.Die
Komponist*innen der Stücke
leben in Freiburg und der Regio
oder sie haben hier studiert. Ihre
individuellen Gestaltungsweisen
des Raumes, der Zeit, der Harmonik
und Melodik, der Geräuschanteile
zeigen, wie vielfältig
Neue Musik heute klingen kann.
Zu hören sind Uraufführungen
von Günter Buchwald, Carmen
Carneci, Andreas Fervers, Mesias
Maiguashca, Frank Michael,
Wolfgang Motz, Dorothee
Schabert, Katharina Schmauder,
Annette Schlünz, Mia Schmidt,
Maximiliano Soto Mayorga,
Szigmond Szathmary und Thomas
Wenk.
Online-Reservierung unter:
kontakt@freiburgerkomponisten.
de
„Verfolgung – Widerstand – Exil“
Schwerpunkt-Wochenende in Breisach
Unter dem Motto „Musik verbindet“
präsentiert der Verein
Haus der Kultur Freiburg am
11.I 13. Juni im Historischen
Kaufhaus in Freiburg eine Konzertreihe
mit Klavierwerken der
europäischen klassischen Musik
und Kompositionen, deren
Wurzeln in der traditionellen
iranischen Musik fußen. Mit
Bach als Schwerpunkt des Festivals
wird in den drei Konzerten
sowohl eine Brücke zur romantischen
Kleinform wie Prélude,
Etüde und Esquisse (Skizze)
geschlagen, als auch die Verbindung
zur Musik einer neuen
Avantgarde aufgezeigt, die
mit ihrem Ursprung in der iranischen
Tradition aus einer völlig
anderen Zeit und Kultur zu
stammen scheint.Mit einer Reise
durch alle 24 Tonarten eröffnen
die drei jungen Pianist*innen
ausgearbeiteten Porgrammfolgen
und sie liegt mir zum Ausklang
der Jour-fixe-Reihe in besonderem
Ausmaß am Herzen“,
kommentiert Dirk Nabering,
Musikkurator am Blauen Haus.
Zu allen Veranstaltungen freier
Eintritt, es bedarf jedoch rechtzeitiger
schriftlicher Anmeldung
an mail@Bronislaw-Huberman-
Forum.de – die aktualisierten
Besucherregeln bzw. das verordnungskonforme
Hygienekonzept
erhalten die Besucher der Veranstaltungen
schriftlich im Vorfeld.
Kleine Freiburger Musiktage
Konzerte im Historischen Kaufhaus in Freiburg
Yang Tai, Gaidar Beskembirov,
Pietro Ceresini sowie einer der
gegenwärtig repertoirereichsten
europäischen Pianisten, Rainer
Maria Klaas, die Konzertreihe
am 11. Juni, 19 Uhr. Auf dem
Programm stehen Werke von
Chopin, Alkan, Moszkowski,
Saint-Saëns, Rachmaninov und
Scriabin, ergänzt durch Neue
Musik von Rainer Maria Klaas
und einer Uraufführung von
Juan José Chuquisengo. Den Ursprung
und das Zentrum dieser
Reise bringt am 13. Juni, 11 Uhr,
die Pianistin und Bach-Expertin
Schaghajegh Nosrati mit Bachs
„Wohltemperierten Klavier“
(Band 1) zu Gehör. Klänge der
Ferne auf der iranischen Stachelgeige
(Kamantsche) mit
Perkussionsbegleitung um 17
Uhr desselben Tages bieten
zum Abschluss des Festivals
Charles Brauer im Blauen Haus
Foto: Bronislaw Huberman Forum
neue Ausblicke. Zu Gast ist Misagh
Joolaee, einer der besten
Kamantsche-Interpreten, der im
Duo mit Sebastian Flaig, einem
Spezialisten für orientalische
Perkussion, eine vielschichtige
und vieldimensionale Form des
Ausdrucks entstehen lässt.
Weitere Infos und Karten:
www.hausderkultur.com und
Abendkasse.
Schaghajegh Nosrati
Foto: Haus der Kultur
„Was Du mir bist“
Liederabend in der Ludwigskirche
Der bereits am 20. Januar 2020
angesetzte Liederabend unter
dem Motto „Was Du mir bist“
kann nun am 30. Juni um 20 Uhr
in der Ludwigskirche in Freiburg
stattfinden, wenn es die Inzidenzien
in Freiburg bis dahin zulassen.
Dort wird die bekannte Sopranistin
Katharina Ruckgaber
(Ensemblemitglied am Theater
Freiburg) Lieder von A. Jensen,
Ein facettenreiches Programm,
gespielt von einer prämierten
Pianistin präsentiert
der Verein Haus der Kultur
Freiburg am 26. Juni, 20 Uhr
im Historischen Kaufhaus
Freiburg. Die junge, in Freiburg
lebende Japanerin Miku
Arizono, Gewinnerin des internationalen
Klavierwettbewerbs
Livorno 2020, spielt ein
progressiv angelegtes Klavierrezital.
Im Programm stehen
Werke unterschiedlicher Komponisten
wie Haydn, Debussy,
R. Schumann und E.W. Korngold
zu Gehör bringen. Es begleitet
sie Klaus Simon am Klavier.
