flip-Joker_2021-06
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10 KULTUR JOKER KUNST
Wie richtige Bilder
Das Museum für Neue Kunst Freiburg widmet Friedmann Hahn eine Ausstellung
Es war wohl nur eine Frage
der Zeit bis Friedemann Hahn
Bob Ross entdecken würde. Der
bekannte TV-Star hat unzählige
zu Hobbymalern gemacht. Jeder,
so war sein Credo, ist in der
Lage ein Bild zu malen. Und so
hat nicht nur er, sondern auch
die Besucher seiner Kurse und
die Zuschauer seiner Fernsehsendungen
unzählige kitschige
Sonnenauf- und -untergänge
sowie das bekannte Spektrum
idealtypischer amerikanischer
Landschaften reproduziert.
„Make it look like a real painting“
lautete sein Slogan. Diese
unerschütterliche Gewissheit
etwas zu schaffen, was wie ein
richtiges Bild aussieht, muss
für Maler zumindest ambivalent
sein. Bei Friedemann Hahn
jedoch kommt hinzu, dass der
ehemalige Dreher-Schüler
sich an Illusionisten aller Art
abarbeitet: Filmschaffende,
Literaten und die Landschaft.
Die Auseinandersetzung mit
unserem kulturellen Archiv einerseits,
andererseits wirkliche
Bilder zu schaffen, könnte eine
Lebensaufgabe sein.
Friedemann Hahn geriet vor
einigen Jahren dann doch in
eine Schaffenskrise. Er rettet
sich aus ihr durch das Schreiben,
was immer seine zweite
Lebensaufgabe war und durch
die Auseinandersetzung mit
Vorbildern. In der Ausstellung
Friedemann Hahn „Foresta
Nera“, die derzeit im Museum
für neue Kunst gezeigt wird,
sind also einige neue Arbeiten
zu sehen. Und auch die beiden
Bilder „Bergsee“ (2003) und
„Foresta Nera“ (2009) sind
darunter. Wüsste man nichts
von diesem Einfluss, man sähe
darin ein Exempel der malerischen
Mittel Friedemann
Hahns. Eine grüne, mit Ocker
und Blau durchzogene Fläche
durchbricht etwa in der horizontalen
Mitte das Bild. Vor
ihr scheinen die senkrechten
Pinselstriche zurückzutreten,
an denen kurze Zweige sind.
Die Grundfarbe ist von einem
tiefen Blau. Wer hier einen
Bergsee sehen will, sieht ihn,
doch man hat es eben auch mit
abstrakter Malerei zu tun. Die
kleine Einzelschau, die das Museum
dem Künstler widmet, der
lange mit dem Schwarzwald
verbunden war, ihn seit einigen
Jahren nun schon mit Norddeutschland
eingetauscht hat,
wirkt wie eine Studienausstellung.
Manche der Bilder lehnen
an Tischen ausgestellt an
der Wand, vor sich die entsprechenden
Kataloge zum Weiterlesen.
Und zugleich schafft sie
Zusammenhänge, etwa indem
sie seine malerischen Auseinandersetzungen
mit Filmplakaten
zusammen zeigt.
Das alles ist noch immer
großes Pathos. Man erinnere
sich an die Bilder erhabener
Kinomomente, die Friedemann
Hahn stürmisch und plakativ
malte. Nun sind sie anderen
Figuren gewichen, etwa dem
Kriminalautor Friedrich Glauser,
dem Mordopfer Elisabeth
Short, dem japanischen Autor
Yukio Mishima. Sie kannten
sich mit etwas aus, was vermutlich
nicht in Bob Ross‘ Wortschatz
vorkam, dem Scheitern.
Foresta Nera. Eine Ausstellung
zu ausgewählten Werken
von Friedemann Hahn. Museum
für neue Kunst, Marienstr.
10a, Freiburg. Di-So 10-17
Uhr, Do 10-19 Uhr. Bis 29. August.