Katharina
Ruckgaber
Foto: Nicky Webb
Gottesdienstliche Abendlieder
Kantate von Jörn Bartels
Mit dem Choral „Nun bitten
wir den Heiligen Geist“ beginnt
die Kantate von Jörn Bartels,
die im Rahmen einer Gottesdienstlichen
Abendmusik am
6. Juni, 16 und 17 Uhr in der
evangelischen Stadtkirche Emmendingen
musiziert wird. Die
fünf Sätze der Kantate mischen
Stil-Elemente des Jazz, der
Kirchentonarten und der Barockmusik.
Dabei versucht die
Musik immer die in den Texten
vorkommenden Bilder in Töne
zu übersetzen. Neben Bibel- und
Choral-Texten ist auch ein Text
von Marguerite Poretes, eine auf
dem Scheiterhaufen verbrannte
Mystikerin des Mittelalters, vertreten.
Die drei mittleren Sätze
singt die junge Altistin Pascale
Jonczyk, die von einem coronabedingt
kleinen Instrumentarium
von Violine (Regine Schröder),
Violoncello (Anne Beller)
und Truhenorgel (in alter Stimmung)
begleitet wird. Im Eingangs-
und Schluss-Chor singt
ein Vokalquartett aus den Reihen
der Kantorei. Seine Komposition
leitet Bezirkskantor Jörn Bartels
von der Truhen-Orgel aus. Die
Liturgie übernimmt Pfarrerin
Irene Leicht, die eine profunde
Kennerin von Marguerite Poretes
Leben und Werk ist.
Anmeldung unter evangelischin-emmendingen.de
erforderlich.
Klaviertalent
Miku Arizono in Freiburg
Pascale Jonczyk
Foto: Bezirkskantorat
Janáček, Wagner und Liszt.
Dazu kommen zwei Eigenkompositionen
der Pianistin.
Kein schlechter Anlass, ein
vielseitiges Talent zu erleben
und zu feiern.
Miku Arizono
Foto: 2R Studio Produzioni Multimediali
36 KULTUR JOKER veranstaltungen
„Böhmische Dörfer“ Freiburg
Die neue Theaterproduktion
„Böhmische Dörfer“ des Cargo-Theater
ist eine autobiografische
Auseinandersetzung der
beiden Geschwister Carla Wierer
und Leon Wierer mit dem
Leben ihres Großvaters. Dieser
kämpfte im zweiten Weltkrieg
als Soldat in Stalingrad. Was
könnte ihnen der junge Mann,
den sie nur von einem Foto kennen,
alles vererbt haben? Einen
bestimmten Gang, eine besondere
Art zu denken, Alpträume,
oder den Granatsplitter, den er
aus Stalingrad in seiner Schulter
mitbrachte? Ihr Nichtwissen
über ihren Opa und seinen
undurchschaubaren Einfluss
auf ihre Gegenwart, verstehen
die beiden Performer*innen
als Auftrag: Zuerst lernen sie
Russisch, befragen Verwandte,
durchstöbern in langen Nächten
skurrile Foren und endlose
Archive im Internet und nehmen
schließlich das Publikum
Vom 2. bis 4. Juni, jeweils
von 9.30 bis 12.30 Uhr können
Kinder sich in die Welt der Farben
und der Kunstgeschichte
begeben. Mittels eines Online-
Malprogramms werden eigene
Kunststücke erstellt und mit
Audioaufnahmen zum Sprechen
gebracht. Der berühmte
Künstler August Macke wird
mit auf eine multimediale Recherchereise.
Vom böhmischen
Dorf Hammern, wo ihr Großvater
aufwuchs, geht es in die
russische Großstadt Wolgograd,
früher Stalingrad. „Böhmische
Dörfer“ ist der anarchisch einkreisende
Versuch einer Annäherung
an die eigene Familiengeschichte
und deren Bedeutung
für die Gegenwart.
Primiere: 17. Juni, 20.30 Uhr
im E-Werk. Weitere Termine 18.
und 19. Juni, jew. 20.30 Uhr.
Böhmische Dörfer
Foto: Jennifer Rohrbacher
Kunst für Kids Online Freiburg
vorgestellt. Zudem gibt es
Spiele, Spaß und Wissenswertes
zum Thema Kunst. Der
Workshop findet online statt,
ist kostenlos und wird vom
Verein Kommunikation & Medien
angeboten. Anmeldungen
unter: freund@kommunikation-und-medien.de
Das Tanzfest Freiburg
Zum Ende der ersten TANZ-
PAKT Stadt-Land-Bund-
Förderrunde und auch in
Zeiten der Pandemie feiert das
tanznetz|freiburg sein dreijähriges
Bestehen unter dem Motto
„Jubeln, in Erinnerungen
schwelgen, Danke sagen“.
Die Interessenvertretung
der Freiburger Freien Tanzszene
lässt Revue passieren,
nimmt Anlauf für die Zukunft
und lädt alle Akteur*innen
der letzten Jahre sowie alle
Interessierten herzlich ein,
mitzufeiern. Vom 30. Juni bis
zum 3. Juli werden bewegte
und bewegende Einblicke in
die zeitgenössische Tanzszene
und diverse Möglichkeiten der
Teilhabe geboten.
Weitere Infos unter: www.
tanznetz-freiburg.de und auf
Facebook oder Instagram.
Kindershow Open Air Basel
Die Welt ist voller Abenteuer!
Gemeinsam mit dem
Publikum begeben sich die
Impronauten in die wildesten
Gefahren und retten die Helden
aus aller Not. Improvisationstheater
bedeutet: Geschichten
einfach entstehen lassen
– ganz ohne Planung, aber mit
viel Lust am Fabulieren. Wer
wird der Held des Theaterstücks
sein? Und welche Gefahren
lauern an seinem Weg?
Wer kommt zu Hilfe, wenn
es eng wird? Winkt am Ende
ein Königreich oder eher ein
Stück Torte? Eines ist sicher:
Die zündenden Ideen und rettenden
Einfälle kommen von
den Zuschauenden...
Die Kindershow der Impronauten
ist am 13. Juni, 16 Uhr
im Gartentheater Kannenfeldpark
in Basel bei freiem Eintritt
zu erleben.
Die Impronauten Foto: Impronauten
Buchpreisträgerin Anne Weber kommt
Hochkarätige Lesung in der Rainhofscheine als Auftakt der Wiederaufnahme
des Kulturprogramms vor Publikum
Unter dem Motto „Let‘s Break
The Silence!“ geht es auch dieses
Jahr in der Reihe „Dear White
People“ darum, sich selbstkritisch
mit dem Thema Rassismus
auseinanderzusetzen. Dabei geht
es nicht nur um Informationen,
sondern auch den Austausch
miteinander. Die Systematik
von Rassismus wird in verschiedenen
Veranstaltungen erklärt.
Dabei wird ein Augenmerk auf
die gesellschaftliche Machtverteilung
gelegt. Wer erfährt Rassismus?
Wer übt Rassismus aus?
Wie wird Rassismus ausgeübt?
Ines Johnson-Spain thematisiert
dies anhand ihrer eigenen
Geschichte mit dem Dokumentarfilm
„Becoming Black“. Sie
wächst in den 1960ern in der
DDR auf und ist Tochter weißer
Eltern, die ihr nie genau erklären,
warum sie schwarz ist und
nicht weiß, wie der Rest ihrer Familie.
Die Dokumentation fängt
das Schweigen und das daraus
entstehende Nichts ein, in dem
Nun ist es wieder soweit:
Nach erzwungener Pause bietet
der Buchladen in der Rainhofscheune
in Kirchzarten-Burg
zum Wiederbeginn seines gewohnten
Kulturprogramms
gleich ein literarisches Mega-
Highlight. Betreiberin Sibylle
Steinweg konnte die Autorin
Anne Weber, Trägerin des Deutschen
Buchpreises 2020, als
eine der ersten für eine Lesung
gewinnen. Der vom Börsenverein
des Deutschen Buchhandels
gestiftete und mit 25000 Euro
dotierte Preis wird jeweils zum
Auftakt der Frankfurter Buchmesse
verliehen und Anne Weber
erhielt ihn für ihre als Heldinnenepos
titulierte Erzählung
„Annette“ über das Leben der
heute 96-jährigen lebenslangen
Widerstandskämpferin Anne
Beaumanoir. Schon in ihrer Jugend
kämpfte sie in der kommunistischen
Résistance in Frankreich
gegen die Nazi-Besatzer,
unterstützte später aktiv die algerische
Unabhängigkeitsbewegung
innerhalb der Befreiungsfront
unter Führung Ben Bellas
und war Amtsträgerin in dessen
provisorischer Regierung. Einer
zehnjährigen Gefängnisstrafe
konnte sie durch Flucht entgehen.
Anne Weber wählte für die
biografische Darstellung dieses
außergewöhnlichen Lebens einer
außergewöhnlichen Frau die
epische Versform im Stil der Ilias
oder Odyssee. So konnte sie
mit gehobener Sprache, ohne
jedoch die Lesbarkeit zu erschweren,
ihrer Bewunderung
für diese mutige Frau am besten
Ausdruck verleihen. Inhaltlich
aufregend und literarisch ein
Leckerbissen.
Die Frankfurter Preisverleihung
im letzten Jahr konnte
Pandemie-bedingt nur vor
Ines Johnson-Spain als Kind gefangen
ist. Nur langsam und viel
später kann sie die Puzzleteile
zusammenfügen und erfährt von
der Affäre ihrer Mutter. Der Film
wird am 8. Juni um 19.30 Uhr im
Kommunalen Kino mit anschließendem
Gespräch gezeigt.
Neben filmischen Angeboten
gibt es einige Workshops zu
besuchen. Darunter auch „Allyship
and White Saviorism“ mit
Estefania Cuero. Darin werden
weiße Menschen begleitet sich
und ihre Verhaltensmuster kritisch
zu hinterfragen. White
Saviorism bezieht sich auf das
Phänomen vieler weißer Personen,
die sich dazu berufen
fühlen aus dem globalen Norden
in den globalen Süden zu
reisen, um dort in Projekten zu
arbeiten, die sich der Entwicklung
und Unterstützung dieser
Länder verschrieben haben.