Weitere Infos zur Corona-
Lage unter freiburg.de/museen
Annette Hoffmann
Friedemann Hahn: „Der Tod des Malers“, 2020
Foto: Ina Steinhausen
Der Untergrund als Erfahrungsraum
Die Galerie Marek Kralewski zeigt mit der Ausstellung „Raum ohne Fenster“ die Arbeiten des Künstlers Jochen Damian Fischer
Die Galerie Marek Kralewski
scheint aktuell sowohl
tagsüber als auch nachts geöffnet
zu sein. Von der Basler
Straße aus gesehen, zieht ein
beleuchteter Kreisausschnitt
die Aufmerksamkeit der Fußgänger
auf die rote Flügeltür
der Galerie im Innenhof. Der
ansonsten offene Ausstellungsraum
wirkt in diesen Tagen
kleiner, intimer und zum Teil
überraschend beklemmend.
In der aktuellen Ausstellung
„Raum ohne Fenster“ mit Arbeiten
von Jochen Damian Fischer
transportiert der Künst-
Schopfheimerstraße
2
ler die unwirtliche Umgebung
des urbanen Untergrundes in
die Räume der Galerie.
Aufgewachsen in der Subkultur
setzt sich der Künstler
schon seit Jugendjahren intensiv
mit gesellschaftlichen Themen
wie Isolation, Untergrund
und der Position des Menschen
in einer sich zunehmend von
ihm entfremdenden Umwelt
auseinander. Er begegnet den
sich aus diesem Themenkomplex
ergebenden existentiellen
Fragen mit einer unbequemen
und gattungsübergreifenden
künstlerischen Arbeit zwischen
Installation, Bildhauerei
und Architektur.
Dabei bedient er sich vornehmlich
an Elementen des
urbanen Umfeldes: Aus Materialien
wie Beton, Metall und
tiefschwarzer Offsetfarbe entstehen
in seinen Werken Parallelwelten,
die die Erlebniswelt
des Künstlers für sein Publikum
direkt erfahrbar machen.
Eine große, raumbestimmende
und -bildende Installation,
die eigens für diese Ausstellung
konzipiert wurde, teilt
Jochen Damian Fischer: „Höhle“ 2010
die Präsentationsfläche in zwei
separate Räume und entfaltet
in Verbindung mit der Projektion
der Arbeit subterran eine
ungeheure Sogwirkung. Über
die Eisenstufen der begehbaren
Installation gelangt man
in einen intim abgedunkelten
Raum, wo die Besuchenden atmosphärisch
beleuchtete Bronzearbeiten
erwarten. Sie sind
als eigenständige Kunstwerke
zu verstehen, welche das architektonische
Raumverständnis
des Künstlers verdeutlichen
Foto: Jochen Damian Fischer
und mit ihren einzigartigen
Raumkonzeptionen ein Wechselspiel
zwischen Partizipation
und Isolation anstoßen.
In der Ausstellung stellt Jochen
Damian Fischer jedoch
nicht nur aktuelle Werke vor,
sondern gibt anhand sorgfältig
ausgesuchter und kombinierter
Objekte auch einen Überblick
über sein abwechslungsreiches
und doch homogenes OEuvre.
So entführt der Blick in einen
Lichtbildbetrachter die Besuchenden
in die klaustrophobische
Enge eines Kanalrohrs
und bietet so die Möglichkeit,
die ansonsten unzugängliche
Arbeitshöhle zu erleben,
wo zerlaufene Quadrate aus
schwarzer Offsetfabe Erinnerungen
an archaische Höhlenmalereien
wachrufen. Diese
frühe Installation kontrastiert
der Künstler mit der Arbeit
„re-carré“. Die vier rechteckigen
Platten, grundiert mit
derselben Offsetfarbe, kombiniert
mit den Überresten
der zerstörten Arbeit „carré“,
bieten Anreiz über Wandel,
Symbiosen und Vergänglichkeit
zu sinnieren und spannen
so einen Bogen von den frühen
zu den aktuellen Werken des
Künstlers.