Warum das kritisch zu sehen ist,
wird Estefania Cuero erklären.
Zusätzlich zu diesen Veranstal-
kleinem Publikum stattfinden.
Lesungen oder andere Formen
der publikumswirksamen Präsentation
waren bisher unmöglich
oder ein seltenes Ereignis.
Umso wertvoller ist nun die
Möglichkeit, die Autorin hautnah
zu erleben und das ereignisreiche
Leben ihrer Protagonistin
in vollendeter Sprachgestaltung
kennenzulernen.
Die Lesung findet am 17. Juni,
20 Uhr im Buchladen in der
Rainhofscheune in Kirchzarten-
Burg statt. Kartenreservierung
per E-Mail an info@buchladenrainhof.de
oder Tel: 07661 988
09 21. Weitere Veranstaltungen
in der Rainhofscheune im Juni:
Lesung und Gespräch mit Norbert
Gstrein, 8. Juni, 20 Uhr.
Außerdem Lesung und Gespräch
mit Martin Mosebach,
24. Juni, 11 Uhr.
Erich Krieger
„Dear White People...“
Anti-Rassismus-Veranstaltungsreihe zum dritten Mal in Freiburg
tungen widmen sich Vorträge
dem theoretischen Hintergrund
von Rassismus. Aktivisti*innen,
Akademiker*innen und
Künstler*innen sind als Gäste
geladen. Sie beschäftigen sich
unter anderem mit dem Konzept
der Mehrfachdiskriminierung,
mit geschichtlichen Entwicklungen,
wie Kolonialismus und
Postkolonialismus und deren
Relevanz heute. Auch der Zusammenhang
zwischen der ökologischen
Krise und der Ausbeutung
des Globalen Südens wird
erörtert. Die Veranstaltungen
finden teilweise online statt. Es
werden Stramings und Online-
Dokumentationen zur Verfügung
gestellt. Andere Veranstaltungen
sind über die Stadt verteilt.
Gehörlosendolmetscher*innen
werden ermöglicht.
„Dear White People“ findet
vom 7. bis 13. Juni statt. Weitere
Infos: https://zlev.de/kunstkultur#dear-white-people-let-sbreak-the-silence
veranstaltungen KULTUR JOKER 37
Kultur in der Scheune
Die Merdinger Kulturtage mit einem Programm zwischen Kunst,
Literatur und viel Musik
Das Merdinger Kunstforum
zeigt sich zuversichtlich. Am 13.
Juni, 11 Uhr öffnet sich wieder
die große Pforte der Zehntscheuer
für die 31. Ausgabe der Merdinger
Kulturtage. Zu Beginn steht
die Ausstellung Jürgen Palmtags.
Unter dem Thema „Panorama
produktiver Abschweifungen“
öffnet Palmtag den Blick für seine
verschiedenen Interessen, die alle
Eingang in sein Werk gefunden
haben. Ob Populärkultur, Film
oder zeitgenössische Musik – in
einer Bilderstrecke mit Arbeiten
und Aktivitäten der letzten Jahre
fallen großer Katalog und Dokumentation
eines breiten Interessenspektrums
in eins. Die Ausstellung
dient als Klammer der
Merdinger Kulturtage. An den
vier darauffolgenden Samstagen
finden innerhalb der Ausstellung
Konzerte statt, die jeweils um 20
Uhr beginnen. Den Anfang machen
die badischen Kultrocker
The Brothers, die am 19. Juni
ihre über 40 jährige Bandtätigkeit
feiern – mit eigenen Stücken und
Covern klassischer Rocksongs.
Ist es möglich, auch in Zeiten
der Pandemie ein reiches kulturelles
Leben und den sozialen
Zusammenhalt zu fördern?
Ja, meinen die Initiatoren der
KulturBauStelle, eine spartenübergreifende
Plattform für kulturelles
und soziales Leben in
Staufen. Ab dem 12. Juni soll die
KulturBauStelle für ein halbes
Jahr in Betrieb gehen, getragen
durch den Förderverein für außergewöhnliche
und unterhaltende
Staufener Theaterkultur.
Seit über einem Jahr ist das gesamte
Kultur- und Vereinsleben
der Region nahezu erloschen –
Perspektiven waren bislang ungewiss.
Schnell wurde den Betroffenen
klar, dass Staufen keine
ausreichenden Raumkapazitäten
für mittlere und große Veranstaltungen
oder Proben der ansässigen
Musikvereine, Chöre oder
Theatergruppen besitzt. Was
tun? Ein flexibles Dach musste
Am 26. Juni folgt die Formation
The Chamber Jazz Orchestra
des Freiburger Bassisten Michael
Pöhlmann. Nicht rockig, dafür
in warmen eindringlichen Kammerspielsounds
mit Saxophon,
Bass und Klavier. Klassisch wird
es am 3. Juli mit Petra Müllejans,
die an der Barockvioline mit ihrer
Kollegin Sabine Bauer (Cembalo)
Violinsonaten von Bach intoniert.
Tanzbar ist das Tango-Ensemble
Brisas del Sur, das am 10. Juli
schwüle Grooves garantiert. Bereits
2012 konnte das Ensemble
Jürgen Palmtag: „Muss ich
niedermeiern“ (Ausschnitt)
Foto: Jürgen Palmtag
her, möglichst leicht umzurüsten,
für jung und alt geeignet,
barrierefrei, nachhaltig gebaut
und wiederverwendbar: Zelte!
Auf einer Grundfläche von über
900 und 400 Quadratmetern werden
nun Zirkuszelte mit Technik,
Bühnen und Bestuhlung auf dem
alten Sportplatz in Staufen errichtet.
Dies geschieht in direkter
Nachbarschaft zur Baustelle der
Musikakademie des Bundes
Deutscher Blasmusikverbände.
Die KulturBauStelle ist also
doppeldeutig lesbar und steht
symbolisch für die Kooperation
der hiesigen Kulturträger.
Im kommenden halben Jahr
werden die Zirkuszelte der KulturBauStelle
variabel genutzt und
bieten sowohl Platz zum Proben
der Chöre, Musikkapellen, Spielmannszüge
und Theatergruppen,
sowie des Pflegens des Vereinslebens.
Auch Veranstaltungen sind
um den Bandoneon-Spieler Wolfgang
Weniger bei den Merdinger
Kulturtagen auftrumpfen.
Den Abschluss der Kulturtage
bildet eine Matinée-Lesung mit
der Autorin Katrin Seglitz. Am
11. Juli, 11 Uhr liest sie aus ihrem
Roman „Schweigenberg“. Eine
spannende Begegnung zwischen
einem Richter und einem Verurteilten
mit Revangebedürfnis.
Die Ausstellung der Merdinger
Kulturtage ist jeweils samstags
von 16-18 und sonntags von 12-
18 Uhr geöffnet. Um eine Anmeldung
vorab wird gebeten: www.
merdinger-kunstforum.de/reservieren
The Brothers
Foto: promo
Ein Ort, an dem Kultur stattfinden darf
Die KulturBauStelle Staufen errichtet Zirkuszelte für Veranstaltungen und Proben
bereits geplant. So wird am
16./17./18. Juli die Ballettschule
Staufen danceGeneration,
unter Mitwirkung von 180
Schüler*innen, das Tanztheater
„Das Magische Karussell“, geschrieben
von Maria Hermann,
aufführen. Auch die Staufener
Musikwoche ist bereits geplant
und wird in diesem Jahr vom
31. Juli bis 7. August stattfinden.
Gute Laune bringt das Komikerduo
Gogol & Mäx am 27./28. August
mit ihrem Programm „Concerto
Humoroso“ auf die Zirkusbühne
der KulturBauStelle.
Auf eine Woche voller Theater,
Konzerte, Lesungen, Kabarett
und Tanz darf sich das Publikum
der 31. Staufener Kulturwoche
freuen, die vom 8.-17. Oktober
auf den Bühnen der Staufener
KulturBauStelle stattfinden darf.
Weitere Infos: www.staufen.de
und in den nächsten Kultur Joker
Ausgaben.
„Naked Love“ Freiburg
Ausgehend von einer zehnmonatigen
Interviewrecherche
zum Thema „Wie liebst
du? Liebe in einer sich transformierenden
Gesellschaft”
entwickelt die DAGADA
dance company mit ihren fünf
Tänzer*innen eine berührende
Tanzsprache, die in zehn Episoden
einen Reigen von zarten,
schmerzenden, tabuisierten,
hoffnungsvollen Begegnungen
eröffnet unter dem Titel „Naked
Love“. Dabei geht es um
Themen wie multiserielle Monogamien,
Patchwork, Einsamkeit,
Asexualität, Dauerdating,
Pornokonsum oder die Ökonomisierung
von Liebesdiensten.
„Naked Love“ ist keine getanzte
Gesellschaftskritik,
sondern der Versuch, das unaussprechlich
Wesentliche
im Menschen und der Liebe
unserer Zeit zu begreifen: Zulassen
und loslassen als unabdingbare
Regel in der Liebe.
Die Produktion des E-Werk
Freiburg in Kooperation mit
tanznetz|freiburg und dem
Kulturamt Freiburg feiert am
10. Juni, 20 Uhr im E-Werk
Premiere. Weitere Termine:
12.6., 20 Uhr und 13.6., 19 Uhr.
Naked Love
Foto: Jennifer Rohrbacher
„(Con)fabulation“ Freiburg
Nach den beiden großen Produktionen
„In My Room“ (2017)
kehrt die in Freiburg lebende
japanische Tänzerin und Choreografin
Emi Miyoshi 2019 mit
„Depth of Field“ zurück zur Minimalform.
Anknüpfend an ihre
erste Soloarbeit „Sinking Float“
(2003) begegnet die Tänzerin in
ihrem aktuellen Stück den eigenen
Wurzeln neu und kreiert ein
choreografisches Tableau aus
fernöstlicher und westlicher Ästhetik.
Im Mittelpunkt steht der
Die Proben zum neuen
Stück von Éric Trottier mit
vier Tänzerinnen hatten bereits
begonnen, da rückte die
Corona-Pandemie 2020 alle
Menschen auf Abstand. Von
den notwendigen Änderungen
für Bühne und Zuschauerraum
inspiriert, entstand die bildgewaltige,
zugleich schöne und
beunruhigende Tanzinstallation
„(Con)fabulation“, die beim
Theaterfestival Schwindelfrei
in Mannheim Premiere feierte.
Die Zuschauer*innen sind
eingeladen in einen Bühnenraum
mit vier Plexiglas-Kuben,
in denen die Tänzerinnen
Georgia Begbie, Lisa Bless,
Laura Börtlein und Franziska
Schmitz die Frage nach unserer
Identität und unserem
Verhältnis zueinander ganz
neu stellen und neue Verhältnisse
zwischen Publikum und
Künstlerinnen ausloten.
(Con)fabulation 30. Juni,
17/19 Uhr. Künstler*innen-
Gespräch, 21 Uhr, im E-Werk
(Con)fabulation
Foto: Lys-Y-Seng
HIN.n.WEIS („N.Note“ Teil1) Freiburg
„Hin.n.Weis“ ist Teil des dokumentations.
und choreografischen
Forschungsprojektes
„Buch der sichtbaren und unsichtbaren
Notizen“. Die Solo-
Tanzperformance widmet sich
dem menschlichen Körper als
lebendiges Archiv von Raum
und Zeit. Katarzyna Brzezinska
bringt ihren Körper in Bewegung,
mal durch zeitgenössichsen
Tan, mal in poetischen
Bewegungen ergänzt durch
Ton, gesprochenem Text und
visueller Begleitung.
Premiere: 24. Juni, 20 Uhr
im Südufer. Weitere Termine:
25. & 27. Juni, jew. 20 Uhr.
„Depth of Field“ Freiburg
ewige Kreislauf des Lebens. Zu
erleben am 30. Juni und 1. Juli
im Kammertheater im E-Werk.
Depth of Field Foto: Marc Doradzillo
38 KULTUR JOKER VERANSTALTUNGEN
„Extrawurst“ Freiburg
Das Wallgraben Theater zeigt
am 6. Juni, 20 Uhr die Premiere
der Komödie „Extrawurst“,
der bekannten Comedy-Autoren
Dietmar Jacob und Moritz Netenjakob
die Pandemie-bedingt
verschoben werden musste. Auf
der Mitgliederversammlung
eines Tennisvereins soll über
den neuen Grill abgestimmt
werden. Eine nicht allzu komplizierte
Sache sollte man meinen,
bis es den Vorschlag gibt,
einen zusätzlichen Grill für das
einzige türkische Mitglied des
Vereins zu besorgen, damit dieser
nicht vom Schweinefleischgrill
essen muss. Es entbrennt
eine Diskussion, die sich schnell
nach oben schraubt. Die Grenzen
zwischen links und rechts,
tolerant und intolerant, religiös
und nicht-gläubig verschwimmen.
Das Publikum wird Zeuge
dieser Eskalation.
Gezeigt wird die Komödie in
der Außenspielstätte des Wallgrabenthaters
in der Munzinger
Straße 2. Weitere Termine:
8./9./11./12./13./15./16./18./19./
20./22./23./24./25./26./27./29./
30. Juni jew. 20 Uhr.
„Extrawurst“,
Foto: Wallgrabentheater Freiburg
„Operette sich wer kann“ Freiburg
In ihrer neuen Produktion,
welche nach langem Warten
nun endlich am 11. Juni, 20 Uhr
im Musiktheater i E-werk Premiere
hat, bringen die „Schönen“
ausufernde Lebenslust auf
die Bühne. „Operette sich wer
kann“ spielt mit der Absurdität
der Operette und präsentiert
vorbehaltlos, was an gehobenem
Unsinn und frechen Anzüglichkeiten
in ihr steckt. So wird die
Operette wieder zu dem, was
sie ursprünglich war: eine vitale
und vitalisierende Kunstform,
welche die Lage der Welt mit
süffisanter Leichtigkeit kommentiert
- gestern so wie heute.
Zeitgemäß arrangiert, bieten die
Ausschnitte u.a. aus der „Blume
von Hawaii“ (Paul Abraham),
aus dem „Weißen Rössl“ (Ralph
Benatzky) oder der „Fledermaus“
(Johan Strauß) jede Menge
Operettenspaß. Serviert werden
die Lieder und Szenen von
Katrin Mayer (Sopran), Rubén
Olivares (Tenor) und Max Langer
(Klavier). Sie gehen mit
Herzschmerz, Witz, Ironie und
Kitsch auf eine musikalische
Reise zwischen Waikiki, Berlin,
Wien und Varazdin.
Mit dabei als schlagfertiger
Operettenführer
ist Klaus Gülker.
Weitere Termine: 11.
I 18.6, jew. 20 Uhr;
19.6., 19 Uhr. Karten:
www.dieschoenen.
com
„Operette sich wer
kann“ Foto: Doreen Eich
„Prisma“ Freiburg
Das Farb- und Klangspiel
„Prisma“ vom Theater K widmet
sich der Farbenlehre und
der Frage ob weiß und schwarz
Farben sind, denn weißes Licht
hat alle Farben in sich. Dabei
werden die Farbtöne einzeln angeschaut,
denn vielleicht wirkt
rot für die Einen anders als für
die Anderen?
Premiere: 3. Juni, 20 Uhr im
Südufer. Weitere Termine: 4. I
5. Juni jew. 20 Uhr, 6. Juni, 18
Uhr.
Jubiläum im Open-Air Format
Die Freiburger Lesbenfilmtage werden dreißig Jahre alt!
Das dreißigste Jubiläum der
Freiburger Lesbenfilmtage,
eins von vier Festivals dieser
Art in Europa, fällt mitten
in den Corona-Sommer. Um
trotzdem stattfinden zu können,
haben die Veranstaltenden
ein Open-Air Programm mit
Online-Alternative entworfen.
An fünf aufeinanderfolgenden
Tagen werden internationale
Produktionen des lesbischen
Films gezeigt. Darunter sind
Spielfilme, Kurzfilme und Dokumentationen.
Das Publikum
kann die besten Filme wählen,
welche anschließend mit
der „Goldenen Tanna. Bester
Langfilm“ und „Goldene Tanna.
Bester Kurzfilm“ ausgezeichnet
werden. Beide Preise
sind mit 400 Euro dotiert.
Dieses Jahr stehen unter anderem
der Dokumentarfilm
„Uferfrauen – Lesbisches L(i)
eben in der DDR“ von Barbara
Wallbraun, der türkische
Spielfilm „Love, Spells and all
That“ von Ümit Ünal und die
Dokumentation „Welcome to
Nachdem letztes Jahr die
SFF Corona-bedingt verschoben
werden musste, kann sie
jetzt im Rahmen des Sommernachtskinos
Freiburg stattfinden.
Die Schwule Filmwoche
Freiburg (SFF) besteht seit
1985 und ist damit das älteste
schwule Filmfest Deutschlands.
Sie wurde von der Aktionsgruppe
Rosa Telefon, der
heutige Rosa Hilfe Freiburg
e.V., ins Leben gerufen, um
schwulen Filmen ein Publikum
zu bieten. Damals wurden
diese in regulären Kinos
kaum bis gar nicht gezeigt. Die
SFF war bis 2000 im Kino des
Alten Wiehre Bahnhofs beheimatet,
doch aus Platzgründen
zog sie in das Kino Kandelhof,
wo sie bis heute stattfindet. Im
Schnitt umfasst das Programm
Chechnya“ von David France
auf dem Programm. „Welcome
to Chechnya“ begleitet
die LGBTQI+ Aktivist*innen
David Isteev und Olga Baranova.
Isteev und Baranova riskieren
täglich ihr Leben, um
Menschen auf der Flucht aus
Tschetschenien zu unterstützen.
Dort ließ die Regierung
2017 Schwule, Lesben und
Bisexuelle verhaften und folterte
sie auf weitere LGBTQ+
Menschen aufzudecken. Viele
der Inhaftierten sind seitdem
verschwunden, wurden getötet
oder sind nach ihrer Freilassung
auf der Flucht. Der
mehrfach ausgezeichnete USamerikanische
Dokumentarfilmer
David France begleitete
die Aktivist*innen über mehrere
Monate.
Die Freiburger Lesbenfilmtage
laufen vom 31. Mai bis
6. Juni. Weitere Infos und Tickets
unter www.freiburgerlesbenfilmtage.de
oder an der
Abendkasse.
„Uferfrauen - Lesbisches L(i)eben in der DDR“ Foto: Freiburger Lesbenfilmtage
Die Schwule Filmwoche Freiburg
Open-Air Sommernachtskino im Freiburger Schwarzen Kloster
der SFF bis zu fünfundzwanzig
Langfilme und viele weitere
Kurzfilme, darunter viele
Deutschlandpremieren. In der
Regel sind die Filme in Originalfassung
mit Untertiteln zu
sehen und können seit 2008
von den Zuschauer*innen mit
dem Publikumspreis geehrt
werden. Dieses Jahr sind sind
wieder spannende Filme aus
aller Welt dabei. Darunter das
französische Sommerabenteuer
„Été ‚85“ von François Ozon,
der Historienfilm „Charlatan“
von Agnieszka Holland, welcher
in die 1950er Jahre der
Tschechoslowakai eintaucht
und das iranisch-deutsche
Drama „Futur Drei“ von Faraz
Shariat. „Futur Drei“ erzählt
die Geschichte des iranischdeutschen
Parvis, der im komfortablen
Wohlstand seiner
iranischer Einwanderer-Eltern
in Hildesheim aufwächst und,
von der Familie akzeptiert, offen
schwul lebt. Wegen eines
Ladendiebstahls muss Parvis
Sozialstunden als Übersetzer
in einem Wohnheim für Geflüchtete
ableisten. Dort trifft
er auf die aus dem Iran stammenden
Geschwister Amon
und Banafshe. Es entwickelt
sich eine fragile Freundschaft,
in der Parvis und Amon immer
mehr zueinander finden.
Schwule Filmwoche Freiburg:
7. bis 13. Juni. Weitere
Infos und Tickets unter https://
schwule-filmwoche.de/ oder ab
dem 31. Mai zwischen 18 und
20 Uhr an der Kasse in der
Harmonie, Grünwälderstr. 16.
Naturklänge Freiburg
Beethoven konnte anhand des
inneren Hörens nach seiner Ertaubung
weiter komponieren. Es
entstand die Pastorale, welche
von den Stimmen und Klängen
der Natur inspiriert ist. Die Welt
der Naturklänge zu entdecken,
ist das Ziel der Entdeckungsreise
des Waldhauses: das Rauschen
des Windes, das Vogelgezwitscher
oder das Geplätscher
des Bachs dienen dazu, das
innere Hören zu erproben. Im
Anschluss wird das Erlebte in
kleine grafische Naturpartituren
gefasst, gemeinsam mit
der Musikerin Pyong-Ahn Eun
(Komposition, Musiktheorie,
Klavier).
Veranstaltung: 20. Juni, 14
- 16 Uhr. Anmeldeschluss: 11.
Juni. Weitere Infos: www. waldhaus-freiburg.de.
Filmstill aus dem
französischen
Sommerabenteuer
„Été 85“ von
François Ozon
Foto: Wildbunch
VERANSTALTUNGEN KULTUR JOKER 39
Lahr lädt ein
Das neue Format „Villa Jamm Artists“ verbindet Kunst und
Publikum auf vielfältige Weise
Die historische wie idyllische
Villa Jamm in Lahr
verwandelt sich diesen Sommer
in eine Produktions- und
Begegnungsstätte der Künste.
Bis Mitte Oktober findet dort
das Residenzprogramm „Villa
Jamm Artists“ statt. Eine Einladung
an Kulturschaffende
aller Kunstsparten. In der Öffentlichkeit
gelegen, dient das
Projekt auch dem unmittelbaren
Austausch mit allen interessierten
Besucher*innen. Sie
und die Künstler*innen profitieren
beide vom zwanglosen,
spartenübergreifenden Zugang,
der zu einem abwechslungsreichen
Programm zwischen
Konzert, Opernaufführung,
Performance, Installation,
Ausstellung und Workshop
führt. 136 Künstler*innen sind
an den 27 Produktionen und
über 100 Workshops beteiligt.
Hinter dem neuen Format steht
die Opernsängerin, Lahrer
Kulturamtsleiterin und Gründerin
des Vereins „Zukunft
Kultur“ Cornelia Lanz.
Kommende Highlights sind
die inklusive Musik-Tanz-
Installation „infect“ der freien
bühne stuttgart und der
Tanzkompagnie Szene 2wei
mit ihrem vielseitigen Profil
zwischen Kunst, Musik,
Lichtkunst, Performer*innen
mit und ohne Behinderung und
verschiedenen Orten Lahrs.
Maximal unvorhersehbar.
(30./31. Juli) Die Uraufführung
„tō‘bo – Libelle“ der Komponistin
Saskia Bladt für Ensemble
und Flugzeug ist ebenfalls
maximal ungewöhnlich. Anlässlich
des 50. Jahrestags der
Umsiedlung und Neugründung
Die Villa Jamm
Foto: Stadt Lahr / Bamberger
SZENE 2WEI, inklusive Choreographie
Foto: Simon Wachter
Mario Moronti: „Barfuß am Himmel
der Anderen“ Foto: Mario Moronti
des Lahrer Ortsteils Langenwinkel
spiegelt das Stück
Zeitgeschichte. 1971 wollten
die Menschen aufgrund eines
NATO-Flugplatzes dem Lärm
entkommen und siedelten deshalb
um. (2. Oktober)
Besucher*innen im Juli erwartet
unter anderem eine ganze
Konzertreihe, die sich dem
Naturinstrument des Horn
widmet. Das Horn wird in
seinen verschiedenen Ausprägungen
präsentiert (6. Juni, 17
Uhr), als Alphorn im kleineren
(13. Juni, 11-16.30 Uhr) oder
größeren Ensemble gespielt
(13. Juni, 17 Uhr). Ungewöhnliche
Vertonungen zwischen
Händel und Jazz folgen am 25.
Juni, 17 Uhr, ehe am 26. Juni,
17 Uhr „Sinnliche Weltmusik“
auf dem Programm steht. Abgerundet
wird das Hornprogramm
durch die Begegnung
von Maultrommel mit Volksund
klassischer Musik am 4.
Juli, 17 Uhr.
Sämtliche Aufführungen finden
open-air im Musikpavillion
im Stdtpark Lahr statt, bei
schlechtem Wetter im Parktheater.
Weitere Informationen:
www.kultur.lahr.de
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